Gravitationslinsen zum genauen Blick in die Vergangenheit

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Das Heidelberger Forschungsteam um Dominik Riechers hat eine sehr junge Galaxie kartiert. Das Geniale: Sie befindet sich in einer Entfernung von 12.2 Milliarden Lichtjahren! Das heißt, sie ist sozusagen "kurz nach dem Beginn des Universums" (vor 13.7 Mrd. Jahren laut kosmologischem Standardmodell) entstanden. Obwohl die Galaxie so weit entfernt ist, gelang an ihr die Beobachtung der Verschmelzung zweier Galaxien unter Bildung eines Quasars. Was man also konkret beobachtet, ist die Bewegung von Materie in ein Schwarzes Loch, wobei Energie in Form von Strahlung frei wird.

Wie das geht?

Nun pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass wir mit Teleskopen in die Vergangenheit blicken (ein Traum für Historiker! Wink), da das Licht eine endliche Laufzeit hat. Bei den großen Distanzen im Universum heißt das also, dass wir ferne Galaxien nicht in ihrem aktuellen Zustand sehen können, sondern nur in dem Zustand, den sie vor einer gewissen Weile hatten, als das Licht dort loslief. Da die Galaxie so weit entfernt ist, sehen wir hier also in eine sehr frühe Phase des Universums.

Problem: Wenn etwas sehr weit weg ist, dann sehen wir es normalerweise sehr klein und können wenige oder keine Details erkennen.

Die genannte Galaxie wurde aber nicht nur mit einem Teleskop aus der Hand menschlicher Ingenieure beobachtet, sondern hier kam den Radioantennen des VLA (New Mexico) ein natürliches Teleskop zu Hilfe: eine so genannte Gravitationslinse.

Gravitationslinsen zeigen uns nicht nur vergrößerte Bilder der gelinsten Objekte, sondern sie machen die Bilder auch heller. So konnten in dieser sehr frühen Galaxie mit natürlicher Hilfe auch Sternentstehungen und die Umgebung des Schwarzen Loches beobachtet werden.

Wie alt die Galaxie ist, weiß man noch nicht

Vermutlich wird man finden, dass sie zwischen 1.0 bis 1.2 Gigalichtjahren alt ist, aber genau wissen, kann man es erst nach weiteren Beobachtungen.

Möglichkeiten zur Altersbestimmung für Galaxien sind a) Altersbestimmung der ältesten Sternpopulation (mit der spektralen Energieverteilung) oder b) Untersuchung des Isotopenverhältnisses des interstellaren Gases. Bei dieser Galaxie ist Methode a) nicht möglich, weil einerseits der helle galaktische Kern die wichtigsten Sternemissionen überstrahlt und andererseits die zahlreichen jungen Sterne (Starburst!) den Fluss dominieren. Die weitere Forschung zur Altersbestimmung wird sich also auf Methode b) konzentrieren.


1. ausführlicher:

http://www.mpia.de/Public/menu_q2.php?Aktuelles/PR/2008/PR081020/PR_081020_de.html

Diese Pressemitteilung enthält jedoch eine kleine Missverständlichkeit: Die Galaxie ist natürlich deutlich jünger als 1.5 Mrd Jahre, denn das ist das Alter des Universums zum beobachteten Zeitpunkt.

2. Weiteres über Gravitationslinsen und Quasare: 

aktuelles SuW 11/2008: Cécile Faure, Janine Fohlmeister: Galaxien als natürliche Teleskope, S. 44 ff.

3. SuW 10/2008 Quasar unter der Lupe

4. Fachartikel:

Dominik A. Riechers, Fabian Walter, Brendon J. Brewer, Christopher L. Carilli, Geraint F. Lewis Frank Bertoldi und Pierre Cox: »A Molecular Einstein Ring at z = 4.12: Imaging the Dynamics of a Quasar Host Galaxy Through a Cosmic Lens«, ApJ 686, S. 851 [2008]

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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