Archäoastronomie in Berlin
BLOG: Uhura Uraniae
Nach der DPG im März und der DGGMNT letzte Woche tagte nun auch die Gesellschaft für Archäoastronomie (DfA) (weblink) in Berlin an der TU.
Dabei geht es um Horizontastronomie in den vorschriftlichen Kulturen sowie auch um Licht- und Schattenspiele in Kirchen und anderen Bauten. Wie oft bei solchen Konferenzen war das Spektrum der Themen weit gefächert sein – es gibt auf diesem Feld Hobbyforscher und Profis und so waren auch Menschen verschiedenster Couleur dabei: HochschulprofessorInnen und Hobby-Grabungshelfer, Hobby-Astronomen und Heimatforscher, Volkhochschullehrer und Doktoranden… alles, was dieses interdisziplinäre Feld so bietet: Eine relativ kleine, aber sehr intensive Konferenz mit interessanten Diskussionen.
An der University of Wales gibt es einen Master-Studiengang Cultural Astronomy and Astrology, von dem zwei VertreterInnen vortrugen.
Dabei wurde das komplizierte Feld der interdisziplinären Zusammenarbeit von Kultur- und Naturwissenschaft skizziert, das inbesondere in der Archäoastronomie auf rege Diskussion stösst: Es gibt Archäologen und Kunsthistoriker, die mit Physik nicht viel anfangen können und es gibt Physiker, die etwas mitleidig und desinteressiert auf die Archäologie blicken… Ich persönlich bin inzwischen der Meinung, dass die Debatte nur Polemik ist: Ja, es ist wahr, dass es viele Negativbeispiele gibt – aber es ist auch wahr, dass es viele Positivbeispiele gibt: Ich selbst habe an beiden Fakultäten studiert und kann daher beide Denkweisen verstehen und weiß, dass es auf beiden Seiten sehr reservierte und sehr offene Leute gibt. Ich finde daher, man muss es einfach immer und immer wieder probieren mit der Zusammenarbeit – und klappen wird es stets nur mit den aufgeschlossenen Leuten: Das ist so wie überall im Leben von Menschen: Man arbeitet mit denen, die einen so wie man ist, akzeptieren und respektieren – und mit den anderen eben nicht. Es müssen also im grunde nur die richtigen Charaktere, die richtigen Individuen aufeinander treffen, gegenseitiges Vertrauen entstehen und schon klappt’s und kann man alles erreichen!
Überall, wo Menschen sind, menschelt es.
Am Donnerstag Abend gab es um 20 Uhr einen öffentlichen Abendvortrag: Der Sternwartenleiter von Recklinghausen, Dr Burckhard Steinrücken, referierte über die Astronomie der Kelten: Es ist zwar fraglich, ob in der Öffentlichkeit über die Kelten mehr bekannt ist als das, was man von Asterix und Obelix hört, aber dass sie Himmelskundler hatten, daran müssen wir dennoch nicht zweifeln.
Hier die offizielle Vortragsankündigung: “Seit dem 7. Jahrhundert vor Christus entwickelte sich in der Mitte Europas die keltische Kultur. Gab es bei den Kelten bereits eine hochentwickelte Astronomie, ein Kalenderwesen und die Bezugnahme auf besondere Himmelsereignisse? Gibt es überhaupt Quellen, schriftliche oder archäologische, die darauf heute noch schließen lassen? Im Vortrag wird eine Annäherung an diese schwierige Fragestellung versucht. Verschiedene, durchaus umstrittene Beispiele und neuere Interpretationsansätze für eine keltische Astronomie werden vorgestellt, diskutiert und bewertet.”
Neben diesem, natürlich sehr unterhaltsam gestalteten Abendvortrag gab es aber an den folgenden drei Tagen auch eine Fülle von Vorträgen mit einem sehr weiten Themenspektrum. Da ging es z.B. um:
- erotische versus astronomische Deutung des Märchens vom Froschkönig bzw. die erotische Interpretation von astronomischen Phänomenen
- techische Reproduktion von Beobachtungen der Mondwenden
- Sonnenaufgänge an Bergflanken in der Schweiz und wunderschöne Fotos davon
- ethno-astronomischen Fragen wie Chancen, Schwierigkeiten und Nutzen von emotionalen Reaktionen von Menschen und irrationale Verknüpfungen, gegen die sich fühlende Wesen kaum wehren können, weil sie einfach “passieren”
- Sonnenuhren, Megalithkreise, Kreisgräben u.a.
- Orientierung von Kranichen (u.a. Zugvögeln) anhand der Sterne und deren Beobachtung zur durch die prähistorischen Ahnen,
- den pan-europäischen Gedanken, der durch gemeinsame Internet-verbundene Sonnenwendbeobachtungen am “Tag der Archäoastronomie” überall in Europa gestärkt wird,
- Lichtspielen in Kirchen, Klöstern und hinter Hinkelsteinen in den Wäldern … , die insbesondere die Steine lebendig wirken lassen oder Lebewesen (z.B. einen goldenen Schmetterling) zur Sommersonnenwende auf einem Stein im Wald in Italien aufleuchtet und andere Lichteffekte
- und die sehr umstrittene astronomische Deutung des Goldhuts im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte wurde besucht und diskutiert – das Objekt kann auch einfach eine Krone sein, d.h. ein pures Machtsymbol und es gibt keinen Anhaltspunkt, warum er astronomisches Wissen verkörpern sollte, wie es das Museum “verkauft”.
Kontroverse Diskussionen entbrannten über Methoden und Interpretationsprobleme von Dingen, die keine Schriftzeugnisse hinterlassen haben. Wichtig ist aber, dass die Sache überhaupt diskutiert wird, denn nur so kann man voneinander lernen und nur durch das Zusammenarbeiten von Leuten verschiedener undgründlicher fachlicher Expertise (wie Archäologie, Historischer Forschung und Astronomie) kann dieses stark interdisziplinäre Feld letztlich auch fundiert bearbeitet werden und in absehbarer Zeit zu neuen Erkenntnissen führen.
Da die Tagung am Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TU stattfand, wurde nebenbei noch dessen Gerätesammlung beäugt und diskutiert:
Pan-Europäische Kulturgeschichte als Motivation
Die noch relativ junge Gesellschaft für ArchäoAstronomie steht in Deutschland noch mitunter unter dem Verdacht der Nazi-Vergangenheit, was ein Problem ist. Der internationale Tag der Archäoastronomie (Sommersonnenwende) zeigt aber, dass wir in dieser Hinsicht unsere Sorgen abstreifen dürfen und sollten:
kleines Manko: Die Tagungsbeiträge sind noch sehr gemischt, d.h. man hat niveauvolle und weniger niveauvolle Beiträge. Auch hier ist die relative junge Gesellschaft GfA in Deutschland noch in einer gewissen Selbstfindungsphase. Sie ist ein Verein, ok – aber das sagt ja nichts. Es ist mir noch nicht ganz klar, ob es ein Verein werden soll, wo jede/r reindarf, unabhängig vom fachlichen Niveau (wie die VdS e.V., wo alle mitmachen dürfen) oder ob es eine eher wissenschaftliche Gesellschaft werden soll wie die DPG oder die Astronomische Gesellschaft (AG). Ich finde aber, das tut der Sache an sich keinen Abbruch, denn Wissenschaft braucht beides: die Sammler und die Analytiker. An den Unis definiert sich Wissenschaftlichkeit meist durch gute Analyse – aber man braucht auch erstmal ein Grundwissen an Dingen, die man analysieren kann. Gerade in diesem Bereich leisten Heimatforscher und andere “Sammler” eine wichtige Zuarbeit zur Wissenschaft.
Dass diese Parade von europäischen Licht- und Schattenspielen ausgerechnet am Berliner Festival of Light stattfand, war Garant für eine interessante Kulisse vom Dach der TU.
Danke für die ausführliche und objektive Darstellung der Jahrestagung. Ich kann da in allen Punkte mitgehen.
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