Pandemie-Aufarbeitung ja bitte! Aber bitte nicht selektiv

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… aber nicht einfacher
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Wir sind derzeit in einer öffentlichen Diskussion dazu, dass bzw. wie wir als Gesellschaft die Corona-Pandemie und unseren Umgang damit aufarbeiten sollten. Allerdings finde ich zum Teil regelrecht erschreckend, wie einseitig die bisherige Diskussion dazu in den Medien läuft. Dieser Tagesschau-Beitrag hier zeigt sehr gut, was mich stört.

Schreenshot des erwähnten Tagesschau-Beitrags: Habeck als Aufhänger, aber das Framing dann nur noch auf etwaige zu strenge Maßnahmen bezogen
Bild: Schreenshot des erwähnten Tagesschau-Beitrags: Habeck als Aufhänger, aber das Framing dann nur noch auf etwaige zu strenge Maßnahmen bezogen

Anlass sind Äußerungen von Wirtschaftsminister Habeck zur Aufarbeitung der Pandemie-Zeit, und ab da wird es merkwürdig. Denn zumindest die zitierten Äußerungen selbst sind einigermaßen neutral. Das Zitat “Ich finde es überhaupt nicht ehrenrührig, wenn man sagt, die Corona-Zeit muss noch einmal angeschaut werden und aufgearbeitet werden” könnte ich ohne weiteres auch selbst unterschreiben.

Was der Tagesschau-Beitrag daraus macht, ist allerdings klar auf einen Teilbereich der Aufarbeitungs-Notwendigkeiten beschränkt. “Schulschließungen, Maskenpflicht und Lockdown: Die Beschränkungen während der Corona-Pandemie waren teils heftig umstritten” steht in der Zusammenfassung. Und sicher ist das etwas, das man sich rückblickend systematisch anschauen sollte. Aber natürlich bei weitem nicht das einzige. Der verlinkte Video-Beitrag dazu ist noch einseitiger. Der beginnt allen Ernstes mit “Corona. Die Zeit abgesperrter Spielplätze, geschlossener Geschäfte und leerer Schulen.” Hm. Fehlt da noch ein bisschen etwas? War das nicht auch irgendwie eine Zeit, in der viele Leute auf der Intensivstation gelandet sind? An Beatmungsmaschinen hingen? Und eben auch 180.000 gestorben sind, inklusive rund 9000 unter-Sechzigjährige? Dass dieser Teil in einer Reihe von Medienberichten so gut wie komplett ausgeblendet wird, finde ich einfach krass. Und es reiht sich ja leider ein in eine ganze Menge von Einseitigkeiten der aktuellen wie der vergangenen Diskussionen. Gute Aufarbeitung geht anders.

Der Elefant im Raum: Was lief im Winter 2020/2021 schief?

Wer meine bisherigen Blogbeiträge zur Corona-Zeit gelesen hat, weiß, dass ich insbesondere die Zögerlichkeit der offiziellen Entscheider während der Phase Herbst 2020 bis Anfang 2021 fatal fand (und nach wie vor finde). Zur Erinnerung: Das war, bevor die Impfung für weite Teile der Bevölkerung zugänglich wurde, aber es war zu einer Zeit, wo außerdem absehbar war: das mit der Impfung dauert nicht mehr lange. Mit anderen Worten: In jener Zeit war klar, dass jede Reduktion der Infektionszahlen weitreichende Folgen haben dürfte. Dass jede Reduktion zu jener Zeit eben nicht ein Hinausschieben zu “erkrankt man nicht jetzt, dann erkrankt man halt später” war, sondern gerade für diejenigen, die besonders gefährdet für einen schweren Verlauf waren, den Unterschied bedeuten konnte zwischen einer Erkrankung selbst und einer Erkrankung nach erfolgter Impfung später – und damit für viele eben wirklich zwischen Leben und Tod.

Es war auch eine Zeit, wo es aus der ersten, erfolgreich eingedämmten Welle deutliche Anzeichen dafür gab, dass sich die Infektionsrate mit entsprechenden Maßnahmen senken ließ. Schließlich war die erste Welle ja gebrochen worden, und auch wenn man im Detail nicht wusste, welche der Teil-Maßnahmen dafür entscheidend und welche vielleicht nur weniger wichtig waren: Im Ganzen hatte es geklappt mit der Eindämmung.

Tja. Und dann war es noch die Zeit, wo die Politik sehr zögerlich war, das Maßnahmenpaket aus der ersten Welle wieder in Stellung zu bringen. Wohlgemerkt nicht, weil die erste Welle samt Gegenmaßnahmen die Wirtschaft an den Rand des Ruins getrieben hätten. Im Gegenteil: im Sommer 2020 hatte sich z.B. der ifo-Geschäftsklima-Index weitgehend vom Frühlings-Pandemie-Schock erholt. Die Erwartungen zur Geschäftslage waren sogar höher als im Sommer vor der Pandemie. Was allerdings seit dem Frühjar lauter und in den Medien präsenter geworden war, waren Bedenken über die negativen Folgen, wenn noch einmal ein Lockdown nötig werden würde. Und offenbar reichten diese Bedenken aus, um den ganz realen Anstieg der Corona-Fallzahlen und -Sterbezahlen (und die sich daraus ergebenden Bedenken) bei den Entscheidungsträger*innen aufzuwiegen. Denn was dann passierte, bzw. eben nicht passierte, haben wir ja damals alles in den Nachrichten verfolgen können: Ringen in der Ministerpräsidentenkonferenz um jede Maßnahme. Zeiten, wo man sich offenbar nicht mal mehr auf den nächsten MPK-Termin einigen konnte, oder auch mal eine Sitzung ausfallen ließ. Fallzahlen und Sterbezahlen, mit denen wir die ursprüngliche Welle im Frühjahr 2020 weit hinter uns zurückließen. Und, zumindest an der Handlungsfreudigkeit und an dem was geschah bzw. nicht geschah gemessen, Politiker*innen, die mit dieser Entwicklung offenbar kein großes Problem hatten.

Die Sache mit den Zehntausenden vermeidbaren Toten

Ich hatte vor knapp 3 Jahren, im April 2021, versucht, zumindest ungefähr abzuschätzen, wie es die Lage geändert hätte, wenn die dann Anfang 2021 tatsächlich getroffenen Maßnahmen bereits im Herbst/Winter 2020 getroffen worden wären – konkret: Wie die Entwicklung weitergegangen wäre, wenn wir die effektiven R-Werte von Anfang 2021 bereits im Herbst/Winter 2020 hätten herbeiführen können. Konservativ geschätzt bin ich damals auf 30.000 vermeidbare Tote gekommen. So etwas wäre in vermutlich jedem anderen Zusammenhang ein Skandal gewesen. Eine Regierung, die durch ihr Handeln bzw. ihr Unterlassen den Tod Zehntausender ihrer Staatsbürger*innen verursacht, ist alles andere als eine Lappalie, und ich schüttle beim Schreiben jenes Satzes gerade ungläubig den Kopf, dass es eine Zeit gibt, in der ich es für nötig halte, solch eine Selbstverständlichkeit überhaupt zu aufschreiben. Dass die Winterwelle jetzt auch in der Diskussion zur Aufarbeitung so stiefmütterlich behandelt wird, ist dann das i-Tüpfelchen.

Um so mehr hat mich gefreut, entsprechende Aussagen dann auch einmal von jemand anderem zu hören, der üblicherweise (und verdienterweise) eine größere Reichweite hat. Ich spreche von dieser Podiumsdiskussion hier, Teil des Symposiums “Expertise unter Druck” am 29. Februar 2024 in der Bucerius Law School, einer Veranstaltung von Zeit Stiftung Bucerius, Klaus Tschira Stiftung und scicomm support.

Ab etwa Minute 46 schildert Drosten seine Wahrnehmung der Diskussion um die Winterwelle 2020/2021 und wird dabei sehr deutlich. Ich empfehle das Anschauen des oben verlinkten YouTube-Videos, denn das war auch allgemeiner eine interessante Diskussion. Worum es mir jetzt, hier, konkret geht sind diese Passagen von Drosten hier: “Wir hatten damals [so einen] öffentlichen Diskurs, der stark von Meinungen geprägt war, wo also wirklich einfach gesagt wurde, wer weiß ob [die Winterwelle] kommt, ich bin davon nicht überzeugt. Und da muss man sich schon fragen: mit welchem Recht […] sagt eigentlich jemand er ist davon nicht überzeugt, hat der die Daten nicht angeschaut? Denn [es] war offensichtlich, es war trivial zu sehen, dass eine Winterwelle kommt, alle Daten zeigten in die Richtung, wir hatten die Evidenz von der Südhalbkugel, wo es Winter war und wo die Winterwelle stattfand […] genau zu dieser Zeit. [Das] war schon ein Problem für mich, ich habe] versucht mich da [ein] bisschen rauszuhalten und nicht konfrontativ zu sein, aber ich hab mich schon gewundert, [zu]schauen zu müssen, was da passiert in den Medien, weil das einfach so eine wichtige Weichenstellung war ,die damals auf dem Spiel stand, wo es eben darum ging: müssen wir uns jetzt darauf vorbereiten, dass wir wieder Maßnahmen im nächsten Winter brauchen oder nicht? Und es hatte ja [eine] Konsequenz, wir hatten 70.000 Tote in der Winterwelle am Ende vom Jahr 2020, die hätte man zu großen Teilen vermeiden können, wenn man klarer orientiert gewesen wäre in der Öffentlichkeit, in der Politik. Das war schon [so ein] Moment wo ich dachte: na ja, wir verspielen gerade all das, was wir in der ersten Welle geleistet haben.”

Eigentlich eine Steilvorlage für kritische Aufarbeitung. Zehntausende vermeidbare Tote durch politische Zögern. Wie hätte man das vermeiden können? Wie kann man dafür sorgen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt?

Echo: praktisch Null

Wenn man bedenkt, wie etwa Talkshows wie “Markus Lanz” derart aufmerksam medial verfolgt werden, dass bestimmte kontroverse Aussagen in den Tagen darauf gleich in mehreren Artikeln in der Presse diskutiert werden, finde ich umso bemerkenswerter, wie komplett eine wichtige öffentliche Aussage wie diese hier von Drosten untergehen kann. Drosten sagt hier ja: Fehler im Umgang damit, wie sich die Politik zu Wissenschaftsthemen informiert und welche Handlungsentscheidungen auf jener Basis getroffen wurden, haben im Winter 2020/2021 dazu geführt, dass zehntausende Menschen gestorben sind, die nicht hätten sterben müssen. Und diese Aussage kümmert offenbar niemanden sonderlich. Übrigens auch nicht in der obigen Diskussion, in der es dann nahtlos weitergeht mit der Frage, wie man die Kommunikation von Wissenschaft in Richtung Politik besser organisieren kann.

Es ist irgendwie wie verhext. Da trifft eine der markantesten Stimmen aus der Corona-Pandemie rückblickend eine kritische Einordnung – zehntausende vermeidbare Tote – die ein immenses Politikversagen bedeuten kann. Klar kann und muss man da näher hinschauen und herausfinden: wer wusste was, wer hat nach welchen Kriterien entschieden. Und klar muss dabei auch eine Rolle spielen, dass wir nicht aus der Rückschau verzerrt urteilen dürfen – Krisenmanagement erfordert zeitnahe Entscheidungen, und die können falsch sein. All das muss bei einer Beurteilung eingehen. Da ist Recherche nötig, müssen die damals Beteiligten gefragt werden. Was stattdessen passiert ist: soweit ich sehen kann, nichts. In den Medien werden vor allem diejenigen medial verstärkt, die überprüfen wollen, ob die Schutzmaßnahmen unangemessen hart oder streng waren. Das Framing der entsprechenden Diskussion – siehe oben mein Habeck-Beispiel – ist so schief, dass die Möglichkeit, es gäbe vielleicht auch anderes aufzuarbeiten, unter anderem eben Fragen ob in bestimmten Situationen zu zögerlich und nicht konsequent genug gehandelt wurde, gar nicht erst ins Konzept passt.

Aufarbeitung, ja bitte

Insofern: Ja, ich bin sehr dafür, die Corona-Pandemie und unseren Umgang damit umfassend aufzuarbeiten. Aber eben: umfassend. Welche Informationen gab es zu welcher Zeit? Wie wurde anhand jener Informationen entschieden? Was war zu viel, aber auch: was war ggf. zu wenig?

 

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

31 Kommentare

  1. “Aber bitte nicht selektiv”
    Anders wird es nicht gehen.
    Der Schulleiter M. lässt die Geschehnisse Revue passieren und überlegt, was er das nächste Mal besser, effektiver machen wird.
    Der Kardiologe M. wird sich auch überlegen, wie man die Praxis besser gegen Infizierte schützen kann.
    Die Hausfrau M. wird ihren Lebensmittelvorrat aufstocken .
    Usw.
    Man kann nur selektiv vorgehen, denn der Politiker M. weiß nicht, welche Sorgen die Angestellte einer Bank hat, die zu häufig wegen einer Coronaerkrankung “krank geschrieben” wurde und der danach der Arbeitsplatz gekündigt wurde.

    Und die Statistiker beim Robert Koch Institut die wissen jetzt worauf sie achten müssen um schnelle Voraussagen und Ratschläge machen zu können.
    Und die Politik muss ein wenig vom Föderalismus abweichen , wenn bundesweite Entscheidungen gefällt werden müssen.
    Schuldzuweisungen sind zu vermeiden.

    Also, eine Gesamtaufarbeitung wird kaum möglich sein, der Umfang ist zu groß-
    Schließlich soll die Aufarbeitung ja der Öffentlichkeit präsentiert werden.
    Und es muss selektiv gearbeitet werden, wenn man aus der Vergangenheit lernen will..

    • Wird aus dem Blogtext nicht klar, was mit “bitte nicht selektiv” ganz konkret gemeint ist? Insbesondere geht es mir nicht um individuelle Aufarbeitung, sondern um eine systematische Untersuchung. Und die hat schon deutlich größere Verantwortung, die für den Verlauf wichtigen Faktoren abzuklären. Und sollte sich insbesondere nicht selektiv auf den Untersuchungsgegenstand “wie nötig/effektiv waren die getroffenen einschränkenden Maßnahmen” einschränken.

  2. Aufarbeitung? Die Menschheit wurde von einer Cola-Dose untoten Staubs zugeritten und domestiziert. Wir haben uns ergeben und Kapitulationsbedingungen verhandelt und das Virus hat Gnade gezeigt, weil es einem Hirten nicht viel nützt, sein Vieh auszurotten. Am Ende lief die Impfcampagne durch Omikron erfolgreicher als die durch unsere Impfstoffe, und seitdem das Virus dem Pantheon unserer winzigen Herren und Meister beigetreten ist, streifen wir wieder friedlich und selbstherrlich über die die Weiden, ignorieren diejenigen, die auf dem Grill gelandet sind und es immer noch tun, und muhen, wie weise es doch ist, blind für alles um sich herum zu sein und nur ans Fressen und Wiederkäuen zu denken.

    Nichts ist so tot wie die Toten. Nur die Schlagzeilen von Gestern spuken noch ein wenig herum und müssen exorziert werden. Das erfolgt psychologisch auf die primitivste aller Weisen – wir machen einfach alles nieder, was damals passiert ist, denn so töten wir auch die Erinnerung.

    Wir lösen Probleme durch Kosten-Ghosting: Wenn es uns zu anstrengend oder zu teuer ist, ein Problem zu lösen, existiert das Problem nicht. Wenn wir etwas unbedingt wollen, existieren die Kosten nicht. So entscheidet das Problem alleine, ob und wie es gelöst werden will, der Reiter entscheidet, wie viele Sporen und wie viel Peitsche wir kriegen und zieht an den Zügeln.

    Und die menschliche Dummheit traf auf etwas, das einem dämonisch vorkommen kann, obwohl es eigentlich das Gleiche ist – Schwarmintelligenz. Etwas, was bereits Sand hat – wenn Sie einen Jeep darunter begraben, gelangt er überall hin, auch dorthin, wo ein cleverer Saboteur ihn hingetan hätte, der Rest ist Schwund. Mit Menschen läuft das im Krieg so – irgendeiner läuft schon so, dass keine Kugel ihn trifft und er die feindlichen Linien erreicht, der Rest ist Schwund. Um den Schwund zu erhöhen, nützt der Feind MG-Kugeln, so steht Masse gegen Masse und die größere Masse, diejenige, die mehr Versuchskaninchen aufbietet, ist halt schwarmschlauer.

    Und so haben wir auch den Corona-Krieg gekämpft – einen Feind, der aus jedem Infizierten für ein paar Tage eine uns haushoch an Truppenstärke, Industrie, Forschung überlegene Supermacht machte, die es sich leisten konnte, Abermillionen Soldaten in den Fleischwolf zu schicken, um neue Waffen und Strategien zu entwickeln, auf gut Glück mit Menschen beworfen.

    Die Menschheit? Jeder machte, was ihm gefiel, was erst mal richtig ist, aber so ausgearbeitete erfolgreiche Strategien wurden nicht kopiert, wenn also jemand das Virus ausgerottet hatte, wurde es gleich wieder eingeschleppt. In Deutschland standen sich Regierung und Volk stramm gegenüber und warteten auf Befehle, weil jeder den Anderen für den Kaiser hielt – die Regierung tat so, als würde sie regieren, indem sie höflich bat, das Volk tat höflich so, als würde es sich einen feuchten Dreck darum scheren, bis auf die Randale-Ränder, die nützen die Gelegenheit, zum Feind überzulaufen und jedem ins Gesicht zu rotzen, weil er sich wagte, sich Corona zu widersetzen – zumindest hatte die erzautoritäre scheinantiautoritäre Arschkriecher-Truppe instinktiv richtig erkannt, wer stärker war und wem man die Stiefel lecken solle. Die industrielle Schwäche des Westens wurde auf einmal offenbar – keine Beatmungsgeräte, keine Filter, keine technischen Lösungen, um die Luftströme zu lenken, auf dem ein Kamikaze-Weichei ritt, das tot umfällt, wenn man es auch nur schief anguckt. Die Masken waren China-Schrott, wurden nicht weiterentwickelt, blieben eine den Umständen entsprechend unmenschliche Zumutung, denn das einzig Angenehme an ihnen war, dass sie hübsch nach Weichspüler rochen und man die Hackfressen seiner Mitdeppen auf der Straße nicht ansehen musste. Dass jeder, der das Feuerchen sah, herbeieilte, um seine Schäfchen daran zu trocknen, ist mir egal, Vieh, das geschlachtet werden will, darf auch gemolken werden. Erst wenn es sich gegen das Schlachten wehrt, muss auch das Melken enden.

    Ich nehme an, die Evolution hat nur Viren überleben lassen, die sich selbst enorme Beschränkungen auferlegt haben, sonst würde alle fünf Minuten irgendwo eine Mutation auftauchen, die ein Gebiet entvölkert und dann aus Mangel an Ressourcen verreckt, weil ihr keiner gesagt hat, dass sie sich diese Wirte von ihren Kindern nur geliehen hatten. Doch bei einer solchen Anzahl von Laboren und Petri-Schalen war die Gefahr real, dass eine Mutante diese Beschränkungen aushebelt. Tja, Corona scheint ihre Putinitis besser im Griff zu haben als wir.

    Am Ende bleibt als Fazit – Corona hat die Show fast allein geschaukelt. Nur waren einige Leute klug genug, das Schlachtfest in Grenzen zu halten. Kontaktbeschränkungen und Masken simulierten das Ausdünnen der Population, Impfstoffe simulierten in vorauseilendem Gehorsam Omikron, und der Eroberer hat unsere bereitwillige Kapitulation gnädig akzeptiert.

    Denken Sie nicht so sehr an die Toten, die vermieden hätten werden können. Denken Sie an die, die Sie vermieden haben. Jeder, der das Schlachthaus überlebt hat und sonst nicht hätte, ist einer mehr, als er es ohne die Ärzte, Pfleger, Fachleute, Helfer, gewesen wäre. Wir sind blind für die Toten. Für die, die gestorben sind. Und für jene, die es nicht sind.

    Ansonsten können Sie einen Esel zum Impfstoff bringen, aber nicht zum Impfen zwingen. Und wenn Sie es nicht schaffen, die Vorsichtigen von den Kosten-Ghosting-Möchtegern-Göttern, die das Universum mit ihren Lüsten und Launen regieren, weil sie zu ohnmächtig sind, als dass das Universum sich drum scheren würde, zu isolieren, entscheidet Schwarmintelligenz – Sie treiben das Pack ins Minenfeld, und dann ist jeder sich selbst der Nächste. Ob durch Glück oder Verstand, ein paar kommen immer durch und können klugscheißen, wie falsch alle anderen alles gemacht haben. Und Verstand wächst am Glück der Versuchskaninchen, also lassen Sie dem Verbrauchsgut seine Auswertung, so haben Sie auch in Zukunft eine reichliche Zufuhr aus Datenmaterial, das die Fachleute auswerten können.

    Ihre Psyche löscht die Erinnerung, so können sie recycelt werden, ohne durch Gelerntes kontaminiert worden zu sein, denn gebranntes Kind scheut das Feuer, und wenn es immer wieder ins Feuer muss, muss es vergessen können.

    Es ist grausam, es ist ungerecht, es ist menschenverachtend, es ist und ändert sich nicht. Solange Sie Ihr Bestes geben, um Menschen zu retten, brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben.

  3. Die kleine Apokalypse gab einen Vorgeschmack was der überbevölkerten Erde noch bevorsteht.
    Aber, der Mensch ist intelligent und kann sich darauf vorbereiten.
    Also, wer ist die Zielgruppe der Aufarbeitung ? Die Bevölkerung als Ganzes ?
    Die Entscheidungsträger aus der Politik ?

    Darüber muss man sich im Klaren werden. Vorallem wenn es um den Wortlaut geht, denn die Statistiken verstehen 90 % der Bevölkerung nicht. Dafür verstehen die Entscheidungsträger zu 90 % die Sorgen und Probleme der Bevölkerung nicht.

    Und unter welchem Motto soll die Aufarbeitung stattfinden ?
    1. Fehler entdecken und Fehler benennen
    2. Richtige Entscheidungen benennen
    3. Krisenmanagement in schwerer Zeit

    Und das Wichtigste , was soll mit Aufarbeitung gemeint sein. Orientieren wir uns am Vorgehen der Chinesen oder an den Schweden ?
    Und wie steht es mit den Wertvorstellungen ? Was ist wichtiger ,eine funktionierende Wirtschaft oder die Sicherheit des Einzelnen ?

    Und jetzt die Gretchenfrage, reden wir nur über Aufarbeitung oder machen wir eine Aufarbeitung ?

    • Vieles davon sollte aus meiner Sicht überhaupt erst einmal ein Zusammentragen all der Informationen sein, die da eine Rolle gespielt haben. Wer wusste zu welchem Zeitpunkt was? Auf welcher Basis wurde mit welcher (inneren oder äußeren) Motivation entschieden? Dass die Abwägungen soweit ich sehen kann bislang nie explizit/öffentlich waren, ist doch bereits Teil des Problems. Zielgruppe gemischt. Zum einen diejenigen, die dann bei der ggf. nächsten Pandemie oder auch nur der nächsten Krisensituation entscheiden müssen. Aber sicher auch derjenige Teil der Bevölkerung, der wissen will, was da eigentlich abgelaufen ist und mit welchen Hintergründen.

      • Herr Pössel,
        Danke, Sie haben es eingeengt. Die Zielgruppen sind die Entscheiungsträger aus Politik und Wissenschaft aber auch die Bevölkerung, die den Entscheidungen dann auch zustimmen müssen.
        Das Hick Hack um die Corona Impfung hat ja aufgezeigt, dass die Information der Bevölkerung ein wichtiger Bestandteil der Aufarbeitung sein muss.

  4. Es geht bei dieser öffentlich diskutierten Aufarbeitung erstaunlich wenig darum, wie man sich auf die nächste Pandemie, unter dann wieder unbekannten Vorzeichen, vorbereiten könnte.

    Zum Beispiel wenig öffentlich Diskussionen, um die Vorhaltung und Beschaffung etwa von Masken. Wie würde eine Testinfrastruktur bei erneuter Pandemie umgesetzt? Da gab es ja kompletten Wildwuchs mit unüberprüften Abrechnungen? Sind die Möglichkeiten zur Erhebung, Sammlung und Auswertung von Daten besser geworden? Bei letzterem gab es, wenn ich mich richtig erinnere durchaus Probleme, insb. bei der Digitalisierung der Daten.

    Das sind jetzt aber auch nur Punkte, die mir spontan einfallen. Vielleicht laufen da auch Vorbereitungen und Überlegungen, von denen bekommt man öffentlich aber wenig mit.

    Daneben kann man auch die Entscheidungsfindung aufarbeiten. Nach welchen Abwägungen wurde entschieden. Ging es in der Regel darum die Pandemie und auch die gesellschaftlichen Auswirkungen abzuwägen oder ging es zu viel um die politische Profilierung? Wie kann man diese Entscheidungsfindung zusammenbringen mit herzustellender besserer Informationslage?

    • Die viel interessantere Frage ist, warum man sich das nicht alles schon nach AIDS, BSE, SARS-1, EHEC, Ebola, Zika, Vogelgrippe, Schweinegrippe überlegt hat.

  5. Ich finde schon die Reihenfolge interessant:

    “Schulschließungen, Maskenpflicht und Lockdown”

    “DENKT DENN KEINER AN DIE KINDER!!!einself”, “Maulkorb der Schande” ^^ und “Ich kann nicht essen gehen”. Wenn das keine Ansage ist ^^

  6. @ Nicker
    07.04.2024, 11:17 Uhr

    Und das Wichtigste , was soll mit Aufarbeitung gemeint sein. Orientieren wir uns am Vorgehen der Chinesen oder an den Schweden ?

    Das ist eben nicht das Wichtigste. Weil es die Aufarbeitung unzulässig einschränkt. Als gäbe es als mögliche Konsequenz nur zwei Möglichkeiten.

    Das ist so als würde ich zur Auswahl stellen: “Was ist das richtige Weltbild: Das heliozentrische oder das geozentrische?”

    • Uli Schoppe,
      Schweden und China sind nur als Beispiel genannt worden. China bleibt ein Beispiel für dichtbesiedelte Gebiete und Schweden bleibt ein Beispiel für dünn besiedelte Gebiete.

      Wir liegen irgendwo dazwischen. Ein Lockdown wäre für Schweden nicht sinnvoll, für China ist er sogar notwendig, wenn man eine Pandemie eingrenzen will.

      “Denkt denn keiner an die Kinder”. wie denn, wenn die alleinstehende Mutter zur Arbeit muss und die Schulen geschlossen haben. Das nur als Beipiel . Bei meiner Tochter hatte der Kindergarten geschlossen. Und Nu ?

  7. Es wird keine Aufarbeitung der politischen Entscheidungen bezüglich der Winterwelle geben, weil es kein Interesse der Politik und Gesellschaft daran gibt, sich damit auseinanderzusetzen.
    Politik und Gesellschaft interessieren nur, ob die Maßnahmen zu streng waren, nicht, ob sie manchmal zu wenig streng waren.

    Einen rationalen Diskurs gibt es in der Wissenschaft, in Politik und Gesellschaft dominieren “Meinungen” und “Standpunkte” und nur sehr selten werden Fehler und Fehleinschätzungen eingestanden.

    Ich habe wenig Hoffnung, dass sich da was ändert.

  8. Quasi eine Bestätigung meiner Gedanken, es gibt ein Manifest von Mitarbeitern des ARD und ZDF.

    Ich halte die Thesen diese Manifest nicht alle für falsch oder unberechtigt, vielem kann ich zustimmen. Bedenklich stimmen mich aber folgende Sätze.

    “Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. Wir vermissen den Fokus auf unsere Kernaufgabe: Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten. Stattdessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener „Kampfbegriffe“ wie „Querdenker“, „Schwurbler“, „Klima-Leugner“, „Putin-Versteher“, „Gesinnungspazifist“ und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.”

    Meines Erachtens geht es weniger darum, ob die oben genannten “Kampfbegriffe” tatsächlich benutzt werden. Die Frage ist eher: Wie weit darf oder soll der öffentliche Rundfunk bei der Darstellung von unwissenschaftlichen Behauptungen gehen? Die false Balance bezüglich des Klimawandels hat es jahrelang genug gegeben.

    https://meinungsvielfalt.jetzt/

  9. Lieber Herr Pössel,

    herzlichen Dank für Ihren Artikel, der mir aus der Seele spricht!
    Ich freue mich, dass Sie als Physiker, also aus nicht medizinischer, “unverdächtiger” Perspektive diese Einordnung mit Intelligenz und Menschenverstand getroffen und hier mutig formuliert haben. Sie geben unmissverständlich die Richtung für eine Aufarbeitung vor, ohne sich in Einzelheiten und Nebensächlichkeiten zu verlieren! Ich wünschte mir häufiger ähnlich deutliche Stellungnahmen von Personen des öffentlichen Lebens und den einschlägigen Medien. Und unter Aufarbeitung verstehe auch ich in erster Linie eine vorbeugende Strategieentwicklung, optimiert durch eine parallele Fehleranalyse der zurückliegenden Jahre, um so besser gegen zukünftige Pandemien gewappnet zu sein. Die Wissenschaft hat die notwendigen Erkenntnisse und das erforderliche Instrumentarium bereitgestellt und wird dieses auch weiter tun, wenn sie hinreichend finanziert wird. Nun ist es Aufgabe der politischen Entscheidungsträger in unserem demokratischen System mit diversen Interessengruppen, alle anderen Motivationen hintanzustellen und ausschließlich zum Wohl des Gemeinwesens zu handeln. Das heißt u. a. auch, die Verwaltungen für ihre zentralen Aufgaben (auch die der Aufarbeitung!) entsprechend auszustatten.

    Mit besten Grüßen
    Ralph Schimpf

  10. Es ist relativ einfach. Zu dieser Zeit hatten sich die Maßnahmengegner formiert, Desinformation verbreitet und als Wissenschaftler und auch Politiker mußte man mit heftigsten Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen rechnen.
    Davor sind Regierungen eingeknickt und haben NICHTS dagegen unternommen. Das hat sich nun verfestigt – es wird da praktisch unwidersprochen gefordert, man müsse ja mehrere Meinungen zulassen (also auch völlig wahnsinnige Schwurbler) und eben Maßnahmen, die tausenden Menschen das Leben retteten diskutieren, “aufarbeiten”.
    Es ist erschreckend, dass mutwillig angesteckte Personen, die gestorben sind, nie Gerechtigkeit erfahren haben, sogar absichtliche Ansteckung als Kavaliersdelikt behandelt wurde und wird.
    Diese Pandemie war schrecklich, die nächste wird noch viel tödlicher werden.

    • Noch am 14. März 2020 hat das Bundesgesundheitsministerium vor Desinformation im Internet gewarnt, davor dass rechtsextreme Blogger die Fake News verbreiten würden, dass die Regierung erhebliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens verfügen würde. Kurz darauf wurden Großveranstaltungen untersagt und Schulen und Universitäten geschlossen.
      Was Desinformation ist und wo rechts und links ist, dreht sich in unseren Medien und bei unserer Regierung über Nacht.

      • Wenn man sich anschaut, was da an Fake News verbreitet worden war, nämlich offenbar u.a. dass Supermärkte nur 2 Stunden geöffnet sein würden (für sich genommen absurd und mit der Gefahr, über die Falschinformation durch Hamsterkäufe echte Engpässe zu erzeugen) dann war die Aussage, dass es zu dieser Art von Einschränkungen kommen würde, auch rückblickend durchaus richtig. Und so massive Maßnahmen wie in Italien und Frankreich hatten wir ja weder zu jenem Zeitpunkt noch später. Insofern: Klar war das unglückliche Kommunikation. Aber es war weit entfernt von der kompletten Umkehrung von schwarz und weiß, als die Sie es hier darstellen.

  11. Ein Aspekt wurde meiner Ansicht nach zu wenig behandelt.

    Es ist die Art der „Bewertung“ der Risiken durch die Politiker und der Rechtsfolgen bei problematischer Bewertung.

    Die Politiker konnten einen mehr oder weniger restriktiven „Kurs fahren“.

    Der restriktive Kurs „kostet“ mehr Ressourcen, der „lockere“ Kurs mehr Menschenleben….

    Ich bin mir aber sicher, beim derzeitigen „politischen Theater“ hätten die gleichen „Kräfte“ die den Politikern zu restriktive Maßnahmen vorwerfen, „Massenmord“ vorgeworfen hätten sie zu „locker“gehandelt.

    Ich kann mir aber vorstellen, den Politikern ist es lieber, letztlich als „zu vorsichtig“ dazustehen, als von der „Opposition“ als „Massenmörder“ beschimpft zu werden, die den alten Opa und viele Menschen aus lauter Geldgier „ermordet“ haben, weil sie zu wenige teure Schutzmaßnahmen angeordnet haben.

    Politiker mussten sozusagen „alles“ tun um Menschenleben zu retten, sonst stünden sie als „Mörder“ da…..

    • Ich bezweifle, dass das die beiden Alternativen sind. Ich halte ja, wie geschildert, für sehr wahrscheinlich, dass die zu lockeren Maßnahmen zehntausende Menschenleben gekostet haben. Wenn das Absicht wäre, wäre es ja in der Tat Massenmord. Aber auch als fahrlässige Handlung ist es schon einigermaßen krass. Und im Gegensatz zu Ihrem Szenario scheint es ja die betroffenen Politiker*innen und die Maßnahmen-Kritiker nicht wirklich zu jucken.

    • Gegenfrage: Hätte es nur eine einzige Demonstration gegeben, wenn die Politik den seit Jahren bestehenden politisch akzeptierten Pflegenotstand behoben hätte und die seit Jahren andauernden staatlich geförderten Klinikschließungen gestoppt hätte?
      Zur Erinnerung: Die Maßnahmen wurden 2020 mit der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems begründet oder übersetzt, mit einer befürchteten Triagesituation an unseren Kliniken. Eine Behebung des Pflegenotstandes hätte das ausgerufene Ziel ganz ohne Grundrechtseinschränkungen beheben können. Warum haben Politiker diese Maßnahme nicht ergriffen? Warum wurde sie in den Medien praktisch gar nicht diskutiert? Am Geld kann es nicht gelegen haben. Es wurden 100 Mio für den Pflegebonus ausgegeben, aber zig Milliarden für Tests, Masken, mRNA-Pikse und den Doppelwumms.

  12. @ Markus Pössel 09.04.2024, 14:48 Uhr

    Meine „Sichtweise“ ist beinhart, brutal, die kaltschnäuzige Realität. Der restriktive Kurs „kostet“ nun einmal mehr Ressourcen, der „lockere“ Kurs mehr Menschenleben….

    Hätten die Politiker jeden einzelnen Pandemie Todesfall „absolut verhindern“ wollen (müssen), wären wir ökonomisch ruiniert, es gäbe viele Tote wegen des Zusammenbruchs (Lieferketten), weil es z.B. zu wenig Medikamente und vermutlich auch zu wenig Nahrung gegeben hätte….

    Hätte man sich nicht oder zu wenig um die Kranken geschert, hätte es weit mehr Opfer gegeben.

    Man kann nur aus der Katastrophe lernen um es künftig besser zu machen und die Maßnahmen optimieren.

    Das Problem ist, dass derartiges (Optimierungsrechnungen) aus ethischen Gründen verboten sein dürften. Dann wären allerdings die Ethiker für die „Toten des Zusammenbruchs“ verantwortlich.

    Wäre ich Politiker, ich würde mich herzlich bei den „Querdenkern“ bedanken, weil sie mir das „Alibi“ geliefert haben, mehr als „ausreichend“ viel zur Eindämmung der Pandemie beigetragen zu haben, die Mordvorwürfe abprallen…..

    Genau dieses Problem „juckt“ die Politiker sehr, aber sie sprechen die “brutale Realität“ nicht aus.

    • Ich denke da romantisieren Sie im Gegenteil Ihre eigenen Aussagen hin zu absolutem entweder-oder. Um die erwähnten Toten (übrigens keine Frage von “jeder einzelne Fall”, sondern gleich zehntausende auf einmal) zu verhindern hätte es ja netto mit großer Wahrscheinlichkeit keiner zusätzlichen Maßnahmen mit wirtschaftlichen Folgen bedurft. Was ich in dem verlinkten Blogbeitrag durchgerechnet hatte war ja im Gegenteil was für einen Unterschied es gemacht hätte, wenn man mit denselben Maßnahmen dieselben Effekte (bzgl. der R-Werte) nicht erst am Jahresende, sondern schon im Herbst herbeigeführt hätte.

  13. @ Markus Pössel 09.04.2024, 19:45 Uhr

    Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich so verhalten hätte, wie Sie es im Nachhinein berechnet haben, dass vorgezogene Maßnahmen „optimaler“ gewesen wären. Weniger Opfer, bei auch noch weniger Verlusten an Ressourcen.

    Vermutlich sollten Mathematiker das Geschehen, die wesentlichen Wege der Ansteckung, so wie auch die Folgen der Maßnahmen aus den vorhandenen Daten analysieren, um künftig ein Minimum an Opfern zu erreichen.

    Nur reicht ein Minimum, weniger Opfer, für Juristen nicht.

    So wie ich die Ethiker und die Juristen verstanden habe, darf es nicht um gerechnete „minimale Opferzahlen“ gehen, sondern darum, dass alles getan werde muss dass es Null Opfer gibt…..

    Bedeutet, die Juristen suchen stets nach „Verantwortlichen“, selbst wenn das Geschehen letztlich „schicksalhaft“ ist. Den Politikern kann man immer „einen Strick drehen“.

    In China waren zuerst die Taxifahrer Opfer, danach die Sanitäter und Ärzte. Die Regierung versuchte, eine Panik und Schäden zu vermeiden.

    Dann tauchten die Handyvideos von Passanten auf, die gefilmt hatten, wie Sanitäter in Schutzkleidung, vermummt wie Astronauten, tote Taxifahrer aus ihren Autos bargen.

    Dann war bekanntlich überall der Teufel los. Maßnahmen wurden erst so richtig durchsetzbar….

    Die Regierungen haben blitzartig ihre Strategien Richtung „Vorsicht“ gewechselt, sonst wären sie als „Mörder“ dagestanden.

    • Was Sie da zu Juristen/Ethikern schreiben, halte ich für falsch. Sieht man ja auch ganz praktisch daran, in welchen Fällen überhaupt Ermittlungen aufgenommen werden und wo nicht.

  14. “Es ist irgendwie wie verhext. Da trifft eine der markantesten Stimmen aus der Corona-Pandemie rückblickend eine kritische Einordnung – zehntausende vermeidbare Tote – die ein immenses Politikversagen bedeuten kann.” (s.o)

    Da gab es ja eine ganze Reihe “markanter Stimmen”, die für ihren Fachbereich oder dessen Grundlagen ungehörte kritische Einordnungen vorgenommen haben.

    Sicherlich wird Sie in diesem Zusammenhang interessieren, dass einige im unten zitierten Artikel erwähnte, mathematisch sehr kompetente Wissenschaftler mit ihrer Kritik zu den Modellrechnungen ebenfalls in den Massenmedien nicht zu hören waren, darunter u.a. ein Kollege von Ihnen:

    “Im Oktober 2021 übte dann der Astrophysiker Bernhard Müller in der Berliner Zeitung scharfe Kritik an den Corona-Modellierern. Sie hätten relativ einfache Modelle genutzt, die der Komplexität des Geschehens nicht Rechnung trugen, erklärte er. Es gebe keine ungehemmte exponentielle Ausbreitung, sondern ein natürliches Brechen der Welle durch Heterogenität, Cluster-Effekte und „verbrauchte“ Folgekontakte. Leider seien die Modellierungen im Laufe der Pandemie nicht weiterentwickelt worden, behauptete Müller.”

    https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/wie-die-politik-in-der-corona-krise-wissenschaftler-ignorierte-li.2202280

    • Ich hatte mit Müller sporadisch hier in den Blogkommentaren und auch auf Twitter zu tun und fand seine Argumentation dort jeweils nicht überzeugend. Im Gegenteil kamen dann soweit ich erinnere immer recht bald auch persönliche Anwürfe von ihm. Sehe es daher nicht automatisch als Medien-Versagen, wenn er da keine große Plattform jenseits der Berliner Zeitung bekam. Zu dem, was Sie zitieren: Da geht es ja im Gegensatz dazu um die Diskrepanz, dass Drosten generell in den journalistischen Medien eine große Plattform bekam mit seinen Corona-Informationen (und das völlig zu Recht, finde ich), dass seine kritischen Äußerungen zur Winterwelle aber fast komplett ohne Resonanz bleiben/blieben.

  15. “Insofern: Ja, ich bin sehr dafür, die Corona-Pandemie und unseren Umgang damit umfassend aufzuarbeiten. Aber eben: umfassend. Welche Informationen gab es zu welcher Zeit? Wie wurde anhand jener Informationen entschieden? Was war zu viel, aber auch: was war ggf. zu wenig?” (s.o.)

    In den RKI-files finden Sie sicherlich Teile der Antworten.
    z.B.zur Fragestellung: Wie wurde (wohl) im RKI entschieden?.

    Hier gibt es für unvoreingenommene Journalisten Hinweise:
    https://www.corodok.de/rki-papers-auftrag/

    P.S.:Mein Eindruck: Die Ausführungen des Astrophysikers Prof. Müller zum Thema der Corona-Pandemie machen Sie schon sehr unruhig, nicht wahr? 😉

    • Die verlinkte Webseite scheint mir im Gegenteil ein negatives Beispiel für eine sehr tendenziöse Lesung der RKI-Protokolle zu sein. Skandalös ist schließlich nicht, wenn das RKI Aufträge von der Regierung erhält. Die Bundesministerien zu beraten ist Kernaufgabe des RKI. Aufträge “beratet uns zu Thema X” oder “gebt uns eine wissenschaftliche Einschätzung zur Frage Y” sind komplett legitim. Die Kritik, und Lauterbachs Antwort, bezogen sich auf Vorwürfe, das RKI habe sich in seinen Entscheidungen, also in dem was es als Rat zurückliefert (z.B. Risikoeinschätzung) von der Politik beeinflussen lassen. Dieser elementare Unterschied scheint an dem Verfasser der von Ihnen verlinkten Webseiten komplett vorbeigegangen zu sein, und das ist vermutlich schon alles, was man über die Qualität jener Seiten wissen muss.

      Zu Herrn Müller: nein, eigentlich nicht. Das waren damals eher sporadische Interaktionen ohne bleibende Wirkung. Insofern: Keine Ahnung, woher Ihr Eindruck kommt. Blühende Fantasie vielleicht?

  16. Die täglich in den Medien kommunizierten Zahlen waren keine Erkrankungszahlen, also keine “Fälle” und auch keine “Inzidenzen”, sondern positive Testergebnisse. Von einem Test, von dem man keine Vergleichswerte von vor 2020 hat und wo die positiven Testergebnisse nicht in Relation zu allen Tests gesetzt wurden. Man muss kein Statistiker sein, um zu erkennen, dass diese Zahlen völlig unbrauchbar waren und sind. Und selbst, wenn sie es wären, würden sie die Erzählung von der grassierenden Pandemie, die nur durch eine heldenhafte Impfung besiegt wurde, nicht stützen. Die “Zahlen” dümpelten im Winter 2020/2021 bei 50 herum, der damals verordneten Obergrenze, ab der die Kontaktverfolgung die Gesundheitsämter überlasten solle. Erst in den Wintern danach, also nach mindestens einem Jahr Pikskampagne, gingen sie auf 1000 hoch. Wie erklärt man sich dieses?

    Warum hat niemand brauchbare Zahlen erfasst? Zum Beispiel die Zahl tatsächlich Erkrankter? Die Antwort lautet: Diese Zahlen wurden erfasst. Und wöchentlich veröffentlicht. Vom RKI. Von seiner Arbeitsgemeinschaft Influenza. Hat nur keiner angeschaut. Im Sommer 2020, als die Pandemie uns angeblich so sehr gebeutelt haben soll, dass wir uns mit Masken durch den Alltag gequält und dem Piksstoff so sehr entgegengefiebert haben, hat die AGI den Erscheinungsrhythmus auf monatlich umgestellt, weil ja im Sommer nicht so viel los sei, was ja auch stimmte.
    Hier also die Zahlen, prominent jeweils in Abbildung 1 dargestellt:
    https://influenza.rki.de/Wochenberichte.aspx
    Wer mir erklären kann, wo da die Pandemie einer Atemwegserkrankung zu sehen ist, bekommt einen Sonderpreis!

    • Dass die Inzidenzen in der vorliegenden Form nicht direkt die Erkrankungszahlen sind – derzeit ja z.B. mit beachtlicher Dunkelziffer – ist richtig. Sie als “völlig unbrauchbar” abzutun ist aber deutlich übertrieben. Dass die 7-Tage-Inzidenz im Winter 2020/2021 um 50 herum gedümpelt habe, stimmt schlicht nicht. Die ging im Gegenteil rasch hoch bis rund 140 in der ersten Novemberwoche, knackte Mitte Dezember fast die 200 (Quelle: Statista). Dass sie ab Ende Oktober 2021 dann nochmal nach oben schoss, liegt schlicht daran, dass da die meisten Maßnahmen aufgehoben waren – gerade weil die Impfung dazu geführt hatte, dass hohe Fallzahlen nicht mehr zu so hohen Todeszahlen führen wie vorher (kann man bei Statista wieder gut sehen).

      Brauchbare Zahlen durch eine über einen längeren Zeitraum mit hinreichend großer Stichprobe erfasste Zahlen hatten und haben wir in der Tat nicht – aus meiner Sicht mit das größte Versäumnis, aus dem zu lernen, was da passiert ist. Dass Sie die Inzidenz komplett abtun, aber die Zahlen der AG Influenza offenbar für bare Münze nehmen, wird deren Limitationen allerdings auch nicht gerecht. GrippeWeb ist ja im Gegenteil das Analogon zu einer nicht-repräsentativen Online-Umfrage. ARE-Arztbesuche als Indikator zu nehmen in denjenigen Pandemiephasen, wo Menschen ja gerade davon abgeraten wurde, außer bei schwerem Verlauf direkt Arztpraxen aufzusuchen, ist halt auch problematisch. Bei den Krankenhaus-Daten dagegen bekam ja auch die Arbeitsgemeinschaft Influenza in entsprechenden Phasen Daten wie in einer schweren Grippewelle. Dass sich die Daten der Arbeitsgemeinschaft Influenza “niemand angeschaut” hätte, ist dann vollständig tendenziöser Unsinn, denn selbstverständlich tauchen z.B. die Daten aus den Sentinel-Krankenhäusern zu schweren Atemwegserkrankungen in den RKI-Corona-Situationsberichten auf (Beispiel hier ab S. 14).

  17. Lieber @Markus Pössel,
    vielen Dank für Ihren engagierten Beitrag, ich teile Ihre Einschätzung zu 100%!
    Ich würde in diesem Zusammenhang gerne noch ein weiteres, bislang von Gesellschaft und Medien eher stiefmütterlich behandeltes Thema nennen: Long-Covid und Post-Covid. Dass es medial so still um dieses Thema ist, sollte doch umso mehr erstaunen, als es Schätzungen gibt, nach denen die Häufigkeit, Long- bzw Post-Covid nach einer Infektion zu entwickeln, durchaus im einstelligen Prozentbereich liegen kann – was bei der absoluten Zahl von Infektionen dann doch zu einer großen Anzahl – darunter teilweise immer noch – Betroffener führt. Damit verbunden sind u.a. Symptome (ähnlich dem chronischen Erschöpfungssyndrom), die die Erkrankten dazu zwingen, ihr Leben für eine längere Zeit komplett umzustellen. Für viele ist Corona aus diesem Grunde immer noch nicht vorbei. Und es dürfte für diese Menschen zynisch klingen, von einer “Aufarbeitung” zu sprechen, denn mit einer “Aufarbeitung” dürfte üblicherweise die Auseinandersetzung von etwas gemeint sein, das bereits vergangen ist.
    Ein sehr lesenswerter Artikel hierzu habe ich in den “Übermedien” gefunden:
    https://uebermedien.de/93428/nach-corona-gibt-es-nicht/

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