Albrecht Rüdiger (1929–2018): Solche Menschen braucht gute Wissenschaft

Ich habe den Gravitationswellenforscher Albrecht Rüdiger soweit ich erinnere nie persönlich getroffen. Trotzdem war ich einigermaßen bestürzt, als ich jüngst per Tweet mitbekommen habe, dass er gestorben ist:

Ich habe erstmals 2004 mit Herrn Rüdiger zu tun gehabt, als ich mein Buch Das Einstein-Fenster über Gravitationswellen schrieb und nach Menschen suchte, die einzelne Kapitel davon fachlich kompetent gegenlesen konnten. Ich weiß auch gar nicht mehr, wer von den Kollegen vom Albert-Einstein-Institut in Potsdam-Golm mich damals auf Rüdiger brachte. Aber ich erinnere, dass die Empfehlung wie aus der Pistole geschossen kam, weil Rüdiger genau der richtige Mensch für diese Aufgabe sei.

Ungewöhnlich sorgfältige Anmerkungen

Als Rüdigers Anmerkungen zu meinen Kapiteln über den Gravitationswellennachweis mich dann erreichten, wusste ich, warum. Die Anmerkungen waren detailliert, extrem wertvoll, und gnadenlos. Dazu muss man sich einige Dinge klarmachen. Erst einmal, das weiß ich inzwischen auch aus eigener Erfahrung, ist es ein beachtlicher Arbeitsaufwand, einen Text derart genau zu lesen und Verbesserungsmöglichkeiten herauszuarbeiten. Dass jemand die entsprechende Zeit investiert, ist ein beachtliches Geschenk.

Zweitens waren die Anmerkungen sehr, sehr sorgfältig. War eine Formulierung aus physikalischen Gründen auch nur etwas missverständlich, wurde das angemerkt. Konnte eine bestimmte Wortwahl eventuell bedeuten, dass ich als Autor einen bestimmten physikalischen Sachverhalt nicht ganz richtig verstanden hatte, wurde ich vorsorglich darauf hingewiesen. Analogien wurden abgeklopft, bei Vereinfachungen wurde auf potenzielle Probleme hingewiesen. Auch zu sprachlichen Aspekten gab es Anmerkungen und Vorschläge. Das ganze in freundlichem Ton, aber in der Sache komplett kompromisslos. Ich habe im Laufe meiner Arbeit bislang nur einen weiteren Menschen kennengelernt, der populärwissenschaftliche Texte derart akribisch abklopfte, und das war Jürgen Ehlers.

Eine derartig schonungslose Rückmeldung zu bekommen – nach dem Buch hatte ich Rüdiger dann noch für einige Texte auf Einstein Online um entsprechende Hilfe gebeten – war zwar durchaus auch einschüchternd, aber im Ganzen sehr, sehr wertvoll.

Webers widerlegte Nachweise

Die Geschichte der Gravitationswellenforschung, um die es auch in einem meiner Buchkapitel ging, kannte Albrecht Rüdiger aus erster Hand. Die Gruppe von Heinz Billing, zu der er 1957 am Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen stieß, beschäftigte sich zwar hauptsächlich mit elektronischen Rechenanlagen, aber begann dann ein paar Jahre später, sich für den angeblichen ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen zu interessieren, den Joseph Weber als Pionier der Gravitationswellenforschung mit seinen resonanten Detektoren – schwingenden Metallzylindern – ab Ende der 1960er Jahre behauptet hatte.

Am Telefon erzählte mir Rüdiger damals ausführlich davon, wie die Gruppe, die inzwischen längst ans Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching umgezogen war, versucht hatte, Webers Ergebnisse zu reproduzieren und nachzuvollziehen. Dazu konstruierte die Gruppe erst ihren eigenen resonanten Detektor, mit einem Gegenstück in Italien, den Detektoren von Weber möglichst ähnlich, aber an entscheidenden Stellen empfindlicher. In der längsten entsprechenden Koinzidenzmessung zweier Detektoren – das soll verhindern, dass Störungen des Detektors fälschlich als Signal gewertet werden – kamen sie zu dem Schluss, dass Webers Ergebnisse nicht stimmen konnten. Ein wichtiger Teil des Problems lag dabei offenbar bei Webers Datenauswertung – jedenfalls konnte die Garchinger Gruppe selbst dann, als sie Webers eigene auf Magnetband gespeicherte Daten auswertete, im Gegensatz zu Weber kein Signal darin feststellen.

Interferometer-Pioniere

Die Garchinger Gruppe sattelte dann auf interferometrische Gravitationswellendetektoren um, wie sie von Robert Forward und Rai Weiss vorgeschlagen worden waren. (Forward starb 2002; Weiss teilte sich für seine entsprechenden Arbeiten 2016 den Physik-Nobelpreis mit Kip Thorne und Barry Barish.) Liest man die Beschreibungen heutiger Detektoren, etwa den LIGO-Detektoren, denen vor fast genau 3 Jahren der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen gelang, dann lassen sich eine Reihe von Schlüsseltechniken direkt auf die damalige Arbeit der Garchinger Gruppe zurückführen. Rüdiger selbst war maßgeblich an der Erfindung der “mode cleaner” beteiligt. Das sind resonante Anordnungen von Spiegeln, die heute in jedem interferometrischem Detektor eingesetzt werden und die helfen, bestimmte Störungen des Laserlichts sowohl vor Einschuss in das Michelson-Interferometer als auch bei dem Laserlichtsignal herauszufiltern, welches das Interferometer verlässt.

Auch organisatorisch und personell führen direkte Wege von der damaligen Garchinger Gruppe zu dem nobelpreiswürdigen ersten Nachweis. Die Arbeit der Gruppe wurde ab Mitte 1994 im Teilinstitut Hannover unter der Leitung von Karsten Danzmann fortgesetzt, wo der deutsch-britische Gravitationswellendetektor GEO 600 entstand. Ab 2002 wurde daraus das Teilinstitut Hannover des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). Dort wurden mehrere Schlüsseltechniken für den Nachweis von Gravitationswellen mit interferometrischen Detektoren entwickelt und getestet, die später von den LIGO-Detektoren übernommen wurden und eine wichtige Rolle beim ersten direkten Gravitationswellennachweis spielten. Selbstverständlich war Rüdiger, der auch nach seiner Pensionierung in seinem Forschungsgebiet aktiv blieb, einer der vielen Koautoren des entscheidenden Entdeckungs-Fachartikels (und vieler, vieler weiterer Artikel zu LIGO und den diversen Aspekten des Gravitationswellen-Nachweises).

Albrecht Rüdiger in der Autorenliste des Entdeckungs-Papiers für GW150914

Gute Wissenschaft braucht Menschen wie Albrecht Rüdiger

Meinen eigenen beschränkten Erfahrungen nach hat mich nicht überrascht, wie Rüdiger in dem oben verlinkten Nachruf von seinen Kollegen David Shoemaker, Andreas Weidner und Walter Winkler beschrieben wird. Ähnlich freundlich-bestimmte, gnadenlose Rückmeldung bis ins Detail haben offenbar viele Kollegen von Albrecht Rüdiger bekommen, für alle Arten von Texten und insbesondere für Fachartikel. Die Reaktionen der Betreffenden reichten von freudigem Erstaunen bis Zähneknirschen. Ja, das kommt hin.

Und genau solche Menschen braucht gute Wissenschaft: Forscher, die alles, was sie anpacken, selbst zu verstehen suchen. Die in konstruktiver Weise alles in ihrem Fachgebiet hinterfragen. Denen man Fachartikel und andere Texte zu lesen gibt und die einem dann gnadenlose, unter Anlegung sehr strenger Kriterien, alle Schwachstellen und potenzielle Schwachstellen zurückmelden.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

12 Kommentare

  1. Das mit den Zylindern kommt mir bekannt vor. Auf welcher Frequenz warn diese denn resonant? Ich kann mich dunkel an 400 Hz erinnern.

    • @Rudi Knoth: Es gab unterschiedliche Versuche, resonante Detektoren zu bauen, aber die meisten lagen höher, bei rund 1 kHz oder noch oberhalb davon.

  2. Herr Pössel,
    mit fast 90 Jahren ist Herr Rüdiger überdurchschnittlich alt geworden. Was beschreibt Ihr Gefühl in Gestalt der Worte „einigermaßen bestürzt“?

    Ich frage mich hin und wieder, was das Ziel eines Blog-Beitrages sein soll?

    Keine Angst, ich habe wenig Motivation über das Kommentarfeld mit Ihnen über Gravitationswellen oder deren indirekte Nachweise im Rahmen des vorliegenden Artikels zu diskutieren.

    Das Sie über eine beachtliche (Kommentarerwiderungs-)Ausdauer verfügen, kann man exemplarisch aus Ihrem Blog-Beitrag Gleichzeitigkeit ist relativ vom 8.April 2018 mit über 2000 Kommentaren entnehmen, von denen nicht wenige von Ihnen selbst stammen.

    Auch wenn ich Ihre Systemmeinungen nicht teile und mir viele Gründe bekannt sind, die das ΛCDM-Modell aus theoretischer und „praktischer“ Sicht in Frage stellen, so habe ich wenig Verständnis für Ihre Geduld, die Sie mit Kommentatoren ausleben.

    Warum diskutieren Sie beispielsweise in epischer Breite über die Definition eines Inertialsystems? Der Begriff und die Bedeutung eines Inertialsystems stammen nicht von Ihnen. Sie reproduzieren diesen Begriff. Sie respektive die Kommentarfelder, die Sie bereitstellen, sind die falsche „Adresse“ für diese unfruchtbare Diskussion.

    Ich habe konkrete Vorschläge für eine konstruktive (Blog-)Diskussionsgrundlage in zukünftigen Blog-Artikeln.

    Formulieren Sie doch selbst einmal mögliche Gründe für die Infragestellung des ΛCDM-Modells und versuchen Sie selbstdenkend (nicht literaturbasierend vorgefertigt) diese Gründe zu entkräften. Oder stellen Sie Arbeiten Ihrer Kollegen vor, die das Thema Gravitationswellen und deren Detektionsmöglichkeiten kritisch sehen und kommentieren Sie diese in einem Blog-Beitrag.

    Anregungen

    Da Albert Einstein offensichtlich als wesentlicher Initiator der ART gilt, erkläre Sie doch einmal, warum er selbst Gravitationswellen in Frage stellte.

    …”Around 1936, Einstein wrote to his close friend Max Born telling him that, together with Nathan Rosen, he had arrived at the interesting result that gravitational waves did not exist, though they had been assumed a certainty to the first approximation. He finally had found a mistake in his 1936 paper with Rosen and believed that gravitational waves do exist. However, in 1938, Einstein again obtained the result that there could be no gravitational waves!…” Quelle: Einstein and Gravitational Waves 1936-1938 Galina Weinstein 2016

    Dr. Hao Liu hat am 7.September 2017 am Albert-Einstein-Institut in Hannover einen Vortrag mit dem Titel Abnormal correlations in the LIGO data gehalten. Warum hegen er und weitere Kollegen des Niels Bohr Instituts der Universität von Kopenhagen starke Zweifel, daß es sich bei den Gravitationswellenmessungen um echte Meß-Signale handelt?

    Oder erörtern Sie, warum es keine assoziierten Neutrino-Detektionen zu den vermeintlichen Gravitationswellenemitterereignissen respektive Gravitationswellenmessungen gab.

    In einem »paper« aus 2003 von S. Rosswog & M. Liebendörfer mit dem Titel High-resolution calculations of merging neutron stars – II. Neutrino emission heißt es (noch), daß in diesem Fall eine große Menge Neutrinos entstehen… „The remnant resulting from the merger of two neutron stars produces neutrinos in copious amounts.”…

    Oder fragen Sie allgemeiner…
    Interessant ist beispielsweise die Tatsache, daß ein Mitgestalter der Theorie des inflationären Urknalls, der Theoretische Physiker Paul Steinhardt, zu einem leidenschaftlichen Gegner dieser wurde. Teilen Sie Ihrem Blog-Publikum mit, was Herrn Steinhardt zum Umdenken animierte.

    • @Dirk Freyling: ich habe Herrn Rüdigers Alter erst aus dem Nachruf erfahren. Vorher war Herr Rüdiger für mich nur jemand, mit dem ich gelegentlich E-Mails ausgetauscht habe und der, jenen E-Mails nach zu schließen, noch voll drin war im fachlichen Leben. Das als Erklärung für meine Bestürzung; dass Sie in einer so persönlichen Sache nachhaken, finde ich allerdings durchaus merkwürdig.

      Zu Ihren weiteren Anmerkungen: Vokabeln wie “Systemmeinungen” und die Haltung, dass alles, was irgendwie vom vorherrschenden Wissensstand abweicht, bei Ihnen offenbar ganz unkritisch als wichtig erachtet wird, lassen mich zwar etwas skeptisch sein, ob es Ihnen hier wirklich unvoreingenommen um die Sache geht. Aber vielleicht interessieren einige der Antworten ja auch die anderen Mitleser hier.

      “Der Begriff und die Bedeutung eines Inertialsystems stammen nicht von Ihnen.” – das ist eine aus meiner Sicht sehr merkwürdige Argumentation. Ein Großteil der Lehre besteht darin, Dinge zu vermitteln, die andere herausgefunden haben. Und “reproduzieren” greift zu kurz: Auch didaktische Aufarbeitung ist eine ernstzunehmende Arbeit. Für mich sind diese Grundlagen und die entsprechenden Diskussionen aus zweierlei Gründen interessant, die ich hier ja auch schon dargelegt hatte. Erstens sind das genau die Begriffe, um die man sich kümmern muss, wenn man jenseits von populärwissenschaftlichen Schilderungen (deren Rolle ich nicht kleinreden möchte) verstehen will, was hinter Aussagen wie jenen der Relativitätstheorien eigentlich steckt. Zweitens sind diese grundlegenden Dinge für mich als jemanden, der sich für die Vermittlung von Physik interessiert, spannende Testfälle, gerade was Menschen angeht, die mit der relativistischen Physik auf Kriegsfuß stehen. Beim Begriff “Inertialsystem” insbesondere, weil er ja bereits in der klassischen Physik ganz ähnlich definiert ist.

      Zu Ihren Anregungen: Bei Kosmologie und Gravitationswellen – wo ich im Gegensatz zu Ihren Unterstellungen tatsächlich zumindest das, was ich hier an Grundlagen vorstelle, auch selbst durchgerechnet habe – gehe ich halt nach dem, was ich als interessant und vielversprechend einschätze, und von dem ich denke, dass ich es auf dem Niveau eines SciLogs-Blogbeitrags (d.h. insbesondere ohne viele Vorkenntnisse und ohne tiefere Mathematik) darstellen kann.

      Das meiste was Sie vorschlagen fällt aus meiner Sicht nicht in diese Kategorie. Die Frage, ob Gravitationswellen reine Koordinateneffekte sind, scheint mir in den Details nicht sonderlich ergiebig zu sein. Ich hatte das Thema zwar angesprochen und in ein paar Worten umrissen, worum es geht, aber für die Details hatte ich dann doch auf Buch und Artikel von Kennefick verwiesen.

      Was Liu und die behaupteten Korrelationen angeht, ist man damit schon recht tief in der Fourier-Analyse. Deren Grundlagen und Anwendungen beim Gravitationswellennachweis habe ich ja aufgearbeitet, aber die Rolle von Fensterfunktionen und die Probleme was passiert, wenn man diesen Standard-Analyseschritt weglässt scheinen mir eher ein Randproblem zu sein und für SciLogs-Leser keine großen Aha-Erlebnisse bereitzuhalten.

      Was Neutrinos bei den Neutronensternen angeht: Auch da lag der wesentliche Teil der Geschichte aus meiner Sicht woanders, nämlich bei der Beobachtungskampagne, deren elektromagnetische Beobachtungen sich ja sehr schön mit denen der Gravitationswellenjäger kombinieren ließen. Entsprechend habe ich meinen Blogbeitrag ja auch beschrieben. Wären Neutrinos zwingend zu erwarten gewesen und dann nicht gefunden worden, wäre das sicher wichtig gewesen zu erwähnen. Aber so war es ja nicht – schaut man sich die entsprechenden Review-Artikel von kurz vorher an, etwa diesen hier, dann war eben unklar, ob und in welcher Menge hochenergetische Neutrinos erwartet werden sollten, übrigens auch unabhängig von den Gravitationswellen-Messungen bei bis dahin nachgewiesenen Gamma Ray Bursts.

      Zu Steinhardt: Die eher spekulativen Überlegungen zu dem, was im Standardmodell der Kosmologie die ersten Sekundenbruchteile der kosmischen Evolution wären, finde ich mangels entsprechender Daten bei unserem derzeitigen Wissensstand nicht sehr ergiebig. An der Stelle finde ich wichtiger, der Öffentlichkeit zu vermitteln dass jener Abschnitt der Modelle eben derzeit nicht gut verstanden ist und dass wir schlicht nicht wissen, was da vorgeht. Und Blogbeiträge schreibe ich dann lieber zu den späteren Phasen, wo wir eine gute physikalische Grundlage haben, auf Beobachtungsdaten zurückgreifen und damit testen können, dass unsere Modelle tatsächlich gut beschreiben, was da vor sich geht.

      Zusammengefasst: ich bemühe mich um eine differenzierte Darstellung, die berücksichtigt, wo sich die Zusammenhänge so darstellen lassen, dass man auch ohne höhere Mathematik etwas verstehen kann, und die durchaus auch die Grenzen unseres Wissens aufzeigt. Ihre Vorschläge lesen sich dagegen aus meiner Sicht, als sollte ich allem, was man nur irgendwie als den vorherrschenden Modellen widersprechend interpretieren könnte, allein deswegen hier im Blog große Aufmerksamkeit widmen. Eine in dieser Weise vorurteilsgetriebene Themenauswahl wird der Sache aber nun wirklich nicht gerecht.

  3. Ich frage mich hin und wieder, was das Ziel eines Blog-Beitrages sein soll?</blockquote

    Zum Beispiel jemanden wie mir näher zu bringen wer Albrecht Rüdiger war und warum er für die Erforschung von Gravitationswellen wichtig war. Eine schöne Würdigung! Danke Herr Pössel.

    Keine Angst, ich habe wenig Motivation[..]

    Ja, klar….

  4. Herr Freyling hat viele Vorschläge, wo er vorher vergessen hat zu lesen, daß er ein Blog machen könnte.
    Bei den “Menschen-Bildern” hat er OT fast seine komplette Webseite abgeladen, die keinen interessiert.
    Dr. Pössel beteiligt sich wenigstens geduldig bei solchen Abwegigkeiten, drüben ist nur Chaos-Club.

  5. Guten Tag Herr Pössel,

    zum besseren Verständnis.

    i) Ich empfinde generell eine Bestürzung im Todesfall eines Menschen, den man kannte, als nachvollziehbar. Ich frag(t)e mich aber, was Ihre Relativierung „einigermaßen“ bedeutet?

    ii) Der Begriff des Inertialsystems ist wenig bis gar nicht interpretationsfähig. Die Kommentatoren, die diesen Begriff in Frage stellen, bzw. subjektiv interpretieren, verstehen die grundsätzliche Bedeutung einer (formalisierten) Definition nicht. Ich erachte eine ausgiebige Diskussion im Rahmen von Kommentarfeldern für wenig sinnvoll. Der Kommentarverlauf zeigt, daß das Unverständnis mit einer generellen Ablehnung der (S)RT diverser Kommentatoren in Zusammenhang steht. Diese Kommentatoren sind argumentativ nicht erreichbar.

    In diesen Zusammenhängen sind plakative Fragen ob SRT und ART, QM, Quantenfeldtheorie(n) (QFTn) als Denkmodelle “richtig” oder “falsch” sind, irrelevant. Denn die Frage müsste im Einzelfall lauten, inwieweit ein Denkmodell konsistent ist und erkenntnistheoretisch wertvolle Antworten geben kann. Wenn wir über SRT, ART, QM und QFTn “reden”, dann reden wir bei genauer Sicht ausschließlich über mathematische Konzepte und im “Kern” über axiomatische Randbedingungen. Es ist sinnleer ein axiomatisch begründetes Konzept in Frage zu stellen. Die fundamentalen Probleme der Standardmodelle kommen u.a. mit den theoriebedingten Näherungen und Idealisierungen, sowie inkonsistenten Erweiterungen und willkürlichen Zusatzannahmen.

    Am Rande bemerkt: Ihre Kommentardiskussion beispielsweise mit Andreas Gimsa in Ihrem Blog-Artikel Gravitationswellen-Nachweistechnik: Signale und Wellen war (ist) interessant und informativ.

    iii) Aspekte der Relativitätstheorie und insbesondere der Allgemeinen Relativitätstheorie dem interessierten Leser näher zu bringen, kann auf Grund des Schwierigkeitsgrades der dafür notwendigen Mathematik nur sehr unvollständig sein. Das Theorieobjekt Gravitationswelle ist ein kompliziertes Konstrukt. Eine populärwissenschaftliche „Reduktion“ der Sachverhalte findet meist ohne kritisches Hinterfragen statt, was aber zu einer ausgewogenen Berichterstattung dazu gehört.

    Beispiel: Der Hinweis auf ein historisches Dokument, indem Albert Einstein selbst starke Zweifel an der Existenz der Gravitationswellen formuliert, findet man in der Regel nicht. Des Weiteren wird nie erwähnt, daß Gravitationswellen nicht ART-spezifisch sind. Auch die modifizierte Newtonsche Mechanik (MOND) postuliert Gravitationswellen. Da ich als Kommentarschreiber nur 2 Links angeben kann mag der interessierte Leser selbst exemplarisch Gravitational waves in bimetric MOND in die Suchmaschine eingeben. Dort findet sich dann u.a. ein arXiv-Dokument mit dem Titel Gravitational waves in bimetric MOND aus dem Jahre 2014 von Mordehai Milgrom. Weiterführend wäre die aus MOND hervorgegangene (relativistische) Theorie “namens” TeVeS (tensor-vector-scalar) zu nennen.

    Bevor hier Mißverständnisse aufkommen. Mein Interesse gilt der möglichst „neutralen“ Analyse bestehender Denkmodelle. In dem Zusammenhang bedeuten Hinweise auf kritische Betrachtungen durchaus auch kritische Betrachtungen der Alternativen. Beispiel: Im Quantamagazine erschien im April 2018 ein Artikel mit dem Titel Troubled Times for Alternatives to Troubled Times for Alternatives to Einstein’s Theory of Gravity und der (leider reißerischen) Überschrift New observations of extreme astrophysical systems have “brutally and pitilessly murdered” attempts to replace Einstein’s general theory of relativity.

    Wie ich initial geschrieben habe, möchte ich hier im Blog-Artikel nicht konkret über Gravitationswellen(nachweise) mit Ihnen diskutieren.

    In diesem Sinne fasse ich mich kurz. Das Fehlen von Neutrino(detektionen) im postulierten Ereignisfenster von Gravitationswellendetektionen ist nicht „ohne“, sofern man die Postulate zur Entstehungsdynamik gesamtheitlich betrachtet.

    Des Weiteren: Bevor hier Mißverständnisse aufkommen, sei erwähnt, daß Hao Liu, James Creswell, Sebastian von Hausegger, Andrew D. Jackson, Pavel Naselsky keine „Gegner“ der ART sind. Sie halten Gravitationswellen für möglich. Ihre argumentative Kritik bezieht sich auf die experimentelle Umsetzung.

    iv) Insgesamt existiert eine konstruierte Problematik, die durch die verwendete Sprache ausgelöst wird. Es wird immer vom direkten Nachweis der Gravitationswelle gesprochen. Ein Interferometer mißt grundsätzlich aber keine Gravitationswellen direkt.

    v) Plakativ formuliert: Die erwarteten Auswirkungen wurden errechnet. Zum Vergleich: Einer der derzeit genauesten realobjektorientierten Versuchsaufbauten dürfte die Doppel-Penning-Falle zur Bestimmung von magnetischen Momenten sein. Dessen „Messfenster“ mittels Differenz-Frequenz-Messungen ist mit einer relativen Standardabweichung von ~ 2,6e-13 für das Elektron schon „sehr genau“.

    Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die notwendige und postulierte Nachweisgenauigkeit der Gravitationswellenmessung, die um viele Dimensionen über der Penningfallen-Meßtechnik angesiedelt ist, letztendlich (doch) nur ein Wunsch ist, der real, beispielsweise auf Grund der »Quantennatur« nicht realisierbar ist. Daß sowohl Theoretiker als auch Experimentatoren Ihre eigenen Konzepte „plötzlich“ über Bord werfen, wenn Spektakuläres in Sicht ist, wurde bei dem OPERA-Neutrino-Experiment eindrucksvoll bewiesen. Trotz der (S)RT und anerkannter Neutrino-Oszillationen, welche Neutrinomassen zwingend voraussetzen, wurde behauptet, daß die Neutrinos Überlichtgeschwindigkeit erreichten. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es in kürzester Zeit dutzende »scintific papers«, die dies vermeintlich wissenschaftlich erklärten. Bis eines Tages ein Messfehler alle auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

    vi) „…Zu Steinhardt: Die eher spekulativen Überlegungen zu dem, was im Standardmodell der Kosmologie die ersten Sekundenbruchteile der kosmischen Evolution wären, finde ich mangels entsprechender Daten bei unserem derzeitigen Wissensstand nicht sehr ergiebig.“…

    Gibt es irgendeine Aussage des Standardmodells der Kosmologie, die, nicht zuletzt auf Grund der freien Parameter, nicht spekulativ ist?

    In unserem Sonnensystem gibt es weder Neutronensterne, Gamma Ray Bursts (GRBs) noch Schwarze Löcher (respektive „Anomalien“, die als solche interpretiert werden können).
    Der postuliert „erdnächste“ Schwarz-Loch-Kandidat ist 2800 Lichtjahre entfernt. Zum Vergleich: Der nächste Stern „aus unserer Sicht“ ist mit 4,24 Lichtjahren Proxima Centauri. Objekt- und Entfernungs-Angaben beziehen sich auf die „Sicht des ΛCDM-Modells“.

    Das angesiedelte soziologische Wahrnehmungsproblem „besteht“ darin, daß meist, nach einfachem psychologischem Glaubens-Muster, diverse postulierte Theorieobjekte unterschiedlichster Art, teils seit Jahrzehnten – der mit rudimentärem Wissen ausgestatteten Bevölkerung – als 100% real existent sprichwörtlich “verkauft” werden. Diese fördermittelbringenden Theorieobjekte sollen dann „Kaskadenereignisse“ bilden, die mit immensen iterativen Nachberechnungen indirekt nachgewiesen werden.

    Mein derzeitiges Fazit: Es ist alles andere als trivial, Raum und Zeit als physikalische “Gegenstände” zu betrachten. Raum und Zeit sind primär “Ordnungsmuster des Verstandes”. Um aus diesen Ordnungsmustern Physik zu “erhalten”, bedarf es phänomenologischer Betrachtungen und Erklärungen.

    Die menschliche Beobachtungs-Zeitspanne ist verglichen mit den Zeitspannen, in denen sich kosmische Bewegungen abspielten und abspielen, extrem klein. Mit den Angaben aus der menschlichen Beobachtungsdauer Annahmen zu begründen, ist „weit hergeholt“ um es mal salopp zu formulieren. Alle derzeitigen vermeintlich empirischen Messungen sind stark (Urknall-)theoriebeladen. Postulierte Zeitspannen, Entfernungen und Energiedichten sind subjektiv-theorieabhängig.
    Ein Experiment braucht zu seiner Konzeption eine konkrete Fragestellung. Ist die Fragestellung das Ergebnis eines mathematischen Formalismus so ist das Versuchsergebnis entsprechend theoriebeladen. Wenn dann noch die messbaren Ergebnisse vorselektiert und nur indirekt mit den postulierten Theorieobjekten „verbunden“ sind, ist der Interpretations-Beliebigkeit nichts mehr entgegenzusetzen. Die so theorieinduzierte Wissenschaft ist dann möglicherweise nichts weiter als ein (dogmatischer) Einigungsprozess.

    Soweit.
    Das es noch deutlich mehr zu bemerken gibt, gilt für Sie, für mich und für alle, die sich intensiver mit grundsätzlichen Fragen zur Theoriebildung auseinandersetzen. Was ich denke, kann jeder herausfinden, der hier meinen Namen anklickt.

    Punkt vii) habe ich aus Platzgründen ausgelagert.

  6. Zum Thema Zensur im Wissenschaftsbetrieb

    vii) Was passiert mit Kritikern der Standardmodelle?

    Selten, daß sich Wissenschaftler in Scilogs-Blog-Kommentarfeldern äussern. Hier mal eine dieser Ausnahmen, wo sich Pavel Kroupa vom Blpg-Artikel-Autor „falsch verstanden“ fühlt und auf massive Zensur im Wissenschaftsbetrieb hinweißt.

    [Prof. Pavel Kroupa ist Astrophysiker]

    Herr Kroupa hinterließ 4 Kommentare zu Anmerkungen zur Dunkle-Materie-Debatte …von Jan Hattenbach, von denen die Kommentare 2 und 3 „es in sich haben“.

    Kommentartextauszüge:
    Pavel Kroupa Kommentar 2…“Sehr verblueffend ist, wie die Falsifikation der sehr genauen Vorhersagen des Standardmodells durch im wesentlichen _alle_ Beobachtungen auf Mpc Skalen und darunter als nichtig abgetan werden. Hier vermerke ich nocheinmal: Auf diesen Skalen haben wir die _besten_ Daten und sehr gute und sehr umfangreiche Berechnungen! Und ja, die wissenschaftlichen Arbeiten, welche dieses quantifizieren, die werden z.T. ignoriert, weil sie zeigen, dass das Standardmodell ausgeschlossen wird. Es gilt als riskant, “ketzerische” Arbeiten, zu zitieren.
    Brillianten Wissenschaftlern, mit herausragenden akademischen Qualifikationen, wird z.T. Dikussionsverbot erteilt, wenn sie sich mit physikalisch interessanten alternativen Ansaetzen beschaeftigen. Erst letzte Woche hatte ich einen hochbegabten jungen Physiker zu besuch, der mir _schlimmstes _berichten musste.

    Pavel Kroupa Kommentar 3…“Es geht hier nicht darum, was ein Herr Hattenbach, ein Simon White oder ich “glauben”. Es geht ersteinmal alleine um die Frage, ob das heutige kosmologische Standardweltbild (= Einstein’s ART + Inflation + kalte Dunkle Materie + Dunkle Energie) erfolgreich die Natur beschreibt. Und hier ist die ganz klare Erkenntniss: nein! Diese meine Feststellung basiert auf ca 15 Jahre Forschung _im Rahmen des Standardmodells_! Diese objektive Erkenntnis steht unabhaengig davon, ob wir bereits ein ausgearbeitetes alternatives kosmologisches Modell haben.

    Zurueck zur Kosmologie:
    Das obige ist beaengstigend, weil naemlich einfachere Alternativen im gleichen Zuge unterdrueckt werden. So kann es ja dann nicht ueberraschen, dass diese Alternativen nicht so gut ausgearbeitet sind, sodass Simon White “ueberzeugend” argumentieren kann, dass es eben keine ueberzeugende Alternativen gibt. Dieses ist ein zirkulares Argument, welches den Steuerzahler, der unsere Forschung finanziert, eigentlich interessieren sollte.

    …Im Angesicht der Tatsache, dass es physikalisch gut motivierte Alternativen, welche durchaus im Einsteinschen Sinne sind, gibt, welche mindestens so gut, und sogar einfacher fuer die kosmologische Welt aufkommen, ist diese Diskussion hier nicht verstaendlich. Diese Alternativen habe ich in meinem Vortrag in der Debatte teilweise aufgezeigt, aber wenn man nicht sehen moechte, dann sieht man eben nicht.
    Auf SciLogs (Von Herrn Hattenbach erwaehnt) bieten wir Beitraege an, die dokumentieren, dass erstens das kosmologische Standardmodell eben doch nicht so ueberzeugend ist, wie immer wieder per Wiederholung Behauptet wird, selbst auf den grossen Skalen. Und zweitens dokumentieren wir, dass die Alternativen die Beobachtungsdaten deutlich besser erklaeren.

    SciLogs war auch nicht meine Idee, genausowenig, wie die Debatte, sondern ich wurde eingeladen, diese Blogs zu fuehren. Im Juli 2010 sagte ich dieser zusaetzlichen Buerde zu, weil ich der Ansicht bin, dass die Oeffentlichkeit so gut wie moeglich zu diesen Fragen informiert sein sollte, wenn sie es denn wolle. Von der Fachwelt kommen solche Informationen in der Regel eher nicht an die Oeffentlichkeit.

    Auch der fuehrende Kosmologe Jim Peebles, zusammen mit Adi Nusser, stellen dieses in einer Arbeit, welche zeitnah in Nature erschien, fest. Wenn ich noch Moeglichkeiten saehe, wie man das Standardmodell mit den vielen existierenden modernen Beobachtungsdaten in Einklang bringen koennte, dann haette es die Debatte in Bonn nicht gegeben.

    Zudem zeigen alle Beobachtungsdaten, dass Galaxien Milgromsche, und nicht Newtonsche Objekte sind. Die Details sind in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten zu finden. Interessant ist es hier festzustellen, dass Milgrom’s Formulierung in 1983 Vorhersagen beinhaltet, fuer welche die Theorie _nicht_ konzipiert wurde. Trotzdem wird sie immer wieder bestaetigt. In der Tat ist die Milgromsche Dynamik viel reichhaltiger und physikalisch interessanter, als Newtonsche Gravitationsdynamik. In meiner Forschungsgruppe widmen wir uns auch besonders der Frage, ob Milgrom’s MOND nicht doch falsifiziert werden kann. D.h., wir ueberlgen uns staendig neue Tests, und bearbeiten diese.

    Warum Alternativen aber trotzdem nicht hinreichend untersucht werden, bzw. nicht gefoerdert werden (“Welchen Grund sollte es dafür geben? Wer hätte etwas davon?”, wie Herr Hattenbach fragt): Nun, diese Frage kann sich Herr Hattenbach sicherlich selber beantworten. Jedenfalls sind die Geschichtsbuecher voll von solchen Geschichten. Und leider kommen nun recht viele hinzu. Moeglicherweise haengt dieses Verhalten einer Gesellschaft auch mit einer Gruppenbildung zusammen. Will heissen, dass man sich als junger Wissenschaftler, der ja eine Stelle benoetigt, gerne in einem sicheren “Stamm” sieht. Man sucht eine Zugehoerigkeit, und dann am besten zu einer Gruppe, welche allgemein akzeptiert wird. Je hierarchischer und pyramidenfoermiger ein Wissenschaftssystem ist, desto gravierender schlagen solche Aspekte zu.

    Hier möchte ich ergänzend bemerken, daß Pavel Kroupa nur die aktuelle Ausgrenzung Andersdenkender abbildet.

    Sir Roger Penrose (1931 geboren) Mathematiker und Theoretischer Physiker (u.a. „Vater der Spin-Netzwerke“, Mitentwickler der Loop-Quantengravitations-Theorie) ist einer der berühmtesten noch lebenden Kritiker der Inflationsthese.

    Sir Roger Penrose calls string theory a “fashion,” quantum mechanics “faith,” and cosmic inflation a “fantasy.”

    Der schwedische Physiker und Nobelpreisträger (1970) Hannes Olof Gösta Alfvén (1908 – 1995) war ein entschiedenerGegner der Urknall-Theorie. Alfvén erhielt zahlreiche Auszeichnungen (…ihm “zu Ehren” ist u.a. der Preis für Plasmaphysik der Europäischen Physikalischen Gesellschaft nach ihm benannt…), trotzdem wurden seine Ideen von der Systemphysik ignoriert oder abgelehnt.

    Zum Mitdenken: Nach Alfvéns Tod im Jahre 1999 wird ein Jahr später ihm “zu Ehren” ein Physik-Preis benannt. Da mit seinem Ableben sicher gestellt ist, daß er sich definitiv nicht mehr kritisch äußern kann. So wird taktisch klug suggeriert, daß Alfvén und seine Leistungen Bestandteil der Systemphysik sind.

    Was für eine perfide Handlung, denn zu Lebzeiten war Alfvén oft gezwungen seine wissenschaftlichen Abhandlungen in unbedeutenden Fachzeitschriften zu veröffentlichen. Insbesondere die Kritik des angesehenen britischen Astronomen und Geophysikers Sydney Chapman an Alfvéns Theorien zur magnetosphärischen Physik machte es Alfvén schwer, Unterstützung für seine Arbeit zu bekommen. Selbst heute noch ist nur Wenigen bekannt, wie stark er die Physik, insbesondere die Magnetohydrodynamik und Plasmaphysik, durch seine Arbeiten geprägt hat.

    Alfven sagte sinngemäß: „Es gibt gute und böse Experimente. Die guten bestätigen die herrschende Theorie und werden sogleich veröffentlicht. Die bösen widerlegen die Theorie und werden verschwiegen. Auf diese Weise wird die Theorie immer wieder bestätigt.“

    Halton Arp ( 1927 – 2013 ) war ein respektierter, leitender amerikanischer Astronom bis er bemerkte, daß einige Quasar-Paare, die physisch nah beisammen sind, sehr unterschiedliche Rotverschiebungen haben. Er entdeckte »uralte« Quasare mit einer hohen Rotverschiebung, die sich eigentlich schon jenseits des sichtbaren Universums befinden müssten, in nächster Nähe zu sehr jungen, schwach rötlichen Galaxien. Das bedeutet u.a., daß die Kalkulationen über die Expansion des Universums überarbeitet werden müssen. Arp zeigte anhand seines methodischen Vorgehens, sich möglichst an Beobachtungen zu orientieren und nicht nur von Theorien geleitet zu sein. Folglich ist das ganze Fundament der extragalaktischen Rotverschiebung und der Urknall-Theorie nichtig. Als erste Konsequenz seiner Kritik am Urknall-Modell wurde Arp keine Teleskop-Zeit mehr zugeteilt.

    Im Alter von 56 emigrierte Halton Arp nach Deutschland, um seine Arbeit am Max-Planck-Institut für Astrophysik fortzusetzen. Arp war nicht allein mit seiner Ansicht. 34 leitende Astronomen aus zehn Ländern, wie Hermann Bondi, Thomas Gold, Amitabha Ghosh und Jayant Narlikar schickten „Nature“ einen Brief, in dem sie darauf hinwiesen, dass sich die Urknall-Theorie auf eine wachsende Zahl von hypothetischen Dingen stützt, die nie beobachtet worden sind. Daß alternative Theorien viele grundlegenden Phänomene des Kosmos ebenfalls erklären können und dass dennoch alle finanziellen und experimentellen Ressourcen in der Kosmologie den Urknall-Studien zugesprochen werden. „Natureweigerte sich, den Brief zu veröffentlichen.

    • @Dirk Freyling: OK, ich sehe, warum hier andere Kommentatoren die Vermutung äußerten, sie würden Kommentare hier vor allem als Anlass nehmen, um seitenweise Ihre eigenen Themen hier abzulegen. Da ich entsprechendes Verhalten auch bei anderen kritisiert/sanktioniert habe, auch an Sie die Bitte, sich deutlich kürzer zu fassen und vom eigentlichen Blogbeitragsthema abweichende Kommentare zu vermeiden. Die Kommentarspalte eines Blogs ist nunmal etwas grundlegend anderes als ein allgemeines Forum.

      i) Was Sie jetzt als Interpretation Ihrer Frage anbieten scheint mir nicht recht dazu zu passen, dass Sie vorher auf das überdurchschnittliche Alter Herrn Rüdigers hinwiesen. Das “einigermaßen” bezog sich darauf, dass ich bei einem Menschen, mit dem ich persönlich und häufiger zu tun hatte, sicherlich noch deutlich bestürzter gewesen wäre.

      ii) Genau die Frage, ob man derartige Kommentatoren bei entsprechender Geduld auf der Sachebene doch noch argumentativ erreichen kann, finde ich sehr spannend. Aber ich bin da möglicherweise zu optimistisch.

      iii) Hinterfragen wo angebracht gerne. Auch vorsichtige Formulierungen: völlig d’accord. Ich bemühe mich z.B. beim Urknall immer, darauf hinzuweisen, dass wir über die frühesten Phasen kosmischer Zeit so gut wie gar nichts wissen, und finde es schade, wenn diese Phasen in populärwissenschaftlichen Texten relativ zu den deutlich besser gesicherten späteren Phasen des Modells zuviel Raum zu bekommen. Was Sie schreiben, was sie zitieren und was sie weglassen macht auf mich allerdings alles andere einen neutralen Eindruck; mein Eindruck ist vielmehr, dass alles, was in irgendeiner Weise z.B. gegen das kosmologische Standardmodell spricht, bei Ihnen automatisch einen großen Bonus und viel zu großes Gewicht bekommt.

      iv) Die Sprachregelung direkt vs. indirekt ist vor allem im Kontext des ja lange vorher schon geführten indirekten Nachweises durch den Binärpulsar sinnvoll. Wie “direkt” nun “direkt” ist: Bei zu strenger Auslegung des Wortes gibt es in der Physik dann so gut wie gar keine direkten Messungen mehr. Teilchendetektoren weisen Spuren nach, Radioantennen nur einen Teil elektromagnetischer Felder, CCDs nur das Herausschlagen von Elektronen und so weiter. Ab einem bestimmten Punkt ist das Wort “direkt” dann gar nicht mehr anwendbar. Da finde ich den jetzigen Sprachgebrauch deutlich sinnvoller.

      v) Ich dachte, darüber wollten Sie hier nicht reden? Die Quanteneffekte sind bei den Rechnungen zur Empfindlichkeit der Gravitationswellendetektoren jedenfalls auf alle Fälle miteingerechnet. Und Sie wischen komplett unter den Tisch, dass sowohl die einzelnen Komponenten der Detektoren als auch die jeweiligen Interferometer als Ganzes ja durchaus vielfältigen Tests unterzogen wurden. Da wurde nicht nur “errechnet”, sondern die Teilmodelle wurden getestet, die Gesamtreaktion der Detektoren auf das erwartete Signal wurde im Nachhinein auch noch einmal getestet, und die strenge Übereinstimmung mit den errechneten Wellenformen lässt generell keinen nennenswerten Spielraum für eine zufällige Übereinstimmung. Etwas ganz anderes als z.B. bei Webers ersten, dann nicht allgemein anerkannten Nachweisen. (Die übrigens ein schönes Beispiel dafür sind, dass die Community selbst für ein im Prinzip erwartetes Phänomen wie Gravitationswellen eben sehr kritisch ist und nicht jeden behaupteten experimentellen Nachweis einfach so akzeptiert – so soll das sein.)

      Zu OPERA: Was Sie da schreiben ist eine sehr tendenziöse Darstellung. Die OPERA-Kollaboration ist an die wissenschaftliche Öffentlichkeit gegangen und hat gesagt: das hier haben wir offenbar gemessen, wir enthalten uns erstmal weiterer Interpretation. Dass dann einzelne Physiker sich an Erklärungen versuchen, ist nicht überraschend. Zumindest in meinem direkten Umfeld und auf den sozialen Medien war der Grundtenor aber eher: erstmal abwarten und schauen, ob sich da nicht doch noch etwas ergibt. Insofern hat die Entdeckung des Meßfehlers nicht “alle auf den Boden der Tatsachen” zurückgeholt, sondern für die meisten nur bestätigt, was sie sowieso schon vermutet hatten. Nur dass man zu “ich vermute es ist ein Meßfehler und warte erstmal ab” natürlich keine E-Prints auf das arXiv stellt.

      vi) Da fahren Sie ja einige schwere rhetorische Geschütze auf, um größtmögliche Unsicherheit zu vermitteln. Sicher ist Astronomie modellabhängig. Und gerade bei ganz unsicheren Kandidaten wie Dunkler Materie und Dunkler Energie ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir dazu noch kein vernünftiges fundamentales Modell haben. Aber ein pauschales Handwedeln, damit sei doch alles dort sehr spekulativ, verwischt entscheidende Unterschiede. Wieweit die Physik hier auf der Erde der Physik dort ganz weit draußen entspricht, lässt sich testen. Wenn es dort draußen ganz andere Atomphysik gäbe, würden wir das anhand von ganz anderen Spektrallinienmustern sehen. Wenn die Gravitationstheorie dort eine ganz andere wäre, könnten die Modelle zur Erklärung der Pulsverzögerung von Doppel-Neutronensternen nicht funktionieren. Ganz klar: das ist eine andere Situation als bei kontrollierten Laborexperimenten. Und in einer Reihe von Szenarien gibt es in der Tat Zutaten, die wir (noch) nicht genügend verstehen. Aber gerade bei der Kosmologie haben wir derzeit mehr Messungen als freie Parameter. (Und derzeit ja z.B. einen Konflikt bei der Bestimmung der Hubble-Konstanten, der evt. durch besseres Verständnis von Entfernungsbestimmung oder durch neue Physik gelöst werden kann, nicht aber dadurch, dass man einfach die vorhandenen Parameterwerte etwas anders wählt.) Die Rotverschiebungen von Quasaren können Sie mit Schulinstrumenten selbst nachmessen, wenn Sie möchten (hat mindestens einer der Lehrer, die zu unseren Fortbildungen kommen, gemacht).

      vii) OK, jetzt verstehe ich, was die anderen Kommentatoren mit “zuschütten” meinten. In der Sache sehe ich da aber weder Zensur noch Ausgrenzung Andersdenkender. Letztlich bestimmt jeder Wissenschaftler, der sich z.B. mit Galaxienentstehung beschäftigt, welche Ideen er oder sie für vielversprechend hält oder nicht. Mit einigen der Forscher an meinem Institut (MPIA) hatte ich das mal angesprochen, die hatten aber jeweils Gründe, warum sie die Argumente von Kroupa nicht für stichhaltig hielten. MOND und TeVeS waren in den entsprechenden Diskussionen dann zum Teil als Alternativen mit im Rennen (z.B. hier), waren und sind also keineswegs “verboten”, aber sie haben die Betreffenden eben letztlich nicht überzeugt. In dem derzeit vollständigsten Review zu experimentellen Tests der ART hat TeVeS jedenfalls seinen eigenen Abschnitt, und in den “Living Reviews in Relativity” ist 2012 ja sogar nochmal eine große Gegenüberstellung von herkömmlichen Modellen und MOND erschienen. Auch bei den Doppelpulsar-Tests haben die Kollegen vom MPIfR ja durchaus TeVes mal direkt getestet (da finde ich die Referenz allerdings auf die Schnelle nicht). Zensur und Ausgrenzung sind etwas anderes. Das hier ist eher das Muster einer Idee, die zwar dort, wo es den Beteiligten sinnvoll scheint, aufgegriffen, auf die Probe gestellt, durchaus auch mal in einem Review-Artikel zusammengefasst wird, sich aber allgemein unter den Forschern (bislang) nicht hat durchsetzen können.

      Ähnlich scheinen mir Arp und Alfven gelagert. Und auch da wieder finde ich Ihre Darstellung sehr, sehr verzerrend. Sie schreiben beispielsweise “Selbst heute noch ist nur Wenigen bekannt, wie stark er die Physik, insbesondere die Magnetohydrodynamik und Plasmaphysik, durch seine Arbeiten geprägt hat.” – der Mann hat den Physik-Nobelpreis für seine entsprechenden Arbeiten bekommen! Er steht beim DPG-Fachverband Plasmaphysik in der Liste bedeutende Plasmaphysiker! Kein Plasmaphysik-Lehrbuch ohne Alfven-Wellen, würde ich mal sehr stark vermuten! Wieweit die Plasmaphysik insgesamt mehr als “Wenigen” bekannt ist, kann man natürlich immer noch fragen, aber dass die wichtigen Beiträge von Alfven aufgrund seiner anderweitigen unorthodoxen Ansichten in irgendeiner Form unterdrückt worden wäre, ist doch wiederum schlicht nicht wahr.

      Insgesamt, wie gesagt: Wir weichen hier stark vom Blogbeitragsthema ab. Da ich bei anderen auch darauf achte, dass die Kommentar-Diskussion nicht ausufert, werde ich das hier konsequenterweise auch hier tun. Insofern sollten wir bitte zügig konvergieren. Wie Sie sehen gehe ich mit gutem Beispiel voran: meine Antwort ist weniger als halb so lang wie Ihre letzten Kommentare.

  7. Herr Pössel,
    verkürzt und plakativ
    i) banales Mißverständnis

    ii) ob Sie zu optimistisch sind… Gustave Le Bon antwortet in Psychologie der Massen

    iii) na ja, Ihr Fokus ist Pro, mein Fokus ist Contra ΛCDM-Modell

    iv) (Michelson)-Interferometer messen keine Gravitationswellen direkt…

    v) …ich habe wenig Motivation, bedeutet nicht, daß ich gar nichts zum Thema GW erwähne…

    vi) … „…schwere rhetorische Geschütze“ ? „…pauschales Handwedeln“… ?

    …“Aber gerade bei der Kosmologie haben wir derzeit mehr Messungen als freie Parameter. ?

    …”(Und derzeit ja z.B. einen Konflikt bei der Bestimmung der Hubble-Konstanten, der evt. durch besseres Verständnis von Entfernungsbestimmung oder durch neue Physik gelöst werden kann, nicht aber dadurch, dass man einfach die vorhandenen Parameterwerte etwas anders wählt.)“…

    Die Hubble-Konstante-Messung kennt gar keinen anderen Zustand als die Unsicherheit im Prozentbereich, siehe Observed values of the Hubble constant

    vii) Prof. Pavel Kroupa schreibt
    …“Es gilt als riskant, “ketzerische” Arbeiten, zu zitieren.
    Brillianten Wissenschaftlern, mit herausragenden akademischen Qualifikationen, wird z.T. Dikussionsverbot erteilt, wenn sie sich mit physikalisch interessanten alternativen Ansaetzen beschaeftigen. Erst letzte Woche hatte ich einen hochbegabten jungen Physiker zu besuch, der mir _schlimmstes _berichten musste
    .“…

    Sie kommentieren: …“In der Sache sehe ich da aber weder Zensur noch Ausgrenzung Andersdenkender..“…

    Ach, so sehen Sie das. Na dann erfülle ich Ihren Wunsch (nach Konvergenz) final und verabschiede mich aus diesem Kommentarbereich.

    • @Dirk Freyling: Nachdem Sie es mir so einfach machen, keine neuen Argumente vorzubringen, so dass ich meinerseits einfach nochmal auf meine vorigen Antworten verweisen kann, haben wir in der Tat Konvergenz. Tschüß dann!