Warum wir uns nicht gern neben jemanden setzen

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Was ist besser für psychologische Studien im Feld geeignet als die U-Bahn? Hier drängen sich die Versuchskaninchen auf engstem Raum, weshalb Psychologiestudenten im Grundstudium gerne dieses Untersuchungssetting wählen, um ihre Beobachtungsexperimente durchzuführen.

Jedem ist sicher schon aufgefallen, dass sich eine Person in einem Raum, wo noch andere Plätze frei sind, niemals aber auch niemals neben eine andere Person, die bereits ihren Platz eingenommen hat, setzt. Wahrscheinlich steuert sie zielgerichtet den Platz an, der möglichst weit weg von dieser Person liegt, aber nicht so weit weg, dass diese daran Anstoss nehmen könnte.

Ein alltägliches Beispiel

Im begrenzten Raum der U-Bahn lässt sich dieses Phänomen wunderbar beobachten. Nehmen wir an auf einer Bank sitzt eine Person am linken Ende, während sich eine andere Person am rechten Rand niedergelassen hat. Eine dritte Person wird mit 99,5 %iger Wahrscheinlichkeit den Platz genau in der Mitte der Beiden wählen – vorausgesetzt es ist kein Platz frei, der noch weiter weg liegt – und mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit eine Zeitung aus der Tasche holen, wenn sie nicht gerade Musik hört (ebenfalls hier von uns als Geste der Distanzherstellung zu den anderen Menschen in der Bahn interpretiert).

Dieses Phänomen ist nicht nur in geschlossenen Umgebungen wie Restaurants, Seminar- und Klassenräumen, öffentlichen Verkehrsmitteln etc. zu beobachten, sondern auch in offenen Räumen.

Wie kommt es zu diesem Verhalten?

Psychologen haben herausgefunden, dass der persönliche Bereich, den Fremde nicht übertreten sollten, damit sich der Mensch wohl fühlt in westlichen Industrienationen – wo Individualität ein geschätzter Gesellschaftswert ist – im Ein-Meter-Bereich liegt. Nur nahe stehende Personen dürfen diesen Bereich überschreiten, was eine besondere Form der Intimität darstellt. In östlichen Nationen – wo Konformität einen hohen Stellenwert hat – ist dieser Intimitätsbereich kleiner. Diese Diskrepanz kann schon mal zu kulturell bedingten Missverständnissen führen.

Vielleicht sollten wir in unseren Seminaren, die Stühle zu Beginn eines Trainings mit einem Mindestabstand von einem Meter aufstellen, um das Wohlfühlgefühl unserer Teilnehmer zu gewährleisten … und dann langsam wieder im Trainingsprozess zusammenführen, um die Teamentwicklung zu fördern. 😉

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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