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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Willkommen in der Lebensmitte

Wenn ihr Sohn gerade die Sprache entdeckt, seine Nase in ihre Zeitschrift steckt und statt der angedachten Einführung in die Innenpolitik auf den dicken Mann im benachbarten Adipositas-Artikel zeigt und ruft: „Papa“, dann verfügen Sie scheinbar über eines der Attribute, welches in vielen Fällen die Lebensmitte kennzeichnet. Oder vielleicht verspüren Sie das Bedürfnis sich einen schnittigen unpraktischen Zweisitzer zu zulegen? Doch das Klischee, dass die Midlife-Crisis vor allem männlich ist, widerlegt eine internationale Studie eines britisch-amerikanischen Forscherteams um Andrew Oswald von der Universität von Warwick.

Die Untersuchung konzentriert sich auf das psychische Wohlbefinden und umfasst Daten von einer halben Million Menschen* aus 72 Ländern. Lebensfreude und Alter scheinen in einem U-förmigen Zusammenhang zu stehen. Ob Mann oder Frau, Amerikaner oder Chinese: im vierten Lebensjahrzehnt kämpfen die meisten Menschen mit einem Stimmungstief. Die 20iger gehen mit der höchsten Zufriedenheit einher. Mit dem 40. Geburtstag scheint sich Niedergeschlagenheit breit zu machen. In Deutschland liegt der Durchschnitt bei 42,9 Jahren. Doch mit den Jahren steigt auch wieder die Zufriedenheit.

Die Ursachen für diese altersabhängige Kurve der Lebenszufriedenheit liegen im Bereich der Spekulation. „Dem Begriff der Midlife Crisis liegt die Annahme zugrunde, dass die meisten Menschen ihr Dasein nach einem Lebenssinn ausrichten“. Mit Abschluss der ersten Lebenshälfte realisiert der Mensch, dass er nicht mehr alle seine Träume verwirklichen kann. Eine andere Erklärung könnte darin begründet liegen, dass glücklichere Menschen länger leben als Unglückliche und sich so im hohen Alter sammeln. Vielleicht spielt aber auch die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit eine Rolle. Möglicherweise lebt es sich unbeschwerter, wenn man sich mit dem eigenen Tod auseinandergesetzt hat.

Die meisten Artikel zum Thema neigen dazu, die Ursache in der Natur des Menschen festzumachen. Doch bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass mitnichten jeder Mensch eine Krise in den 40igern durchmachen muss. Schleicht sich bei Ihnen dennoch eine Gemütstrübung ein, dann nutzen Sie die Chance: "Wer etwas ändern möchte, braucht ein Problem."

Quelle: Focus: Stimmungstief mit 40
wissenschaft.de: Globale Midlife-Crisis
*die Angaben zum Stichprobenumfang variieren

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

2 Kommentare

  1. @all

    Ohh….., kein Comik!
    Die Leben von vielen Menschen ähneln sich, also kommt es auch zu statistischen Häufungen.
    Sinnkriesen (Pubertät, Midlifecrisis, Alterseinsamkeit), sind im allgemeinen Probleme, die eine Zeit haben. Einsamkeit und Fragen nach einem Sinn,gibt es immer! Das soziale und biologische Wendepunkte, oftmals mit solchen Problemen verbunden sind, wundert mich nicht.

    Ich hatte zum Beispiel nie einen summer of 69, das erspart einem viel romantisches Zeit vergeuden.Ist aber auch ein Stück Lebensqualität, die einem fehlt.

    Gruß Uwe Kauffmann

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