Das Unvollendete

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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„Hey, wie war denn der Film letzte Woche?“ Während andere auch noch Monate später in allen Einzelheiten erzählen können, was wann wie wo passierte, wer mitspielte, wer Regie führte, bin ich meistens froh, wenn ich noch weiß, ob ich den Film gut und schlecht fand.

Vielleicht sollte ich mir den Zeigarnik-Effekt zu Nutze machen und die Filme nicht zu Ende sehen?

Berlin, 1927: Versuchsteilnehmer sollten verschiedene Aufgaben erledigen. Ein Teil der Aufgaben konnte zu Ende geführt werden, ein anderer nicht. Danach wurden die Teilnehmer gebeten anzugeben, an welche Aufgaben sie sich noch erinnerten. Und siehe da: sie erinnerten fast doppelt so viele unerledigte Aufgaben, wie solche, die sie abhaken konnten.

In einem Folgeexperiment (Ovsiankina, 1928) wurden die Probanden nicht gefragt, an was sie sich erinnerten. Sie hatten eine Pause, in der sie tun und lassen konnten, was sie wollten. Und statt sich die Beine zu vertreten, wurde fleißig an den Aufgaben weitergetüftelt, die sie vorher nicht zu Ende gebracht hatten.

Unerledigtes hält nach Lewins „Feldtheorie des Verhaltens“ eine Spannung in uns aufrecht, die nach Entspannung sucht. Sie kann sich in dem Drang nach Vollendung einer Handlung ausdrücken oder durch Erinnerungen, also einer gedanklichen Zuwendung zum Unvollendeten.

Entweder ich verlasse das Kino weiterhin entspannt und ohne dauerhafte Erinnerung – oder beiße in den sauren Apfel und gehe ohne jemals zu erfahren, wie der Film ausging. Damit ich endlich auch mal Jahre später noch erzählen kann, worum es ging. Und das sogar ohne im Eifer des Gefechts das Ende zu verraten.

(irm)

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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