Suevit – Gestein des Jahres 2024

Wie jedes Jahr wählen der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler (BDG) und die Deutsche Gesellschaft für Geowissenschaften (DGG) das Gestein des Jahres. Dabei handelt es sich in der Regel um häufige und/oder besonders interessante Gesteine. Ziel ist es, deren Entstehung und Nutzung einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen. In diesem Jahr fiel die Wahl auf den Suevit.

Seltenes Gestein

Das Gestein dieses Jahres ist definitiv nicht häufig. Sein Vorkommen ist eng mit lokalen Katastrophen verbunden. Umso spektakulärer ist seine Entstehung. Es handelt sich um einen Impaktit, also ein Gestein, das durch den Einschlag eines großen Meteoriten entstanden ist. Dadurch ist das Gestein einerseits sehr variabel und seine chemische Zusammensetzung hängt stark vom jeweiligen Muttergestein ab, in das der Meteorit eingeschlagen ist. Andererseits besitzt es aufgrund seiner Entstehung unter extremen Bedingungen eine nahezu einzigartige Mineralogie. Dazu gehören die Hochdruckminerale Stishovit und Coesit sowie die diaplektischen Gläser. Letztere entstehen aus Mineralen, deren Gitterstruktur durch die extremen Drücke während einer Schockwellenmetamorphose zerstört wurde und die dadurch zu Glas werden, ohne eine Schmelzphase zu durchlaufen. Darüber hinaus kann Suevit auch Reste des Impaktors enthalten.

Nördlingen
Suevit aus dem Nördlinger Ries als Baustein. Die dunklen Impaktschmelzen sind gut zu erkennen. Eigenes Foto

Suevit – der Schwabenstein

Das Gestein war schon lange bekannt, bevor man wusste, wie es entstanden ist. Sein Name leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Schwaben, Suevia, ab. Er wurde erstmals 1792 von dem Ingenieur und Festungsbaumeister Carl von Jaspers als feuerduftender Stein beschrieben. Er verwendete das Gestein als Trass zur Herstellung von wasserdichtem Zement beim Bau der Festung Ingolstadt.

Der Geologe Adolf Sauer benannte das Gestein 1919 nach seinem Fundort in Schwaben Suevit. Damals hielt man das Gestein für ein Vulkangestein, vergleichbar mit Tuff.

Warum ausgerechnet Schwaben?

Warum wurde das Gestein ausgerechnet nach Schwaben benannt? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach, denn hier in Schwaben gibt es ein bedeutendes Vorkommen, das schon seit der Antike als Baumaterial verwendet wurde. Allerdings erkannte man lange Zeit nicht, was man da verwendete. Man hielt es wegen der Ähnlichkeit für ein vulkanisches Gestein, vergleichbar etwa mit Tuff. Erst in den 1960er Jahren fand man die Hochdruckminerale Stishovit und Coesit in dem Gestein und konnte seine Entstehung klären.

Entstanden mit einem Knall

Vor etwa 14,6 Millionen Jahren war das Gebiet der heutigen Kleinstadt Nördlingen eine Feuchtlandschaft mit ausgedehnten Sümpfen und Seen [1] [2]. Aus westlicher oder möglicherweise nordwestlicher Richtung näherte sich ein gut 1,5 Kilometer großer Asteroid [3]. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/s raste der Asteroid über den Himmel, wobei seine Helligkeit die der Sonne übertraf. In Bruchteilen von Sekunden wurde die Luft zwischen Erde und Asteroid komprimiert und die an der Oberfläche befindlichen Materialien wie Sand, Erde und andere Gesteine schlagartig verdampft und seitlich herausgeschleudert. Die ausgeworfenen Schmelzsande wurden bis nach Böhmen und Mähren geschleudert, wo sie heute als Moldavite vorkommen.

Der Asteroid durchschlug die mesozoischen Sedimente der Alb und drang etwa einen Kilometer tief in das Grundgebirge ein, wobei sowohl der Asteroid als auch das umgebende Gestein auf weniger als die Hälfte ihres ursprünglichen Volumens zusammengedrückt wurden. Die dabei auftretenden Drücke und Temperaturen von mehreren Millionen Bar und bis zu 30.000 °C ließen den Asteroiden und etwa 3 km³ irdisches Gestein in Sekundenbruchteilen verdampfen.

Die dabei entstehende Schockwelle breitete sich mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit im umgebenden Gestein aus. Durch die Stoßwellenmetamorphose entstanden in den betroffenen Gesteinen diaplektische Gläser und verschiedene Hochdruckminerale, wie die bereits erwähnten Coesite und Stishovite.

Nach dem Durchgang der Druckwelle federten die Gesteine zurück, der Kraterboden hob sich und es entstand ein Zentralberg. Aus dem Krater wurden Trümmer kegelförmig in die Umgebung geschleudert, die Auswurfdecken waren teilweise bis zu 100 m dick. Das ist die bunte Trümmermasse, die noch heute in der Umgebung des Kraters zu sehen ist.

Feuerball

Unter den Gesteinen des Oberjura lagen wassergesättigte Tone und Sande des Mesozoikums. Das Porenwasser verdampfte und es bildete sich eine mächtige Eruptionssäule, die weit aus dem Krater aufstieg. In ihr mischten sich heiße Gase und teilweise geschmolzene Gesteinsbrocken. Nach einigen Minuten kollabierte die Säule und stürzte in den Krater zurück. Dabei wurde der junge Krater von bis zu 400 Meter mächtigen Suevitablagerungen bedeckt. Die Entstehung des Suevits ähnelt also in gewisser Weise den Ablagerungen pyroklastischer Ströme und zeigt auch vergleichbare Phänomene[4] . Auch hier finden wir geschmolzene Gläser und gefrittete Gesteinsbruchstücke in intensiver Durchmischung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass den ersten Bearbeitern dieses Gesteins die Ähnlichkeit auffiel und sie einen vulkanischen Ursprung vermuteten.

Die mächtigen Suevitablagerungen kühlten vermutlich relativ schnell ab, wie das Vorkommen von metastabilen Hochdruckmineralen nahelegt[5] . Bohrungen im Inneren des Kraters zeigen, dass noch mächtige Suevitschichten vorhanden sind, die aber von jüngeren Sedimenten des Kratersees überdeckt werden und daher nicht mehr anstehen. Von den ehemals weit verbreiteten Auswurfsueviten außerhalb des Kraters sind durch Erosion nur noch einzelne, lokale Vorkommen übrig geblieben. Sie sind meist klein, maximal 1 km² groß und ca. 25 m mächtig.

Suevit als Gestein

Suevit ist ein zähes, größtenteils graues, mäßig verfestigtes, tuffartiges Gestein von grauer bis gelblich-grüner Farbe. Die Grundmasse ist vorwiegend feinkörnig und besteht aus fein zerriebenen und zerfritteten mesozoischen Sedimenten der Alb und Partikeln von Schmelzgläsern, Mineralfragmenten und Tonmineralen. In dieser Matrix finden sich Gesteinsbruchstücke unterschiedlicher Größe, die in seltenen Fällen bis zu einem Meter groß sein können. Sie bestehen größtenteils aus Grundgebirgsgesteinen wie Gneisen, Graniten und Dioriten, aber auch Amphibolite und Karbonatgesteine kommen vor.

Auffallend und typisch für die Ries-Suevite sind die aus Gesteinsgläsern bestehenden schwarzen bis grauen, büschelig aufgewölbten „Flädle“.

Petrografisch setzen sich die Ries-Suevite größtenteils aus 70 – 80 % Grundmasse, 10 – 10 % Gesteinsgläsern und 2 – 10 % kristallinen Gesteinsklasten zusammen. Sedimentgesteinsklasten spielen mit 0,2 – 1 % nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Die Grundmasse selbst besteht zum überwiegenden Teil aus Gesteinsgläsern (ca. 30 – 50 %) und Montmorillonit (ca. 30 – 40 %). Hinzu kommen 12 – 14 % Quarzkörner und Spuren anderer Minerale wie Feldspat, Biotit und Karbonatminerale [6].

Wie wird Suevit genutzt?

Suevit lässt sich, wie viele vulkanische Gesteine, recht gut bearbeiten. Außerdem besitzt das Gestein recht gute Dämmeigenschaften. So ist es nicht verwunderlich, dass das Gestein schon sehr früh genutzt wurde. Im Ries wird er schon seit der Römerzeit als Baustein verwendet. Hier finden sich auch zahlreiche Bauten, die aus Rieser Suevit errichtet wurden. Prominentestes Beispiel ist wohl die St. Georgskirche in Nördlingen selbst, die mit ihrem gut 90 Meter hohen Turm das Stadtbild von Nördlingen dominiert. Auch von der Aussichtsgalerie in ca. 70 m Höhe hat man einen sehr guten Blick in den umliegenden Krater.

Aber nicht nur in lokalen Bauten wurde Ries-Suevit verwendet. Auch die Oberpostdirektion Grottenau in Augsburg wurde 1908 aus diesem Gestein erbaut. Ebenfalls 1908 für die heutige Außenstelle des Eisenbahn-Bundesamtes sowie 1910 für das Königlich Bayerische Postamt am Ostbahnhof in München. Auch in Berlin findet man Ries-Suevit als „Stadtgeologie“, nämlich das 1916 errichtete Haupttelegrafenamt oder das 1909 erbaute Messehaus „Specks Hof“ bei Leipzig.

Allerdings ist der poröse Suevit auch sehr empfindlich gegenüber Luftverschmutzung. Vor allem in Großstädten ist er daher für den Bau ungeeignet. Bei Renovierungsarbeiten wird daher heute nicht mehr der originale Ries-Suevit für diese Bauwerke verwendet, sondern ein täuschend echt aussehender Kunststein, dem geringe Mengen Suevit beigemischt wurden.

Heute wird Ries-Suevit als Rohstoff für die Herstellung von Trasszement in zwei Steinbrüchen abgebaut.

Wo kommt Suevit überall vor?

Suevit wurde zwar zuerst im Nördlinger Ries beschrieben, vergleichbare Impaktgesteine finden sich aber auch in verschiedenen Großkratern. Meist sind die Vorkommen jedoch sehr klein oder nur noch Reste, da die ursprünglichen Vorkommen der Erosion zum Opfer gefallen sind.

In Deutschland kommen Suevite neben dem Nördlinger Ries auch im nahe gelegenen Steinheimer Becken vor. Dieser wesentlich kleinere Krater wurde oft als Beleg für einen Doppeleinschlag eines Mutterkörpers mit einem kleinen Trabanten angesehen. Nach neueren Untersuchungen ereignete sich dieser Einschlag jedoch gut 500.000 Jahre nach dem Ries-Ereignis (ich hatte bereits darüber gebloggt) [7]. Die Steinheimer Sueviten sind allerdings nicht im Gelände aufgeschlossen, sondern nur aus Bohrungen bekannt [8].

References

  • [1] Buchner, E.; Schmieder, M.; Schwarz, W. H. and Trieloff, M. (2013). Das Alter des Meteoritenkraters Nördlinger Ries–eine Übersicht und kurze Diskussion der neueren Datierungen des Riesimpakts, Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 164 : 433-445.
  • [2] Buchner, E. and Schmieder, M. (2013). Das Ries-Steinheim-Ereignis–Impakt in eine miozäne Seen-und Sumpflandschaft, Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften (German Journal of Geosciences) 164 : 459.
  • [3] Baier, J. (2009). Zur Herkunft und Bedeutung der Ries-Auswurfprodukte für den Impakt-Mechanismus, Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins : 9-29.
  • [4] Baier, J. (2012). Die Bedeutung von Wasser während der Suevit-Bildung (Ries-Impakt, Deutschland), Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins : 55-69.
  • [5] Graup, G. (1999). Carbonate-silicate liquid immiscibility upon impact melting: Ries Crater, Germany, Meteoritics & Planetary Science 34 : 425-438.
  • [6] Engelhardt, W. V.; Arndt, J.; Fecker, B. and Pankau, H. G. (1995). Suevite breccia from the Ries crater, Germany: Origin, cooling history and devitrification of impact glasses, Meteoritics 30 : 279-293.
  • [7] Buchner, E.; Sach, V. J. and Schmieder, M. (2020). New discovery of two seismite horizons challenges the Ries–Steinheim double-impact theory, Scientific Reports 10 : 22143.
  • [8] Buchner, E. and Schmieder, M. (2013). Der Steinheimer Suevit–schmelzeführende Impaktite aus dem Steinheimer Becken, Südwestdeutschland, Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften (German Journal of Geosciences) 164 : 471.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Es lohnt sich, in Nördlingen das Rieskrater-Museum zu besuchen.

    Dort gibt es nicht nur gute Informationen zur Entstehung des Rieskraters – dort ist auch ein Stück echtes Mondgestein zu sehen.

    Wenn man den Kirchtum besteigt, kann man im Mauerwerk viele Bruchstücke von Suevit im Gestein sehen.

  2. Ergänzend zu Suevit.
    In Stuttgart steht die Gaisburger Kirche. Deren Altarraum wurde u.a. auch aus Tuff gefertigt. Die Kirchenbediensteten sagten, dass die schwarzen glasartigen Splitter in den Bodenplatten schwarze Diamanten seien.
    Wer also Suevit in seiner schönsten Form sehen will, also poliert, der fahre nach Stuttgart Gaisburg. Das liegt am Neckar.
    In der dortigen Kirche findet man das Suevit, dass den ganzen Kirchenraum beherrscht.

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