Grauwacke – das Gestein des Jahres 2023

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Auch in diesem Jahr wurde wieder ein Gestein als das Gestein des Jahres ausgewählt. Diesmal wurde ein Gestein ausgewählt, das mit seinem Namen nicht nur einen weiten Bogen in die Geschichte schlägt, sondern dessen Name auch vom Harz aus in die Welt getragen wurde: Grauwacke.

Grauwacke aus dem Oberdevon oder Unterkarbon des Harz, Alpines Museum München. High Contrast (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Geological_public_collection_-_Alpines_Museum_-_Grauwacke.JPG), „Geological public collection – Alpines Museum – Grauwacke“, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/legalcode

Ein alter Begriff

Der Name des Gesteins, Grauwacke, stammt ursprünglich aus dem Harz und der dortigen Bergmannssprache und lässt sich spätestens ab dem 18. Jahrhundert nachweisen. Mit dem Begriff „Wacke“ wurden harte Gesteine bezeichnet, die zwischen dem Erdboden und den begehrten mineralhaltigen Gängen lagen.

Woher der Begriff sich herleitet, ist zumindest meiner Kenntnis nach unklar. Eventuell bietet sich als Wurzel das althochdeutsche wegan an, was so viel wie bewegen bedeutete. Ob hier vielleicht das mühsame Fortschaffen der störenden Steine über den gesuchten Bodenschätzen oder vielleicht die vom Wasser bewegten Kieselsteine als Namensgeber gedient haben könnten, weiß ich nicht.

Schon dem an allem geologischen stets interessierten Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) war die graue Wacke des Harzes ein Begriff. Heute findet sich zumindest regional noch der alte Begriff „Wackerstein“, als Bezeichnung handlicher, harter und meist gerundeter Steine.

Ein Gesteinsname geht um die Welt

So viele deutsche Begriffe haben es ja nicht geschafft, in den weltweiten Sprachgebrauch übernommen zu werden. Wenn man nachdenkt, so fallen einem vielleicht der Kindergarten ein, oder das Schnitzel. Sogar der Weltschmerz kann weltweit gefunden werden. Wer aber denkt hier an die Grauwacke? Und doch hat der Begriff es über die Geologie geschafft. Im Englischen findet sich die Greywacke (oder manchmal auch Graywacke) und selbst im Russischen das Gestein als Grauvakka ( граувакка ) bekannt.

Was ist Grauwacke eigentlich?

Wie es so häufig bei Gesteinsbegriffen ist, die sich historisch herleiten, ist die Definition, was denn genau nun eine Grauwacke ist, nicht so einfach.

Unsere Grauwacke ist ein, der Name verrät es schon, überwiegend graues bis grünlich graues und relativ hartes sandsteinartiges Gestein. Als Zement dient größtenteils Quarz, seltener auch Calcit. Die einzelnen Körner sind meist relativ schlecht gerundet und schlecht sortiert. Quarzkörner dominieren, aber es kommen auch Feldspäte sind recht häufig. Vom Mineralbestand ähneln Grauwacken somit einer Arkose. Grauwacken unterscheiden sich hier von den klassischen Arkosen durch ihren Gehalt an Tonmineralen. Enthalten Arkosen im Normalfall Kaolinit, so ist es bei typischen Grauwacken vor allem Chlorit und feinverteilter Glimmer. Da aber diagenetische Vorgänge diese Unterscheide auch verschwimmen lassen können, ist dies keine tragfähige Unterscheidung.

Der Unterschied liegt im geologischen Kontext und den jeweiligen Entstehungsbedingungen. Arkosen sind Gesteine der kontinentalen Molasse. Grauwacken hingegen sind marine Gesteine der Flyschserien. Damit ist die Grauwacke eigentlich ein genetisch begründeter Gesteinsname, was durchaus problematisch ist. Eigentlich sind genetisch begründete Gesteinsnamen zu vermeiden. Als Geländebezeichnung ist der Name Grauwacke aber nach wie vor unverzichtbar.

Neben den bereits oben erwähnten Mineralen können auch wenig gerundete Gesteinsklasten auftreten. Grauwacken sind das, was Geologen als kompositionell und strukturell unreife Sedimente bezeichnen. Sedimenpetrografisch Korrekt wäre die Bezeichnung Litharenit für dieses Gestein.

Damit werden klastische Sedimentgesteine bezeichnet, die, genau wie unsere Grauwacke, ihre hauptsächliche Korngröße in der Sandfraktion und die zudem einen hohen Anteil an silikatischen Gesteinsklasten zeigen.

Welche Merkmale zeigen Grauwacken?

Einige der typischen Merkmale wurden bereits genannt. Sie zeigen einen hohen Anteil an feinkörniger Matrix. Daneben können oft lagenweise detritische Feldspäte auftreten und die oben genannten, meist wenig gerundeten silikatischen Gesteinsklasten. Oft sind Grauwacken auch niedrigstgradig regionalmetamorph beeinflusst. Dabei haben sie aber alle ihre sedimentären Merkmale behalten, sodass sie immer noch als klastische Sedimente geführt werden können.

Im Gelände treten Grauwacken überwiegend in Wechsellagerung mit Tonschiefern auf. Dabei ist die Sortierung größtenteils schlecht, wobei gradierte Schichtung vorkommen kann. Damit ist der gemeint, dass die Sedimentation an der Basis einer Abfolge abrupt mit relativ groben Klasten neben dem feinkörnigen Material beginnt. Nach oben nimmt der Anteil der jeweils grobkörnigsten Korngröße mit fortlaufender Sedimentation jeweils ab. Die oberen Bereiche zeigen dann kein oder nur sehr wenig gröberes Korn. Ursache dafür ist das unterschiedliche Sinkverhalten der verschiedenen Korngrößen. Die größeren Bestandteile sinken rasch ab, die feineren brauchen länger.

Außerdem können Grauwacken sogenannte Flute Casts zeigen. Unter Flute Casts werden Strömungsmarken verstanden, die durch die erosive Wirkung einer Trübeströmung auf das unterliegende, unverfestigte Sediment geformt werden. Sie haben typischerweise eine langgezogene muldenartige oder auch manchmal wulstige Form, die in der Bewegungsrichtung des Trübestromes gestreckt ist.

Manchmal ist auch nur die Auffüllung eines Flute Casts in der darüber liegenden Bank erhalten. Hier hat die nachlassende Strömung des Trübestromes zur Sedimentation des mitgeführten Detritus geführt.

Wie ist die Grauwacke entstanden?

All das oben genannte deutet auch eine hohe Sedimentrate und steile Topografie hin. Derartige Bedingungen finden wir hauptsächlich bei der Entstehung von Faltengebirgen. Und so sind die Grauwacken auch die Sedimente der Gebirgsvortiefen, also der Becken, die den entstehenden jungen Gebirgen vorgelagert sind.

Sobald das junge Gebirge seine ersten Höhen über die umgebende Landschaft erhebt, schlägt die Erosion auch schon gnadenlos zu. Dieser Schutt wird durch Flüsse in das Meer transportiert und dort auf dem Kontinentalschelf abgelagert. Das aufsteigende Gebirge mit erklärt auch die enorme Sedimentationsrate, welche den stabilen Hangwinkel des Schelfs zu Zeiten übersteigt. Dann könnte die noch nicht verfestigten jungen Sedimente abrutschen und als Trübestrom den Schelfhang hinuntergleiten.

Gefalteteter proximaler Flysch mit mächtigen Grauwackenbänken (Unterkarbon, Clausthaler Kulmfaltenzone, NW-Harz). Gretarsson (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fold_in_proximal_flysch.jpg), „Fold in proximal flysch“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Turbidity Currents

Die Trübeströme, auch als Turbidity Currents bekannt, entstehen, wenn unverfestigte Sedimente im Wasser an steilen Hängen abgelagert werden. Hier kann es dann zum Abgleiten der Sedimentpakete kommen, und ein Gemisch aus Wasser und Sediment rutscht mit hoher Geschwindigkeit den Hang hinunter. Dieses Phänomen tritt auch rezent an manchen Kontinentalhängen auf. Das Phänomen wurde entdeckt, als Brüche von transatlantischen Telefonkabeln in den 1950 Jahren untersucht wurden, die sich bereits 1929 ereignet hatten und die man mit einem Erdbeben vor Neufundland in Verbindung brachte.

Diese Ströme können problemlos Geschwindigkeiten von mehr als 70 Kilometer pro Stunde erreichen und dabei Weiten von mehr al 100 Kilometern zurücklegen.

Unsere Grauwacken repräsentieren hier die proximalen Turbidite, also die Ablagerungen dieser Trübeströme, welche noch recht nahe am Ausgangsort der Rutschung wieder abgelagert wurden. Das erklärt auch die oben bereits genannten Merkmale wie Flute Casts, gradierte Schichtung, die schlechte Rundung der Körner und die groben Gesteinsklasten. Auch die Unreife, also der hohe Gehalt an Feldspäten findet hier ihre Erklärung. Im Prinzip sind Grauwacken ein Sonderfall der als Flysch zusammengefassten Gesteine.

Die Nähe zu dem jungen Gebirge ist auch eine Erklärung dafür, dass unsere Grauwacke niedrigstgradig regionalmetamorph beeinflusst und meist auch mehr oder weniger stark deformiert wurde.

Verwendung der Grauwacke

Als Abtragungsschutt eines jungen, im Aufsteigen begriffenen Gebirges ist die Grauwacke recht variantenreich. Während im Zuge der Erosion immer neue Gesteine der Verwitterung ausgesetzt wurden, finden sich ihre Trümmer auch rasch in den entsprechenden Sedimenten wieder. Da die Grauwacke zudem auch noch sehr haltbar und recht pflegeleicht ist, ist sie lange Zeit als Baustein recht beliebt gewesen. Sie findet Verwendung als Mauerstein, als Terassenplatte oder ganz klassisch als Pflasterstein. Früher wurde das Gestein auch sehr gerne im Hochbau verwendet, vornehmlich für Verblendungen. Heute ist ihre Nutzung überwiegend im Bereich des Wasserbaus, als Zuschlag für Beton oder Asphalt oder als Schotter. In Deutschland wird Grauwacke zurzeit noch in rund 21 Steinbrüchen gewonnen.

Grauwacke-Mauerwerk in der Sperrmauer des Möhnesees im Sauerland. Arnoldius (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Moehnesee_wall_05.JPG), „Moehnesee wall 05“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Wo kommt Grauwacke überall vor?

Grauwacke kommt weltweit vor. So kann man sie in Irland z. B. im Langford-Down-Massiv finden, in Großbritannien kommt sie unter anderem Im Lake District oder auch in Süden Schottlands vor. In Südafrika ist ein Teil der Ecca-Gruppe (Karoo Supergroup) aus Grauwacken aufgebaut. Die Grauwacken des Wadi Hammamat in Ägypten wurden schon in der Antike als Rohstoffe für Statuen und Reliefs genutzt. Auch am anderen Ende der Welt, den neuseeländischen Südalpen, finden sich Grauwacken.

In Deutschland ist vielleicht die Harzer Grauwacke am bekanntesten, hier stammt die Bezeichnung ja auch ursprünglich her. Aber auch in der Eifel, In der Lausitz oder im Sauerland findet man Grauwacken. Hier kann man auch sehr schöne Grauwacken-Mauersteine an der Mauer der Möhnetalsperre sehen. Auch die Ostalpen enthalten bedeutende Grauwacke-Vorkommen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

1 Kommentar

  1. So gesehen ist die Geologie ja eine der Disziplinen, in der es ziemlich viele deutsche Begriffe in den internationalen Sprachgebrauch geschafft haben. Wer würde denken, dass die “Lagerstätte” (ausgerechnet auch noch mit Umlaut) in englischsprachigen Papers auftaucht? Tut sie aber.

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