Geowissenschaften – ein kurzes Plädoyer

Die meisten Leute haben vermutlich ein ziemlich festes Bild von einem Geologen. Entweder der Indiana-Jones-Typ, der mit Lederjacke und Borsalino nach Dinosauriern gräbt. Oder wahrscheinlich der bärtige Typ, der ölverschmutzt den Managern sagt, wo sie gefälligst den Bohrturm hinsetzen sollen, damit das schwarze Gold ordentlich fließt. Wenn es nicht Öl ist, dann Erz oder sonst ein Rohstoff, für den ganze Landstriche umgepflügt werden.

Geowissenschaften und ihre Rolle im Kampf gegen den Klimawandel

Die männliche Form ist hier bewusst gewählt, denn meist ist das Bild eines Menschen aus dem Bereich der Geologie männlich geprägt. Außerdem ist es schmutzig.

Dabei ist Geologie, oder vielleicht sollte man allgemeiner von den Geowissenschaften sprechen, deutlich mehr als nur die Suche nach fossilen Brennstoffen. Oder ganz allgemein die Suche nach Rohstoffen. Das gehört zwar auch in den Bereich der Geowissenschaften, und es ist mit Sicherheit ein bedeutender Bereich, in dem viele Geowissenschaftler arbeiten. Aber es ist eben auch nicht das ganze Bild.

Das System Erde

Die Geowissenschaften bearbeiten das gesamte System Erde, von den Anfängen kurz nach ihrer Entstehung bis heute und von ihren tiefsten Inneren bis in ihre Atmosphäre. Immer besseres Verständnis über die Geschichte unseres Planeten und seine Funktionsweise dient nicht nur dem besseren Auffinden notwendiger Rohstoffe, sondern eben auch dem Erkennen von Gefahren für den Planeten, durch die vielfältigen Aktivitäten des Menschen.

So gehört auch die Erforschung des Klimawandels in das Feld der Geowissenschaften. Das gilt nicht nur für den gegenwärtigen Klimawandel und seine Ursachen. Die vielen Veränderungen, die sich auf unserem Planeten im Laufe seiner Geschichte ereignet haben,bieten uns ganz gute Möglichkeiten, einen Blick auf unsere eigene Zukunft zu werfen. In diesem Fall kann die Vergangenheit der Schlüssel für die Zukunft sein.

sinkende Studierendenzahlen

Geowissenschaften sind also viel mehr als nur Öl und Umweltverbrauch. Wer sie alleine als Teil des Problems ansieht, beraubt sich auch möglicher Instrumente, die vielfältigen Umweltprobleme zu bewältigen. Craig Storey, James Darling und Nick Koor von der University of Portsmouth erwähnen einen deutlichen Rückgang um gut ein Drittel von 2014 bis heute bei den Studienabschlüssen im Bereich der Geowissenschaften in England und Wales. Ihnen zu Folge könnte ein gesteigertes Umweltbewusstsein unter den Schulabgängern und der Ruf der Geowissenschaften als Umweltverschmutzer die Ursache sein.

Ich bin da ein wenig skeptisch. Zwar findet sich auch in Deutschland in den letzten Jahren ein Rückgang in den Studierendenzahlen, aber ob sich hier nun unbedingt ein gesteigertes Umweltbewusstsein ablesen lässt, halte ich für fraglich. Zumindest so ohne unterstützende Daten. Mir würden auch noch andere Gründe einfallen, um sich für andere Studienzweige zu entscheiden.

Eigentlich ist das aber schade, denn, hier stimme ich Craig Storey, James Darling und Nick Koor zu, können gerade die Geowissenschaften auch ein Teil der Lösung für viele unserer derzeitigen Probleme darstellen. Das bezieht sich nicht nur auf die vielfältigen Rohstoffe, seien es nun die konventionellen wie Kupfer, Kobalt oder die Seltenen Erden, die wir für die geplanten und laufenden Wenden im Energie- und Mobilitätsbereich weg von unserer Abhängigkeit von fossilen Energierohstoffen dringend benötigen.

Umweltgeologie

Denn gerade im Bereich der Umweltgeologie ist immer noch sehr viel zu tun. Es ist ja nun nicht gerade so, als wenn wir die letzten 150 Jahre sehr sorgsam mit unserer Umwelt umgegangen wären. Nicht nur das Kohlendioxid fällt uns da auf die Füße. Nehmen wir die Altlastensanierung oder das Flächenrecycling als interessante Arbeitsfelder für Umweltgeologen. Hier im Blog kann man etliche Beispiele hierzu finden. Der Flächenverbrauch für neue Siedlungen und Gewerbeflächen ist nicht nur in Deutschland immer noch zu hoch. Alte, oftmals belastete ehemalige Gewerbeflächen lassen sich meist nur unter hohen Kosten und mit viel Fachwissen für eine neue Nutzung wieder herrichten. Genau dafür werden Geowissenschaftler benötigt.

Es ist in meinen Augen also dringen notwendig, das Image der Geowissenschaften in dieser Richtung zu verbessern. Geowissenschaftler stellen für die Umwelt einen enormen Gewinn dar. Sie werden für den Schutz unseres Klimas und unserer Umwelt dringend benötigt.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

5 Kommentare

  1. Gehört die Geophysik auch zu den Geowissenschaften? Mir kommt die Festlegung auf die Geologie doch etwas verengt vor.

    Gruss
    Rudi Knoth

  2. @Rudi Knoth

    Die Geowissenschaften umfassen nach meinem Verständnis alles, was mit dem System Erde in Verbindung steht, zum Beispiel Geophysik, Mineralogie, Meteorologie, Ozeanografie oder Glaziologie.

    Bezogen auf die geologische Vergangenheit zusätzlich jene Wissenschaftsdisziplinen, vor die man den Begriff “Paläo” setzen kann, wie Paläoklimatologie, Paläontologie, Paläogeografie usw.

  3. Darum sprach ich im dem weiteren ja auch von den Geowissenschaften ganz allgemein. Die Trennung in die einzelnen Disziplinen ist ohnehin nicht sehr scharf. da darf sich jeder gerne mitgenommen fühlen. Eines der Probleme, auf das man als Vertreter der kleineren, etwas exotischeren Disziplinen oft trifft, ist die Frage, was ist das oder was machen die. Geologie hingegen kennen viele zumindest dem Namen nach

  4. Sehr schön, Herr Dr. Gunnar Ries, liest sich gut, gute Arbeit!
    Geologie wichtig, am Rande gefragt : Existiert da ein gewisses Spannungsfeld mit den Ökologen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der das mit dem d-sprachigen Spezifikum ‘Studierende’ nie ganz verstanden hat, denn auch ‘Studenten’ ist ein substantiviertes sog. PPA und bedeutungsgleich, vs. bedeutungsähnlich)

  5. Ein paar Anmerkungen zu dem interessanten Beitrag von Gunnar Ries aus Sicht eines Mineralogen/Geophysikers:

    1. Das Studium der Geologie war in den letzten Jahrzehnten kein Sprungbrett für eine Karriere, in der man Geld verdienen konnte. Die meisten Geologen blieben in öffentlichen Ämtern zur Bodenuntersuchung oder kleinen Firmen, die Auftragsarbeiten übernahmen. Das scheint sich aber im Zuge der Untersuchung von Klimaänderungen zu verbessern, da die Änderung des Weltklimas über längere Zeiträume (Jahrtausende/Jahrmillionen) zunehmend interessiert.

    2. Das Bild des Geophysikers war tatsächlich über Jahrzehnte geprägt durch den (ölschlammverdreckten) Mann, der uns die Energieversorgung sicherte, gleichzeitig aber auch mitverantwortlich war für die ökologischen Unfälle durch das Erdöl. Heutzutage sitzt der Geophysiker aber hauptsächlich am PC, während Ingenieure/Arbeiter die “Drecksarbeit” im Gelände erledigen.

    Außerdem waren weitere Schwerpunkte, beispielsweise die Erkundung von Grundwasserreserven, Deponieflächen, Archäometrie, Baugrunduntersuchungen, bis hin zur Ortung von Blindgängern wenig mit dem Begriff “Geophysik” verknüpft. Diese Bereiche werden aber auch weiterhin an Bedeutung gewinnen.

    3. Die Mineralogie hat sich von der Untersuchung natürlicher Mineralien hin zu einer anwendungsorientierten Materialwissenschaft entwickelt. Es gab beispielsweise zu Beginn dieses Jahrhunderts einen erheblichen Bedarf an Fachleuten für die Nutzung der Solarenergie (Photovoltaik), d. h. zu Zeiten als Deutschland in diesem Bereich noch innovativ war. Leider ist diese Industrie in Deutschland mittlerweile komplett abgewürgt worden, verbunden mit dem Verlust vieler Arbeitsplätze (nicht nur) in der Forschung.

    Insgesamt scheinen mir die Perspektiven für Geowissenschaftler im Vergleich zum Ende des letzten Jahrhunderts eher interessanter zu werden, wobei sich allerdings jeder/jede persönlich nach den Konsequenzen der jeweiligen beruflichen Tätigkeit fragen sollte, ob er oder sie eher als Umweltausbeuter oder Umweltschützer arbeiten wollen.

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