Die Produktionsgeografie und Fracking – Eine Rezension
BLOG: Mente et Malleo
Das Thema Fracking ist besonders in Deutschland ein ziemliches Reizthema geworden, bei dem die Fakten nicht immer die ihnen eigentlich gebührende Rolle spielen. Dabei stellt Fracking, global gesehen, die altbekannten Regeln des Energiemarktes zumindest in den letzten Jahren doch ziemlich auf den Kopf. Die Regeln, nach denen es Regionen gibt, welche fossile Energierohstoffe exportieren und andere, welche diese so dringend benötigen. Sinkende Energiepreise und neue Exportmöglichkeiten wirken sich auch auf andere oft sehr energieabhängige Industriezweige aus, die zum Teil mit Verlagerungen ihrer Produktionsstandorte auf diese Veränderungen reagieren. Das Buch “Fracking – Die neue Produktionsgeografie” von Habrich-Böcker, C., Kirchner, B.C., und Weißenberg, P. (Springer Gabler, Wiesbaden 2015, 2. Auflage. ISBN 978-3-658-05886-9) widmet sich dem Thema. Ich habe es mir einmal durchgelesen.
Natürlich verändert sich das globale Kräftespiel, wenn eine Supermacht ihre Importabhängigkeit zu verringern versucht und nach Energieunabhängigkeit strebt, während andere regionale Mächte, die sich vornehmlich aus den Exporterlösen ihrer Rohstoffe finanzieren, unter den sinkenden Preisen leiden. Hier in Deutschland fokussiert sich die Debatte meist auf die einheimischen Fördergebiete bzw. auf den enormen Boom in den USA. Doch Fracking ist auch für andere Länder von großem Interesse, so kann China eventuell sein großes Potential an unkonventionellen Gasvorkommen als Ersatz für seine oftmals sehr schwefelhaltige kohle nutzen. Hier würde, bei allen sonstigen Risiken der Technologie der Nutzen für die Umwelt sicher signifikant sein. Zumal Gas bei der Kohlendioxid-Bilanz eh deutliche Vorteile hat.
Aber Fracking ist eben nicht nur ein Versprechen sauberer Energie zu bezahlbaren Preisen. Zum einen steht noch nicht abschließend fest, ob der momentane Fracking boom überhaupt nachhaltig ist (Inman, M. 2015; Gärtner, M. 2015). Außerdem ist die Fracking-Technologie auch umstritten (in Deutschland mit einem leichten Hang zum Fanatismus, wie mir manchmal scheint). Die Technologie birgt, wie eigentlich alle Technologien, einige Risiken, die man sicher auch nicht einfach ignorieren sollte. Da gilt es natürlich, die Vor- und Nachteile sowie die technischen und wirtschaftlichen Risiken genau gegeneinander abzuwägen. Leider ist es (zumindest meiner Kenntnis nach) nicht ganz so einfach, sich über das Thema zu informieren, ohne auf Propaganda der einen oder der anderen Seite zu stoßen. Die meisten Publikationen verfolgen oft den Zweck, den Leser argumentativ auf die eigene Seite zu ziehen. Neutrale Stimmen sind leider viel zu selten. Und dabei sind sie eigentlich bitter nötig, damit man sich ein halbwegs brauchbares Bild von der ganzen Sache machen kann.
Hier kommt nun das Buch von Habrich-Böcker, C., Kirchner, B.C., and Weißenberg, P. et al 2015 ins Spiel. Es verspricht, den neuesten Stand der Diskussion, die Chancen und auch die Risiken darzustellen und so dem Leser eine Orientierung in der manchmal unübersichtlichen Debatte zu bieten. Dabei ist das Buch kein lagerstättenkundliches Werk. Die geologischen und technischen Grundlagen werden hier nur gestreift. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf den wirtschaftsgeografischen und politischen Auswirkungen sowie in der Diskussion der Chancen und Risiken dieser Technologie. Die Autoren stammen aus dem Wirtschaftsjournalismus, und sind eben keine Geowissenschaftler. Das Buch ist gut und flüssig geschrieben und offenbart eine hohe Dichte an Informationen, allerdings mit einer Schwäche, die ich ziemlich ärgerlich finde. Die Grafiken, welche die Informationen im Text stützen und ergänzen sollen, sind oftmals eine Qual. Ich möchte behaupten, dass hier eine Überarbeitung/Anpassung der entsprechenden Abbildungen viel helfen würde. Derartiges Augenpulver ist kaum der Stand der Technik und eigentlich unwürdig. Manche der Abbildungen scheinen nämlich schlicht 1:1 aus einer farbigen Quelle übernommen und so extrem verkleinert, dass man die Beschriftungen ohne Lupe kaum entziffern kann. Und der Kontrastunterschied von zig Grauwerten ist auch nicht wirklich gut unterscheidbar. Hier sollte bei einer neuen Auflage etwas mehr getan werden.
Angenehm ist die kurze Inhaltsangabe, die jedes Kapitel einleitet. Dies macht das Buch auch als Nachschlagwerk und zur schnellen, punktuellen Information etwas bei Diskussionen gut brauchbar. Dabei irritiert mich aber der Schulbuchton, der hier teilweise angeschlagen wird.
Es gibt noch etwas, das mich ein kleines bisschen stört. Wenn man in der Diskussion der konträren politischen Standpunkte die Alternativen zum Fracking vorstellt, sollte man eventuelle Nachteile dieser Alternativen auch nicht komplett unter den Tisch fallen lassen. Zumal wenn vorher unter den Argumenten der Fracking Gegner beispielsweise der Grundwasserschutz eine prominente Rolle spielt, ist dann Biogas wirklich eine probate Alternative? Sicher, Biogas könnte auch als Ersatz für Erdgas verwendet werden, aber die für dessen Erzeugung notwendige, sehr intensive Landwirtschaft führt sehr häufig zu einer messbaren Belastung des Grundwassers mit Nitrat. Und auch für Oberflächengewässer ist die Gefahr von Unfällen mit schweren Folgen für die Umwelt nicht ganz zu vernachlässigen. Man hätte die Nachteile der Alternativen zumindest kurz anreißen sollen. So sieht das für den schnellen Betrachter so aus, als wenn die Alternativen Vorteile, aber keine nennenswerten Risiken oder Probleme haben.
Und viele der angeführten Alternativen, wie Kraft-Wärme-Koppelung, Blockheizkraftwerke und CNG/LNG sind in meinen Augen keine echten Alternativen zum Fracking. Denn sie setzen auch auf den Verbrauch von wie auch immer gewonnenen Brennstoffen wie eben fossile oder erneuerbare Energierohstoffe. Viele dieser Verfahren stehen also nicht unbedingt in einem Widerspruch zum Fracking, sondern würden gegebenenfalls sogar von den gesunkenen Rohstoffpreisen profitieren.
Alles in Allem ist das Buch sehr flüssig geschrieben. man kann es regelrecht in einem Rutsch durchlesen. Trotzdem ist es gut gegliedert und lässt sich problemlos eben auch als schnelles Nachschlagewerk und als Argumentationshilfe nutzen. Derartig gut aufbereitete und gleichzeitig neutrale Literatur hat einen sehr hohen Wert in der gegenwärtigen, aufgeheizten Debatte. Ich würde es daher jedem wärmstens ans Herz legen.
Gärtner, M. 2015. „Fracking: Amerikas Schiefergas-Boom droht jähes Ende – manager magazin – Unternehmen.“ Mai 13. http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,899442,00.html.
Habrich-Böcker, C., Kirchner, B.C., und Weißenberg, P. 2015. Fracking – Die neue Produktionsgeografie. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler.
Inman, M. 2015. „Fracking: Gibt es genug Schiefergas – Spektrum der Wissenschaft.“ Zugegriffen Januar 21. http://www.spektrum.de/news/fracking-fragliche-schaetze/1328459.
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Das Buch mag ja gut zu lesen sein (ich habe es allerdings noch nicht gelesen) aber sind nicht die genannten Schwächen doch sehr gravierend? Der Autor scheint sich ja nicht intensiv mit den physikalischen/geologischen Aspekten zu befassen, und die braucht es doch, um geologische Risiken fundiert bewerten zu können, oder? Auch die Nennung von Alternativen reicht, wie du richtig schreibst, nicht aus, werden man sich nicht mit deren Risiken auseinander setzt.
Ganz so gravierend empfinde ich die Schwächen nicht. Zugegeben, ohne Vorkenntnisse geht es hier manchmal eben nicht. Betrachtet man allerdings den Preis des Buches, sind manche Sachen schon ziemlich ärgerlich.
Fracking ist für China alternativlos, wenn China von Kohle auf Erdgas umsteigen will, denn nur die per Fracking potenziell förderbaren Erdgasreserven könnten die Kohle weitgehend ersetzen. Konventionelles Erdgas hat China zu wenig.
Könnte nun Solar- und Windenergie für China eine Alternative zu Erdgas sein? Theoretisch ja, praktisch kaum, wie gerade auch Deutschlands Energiewende zeigt, wo zuerst einmal neue Braunkohlekraftwerke gebaut wurden um im Falle von Flauten und wenig Sonne die nötige Backupenergie zur Verfügung zu haben.
Wenn man Energieversorgungsszenarien durchdenkt und alle Alternativen in Erwägung zieht kommt man immer wieder zum Schluss dass wir sogar in den Industrieländern noch sehr weit von einer nicht fossilen Energieversorgung entfernt sind. Noch viel schwieriger ist es für Schwellenländer auf fossile Energiequellen zu verzichten,denn in Schwellenländern muss Energie kostengünstig sein; denn pro Kopf steht nur ein Bruchteil des Einkommens von Industrieländern zur Verfügung.
Nein, nein Hr. Holzherr die neuen Braunkohlekraftwerke wurden doch nicht gebaut um genügend Backupenergie zur Verfügung zu haben, sondern damit die ganzen Gasbackupkraftwerke jetzt alle unrentabel sind und stillgelegt werden können.
Was viele nicht wissen: Jahrzehnte staatsfinanzierter US-Forschung stecken in der Fracking-Methode. Ich bin überzeugt: Nicht fossile Energie hätten heute einen weit besseren Stand wenn sie ebenfalls eine Geschichte von jahrzehntelanger Forschung hinter sich hätten. Dem ist leider nicht so: Die Energieforschung in den USA und in der Welt insgesamt macht weniger als 10% der gesamten Forschungsausgaben aus. Zwar wird viel Geld in Erneuerbare gesteckt, dies aber vor allem als Subventionen und Einspeisetariffe, nicht als Grundlagenforschung. Solch eine Grundlagenforschung bräuchte es aber, um Erneuerbare überhaupt je zu einem vollwertigen Ersatz für fossile Energien machen zu können. Es bräuchte Speichertechnologien wie etwa die Möglichkeit Brennstoff direkt aus Licht, Kohlendioxid und Wasser herzustellen. Solche Forschung gibt es, sie ist aber unterfinanziert.