Asbest in Trinkwasser

Warnschild "Achtung Asbest" und Person im Schutzanzug

Was bedeutet das für die Gesundheit?

Dass Asbest krebserregend ist, dürfte inzwischen allgemein bekannt sein. Grundsätzlich gilt die einstige Wunderfaser als Luftschadstoff, seine Fasern können über die Atemluft in die Lunge gelangen und dort in die Lungenbläschen eindringen. Auch ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass hier die Hauptgefahr von Asbest liegt. Die Geschichte mit dem Bierasbest hat mir aber gezeigt, dass es möglicherweise auch andere Eintragpfade für Asbest gibt und die Fasern dort möglicherweise auch eine Gefahr darstellen können. Allerdings ist die Datenlage noch etwas unübersichtlich. Aber der Reihe nach.

Wasserleitungen aus Asbestzement

Wie kann Asbest in unser Trinkwasser gelangen? In vielen Fällen wahrscheinlich über die Wasserleitungen. Denn in vielen Ländern wurden Asbestzementrohre (AZ-Rohre) auch für den Bau von Trinkwasserleitungen verwendet. Ob dies auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt, ist mir nicht ganz klar, hier sind mir AZ-Rohre hauptsächlich aus dem Abwasserbereich bekannt. In den USA, Kanada und vor allem in Großbritannien ist das Problem vermutlich größer. Allein für Großbritannien wird von ca. 257.000 km asbesthaltigen Wasserrohren ausgegangen. Für Italien sind es immerhin noch rund 125.000 Kilometer.

Diese Rohre haben eine angenommene Lebensdauer von etwa 70 Jahren, sind aber im Laufe der Zeit gewissen Veränderungen unterworfen. Dabei löst das Wasser Kalzium aus dem Zement. Die genauen Bedingungen und Zeitabläufe hängen stark vom transportierten Wasser ab [1] [2] .

Die Rohre verlieren dann nicht nur ihre ursprüngliche Festigkeit und werden brüchig, sondern geben auch zunehmend Fasern an das durchfließende Wasser ab [3]. Es wird vermutet, dass dies eine der Hauptquellen für Asbest im Trinkwasser ist. Inwieweit Asbest im Trinkwasser ein Risiko für den Menschen darstellt, ist jedoch unklar.

Im australischen Bundesstaat Victoria geht man dieser Frage nach. Die dort weit verbreiteten Asbestzementrohre sollen nun ausgetauscht werden. Dabei bleiben die alten, nicht mehr benötigten Rohre im Boden, da dies als sicherste Option angesehen wird. Eine Entfernung gilt als risikoreich, und man hofft, dass sich die Rohre dort langsam zersetzen, ohne die Fasern in die Umwelt abzugeben.

Auch in anderen Ländern, in denen Asbestzementrohre als Trinkwasserleitungen verwendet wurden, gibt es zunehmend Forderungen, die Rohre zu entfernen oder zumindest nicht mehr zu verwenden. Gute Beispiele hierfür sind Kanada und Südafrika.

Asbest in Trinkwasser

Dass Asbest nicht nur über die Lunge in den Körper gelangen kann, sondern auch über andere Wege ein gewisses Risiko darstellen kann, habe ich bereits in meinem Beitrag über Bierasbest erwähnt. Allerdings ist die Datenlage hier weit weniger eindeutig als bei der Lunge. Derzeit wird Asbest im Trinkwasser von der WHO nicht als großes Risiko für die menschliche Gesundheit angesehen [4].

Allerdings kann Asbest im Trinkwasser auch in die Luft gelangen und über diese aufgenommen werden. Diese Problematik ist seit langem bekannt [5] [6] .

Bislang keine Grenzwerte

Bisher gibt es keine verbindlichen Grenzwerte für die Faserzahl im Trinkwasser. Die amerikanische EPA hat 7 Millionen Fasern mit einer Länge von jeweils mehr als 10 µm pro Liter als Grenzwert festgelegt. Darüber besteht die Gefahr der Entstehung von Darmpolypen. Die deutsche Trinkwasserverordnung enthält bisher (zumindest nach meiner Kenntnis) keine expliziten Hinweise auf Asbest als Schadstoff.

Aber wie gesagt, auch oral aufgenommenes Asbest könnte ein Risiko darstellen. Darauf deuten zumindest Fälle von Krebserkrankungen des Verdauungstraktes bei norwegischen Leuchtturmwärtern hin [7] [8]. In diesen Fällen wurde das verwendete Trinkwasser in Zisternen gesammelt, die von Asbestzementdächern gespeist wurden.

Einige neuere Daten könnten auch auf einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Asbestfasern und Darmkrebs hinweisen [9] [10]. Bei diesen und ähnlichen Untersuchungen darf jedoch nicht vergessen werden, dass die betroffenen Personen häufig auch anderen Risikofaktoren wie Tabak, Alkohol oder anderen gefährlichen Stoffen ausgesetzt waren, sodass es oft sehr schwierig ist, die Asbestaufnahme verantwortlich zu machen.

Langzeitexposition – das unterschätzte Risiko?

Einigen Studien zufolge könnte die Aufnahme von Asbestfasern über das Trinkwasser über einen längeren Zeitraum für einige Fälle von Gallengangskarzinomen und anderen Krebsarten des Verdauungstrakts verantwortlich sein [11] [12] [13]. Einer der Autoren, Giovanni Brandi, hat seine diesbezüglichen Bedenken in Open Access Government geäußert. Das Problem könnte demnach die lange und unbemerkte Aufnahme der Ballaststoffe sein. Bisher scheint es nicht möglich zu sein, eine Risikoschwelle für eine solche Exposition über das Wasser festzulegen.

Die aktuellen Richtlinien der WHO für die Qualität von Trinkwasser aus dem Jahr 2022 enthalten noch keinen Grenzwert für Asbestfasern im Trinkwasser, aber immerhin den Hinweis, die Menge und die Form der Fasern zu überwachen[4] . Die Richtlinien werden alle vier Jahre aktualisiert, das nächste Mal 2026. Mal sehen, ob sich bis dahin etwas tut.

Laut IARC kann die Fasermenge im Trinkwasser je nach Region zwischen 10 und 300 Millionen Fasern pro Liter betragen. Wenn man bedenkt, dass normalerweise bis zu 2 Liter Wasser pro Person verbraucht werden, kommt da einiges zusammen.

Das Europäische Parlament hatte 2021 in einer Resolution gefordert, dass Trinkwasser regelmäßig kontrolliert werden soll. Leider wurden diese Maßnahmen nicht in die Asbestos Work Directive von 2023 übernommen.

Fazit

Ob Asbest auch oral, d.h. über das Trinkwasser oder die Nahrung aufgenommen, zu gesundheitlichen Problemen führen kann, scheint also noch nicht abschließend geklärt zu sein. Allerdings kann dies nach den bisher vorliegenden Studien auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Hier besteht meines Erachtens auf jeden Fall noch erheblicher Forschungsbedarf. Bis dahin sollten wir aber nach dem Vorsorgeprinzip vorsichtig sein und die Exposition über das Trinkwasser so weit wie möglich minimieren.

References

  • [1] Hu, Y. and Hubble, D. W. (2007). Factors contributing to the failure of asbestos cement water mains, Canadian Journal of Civil Engineering 34 : 608-621.
  • [2] Punurai, W. and Davis, P. (2017). Prediction of Asbestos Cement Water Pipe Aging and Pipe Prioritization Using Monte Carlo Simulation, Engineering Journal 21 : 1-13.
  • [3] Zavašnik, J.; Šestan, A. and Škapin, S. (2022). Degradation of asbestos – Reinforced water supply cement pipes after a long-term operation, Chemosphere 287 : 131977.
  • [4] Organization, W. H. and others (2021). Asbestos in drinking water: background document for development of WHO Guidelines for drinking-water quality, .
  • [5] Webber, J. S.; Syrotynski, S. and King, M. V. (1988). Asbestos-contaminated drinking water: Its impact on household air, Environmental Research 46 : 153-167.
  • [6] Avataneo, C.; Petriglieri, J. R.; Capella, S.; Tomatis, M.; Luiso, M.; Marangoni, G.; Lazzari, E.; Tinazzi, S.; Lasagna, M.; De Luca, D. A.; Bergamini, M.; Belluso, E. and Turci, F. (2022). Chrysotile asbestos migration in air from contaminated water: An experimental simulation, Journal of Hazardous Materials 424 : 127528.
  • [7] Andersen, A.; Glattre, E. and Johansen, B. V. (1993). Incidence of Cancer among Lighthouse Keepers Exposed to Asbestos in Drinking Water, American Journal of Epidemiology 138 : 682-687.
  • [8] Kjærheim, K.; Ulvestad, B.; Martinsen, J. I. and Andersen, A. (2005). Cancer of the gastrointestinal tract and exposure to asbestos in drinking water among lighthouse keepers (Norway), Cancer Causes & Control 16 : 593-598.
  • [9] Porzio, A.; Feola, A.; Parisi, G.; Lauro, A. and Campobasso, C. P. (2023). Colorectal Cancer: 35 Cases in Asbestos-Exposed Workers, Healthcare 11 : 3077.
  • [10] Caraballo-Arias, Y.; Roccuzzo, F.; Graziosi, F.; Danilevskaia, N.; Rota, S.; Zunarellli, C.; Caffaro, P.; Boffetta, P.; Bonetti, M. and Violante, F. S. (2023). Quantitative Assessment of Asbestos Fibers in Abdominal Organs: A Scoping Review, La Medicina del Lavoro textbar Work, Environment and Health 114 : e2023048-e2023048.
  • [11] Brandi, G.; Di Girolamo, S.; Farioli, A.; de Rosa, F.; Curti, S.; Pinna, A. D.; Ercolani, G.; Violante, F. S.; Biasco, G. and Mattioli, S. (2013). Asbestos: a hidden player behind the cholangiocarcinoma increase? Findings from a case–control analysis, Cancer Causes & Control 24 : 911-918.
  • [12] Vasuri, F.; Deserti, M.; Corradini, A. G.; Tavolari, S.; Relli, V.; Palloni, A.; Frega, G.; Curti, S.; Mattioli, S.; Cescon, M.; D’Errico, A. and Brandi, G. (2023). Asbestos exposure as an additional risk factor for small duct intrahepatic cholangiocarcinoma: a pilot study, Scientific Reports 13 : 2580.
  • [13] Di Ciaula, A. (2017). Asbestos ingestion and gastrointestinal cancer: a possible underestimated hazard, Expert Review of Gastroenterology & Hepatology 11 : 419-425.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Aus meiner Tätigkeit bei einem Versorger kann ich bestätigen, dass az Rohre in D verwendet wurden. Diese wurden mWn jedoch (beim damaligen Versorger) außer Betrieb genommen. uA weil störanfällig und wenn eine Störung auftrat nur unter hohen Aufwand zu reparieren.

  2. Wir beziehen unser Trinkwasser wie ich jetzt erfahren musste auch aus Asbestzement Rohrleitungen. Der örtliche Wasserversorger hat mir auf Nachfrage nur bestätigt dass die Trinkwasserverordnung eingehalten wird, jedoch werden keine Messungen hinsichtlich Asbest im Trinkwasser durchgeführt. Was kann ich jetzt tun? Meine Familie inkl. kleiner Kinder trinken, kochen und duschen mit diesem Wasser…

    • Da bin ich überfragt. Vermutlich kann man nicht viel machen. Eventuell das Waser selber testen lassen, aber dann stellt sich immer noch die Frage, was man mit dem Ergebnis anfangen will und kann

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