Warum Schönheit?

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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Menschenaffe Ein Besuch im Zoo kann schnell ins Geld gehen. Umso besser, dass in der aktuellen Ausgabe von Gehirn&Geist ein Abstecher ins Affengehege inklusive ist – und das für schlappe acht Euro! Wenn Sie das Heft noch nicht haben, sollten Sie schnell zugreifen, denn dort erklärt Thomas Grüter, was die Schönheit von Gesichtern ausmacht (Betörender Anblick, G&G 9/2008, S. 44-48).

Gleich am Anfang stellt der Autor die Frage: Warum gibt es überhaupt so etwas wie Schönheit? Wie man es im Affengehege nicht anders erwartet, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten; nur einmal kurz auf der Brust getrommelt und schon steht fest: Sex muss die Antwort sein! Ja, Paarung, Fortpflanzung, warum sonst sollte es so etwas wie Schönheit geben? Aber mal Hand aufs Herz: Haben wir das nicht alle schon längst gewusst? Wir sind doch nicht mehr grün hinter den Ohren, mit allen Wassern gewaschen und vom Privatfernsehen gebildet.

Dumm nur, dass die evolutionäre Rechnung nicht so recht aufgehen will – denn weder ist die Erblichkeit von Schönheit belegt, noch die Tatsache, dass Schönheit auf Gesundheit schließen lässt und damit eine wichtige Größe im evolutionären Wettstreit darstellen würde. Im Gegenteil könnten Krankheitsmerkmale, wie beispielsweise Pockennarben, eine gute Immunabwehr zeigen: Ich habe es überlebt, die klapprige Barbie mit ihrer zarten Haut, Gott habe sie selig, hingegen nicht. Macht nichts, vermischen wir die Rede von der Schönheit einfach mit der von der Attraktivität und was attraktiv ist, das wirkt eben anziehend, wie das Wort schon nahe legt; und dass Schönheit anzieht, das weiß doch jeder. Basta, Punktum. Gehen wir weiter von den Schimpansen zu den Gorillas – und was finden wir dort?

Frauen suchen eher einen Mann mit materiellen Ressourcen und hohem gesellschaftlichem Status, Männer ziehen dagegen eher eine gut aussende Frau vor. Aber natürlich profitieren auch die Herren der Schöpfung von einem ansprechenden Äußeren. (S. 45)

Gut, dass das gesagt wurde und wenigstens bei den Gorillas die Welt noch im Reinen ist. Dass mit den „materiellen Ressourcen“ nun ein anderes Prinzip für die Partnerwahl vor die Schönheit tritt, das versauert zwar unsere frische Erkenntnis aus dem Schimpansengehege aber schwamm drüber, einmal laut gebrüllt und schon herrscht Ruhe im Käfig. So gehört sich das auch, denn wie der Silberrücken von Herrn Grüter erfahren hat, muss er die Weibchen argwöhnisch im Auge behalten:

Offensichtlich […] schätzen Frauen die meiste Zeit über einen liebevollen und treuen Partner, der sich auch um das Wohlbefinden der Kinder sorgt. Doch in der fruchtbaren Zeit sind sie einem Seitensprung mit einem kraftstrotzenden, aber weniger fürsorglichen Mann nicht abgeneigt […]. (S. 46)

Nun, zart besaitet ist er ja gerade nicht, unser Silberrücken, aber wie gut, dass es wissenschaftliche Erkenntnis gibt. So lässt sich fortan der Zyklus der Weibchen überwachen und wenn es so weit ist, werden all die anderen starken Männchen auf die Jagd geschickt, damit es ja keine Nebenbuhler gibt – in der Zwischenzeit sorgen ein paar Spitzel aus dem benachbarten Paviangehege dafür, dass bei uns im Gehege Recht und Ordnung herrscht. Denn, wie wir eben gelernt haben, ist es bei den Weibchen nicht weit her mit der Moral. Es reicht schon die richtige Dosis Hormone und dahin schwinden die guten Sitten und die Treue. Da hilft auch alles Getrommle auf der starken männlichen Brust und jahrelange Erziehung wenig, gegen den Lauf der Natur anzukommen.

Ach, wie herrlich einfach ist doch die Welt bei den Affen doch gestrickt. Nichts wird unnötig verkompliziert durch kulturelle Evolution und Zivilisation – und so freuen wir uns auch über das fulminante Fazit, das in leuchtenden Lettern über dem Ausgang prangert: „Vermutlich gelten heute die gleichen Präferenzen für die Partnerwahl wie auch in der Steinzeit“ (S. 48). Vergessen wir doch einfach die Errungenschaften der letzten Jahrtausende – und bleiben am besten gleich bei den Gorillas.

Dort müssen uns auch die strengen gesellschaftlichen Regeln nicht bekümmern, die es bisweilen bei uns gab: Dass es ein Mann sich beispielsweise durch besondere Tüchtigkeit hervorgetan haben, dass die Frau eine ordentliche Mitgift in die Ehe bringen musste, um den Wohlstand der Familie zu mehren, oder dass Männlein und Weiblein, hören wir kurz Romeos und Julias Schluchzen, der gleichen Schicht angehören mussten, um überhaupt heiraten zu können. Auch dass die Gründerväter der USA wussten, dass sie mit einer Barbie wenig anfangen konnten und stattdessen eine Frau brauchten, die ordentlich zupacken und Kinder bekommen konnte, daran denken wir besser erst gar nicht.

Ebenso wenig fällt die persönliche Erfahrung ins Gewicht, dass beispielsweise jemand, der dreimal von hübschen Schauspielerinnen hintergangen wurde, die vierte zwar immer noch schön aber aufgrund der schmerzlichen Erinnerungen nicht mehr attraktiv finden mag, das kehren wir unter den Teppich – oder besser: auf den Misthaufen. Dorthin gehört schließlich auch die grundlegende Verwechslung von Schönheit und Attraktivität insgesamt und man fragt sich, worum es in dem Artikel nun überhaupt geht?

Didaktisch hervorragend ist aber in jedem Fall der Einstieg mit einem handfesten logischen Fehler gelungen, der wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der Leser prüfen soll: Da erfahren wir nämlich, wenn wir nicht so aussähen wie Angelina Jolie oder Brad Pitt, dann bräuchten wir nicht gleich zu verzagen, denn ein Durchschnittsgesicht würde reichen, um schön zu sein. Wenn aber nun die These des Artikels stimmt, dass Schönheit im durchschnittlichen Antlitz begründet ist, dann sind Angelina und Brad nun einmal so schön, weil sie ein Durchschnittsgesicht haben; und wenn dem so ist, dann gibt es auch keinen Trost für uns: entweder wir haben ebenso durchschnittliche und schöne Gesichter wie die beiden oder eben nicht – eine dritte Möglichkeit bleibt dann nicht mehr, ein Selbstwiderspruch ist also ausgemacht.

Wären wir doch nie von den Bäumen herunter geklettert – wie einfach wäre die Welt geblieben!

Foto: © K.Schumann/Wilhelma (beekeeper) / PIXELIO

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11 Kommentare

  1. Hallo,
    die Welt ist immernoch einfach, nur die
    Knoten in unserern Köpfen, wenn wir uns eine Weltsicht zusammenreimen nicht.

    Oversexte Werbewelt, jedes siebte Kind nach Schätzungen ein Kukuckskind, täglich drüber reden und es einmal im Monat tun.
    Es geht darum was Mensch und Menscheit braucht. Die Moral des Besitzenden, oder einen gesunden Genpool. Mitmenschen oder Genkopien? Survivel of the fittest, da lachen ja die Hühner.

    Gruß Uwe Kauffmann

  2. Bin gerade durch Zufall auf diesen Beitrag gestoßen. Kompliment an den Autor – Schöner Text und vor allem ist er so wahr… 🙂

  3. @Schleim

    Hallo,
    muss mich wohl erst mal entschuldigen. Meine Reaktion war wohl eher übertrieben.

    Der Artikel ist wohl doch ganz nett, wenn man ihn mit einem Augenzwinckern, auf den Geschlechterkampf betrachtet.

    Nichts desdo trotz denke, ich wenn man Affen zum Vergleich heranzieht, müste man wohl Bonobos, in näheren Betracht ziehen.

    Meine Reaktion rührte wohl eher vom Genuss dieses Podcasts.

    http://mp3.swr.de/swr2/wissen/sendungen/swr2_wissen_hoelle_armer_frauen.12844s.mp3

    Ein Model echt für den Giftschrank. Da habe ich bestimmt drei Tage zu knabbern und ich denke ich kann einiges vertragen.

    Also nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber manchmal ist der Blick auf die schöne neue Hirnwelt, ein Schlag ins Gesicht.

    Gruß Uwe Kauffmann

  4. falscher Ort

    Wer zuviele Antworten im Affengehege sucht, sollte mal darüber nachdenken, – dass die Affen nur noch im Tierpark und Dschungel überleben, die Menschen sich aber über die ganze Welt verbreitet haben.
    Möglicherweise ist das Affengehege der falsche Ort um etwas tiefer gehende Erkenntnisse über den Menschen herauszufinden.

  5. @ Kauffmann

    Nichts für ungut; mein Artikel ist ja durchaus auch als Satire zu verstehen.

    Ehrlich gesagt, als ich den Originaltext in G&G zum zweiten Mal las, nachdem ich den Vorsatz gefasst hatte, darüber zu schreiben, da schien es mir ein bisschen wie ein Stück Seife, das einem aus der Hand gleitet, wenn man zu fest zupacken will.

    Sollte der Text über Schönheit womöglich nur als Unterhaltung gedacht gewesen sein?

    Nun denn, in Unterhaltungssachen könnten wir uns sicher ‘was von den Bonobos abgucken. 🙂

  6. @ KRichard

    Ganz meine Rede; mal davon abgesehen könnte mich wohl kaum an den Geruch im Affengehege gewöhnen.

    Nunja, dass der Mensch in Sachen Arterhaltung erfolgreicher ist als die Affen, was will mir das sagen?

    Erstens ist damit noch lange nichts über die Moralität gesagt;

    zweitens, wenn wir die Arterhaltung als Gütekriterium hernähmen, dann würden uns doch unzählige Arten in den Schatten stellen…

    …und würde Sie das noch trösten, wenigstens nicht der letzte unter den Verlierern zu sein, weil noch ein paar Affen darunter kommen?

  7. erfolgreicher Mensch

    Wenn der Mensch in der Arterhaltung erfolgreicher ist als Affen – dann heißt das, das er ein paar mehr bzw. andere Tricks drauf hat.
    Und das ist für´s erste auch eine Aussage.

    Moral: ist relativ. Z.B war ein uneheliches Kind in manchen Gegenden früher eine Schande – in anderen Regionen war es vor einigen Jahrzehnten noch ein Qualitätsbeweis für die Mutter (sie kann Kinder bekommen).

  8. Sitte und Moral

    Ja, da gebe ich Ihnen zweimal Recht, KRichard; wir haben tatsächlich ein “paar Tricks” drauf aber in Sachen Arterhaltung stehen wir glaube ich nicht an der Spitze — Ratten, Kakerlaken und Ameisen werden hier wahrscheinlich noch lange in unseren Ruinen herumlaufen, wenn der letzte Mensch dahin geschieden ist.

    Und uneheliche Kinder — also da würde ich gerade eine Trennlinie ziehen zwischen Sitte und Moral; beispielsweise kann es meinem Verständnis nach gar nicht so etwas wie eine Sexualmoral geben (z.B. kein Sex vor der Ehe), sondern handelt es sich hier nur um sittliche Regeln und nicht um Moral in einem interessanten Sinn.

    Viele Grüße

    Stephan Schleim

  9. ´die´ Moral

    Unsere deutsche Sprache ist sehr eindeutig. Es heißt nicht ´der´ Moral – sondern ´die´ Moral. Also ist Moral eindeutig dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen.
    Das kommt in dem obigen Blog recht schön zum Ausdruck: “Denn, wie wir eben gelernt haben, ist es bei den Weibchen nicht weit her mit der Moral.”

    Da wird also eine menschliche Wertvorstellung gebraucht, um das Verhalten von Affenweibchen zu beschreiben.
    Da hat wohl ein Wissenschaftler die Menschen- und die Affenwelt durcheinander gebracht.
    Zufall, Absicht oder Freud´scher Versprecher?

  10. Weder noch

    Da hat wohl ein Wissenschaftler die Menschen- und die Affenwelt durcheinander gebracht.
    Zufall, Absicht oder Freud’scher Versprecher?

    Die Antwort ist ganz einfach: Satire

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