Bürgergeld: Welches Menschenbild steckt hinter der Kritik von CDU/CSU?

Die Rede ist wieder vom “Fördern und Fordern”. Welche Werte stecken dahinter? Und was kann die Wissenschaft hierzu aussagen?

Was würden Sie mit monatlich 10.323,29 Euro anfangen? Dazu käme auch noch eine Kostenpauschale in Höhe von 4.583,39 Euro. Ebenfalls monatlich. Ganz schön viel Geld, oder?

Es handelt sich um die Entschädigung der Bundestagsabgeordneten. Natürlich leisten viele dafür jahrelange Partei- und Öffentlichkeitsarbeit. Doch einmal gewählt, handelt es sich um eine Art bedingungsloses Grundeinkommen:

Die Abgeordneten müssen nicht einmal zu den Sitzungen erscheinen. Die eigentliche Arbeit wird in den Fachausschüssen getan. Am Ende koordinieren Stimmführer der Parteien das Abstimmungsverhalten (der sogenannte Fraktionszwang, den es laut Grundgesetz gar nicht geben dürfte). So klaffen Recht, Psychologie und Realität auseinander.

Relationen

Demgegenüber sollen mit dem neuen Bürgergeld statt Hartz IV Arbeitslose ab dem 1. Januar 2023 502 Euro im Monat bekommen (Regelsatz für alleinstehende Erwachsene). Das wären 50 Euro mehr als zurzeit. Wir beim heutigen Betrag also von jährlich rund 5.400 Euro im Vergleich zu den rund 134.000 Euro der Abgeordneten (ohne Zuschläge).

Ein Hartz IV-Empfänger bräuchte also fast 25 Jahre, um auf das Jahreseinkommen eines Bundestagsmitglieds zu kommen. Auf 33 Jahre steigt die Dauer, wenn wir die Kostenpauschale berücksichtigen. Dabei kann ein Abgeordneter seine lukrativen Nebeneinkünfte behalten, musste sie bis vor Kurzem nicht einmal genau angeben, während den Armen der größte Teil abgezogen wird.

Natürlich werden hier Äpfel mit Birnen verglichen. Der Vergleich hinkt aber auch nicht ganz, da es in beiden Fällen um Leistungsempfänger geht. Will heißen: Andere Bürgerinnen und Bürger müssen das Geld, das hier verteilt wird, erst einmal erwirtschaften.

Neues Bürgergeld

Das Projekt dürfte insbesondere den Mitgliedern der SPD wichtig sein, der viele noch die Einführung des Hartz IV-Systems unter Gerhard Schröder (Bundeskanzler von 1998 bis 2005) übel nehmen. Damit wurde die Kontrolle arbeitsloser Menschen verschärft, wurde deren Besitz und Erspartes stärker angerechnet und drohten bei Regelverstößen oder Ablehnung von Arbeitsangeboten empfindliche Strafen – nämlich die Kürzung der Leistungen.

Diese Härten soll das neue Bürgergeld nun wieder abfedern: Dabei ist nicht die erwähnte Anhebung des Regelsatzes ein Streitpunkt. Vielmehr sind der Opposition von CDU und CSU das Schonvermögen, die Vertrauenszeit und die Wohnungsgröße ein Dorn im Auge.

So sollen nach den derzeitigen Plänen der Ampel-Koalition 60.000 Euro zuzüglich 30.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt bei der Berechnung der Leistungen unberücksichtigt bleiben. Bei einer vierköpfigen Familie wären das also zum Beispiel 150.000 Euro “Schonvermögen”. In der “Vertrauenszeit” von einem halben Jahr sollen zudem Verstöße gegen Vereinbarungen oder die Ablehnung einer Arbeit milder bestraft werden.

Fördern und Fordern

Diese Neuregelung geht aber Vertretern von CDU und CSU – wohlgemerkt, das C steht jeweils für “christlich” und das S für “sozial” – zu weit. Von der “sozialen Hängematte” ist die Rede und vom Setzen “falscher Anreize”.

Laut Axel Knoerig (CDU) unterminiere man so das Prinzip des Förderns und Forderns. CSU-Chef Markus Söder bemängelt, dass man dann niemanden mehr motivieren könne, eine Arbeit anzunehmen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnt gar vor einer Spaltung der Gesellschaft.

Wer könnte aber bei “Querdenkern”, “Spaziergängen”, einer Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent und 10,3 Prozent der Stimmen für die AfD bei der letzten Bundestagswahl bestreiten, dass die Gesellschaft bereits gespalten ist? Könnte man nicht umgekehrt in einem Zeichen der Milde gegenüber den Ärmeren in der Gesellschaft ein wichtiges Element zur Verbindung sehen?

Anreize

Problematisch erscheint mir insbesondere, dass sich führende Politiker offenbar nur noch negative Anreize, nämlich finanzielle Strafen, zur Motivierung für die Aufnahme einer Arbeitsstelle vorstellen können. Warum gestaltet man Arbeit nicht umgekehrt so, dass sie Spaß macht? Bei Computerspielen funktioniert das doch auch, bis hin zur “Sucht“.

Und sollte nicht inzwischen klar sein, dass viele Arbeiten “Bullshit Jobs” sind, wie es der amerikanische Anthropologe David Graeber erst in einem berühmten Aufsatz und später im gleichnamigen Buch (2018) ausführte? Der Begriff bezeichnet sinnlose Tätigkeiten, die der Gesellschaft vielleicht sogar schaden.

Doch schon die Behavioristen, die sich intensiv mit der Steuerung von Verhalten durch äußere Anreize (daher der Name, von engl. behavior = Verhalten) beschäftigten, zogen das Fazit: Positive Anreize (also Belohnungen) funktionieren viel besser als negative (Strafen; siehe z.B. B. F. Skinner, Beyond Freedom and Dignity, 1971).

Soziale Ungerechtigkeit

Eine besondere moralische Problematik erhält die Rhetorik der CDU/CSU allerdings mit Blick auf die soziale Ungerechtigkeit in der Gesellschaft: So ist etwa seit Jahrzehnten bekannt, dass das deutsche Bildungssystem Kinder aus bildungsfernen Haushalten benachteiligt. Also: Akademikereltern für alle! Wenn das so einfach wäre…

Dazu kommen Benachteiligungen aufgrund von Armut oder dem Leben in einer strukturschwachen Region. Sexistische und rassistische Diskriminierung ist auch immer wieder ein Thema. Versuchen Sie einmal, mit ausländischem Namen und Akzent eine Arbeitsstelle oder Wohnung zu finden. Solche Probleme kennt man an der CDU/CSU-Spitze freilich nicht.

Das heißt aber, dass viele Menschen nicht aufgrund ihrer eigenen Verantwortlichkeit, sondern wegen ungerechter sozialer Umstände in eine schwierige Lage kommen – wo sie laut christlich-sozialen Parteien härter angepackt (nämlich bestraft) werden sollen. Viel absurder könnte es kaum sein!

Vorschläge

Wie hoch ein Schonvermögen oder eine Vertrauenszeit sein sollen, sind im Endeffekt Detailfragen. Wahrscheinlich hat die Ampel-Koalition hier schon aus strategischen Gründen eher hoch gegriffen, damit man im Streit mit der Opposition mehr Spielraum zum Nachgeben hat.

Viel wichtiger wäre aber doch ein Umdenken: Dass beispielsweise Arbeit den Menschen und der Gesellschaft nutzen soll, statt schlimmstenfalls sinnlos den Planeten zu zerstören. Eine Möglichkeit wäre, “Bullshit Jobs” prinzipiell als unzumutbar anzusehen. Dann würden Menschen überhaupt keine Leistungskürzungen drohen, wenn sie (aus guten Gründen) eine solche Tätigkeit ablehnen.

Und wieso gelingt es nicht, positive Anreize zu setzen, dass Menschen aus freien Stücken arbeiten gehen? Die Arbeit kann doch ein wichtiger Lebensbereich sein, der Sinn stiftet und einen mit anderen Bürgerinnen und Bürgern verbindet.

Menschen, die bereits – unter von den führenden Parteien zu verantwortenden – schwierigen Umständen leiden, sollte man aber vor allem kein zweites Mal bestrafen, indem man ihnen die ohnehin nicht gerade üppigen Mittel kürzt. Die Bundesrepublik Deutschland ist immerhin ein Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG).

Anreize für Abgeordnete

Und wenn man schon von den richtigen Anreizen spricht: Wie wäre es damit, die Bezahlung der Abgeordneten von der Wahlbeteiligung abhängig zu machen? Bei 76,6 Prozent blieben von den 10.323,29 Euro “nur” noch rund 7.900 Euro übrig.

Wir hätten sicher eine andere Politik, wenn es im eigenen Interesse der Politikerinnen und Politiker wäre, dass sich so viele Menschen wie möglich an der Demokratie beteiligen (und Demokratie = Herrschaft des Volkes). Jetzt ist es im Gegenteil so, dass es vor allem den großen Parteien nutzt, wenn Menschen desillusioniert der Warnurne fernbleiben.

Und wie wäre es damit, Abgeordneten pro verpasster Sitzung die Zahlung um 5 Prozent zu kürzen? Natürlich werden Nebeneinkünfte zu 80 Prozent mit der Aufwandsentschädigung verrechnet.

Das schiene mir eine Form von Gleichstellung zu sein, die endlich zu einer besseren, weil gerechteren Politik führt.

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71 Kommentare

  1. Ja, eine Demokratie sollte immer danach streben, dass mehr Bürger sich beteiligen. In gewissem Sinne bedeutet das auch das nichts völlig gratis ist, weil alles auf gemeinsamer Arbeit beruht. Nicht jede Arbeit muss zudem entlohnt werden. Und klar muss mit Steuergeldern besonders verantwortungsvoll umgegangen werden. Oft bedienen sich gerade Parlamentarier in der Staatskasse. In Italien mit seinen hohen Entschädigungen ist das sicher der Fall. Bürgerbeteiligung kann gerade bedeuten das zu verhindern. In England entstand die Demokratie ja gerade, weil die Adligen und letztlich die Bürger nicht bereit waren jeden Krieg und jede Eskapade des Königs zu finanzieren. No Tax without representation

  2. lukrativen Nebeneinkünfte behalten – Leistungsempfänger – bedingungsloses Grundeinkommen – Fraktionszwang

    Und wie ich da “bei Ihnen” bin, diese Tatsachen bemängle ich auch schon seit Jahren, dazu kommen ja auch noch die diversen geldwerten Vorteile bei Reisen.
    Dazu kommt noch der Umstand, dass “Politiker” kein Lehrberuf mit Abschlussprüfung ist, es sind in diesem Sinne alles Ungelernte mit “training on the job”, was die Verantwortung des Einzelnen angeht, so hat eine Nachtwache auf der Intensivstation mehr Verantwortung, aber weniger Geld.
    Ein Umstand erzürnt mich aber besonders:
    Die Mütter & Väter des GG haben sicher nicht ohne Grund den Passus ins GG geschrieben, dass jede Diäten”anpassung” öffentlich im Parlament ausdiskutiert werden sollte. In einer quasi Nacht-&Nebelaktion haben dann fast alle Parteien das GG so geändert, dass nur 1x am Beginn der Legislatur das Gesetz “X” bestätigt werden muss, danach ist die Erhöhung der Diäten in den kommenden Jahren automatisch durch die “allgemeine Lohnentwicklung” definiert – und wenn ich die Diagramme richtig gelesen habe, ist das die BRUTTOlohnentwicklung, wie viel nach Abzug der ( von den Parlamenten bestimmten ) und Abgaben dann netto …
    Ich gönnen den Parlamentarieren das Geld, aber als “Arbeitgeber” im doppelten Sinn ( mit meinen Steuer werden deren Gagen gezahlt, durch mein Kreuz auf dem Stimmzettel habe ich sie eingestellt ) hätte ich doch gern ein Mitbestimmungsrecht.
    Es gilt wohl auch hier der alte Spruch: “Wer das Kreuz hat, segnet sich zuerst.”

  3. @Holzherr: Steuern & Repräsentation

    Das ist gut zu wissen – die Steuern werden heute aber gleich vom Lohn abgezogen. Da müssten die Arbeitgeber also mitspielen.

    Mit etwas mehr Zeit könnte man sich einmal die Staatsquote anschauen, d.h. wie viel des Bruttoinlandsprodukts der Staatsapparat selbst auffrisst. Meines Erachtens spricht das nicht gerade für Effizienz und Haushaltsdisziplin.

  4. @Maier: Mitbestimmung

    Immerhin werden über die Direktmandate hin und wieder ein paar unangepasste Denkerinnen und Denker ins Parlament gewählt. Auf die realistischen Listenplätze setzen die Parteivorstände meiner Wahrnehmung nach vor allem “Jasager”.

    Für die parlamentarische Arbeit gab’s früher mal eine kleine Entschädigung pro Sitzungstag (daher stammten die “Diäten”). Dann sagte man, das erschwere die Beteiligung weniger wohlhabender Menschen. Heute haben wir dann so etwas wie das Berufspolitikertum mit seinen Schattenseiten (wie Vetternwirtschaft, Machtspiele, wie in der Pandemie zum Beispiel anhand der Maskendeals deutlich wurde).

    Wenn man von den Abgeordneten erst einmal Berufserfahrung erwarten würde und die Teilnahme vielleicht auf zwei, maximal drei Legislaturperioden beschränkte, hätten wir wahrscheinlich eine ganz andere Repräsentation. Dann wären die Damen und Herren vermutlich etwas mehr “geerdet” und wären sie am Ende nicht mehr so abhängig von den Stimmenführern, da sie ja sowieso nicht mehr wiedergewählt werden könnten.

  5. Nichts ist schwerer zu reformieren als ein funktionierender Staat.
    Hier werden jetzt alle möglichen Schwachstellen unserer Demokratie in einen Topf geworfen. Die Verhältniswahl mit der ständig wachsenden Zahl von Abgeordneten, die Berufspolitiker,
    das ungelöste Rentenproblem, und jetzt noch das Bürgergeld.
    Ja und dann vermutet man noch ein Menschenbild hinter diesen Dingen.
    Zur Wirtschaftsphilosophie der CDU.
    Geld das verteilt werden soll, das muss erst mal verdient werden.
    Deshalb steht die CDU auf der Seite der Unternehmer.

    Bürgergeld ist kontraproduktiv, weil es keinen Anreiz bietet, Geld zu verdienen.
    Lustig: Dagobert Duck wurde einmal gefragt, warum er alles Geld in seinem Geldspeicher aufbewahre.
    Er antwortete, “wenn ich das Geld verteile, dann arbeitet niemand mehr”

  6. Dass von der Union bemäkelte Schonvermögen hat das Kabinett Merkel IV bereits auf 60.000 Euro verdoppelt. 😀

  7. Stephan Schleim
    02.11.2022, 18:50 Uhr

    Wir müss(t)en nicht nur Bemühungen auf das Klima richten und uns zwanghaft um angebliche korrekte Ansprache bemühen, sondern auch und nicht zuletzt darauf, unsere gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen krisenfest und zukunftssicher zu gestalten. Aber wie schon die Frösche kaum ihren eigenen Teich trocken legen werden, so ist von Berufspolitikern mit der Karriere “Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal” kaum zu erwarten, dass sie einer solchen “Augias-Aufgabe” gerecht werden könnten. Aber es sind ja wir als Wähler, die wir durch unsere Kreuzchen solche Politiker installieren. Und anders herum und etwas spöttisch betrachtet: Laut GG sollen die Parlamentarier “aus der Mitte des Volkes” kommen – wir haben demnach also genau den Mittelwert der Bevölkerung an der Macht.
    Erschreckend, oder?

  8. @fauv: Sozialstaat abschaffen?

    Dann sollte man also den Sozialstaat abschaffen, damit die Leute endlich noch stärker gezwungen werden, jede beliebige Arbeit anzunehmen? Na, man sieht ja z.B. in Großbritannien oder den USA, in was für eine Richtung man sich dann bewegt. (Historischer Tipp: Der Sozialstaat wurde in der heutigen Form von den Siegermächten nach dem WK2 so konzipiert, um eine erneute Radikalisierung wie unter den Nationalsozialisten zu verhindern; jetzt schafft man den Sozialstaat seit rund zwei Jahrzehnten schrittweise wieder ab – und immer mehr Menschen radikalisieren sich. Sehr gut!)

    Ja, die CDU ist eine Capitalistische Deutsche Unternehmerpartei. Schade, dass sich das bei den Wählerinnen und Wählern partout nicht herumspricht.

    P.S. Ein Haken an Ihrem Vergleich ist halt, dass ein Dagobert Duck in der Regel besondere Privilegien genoss, die viele andere Menschen (oder Enten) nicht hatten; sein Wohlstand wird von der Gesellschaft geschützt, ohne dass er dafür noch etwas beitragen müsste (z.B. über eine Vermögenssteuer). Das nennen Sie gerecht?

  9. @Maier: Karrieren

    Sie haben den entscheidenden Schritt noch vergessen: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – Aufsichtsrat.

    P.S. In einer Demokratie bekommt das Volk die Politiker*innen, die es verdient, oder nicht? Bei uns sind es primär – Lehrer und Juristen? Aber wo steht denn, dass die Abgeordneten aus der Mitte der Gesellschaft kommen sollen? Jeder ab 18 kann sich doch zur Wahl Stellen (Ausnahme Hessen: 21 Jahre).

  10. Die eigentliche Arbeit wird in den Fachausschüssen getan.

    Und wer arbeitet rein zufällig in den Ausschüssen?

    Zu jedem wichtigen Fachgebiet existiert ein Ausschuss des
    Bundestages. Die Ausschüsse des 20. Bundestages bestehen aus
    16 bis 50 [2] Abgeordneten

    htttps://de.m.wikipedia.org/wiki/Bundestagsausschuss

    Warum gestaltet man Arbeit nicht umgekehrt so, dass sie Spaß macht?

    “Arbeit die Spaß macht ” ist eine Phrase, die besonders gerne von Akademikern gedroschen wird. Wer soll die Arbeit erledigen, die keinen Spaß macht? Mein Vater und ein Großvater waren Bergleute. Zum Spaß sind die garantiert nicht eingefahren. Von Arbeitskollegen wurde auch schon behauptet, die Arbeit würde ihnen Spaß machen. Durch überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz sind diese Leute aber nie aufgefallen.

  11. @Uwe: Spaß

    Ich würde niemanden zu einer Arbeit zwingen, die ich nicht auch selbst bereit zu tun wäre.

    Beim Bergbau scheint mir die Gemeinschaft der Bergleute eine wichtige Rolle zu spielen; vielleicht auch die Tradition.

    Wenn sich für eine wichtige Funktion niemand “freiwillig” findet, dann sollte doch der Markt (Nachfrage größer als Angebot) für steigende Preise sorgen, also steigende Löhne, bis sich jemand findet, der die Arbeit (für den dann höheren Lohn) macht.*

    Werken Sie ‘was? Gemeinschaft, Tradition/Anerkennung, höherer Lohn – das sind wirklich alles Anreize, keine Strafandrohungen.

    * Heute scheint das eher so zu funktionieren, dass die dreißesten Manager ihre eigenen Boni immer weiter erhöhen – und dann zum Rest der Belegschaft sagen, es sei kein Geld da. Vielleicht könnte man das Kleptokratie nennen?!

  12. @ Stephan Schleim
    Das sehe ich anders. Arbeitgeber ohne Manager (Handwerk) zahlen vermutlich schlechter als solche mit Manager (Industrie, AG).
    Gemeinschaft der Bergleute, Tradition, Anerkennung war, in der Bergarbeitersiedlung in der ich groß geworden bin, kein Thema, das ist Schmuß. Eine Arbeit, die Spaß macht, kann ich mir nicht mal vorstellen. Arbeitsentgelt ist für mich Schmerzensgeld. Wer behauptet die Arbeit mache ihm Spaß, lügt oder ist überbezahlt.

  13. Stephan Schleim
    02.11.2022, 22:42 Uhr

    Nunja, die Formulierung “aus der Mitte des Volkes” ist eine prägnante Kurzfassung des Art 38 GG und würde ihrerseits auch gut ins GG passen.

    Dass das Parlament eine Schlagseite der Zusammensetzung in Hinblick auf Beamte und Juristen hat, liegt an kleinen, aber wirksamen Randbedingungen. Bei den einen wird der Arbeitsplatz freigehalten, die anderen kennen sich qua Ausbildung mit dem Formalismus aus und können ihre Kanzlei nebenbei weiter betreiben.
    Mein Beispiel für eine solche Verjuristierung der Gesellschaft bezieht sich auf das alte China. Zu Beginn musste ein prospektiver General eine Ausarbeitung über ein Kriegsthema vorlegen, die inhaltlich bewertet wurde. Jahrhunderte später wurde die Arbeit danach bewertet, ob sie kalligraphisch “schön” geschrieben war und die Worte wohl gesetzt seien. Das vergleiche ich mit manchen Diskussionen zur Wort- und Begriffswahl hierzulande und heutzutage.
    Nur: Wie kann man eine Gesellschaft so alle 50 Jahre mal durchlüften, ohne gleich eine Revolution anzuzetteln?

    Den Spruch “jedes Volk hat die Regierung, die es verdient” hatte ich deswegen nicht zitiert, weil mir das auch mit der “Mitte des Volkes” abgedeckt schien. Ich sehe auch eine allgemeine Mutlosigkeit und Entscheidungsschwäche um sich greifen, die Politik macht nur noch das, was “machbar” ist und und durch Umfragen abgesichert, die Bürger flüchten sich unter den Mantel derjenigen, die vorgeben, alles für alle ganz einfach denken zu können und Schutz für alle follower gegen alles anbieten.
    Die Karriereleiter “Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – Aufsichtsrat” wird wohl nur von wenigen bis zum Aufsichtsrat erklommen, obwohl das immer wieder medienwirksam herausgestellt wird, meinem Gefühl zufolge sind das besonders abgehalfterte oder politisch kaltgestellte “Spitzen”. Um des Reimes willen müssten wir einen auf -al endenden Begriff für diesen Frühstücksdirektorposten finden. Normalen Karrieristen dieser Art reichen die Pensionen mit 2,5% p.a. der “Diät” mit 10.323,29 Euro p.m. nach 8 – 12 Jahren als MdB oder MdL neben der Beamtenpension aus dem Berufsleben zum ruhigen Genießen.

  14. Menschen ändern sich nicht, es ändern sich nur die Systeme, die sie im Zaum halten, bis die Menschen es geschafft haben, sie so weit zu korrumpieren, dass wieder das Gesetz des Dschungels herrscht – das, das wir Freiheit nennen, bis wir merken, dass nicht wir der Löwe darin sind, sondern die vielen, vielen Schafe, die so ein Biest für eine ausgewogene Diät braucht. Wenn es einmal Sklavenhalter gab, die den ganzen lieben Tag in den Veranda-Schaukelstuhl furzten und über die Faulheit der Sklaven nölten, die in den Feldern vor Erschöpfung tot umfielen, wird diese Mentalität nie verschwinden. Sie wird immer versuchen, die Oberhand über ein jedes humaneres System zu gewinnen. Und Erfolg damit haben, denn Sklaven sind Sklaven, weil sie dumm sind, denn schlaue Leute zu peitschen wäre viel zu viel Arbeit und viel zu viel Motivation, kreativ zu werden.

    Wenn Sie zehn Sozialhilfeempfänger haben und zehn Milliarden Billiglöhner, bestimmt die Sozialhilfe, wie billig die Löhne sein können. Also macht man Geiz-Gier-Neid-Wahlkampf, sodass die Billiglöhner ernsthaft glauben, die Sozialhilfeempfänger würden sie ausrauben. Die Sozialhilfe wird gesenkt und – Überraschung! Die Lohnpyramide rutscht nach, die niedrigsten Löhne sind auf dem vorherigen Sozialhilfeniveau. Das viele eingesparte Geld verbleibt bei denen, die es nicht ausgeben müssen, ein Teil wandert in die Politik, um sicher zu gehen, dass darauf auch keine Steuern bezahlt werden müssen. Ich sehe hier nicht mal einen Grund, sich zu empören, schließlich sind reiche Leute nur arme Leute mit mehr Geld: Auch die Reichen sind ihrem eigenen Geiz-Gier-Neid hilflos ausgeliefert, auch sie narren sich durch den Glauben, sie hätten ihr Schicksal im Griff und würden eine Wahl treffen, auch die Armen zocken noch Ärmere liebend gern ab. Wenn man wenig Futter hat, steigt das Futterneid, und Stärkere haut man nicht, die hauen zurück.

    Humanethik hat nicht viel mit menschlichen Herrenrassenallüren zu tun, denn wären wir tatsächlich intelligente, moralische Wesen, wäre die Sache einfach: Nur denen, die nicht leiden, geschieht Unrecht, also einfach mit der Gießkanne feste drauf, wer aufmuckt, drängelt sich vor. Aber die Beobachtungsdaten deuten darauf hin, dass wir dann doch eher blöde Viecher sind, die ihren Super-Taschenrechner im Kopf so verwenden, wie Tiere Zähne und Klauen, also fallen wir unter den Tierschutz. Das ist so mein Menschenbild. Wie nennt man so was – misanthropischen Humanismus? Ethischen Realismus? Mitfühlenden Zynismus?

    Was für ein System wir uns einrichten, wir müssen darauf aufpassen, menschlicher Schlechtigkeit Bühnen zu bieten, wo sie sich austoben kann. Wir zocken einander halt gern ab, ehrlich währt am Kürzesten, weil es kein kompetentes Personal findet. Wählen Sie immer einen Dieb, denn wer zum Klauen zu doof ist, ist auch zu doof zum Regieren. Diesen Dieb müssen Sie dann aber auch im Auge behalten und ihm notfalls die Leine kürzen. Adel gibt’s immer, Adelsdünkel gehört dazu, doch die blaublütigen Herrenmenschen sollen die überbezahlten Staatshausmeister in ihrer Freizeit rauskehren.

    Über Wirtschaft und ihre Möglichkeiten lässt sich schwer diskutieren, aus einem einfachen Grund: Wir haben keine. Wir haben eine esoterische Pseudo-Wirtschaft, die Pixel und Papier für materiellen Nutzen hält und materiellen Nutzen für Kosten, die sie meiden muss, wie der Teufel das Weihwasser. Die Technologie hat uns ein Bonus-Level der Weltgeschichte geknackt, plötzlich wurden Ressourcen nutzbar, die bis dahin unerreichbar gewesen waren, da konnten wir über Nacht wirtschaften verlernen: Jedes Kind plündert den Bonbonladen für sich alleine, die Stärksten fressen sich am schnellsten voll und gelten als super Geschäftsleute, alle eifern ihnen nach, wie man zusammenarbeitet, um Bonbons herzustellen, wissen wir nicht: Wir haben ein System, das super verschwenden, doch seine Mittel und Ressourcen kaum nutzen kann. Wenn Sie einen Deppen haben, der sich darauf versteift hat, im Land, in dem Milch und Honig fließen, in eigenen Exkrementen zu verhungern, welche Maßstäbe setzen Sie dann an? Seine routinierten wirtschaftlichen Kompetenzen, seine herausragenden Leistungen in Sachen Leistungsverweigerung? Oder die Möglichkeiten, die ihm sein Wissen, seine Technologie, seine Arbeitskraft, seine Ressourcen bieten?

    Ironie des Schicksals: Der ganze Kapitalismus war im Grunde Sozialhilfeempfänger, der von Almosen der Natur und der Wissenschaft lebte. Die Natur knöpft die Spendierhose zu und der Wissenschaft hat er selbst den Hahn zugedreht, weil Forschung Versuch und Irrtum ist, und er nur auf sofortigen Erfolg schaut. Die Hohepriester des Marktes in den Schaukelstühlen merken noch nicht, dass ihr Gott not amused über ihre Hokuspokus-Praktiken ist, die im Grunde daraus bestehen, Wirtschaften durch emsig selbst gemalte Zettelchen zu ersetzen. Aber, wie das so ist – die Zeche der Herren zahlen die Sklaven, die der Sklaven, die Bettler, die der Bettler zahlen sie selber, sobald sie Räuber werden.

  15. @uwe: Deindustrialisierung

    Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft gewissermaßen virtualisert: Dienstleistungen haben an Bedeutung zugenommen, die Rolle der Industrie abgenommen; in Deutschland allerdings noch einmal weniger stark als in Großbritannien, wo wie Wirtschaft schwächelt und sich die Gesellschaft in der Krise befindet.

    Ich glaube aber nicht, dass das ewig so weitergehen wird. Man wird irgendwann dahinterkommen, dass eine Gesellschaft nicht nur aus Juristen, Betriebswirten und Managern bestehen kann. Ich bin nicht der Einzige, der davon ausgeht, dass sich z.B. das Handwerk wieder mehr lohnen wird. Es ist ja jetzt schon schwierig, für bestimmte wichtige Arbeiten gute Leute zu finden. Darum steigen die Preise – und wird die Arbeit im Handwerk lukrativer. Dass man auch nicht nur den ganzen Tag am Computer und im Gruppenchat auf dem Mobiltelefon festklebt, sondern wirklich etwas Sichtbares mit den Händen schafft, hat auch so seine Vorteile – und ist gesund für Körper und Geist.

    Ich kann mich über Ihre Familiensituation nicht äußern. Ich bin selbst in einer bildungsfernen Umgebung aufgewachsen, war der erste Überhaupt mit Abitur usw. Ich würde nie auf die Leute herabschauen, die “nur” (ungelernte) Fensterputzer oder Anlagenwärter waren – sah dort aber auch viel erlernte Hilflosigkeit: Will heißen, man machte sich permanent selbst weis, dass man doch nicht mehr könne. Ich gebe heute oft den Tipp, sich an eine Berufsberatung, ein Karriere-Coaching o.Ä. zu wenden.

    In meiner heutigen Funktion gibt es auch viele Probleme mit Stress, Arbeitsverdichtung, weniger Mitteln pro Student (Trend seit den 1990ern/frühen 2000ern), unsinnigen Regeln, persönlichen Konflikten usw. Ich verdiene bis auf Weiteres gut. Sonst würde ich das nicht machen. Dass ich in der heutigen Form aber für den Rest meines Lebens weitermache (das wären zurzeit noch 26 Jahre), glaube ich nicht.

    Warum man in Ihrer Familie (trotz der von Ihnen genannten schlechten Bedingungen) im Bergbau geblieben ist – und welche Alternativen es gegeben hätte –, kann ich nicht beurteilen.

  16. @Maier: Mitte & Mittel

    Ich glaube, dass man sich heute als Parlamentarier auch seinen Wahlkampf selbst finanzieren muss, 10.000 Euro aufwärts. Wenn die Hälfte der Bevölkerung nichts besitzt oder Schulden hat, sind die schon einmal ‘raus.

    Das mit den Rahmenbedingungen stimmt natürlich. Und die Juristen in den Parlamenten müssen nicht einmal Details über ihre Nebentätigkeit herausgeben, meines Wissens (Anwaltsgeheimnis). Wenn wir aber von mindestens 130.000 Euro p. J. (brutto) ausgehen (Rentenabzüge gibt es keine), kann man in mindestens vier Jahren doch genug Geld auf die Seite legen, um zur Not eine Orientierungsphase zu überbrücken.

    Aber ich schätze mal, dass man auch als ehemaliges MdB/MdL genug Kontakte haben wird, um nicht am Hungertuch nagen zu müssen.

    P.S. Danke für das interessante Beispiele mit den chinesischen Generalen. Da Schlachten mit Menschen, Taktik und Waffen entschieden werden, wäre die “Performance” der malenden Generäle interessant. Letztlich kann es sich eine Gesellschaft meiner Meinung nach nicht leisten, sich auf Dauer nur mit Ästhetik zu beschäftigen, weil sie dann von militaristischen Nachbarn erobert wird. Dafür muss man übrigens nicht ins Ausland schauen: Innerhalb Deutschlands haben die militaristischeren Preußen die Bayern machtpolitisch schließlich kaltgestellt. Aber gut: Ludwig II. haben wir immerhin Neuschwanstein usw. zu verdanken.

  17. Du hast in Allem recht, und besonders schön ist die (vermutlich unbeabsichtigte) “Warnurne” am Schluss. Bitte nicht korrigieren!
    Herzliche Grüße!

  18. Stephan Schleim
    Nicht so schnell, zuerst kommt die Diagnose, dann die Therapie.
    Bevor wir den Sozialstaat abschaffen (können), müssen wir schauen was die linken Parteien zu sagen haben.
    Dazu gibt es auch ein treffendes Beispiel:
    Was sagt der Kapitän von der CDU wenn das Schiff in schwere See gerät , “Maschinist, geh in den Maschinenraum und kontrolliere die Maschinen”.
    Was sagt der Kapitän von der SPD wenn das Schiff in schwere See gerät,
    “Leute geht in den Speisesaal und schaut nach den Passagieren”

    Genau in diesem Spannungsfeld befindet sich auch eine Regierung, sie muss schauen, dass die Wirtschaft funktionsfähig bleibt und gleichzeitig muss sie schauen, dass es die Bürger keinen Schaden nehmen.
    Bei den Linken setzen die Passagiere den Kapitän ab und übernehmen selbst die Brücke. Mit fatalen Folgen, wie die Geschichte lehrt.

    Ein Ausweg, in der Ökonomie hat der Sozialgedanke nichts verloren, hier geht es um effektive Ausnutzung der Ressourcen .
    Der Sozialgedanke kommt von den Religionen und aus der Politikwissenschaft, zusammengefasst ist er eine Folge von Kultur.

    Das Spannungsverhältnis von sozial und ökonomisch muss immer aufrechterhalten bleiben. Beim Bürgergeld wird das Gleichgewicht gestört, weil dann viele die “Drecksarbeit” nicht mehr machen werden.
    Die Vermüllung unserer Großstädte sind schon die ersten Zeichen.

  19. @fauv: Wirtschaft

    Mein Tipp: Informieren Sie sich einmal darüber, was in anderen Zeiten und anderen Kulturen “Wirtschaft” bedeuten konnte und kann.

    Es steht nicht in meiner Macht, das vorhandene System zu verändern. Es ist aber absehbar, dass der anhaltende Raubbau an Natur und Mensch die Bedingungen seiner eigenen Existenz selbst abschafft.

    Damit wäre das Problem dann auf für die meisten Menschen und Tiere katastrophale Weise gelöst. Dem Universum wäre’s wohl herzlich egal.

    Ich sehe das stoisch.

  20. Stephan Schleim
    Nur als Beispiel das englische Gesundheitssystem. Der Bürger hat es kostenfrei, geniesen kann er es nicht. Wir mussten 12 Stunden auf einen Arzt warten in London. Die Zustände im Krankenhaus entsprechen denen unserer Krankenhäuser um 1950-
    Was die Kultur betrifft, die Inuit hatten ein gleichberechtigtes System ohne Eigentum. Sobald der Tourismus begann und die Inuit freien Zugang zum Alkohol bekamen, war das System nicht mehr funktiioinsfähig.
    Was Hartz IV betrifft, das war eine Notlösung um nicht die hohen Renten der ehemals SED Bediensteten zahlen zu müssen.
    Und last but not least, eine Vermischung von Sozialsystem mit dem Steuersystem das führt zwangsläufig zur Inflation. Das haben wir gerade. Wenn der Staat anfängt, die Sozialleistungen über Steuern finanzieren zu wollen, dann sinkt der Außenwert der Währung. Und dann steigen die Preise für die rohstoffe, dann steigen die Erzeugerpreise und dann wird der Mehrwert des Bürgergeldes von der Inflation wieder aufgefressen.
    Beschäftigen sie sich mal mit Volkswirtschaftslehre. Unser Wirtschaftsminister und unser Finanzminister sind keine Fachleute auf diesem Gebiet.

  21. @Hauptartikel

    Die Motivation zu arbeiten ist ja wohl gegeben, wenn man Zuverdienst bzw.
    Aufstockungsregeln so gestaltet, dass jeder in etwa 50 % vom Brutto behalten kann. Mehr dürfen Gutverdiener, die Steuern zahlen, ja auch nicht behalten.

    Dann hat Jeder in etwa sogar die selbe Motivation, und wenn man Mitarbeiter für unangenehme Arbeit sucht, muss man entsprechend der Marktlage gut genug zahlen.

    Die Höhe der Sätze für Arbeitsunfähige orientieren sich am Bedarf für ein erträgliches Leben, ob man hier andere Sätze für vorübergehend Arbeitslose definiert erscheint mir schwierig. Zumal auch in der Steuertabelle in der Praxis sowas wie ein Grundeinkommen gewährt wird. Ob das gerecht ist, ist schwer zu sagen. Aber es wäre auf jeden Fall einfach, wenn Steuersätze und Aufstockungsregeln dazu führen, dass jeder in etwa 50% vom Arbeitslohn behalten darf, und dieses mit dem Bürgergeldsatz so verrechnet wird, dass auch jeder in etwa den selben Sozialausgleich bekommt.

    Das wäre in jedem Fall in der Nähe dessen, was derzeit sowieso unterm Strich mit Grundsicherung, Harz4, Kindergeld, Bafög, Rentenversicherung, Krankenversicherung und Steuern herauskommt.

    Was aber deutlich schief hängt, dass ist wenn auf Arbeitslohn mehr Abgaben anfallen als auf Kapitalertrag. Hier ist nicht nur eine eklatante Ungerechtigkeit Realität, hier ist auch Potential für jeden Menge Mehreinnahmen, mit dem dann die Abgaben auf Arbeitseinkommen gesenkt werden können. Was dann auch die Motivation, zu arbeiten, deutlich erhöhen kann.

    Ansonsten gibt es natürlich einen Arbeitsmarkt, der auf Dauer die Höhe der Löhne für die unterschiedlichen Tätigkeiten bestimmt. Mit genügend Sozialausgleich kann man hiermit aber dann eben in jedem Fall gut leben. Auch wenn man im Niedriglohnbereich arbeitet.

    Nebenbei gibt es noch den Effekt der Arbeitsmigration, der Druck auf die Löhne für Tätigkeiten macht, die man auch mit schlechten Deutschkenntnissen noch leisten kann. Das allgemeine Lohnniveau in Deutschland zieht entsprechend viele Migranten an. Wenn der Sozialausgleich aber stimmt, dann kann man da ganz gut mit leben, scheint mir. Zumindest solange nicht so viele Migranten kommen, dass der Wohnungsmarkt leergefegt ist und die Mieten durch die Decke gehen.

  22. Tobias Jeckenburger, Stephan Schleim
    ganz aktuell zum Nachdenken.
    Heute hat bei uns ein Café geschlossen, wegen Personalmangel.
    Die Angestellten haben gekündigt. Warum? Antwort der Frauen, das Arbeitsamt zahlt uns mehr !

  23. Als Anthropologe würde ich sagen,die Indigenen waren näher am Sein,als die sogenannten Zivilisationen.

  24. Mussi
    Wie sehen sich die Menschen selber.
    Sie sehen sich zerrissen wenn sie aufrichtig sind. Sie essen die Tiere, die sie vorher noch gestreichelt haben. Sie wissen, dass in ihrem Darm abermillionen von Einzeller leben und mit ihnen in Symbiose. Sie wissen dass sie sterblich sind, aber sie glauben es nicht.
    Sie ziehen sich Kleider an, weil sie ihren eigenen Anblick nicht ertragen können.

    Und gleichzeitig genießen sie ihren Anblick, wenn sie ein neues Kleid anhaben, gemacht aus Tierhaaren, und wenn eine Creme ihre Falten versteckt, ein Parfum ihren eigenen Geruch überdeckt
    und sie freuen sich, wenn sie andere Menschen beeindrucken können.

    Und sie erfreuen sich an Luftschwingungen, die sie in Ekstase versetzen können, sie können mit ihren Mitmenschen leiden und sich freuen und sie sind bereit für andere zu sterben.
    Und sie können Krankheiten bekämpfen und sie besiegen und dann fühlen sie sich als unbesiegbar.

  25. @Uwe
    Ich hab jahrzehntelang als Kulischlosser Unter Tage Seile gespleißt (Kannst Papa oder Opa fragen was das ist)
    Es gab durchaus mal Scheißschichten,aber wir hatten meist viel Spaß bei der Arbeit und waren mit der Bezahlung zufrieden. Bezahlte Arbeit kann das Leben bereichern.

  26. Im Prinzip fordert Stephan Schleim hier etwas, was ohnehin auf uns zukommt: dass Arbeit nämlich optional ist oder wird.

    Inzwischen entwickeln Leute wie Elon Musk sogar bewusst Projekte, deren Ziel die Abschaffung der Arbeit ist. Konkret will Elon Musk einen Roboter entwickeln, der nicht mehr nur in der Industrie eingesetzt werden kann, sondern auch im Haushalt, im Pflegeheim, im Spital – also überall. Das könnte tatsächlich in den nächsten 20 Jahren auf uns zukommen: Roboter mit ähnlichen Fähigkeiten wie früher Hausangestellte, Diener. Ich selber sehe dem eher skeptisch entgegen. Denn wenn die Leute nicht mehr arbeiten müssen, kommt wohl als nächstes, dass viele auch nicht mehr eine Schule besuchen. Wir könnten in einer bildungsfernen Gesellschaft landen in der Krawall und Zerstörung die neue Leistung darstellen und wo Krawall und Zerstörung das einzige sind was gewissen Leuten noch Befriedigung bringt.

    Andererseits wären mit unbegrenzt vielen Arbeitern/Dienern auch ein viel besseres Leben möglich. Alte Menschen müssten nicht mehr unbedingt ins Altersheim, sondern könnten zuhause betreut werden. Der Pflegenotstand wäre vorbei. Einsame Menschen hätten (robotische) Kollegen, die mit ihnen etwas unternehmen würden. Etc., etc.

    Nun, vielleicht ist das bei vielen radikalen Übergängen so: es ist sehr schwer vorauszusehen, wohin alles führt. Dass ein Leben in Musse nur positives bringt oder nur negatives, glaube ich nicht. Wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir wohl alle nicht, was solch eine Veränderung für den Einzelnen und für die Gesellschaft bedeutet und bringt.

  27. @Holzherr: Roboter

    Ich kann Ihnen nur Isaac Asimovs Roboterromane ans Herz legen. Dort wurden solche Utopien bereits durchgespielt.

    Ob man in der Praxis auf die Gutmütigkeit eines Mega-Milliardärs vertrauen darf, der sein Roboter freilich nur zum Wohle der Menschen einsetzt und nicht zur Ausbeutung, ist aber noch einmal eine andere Geschichte.

    Und zur Bildung: Hier sehe ich den Zusammenhang nicht. Der Adel früher musste auch nicht arbeiten (jedenfalls nicht in unserem Sinne), trotzdem leistete man sich Bildung; die war eben Statussymbol.

    P.S. Der britische Nobelpreisträger, Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell plädierte in Lob des Müßiggangs dafür, dass die steigende Produktivität dazu nutzen, die Menschen weniger arbeiten lassen, nämlich nur noch 16 Stunden pro Woche, und die übrige Zeit für Bildung, Kultur, Politik usw. zu verwenden.

  28. @Stephan Schleim: Bildung war beim früheren Adel mehr als nur Statussymbol, denn aus dem Adel gingen ganz früher auch die Entscheidungsträger und Führer hervor. Zudem reisten sie gerne und hatten Landgüter und so weiter.
    Ganz anders wäre das, wenn einfach die Arbeit wegfällt und nichts anderes an seine Stelle tritt.
    Wie gesagt: es ist extrem schwierig vorauszusehen, was unter heutigen Umständen passiert, wenn Leute einfach nicht mehr gebraucht werden und sie keine Funktion in der Gesellschaft mehr haben.

  29. Bertrand Russell ist/war kein Trendsetter für die Zukunftsgesellschaft.
    Dieser Adlige hatte keine existentiellen Sorgen, dieser Excentriker konnte sich mit Mathematik, Logik und Philosphie beschäftigen während die Welt brannte.

    Und diesen Menschen als Vorbild hinzustellen, das ist auch exzentrisch , viele Leute können sich nicht mit sich selbst beschäftigen, für die ist die Arbeit die Selbstfindung.

    Und dieser Bertrand Russell , der verstand nicht viel von Frauen, und damit scheidet er schon mal für fast 50 % der Menschheit aus.

    Martin Holzherr, ……wenn Menschen nicht mehr gebraucht werden…. das war der beste Einwand.

  30. Das schiene mir eine Form von Gleichstellung zu sein, die endlich zu einer besseren, weil gerechteren Politik führt.

    Und, was ist das für ein Menschenbild? Klingt nach wahlweise zynischer und/oder politisierter Wissenschaft. Wo es auch Wissenschaftler:innen in prekären Bedingungen dank tiefgreifender Ökonomisierung ihrer Bereiche nicht besser ergeht, wird mit Fingerzeig auf die Politik die Ausweitung vom berüchtigten “Fordern & Fördern” als Weg zu einer “besseren, weil gerechteren Politik” bezeichnet?

  31. Mein politisches Menschenideal ist das des aktiven und autonomen Menschen, der aber die Autonomie nur in der Zusammenarbeit, in der Kooperation mit anderen erreichen kann. Im Idealfall wäre Leben und Arbeiten ein Versuch zu kooperieren und zusammen weiterzukommen und wenn der Versuch scheitert, startet man einen neuen Versuch unter veränderten Bedingungen. Ganz ähnlich wie wenn man sich neu verheiratet oder neu bindet, wenn die alte Bindung scheitert. Tatsächlich wäre es von Vorteil, wenn jeder Teilnehmer am Lebens- und Arbeitsexperiment eine finanzielle Reserve hätte, mit der er Zeiten beispielsweise ohne Arbeit überbrücken könnte.

    Etwas ganz anderes aber ist es, wenn alle, die heute arbeiten zu Sozialhilfeempfängern werden, denn über Sozialhilfeempfänger entscheiden Politiker. Sozialhilfeempfänger sind vom Ideal des autonomen Menschen weit entfernt. Ich erinnere mich an eine TV-Diskussion mit Richard David Precht in dem es um die Tatsache ging, dass nicht wenige Sozialhilfeempfänger häufig zu viel Alkohol trinken oder dass sie etwa nicht selten Beamte, die für sie zuständig sind beschimpfen und beleidigen. Richard David Precht meinte dann, Sozialhilfeempfänger hätten halt einfach ein trauriges Leben und das erkläre dann alles.

    Frage: Angenommen die Normalbeschäftigung der Zukunft sei Sozialhilfeempfänger. Sind wir dann in einer demokratischeren Gesellschaft oder in einer weniger demokratischen, sind die Menschen dann autonomer oder weniger autonom?

  32. @Holzherr: Bildung & Adel

    Diese Bildung war größtenteils Statussymbol. Dabei ging es gar nicht um Führungskompetenz, wie wir heute sagen würden, sondern die Zugehörigkeit zu einem Stand. (Die Frauen lernten v.a. musizieren).

    Für die Verwaltungsarbeit hatte man zudem Personal.

    Wichtig waren vor allem soziale Beziehungen und dass man die Etikette beherrschte, wobei beides zusammengehört. Als spätere bürgerliche Variante davon entstand der “Knigge“. Sollte man im Leben ‘mal gelesen haben.

  33. @fauv: Russell

    Russell hatte keine Geldsorgen, das Stimmt. Das war übrigens nicht seine “Schuld”.

    Er stellte sich aber gegen die Gesellschaft, z.B. mit seinem Why I Am Not a Christian, und setzte sich später auch (mit Sartre) für die Aufklärung von u.a. US-amerikanischen Kriegsverbrechen ein. Meiner Erinnerung nach beteiligte er sich auch nicht am adligen Leben, wie das damals üblich war.

    Informieren Sie also sich erst mal richtig, bevor Sie so einen Unsinn verbreiten; und diskutieren Sie besser nur dann weiter, wenn Sie wenigstens halb so viel Rückgrat haben wie Bertrand Russell.

  34. Bildung als Ausbildung
    Nicht wenige bilden sich um weiterzukommen im Leben und um später den Beruf auszuüben den sie sich wünschen. Es geht also letztlich um Ausbildung und weniger um das alte humanistische Ideal welches die Bildung als Formung des (freien) Menschen sieht.

    Die Sicht der Bildung als (auch) Ausbildung und Vorbereitung auf dem späteren Beruf hat breite Unterstützung im gesamten politischen Spektrum. Ich erinnere mich an die Aussage alter, gestandener Sozialdemokraten, die auch bei ihren Mitgliedern für Bildung als Möglichkeit des Aufstiegs und auch der beruflichen Weiterentwicklung warben.

    Mir scheint, Bildung muss keinen Zweck haben. Für die meisten hat sie aber einen Zweck. Sie dient ihnen dazu, eine bestimmte Stellung in der Gesellschaft zu erreichen.

  35. Stephan Schleim,
    Ich habe mich intensiv mit dem Lebenslauf von B. Russell auseinandergesetzt,
    er war eine Ausnahmepersönlichkeit, das ist unbestritten und für angehende Wissenschaftler ist er er “das Vorbild”.
    Er verkörpert eine Gesellschaft, die der Vergangenheit angehört.
    Für einen Bergmann, der Kohle abgebaut hat, war er kein Vorbild.
    Vielleicht hat Margaret Thatcher für ihn geschwärmt.

    Und damit kommen wir zu Gesellschaftskritik. Sie vergessen die vielen Leute auf dem Balkan, die ihr Haus selber reparieren müssen, weil sie kein Geld haben. Arbeit als entbehrlich zu sehen, Herr Schleim, wohnen Sie im Schlaraffenland. Eine überalterte Gesellschaft, wie Europa sie hat, die hat alles außer bezahlbare Arbeitskräfte.

  36. @fauv: Das ist so. Wir hier sprechen über unzumutbare Arbeit. Die meisten Menschen auf der Erde aber wollen/müssen nur über den nächsten Tag kommen. Wir hier führen also eine Luxusdiskussion.

  37. Martin Holzherr,
    “Luxusdiskussion”, passt noch besser als Schlaraffenland.

    Um aber wieder zum Thema zurückzukommen. es geht ja um das Bürgergeld.
    Wenn man das Bürgergeld hochsetzt, arbeitet niemand mehr für weniger Geld.
    Das heißt, einfache Arbeiten werden unbezahlbar.
    Ganz konkret. ein Nachbarin will ihre Küchendecke streichen lassen, 9 m², als ich den Preis hörte, der Maler verlangt dafür 300 €.
    Und so eine Decke ist an einem Vormittag gestrichen , mit allen Nebenarbeiten. Der Maler lässt sich die Frühstückspause natürlich auch mit bezahlen.

  38. @Fauv 03.11. 17:34

    “Heute hat bei uns ein Café geschlossen, wegen Personalmangel.
    Die Angestellten haben gekündigt. Warum? Antwort der Frauen, das Arbeitsamt zahlt uns mehr !”

    Nun gut, wenn sie mit dem Geld vom Amt auskommen, dann leben sie wenigstens auch sparsam im ökologischem Sinne. Wie gesagt, bei vernünftigen Zuverdienstregelungen werden sie in jedem Fall genauso viel dazuverdienen wie jeder andere auch, dann kann das gar nicht passieren, dass sich Arbeit nicht lohnt.

    Dazu kommt noch, das Arbeit auch Beschäftigung im Sinne von Bewegung ist, ein Miteinander oft dazu gehört, und einen gewissen Lebenssinn kann das auch spenden. Vielen reicht das schon alleine als Motivation, arbeiten zu gehen. Es gibt aber in der Tat auch Menschen, die spezielle Probleme haben, etwa Drogensucht, psychische Krankheiten oder geistige und körperliche Behinderungen, denen kann man oft mit Arbeit unter den üblichen Leistungsanforderungen nicht helfen.

    Insbesondere macht auch die Dosis das Gift. 30 Wochenstunden mit etwas entspannterer Arbeitsatmosphäre werden die meisten nicht als Belastung empfinden.

    Speziell in der Gastronomie sind wohl die ziemlich niedrigen Löhne bei gleichzeitig anstrengender Tätigkeit ein hausgemachtes Problem. Viele Angestellten mussten sich wegen Corona woanders eine Arbeit suchen, und bleiben jetzt dabei, weil es ihnen damit sowieso besser geht. Dann müssen die Gastronomen eben ihre Preise erhöhen, damit sie ihren Angestellten so viel zahlen können, dass die wiederkommen.

  39. Tobias Jeckenburger,
    …..dann müssen die Gastronomen ihre Preis erhöhen……
    genau das geht nicht.
    Wir waren gestern wieder im Café, voll, etwas 20 Damen , Durchschnittsalter 70.
    Die haben nicht genügend Rente um für eine Tasse Kaffee mehr als 3 € zu bezahlen, mit Sahnetorte kommen sie dann auf 5,90 €. Das ist die Schallmauer. Darüber wechseln die Frauen zu einem anderen Bäcker mit Kaffeeecke.
    Man muss auch wissen, die Bediensteten, die waren auch schon um die 50.

    Und wenn man dann vergleicht, in Italien kostet ein Kaffee die Hälfte, sogar am Flughafen.

  40. @Holzherr 03.11. 22:47

    “Wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir wohl alle nicht, was solch eine Veränderung für den Einzelnen und für die Gesellschaft bedeutet und bringt.”

    In der Tat sind hier Prognosen schwierig. Aber es dauert vielleicht auch deutlich länger als 20 Jahre, bis uns wirklich die Arbeit ausgeht. Es stehen ja noch ein paar Effekte dagegen. Erstmal erfordert die Energiewende Extraarbeit, dann arbeiten sehr viele mehr als ihnen recht ist, und wünschen sich weniger Arbeitszeit und auch weniger Arbeitstempo. Dann bietet die Digitalisierung einiges an zusätzlicher Beschäftigung jenseits von Erwerbsarbeit, das enthält auch ein gewisses Potential, Arbeitszeit zu kürzen, ohne dass es zu Langeweile führt. Und letztlich können wir gucken, dass wir wieder bestandserhaltend Kinder bekommen. Die machen eine Menge Arbeit, und kommen erst in 20 oder 25 Jahren auf dem Arbeitsmarkt an.

    Hier ist also einiges an Potential, dass ein deutlicher Schub in der Automatisierung in den nächsten 20 Jahren mit nachfolgend weniger nachgefragter Arbeitsleistung ganz gut hinkommen kann.

    Ich mach mir da eigentlich weniger Sorgen. Es würde m.E. sogar noch gut passen, wenn viele weniger Verschwendung praktizieren würden, im Sinne von Klimaschutz und Ressourcenschonung. Auch das reduziert den Arbeitskräftebedarf.

  41. @fauv 04.11. 13:25

    “…..dann müssen die Gastronomen ihre Preis erhöhen……
    genau das geht nicht.”

    Natürlich geht das. Das ist simple Marktwirtschaft. Erstmal müssen die Preise eben steigen, wenn das Personal teurer ist, dann gehen weniger ins Cafe, dann müssen einige Cafes schließen. Und dann passt das wieder.

    Das Ergebnis ist, dass weniger auswärts Kaffee getrunken wird und insgesamt weniger Personal gebraucht wird. Auf der Habenseite verdient das verbliebene Personal besser. Wo ist das Problem?

    “Und wenn man dann vergleicht, in Italien kostet ein Kaffee die Hälfte, sogar am Flughafen.”

    In Italien sind eben die Bediensteten billiger, aber genauso haben auch die Kunden weniger Geld.

  42. @Tobias Jeckenburger(Zitat)“dass ein deutlicher Schub in der Automatisierung in den nächsten 20 Jahren mit nachfolgend weniger nachgefragter Arbeitsleistung ganz gut hinkommen kann.“
    Absolut. Denken sie nur an die Pflege oder an Haushaltshilfen oder die Kinderbetreuung. Alles Bereiche mit viel mehr Bedarf an Arbeitsleistung als an Leuten, die bereit sind für die dort üblichen niedrigen Löhne zu arbeiten. Tatsächlich sind aber genau diese Bereiche schwierig zu automatisieren.

    Ein potentielles Problem zunehmender Gratis-Arbeitsleistung über intelligente Automaten/Roboter ist wie sie schreiben, die damit einhergehende Verschwendung mit steigendem Ressourcen- und Energieverbrauch.

    Fazit: Ein Leben in Luxus für alle ist nicht unbedingt ein Leben ohne Sorgen und Probleme.

  43. Ich würde gerne noch auf einen weiteren Aspekt der Behandlung von Arbeitslosen hinweisen (ich habe in dem Bereich ca. 20 Jahre gearbeitet), das ist die Erzeugung von Angst bei Menschen, die noch einen Job haben.

    Jemand, der/die ihren Arbeitsvertrag gekündigt hat, beispielsweise weil der Chef übergriffig war oder weil ständig nicht-dokumentierte Überstunden verlangt wurden, wird in der Regel mit einer Sperre des Arbeitslosengeldes bestraft, weil die Arbeitsamts-/Jobcenter-Mitarbeiter zunächst immer von einer Selbstverschuldung ausgehen. Der gerichtsfeste Nachweis dafür, dass der Arbeiter oder die Arbeiterin aus einem berechtigten Grund gekündigt hatte, ist in der Regel nur selten möglich.

    Das heißt, dass jemandem, der aus einem völlig nachvollziehbaren Grund gekündigt hat, für 1 – 3 Monate sogar diese minimalen Leistungen für den Lebensunterhalt gestrichen werden. Das ist eine Situation, die für Menschen, die ohnehin in einer prekären Situation sind und womöglich noch Angehörige mit versorgen müssen, eine unerträgliche Situation, auch weil sie die Miete, die Energiekosten, das Essen, Versicherungsbeiträge usw. plötzlich aus ihren “Rücklagen” finanzieren müssten.

    Manchmal greifen dann Härtefallregeln, die aber immer im Ermessen der Mitarbeitenden einer Behörde liegen und auf die man sich definitiv nicht verlassen kann. Das ist eine Situation, mit der sich unsere MdBs niemals konfrontiert sehen werden und deren Vorstellung so unerträglich ist, dass sie sich nicht mal theoretisch damit auseinandersetzen möchten.

    Die von der SPD/Bündnis90-Regierung beschlossene Verschärfung des Sozialrechts diente daher nmM. hauptsächlich der Disziplinierung der Menschen, die noch einen Arbeitsplatz hatten und die alles tun, bzw. akzeptieren würden, um nicht in “Hartz-4” zurutschen.

    Die erhebliche Erhöhung des “Schonvermögens” kommt eher einer Klientel aus der Mittelschicht zugute; welche/r ArbeiterIn verfügt wohl über ein Sparkonto mit ein paar zehntausend Euros an frei verfügbarem Kapital.

    Die Armen in diesem Land, die gerne “von Armut bedroht” genannt werden, gehen sowieso nur noch in geringerem Maße zu Wahlen, daher fallen sie weitgehend aus dem Fokus der Parteien und ihrer Funktionäre heraus.

  44. @fauv 04.11. 11:47

    “Eine überalterte Gesellschaft, wie Europa sie hat, die hat alles außer bezahlbare Arbeitskräfte.”

    Ich denk mal, dass das nur für Deutschland und einige andere Länder bzw. Regionen gilt, die auch eine hohe Produktivität und Außenhandelsüberschüsse haben. Entsprechend sind hier auch schon sehr viele aus den europäischen Randgebieten Richtung Mitte umgezogen. Und das verschärft hier nochmal zusätzlich das Arbeitskräfteproblem, wenn hier der Wohnraumbedarf so nachhaltig steigt, dass ein Bauboom ausgelöst wird.

    Sehr hilfreich könnte es daher sein, wenn hier weniger für den Export gearbeitet wird, und entsprechend mehr in den Randgebieten. Dann könnten viele Arbeitsmigranten auch in den Herkunftsländern Arbeit finden, und hier wäre wieder Luft auf dem Wohnungsmarkt.

    Die derzeitige Lage auf dem Wohnungsmarkt ist jedenfalls für viele keine Luxusdiskussion.

  45. @Holhzerr: Aufstieg durch Bildung…

    …war das Credo der Sozialdemokratie. In der Praxis scheitert das schon daran, Zugang zu den guten Bildungseinrichtungen zu bekommen. Andererseits ist es heute aber leicht, sich nicht nur über Bibliotheken, sondern die weltweite Bibliothek des Internet selbst zu informieren.

    Mir scheint, Bildung muss keinen Zweck haben. Für die meisten hat sie aber einen Zweck. Sie dient ihnen dazu, eine bestimmte Stellung in der Gesellschaft zu erreichen.

    Zur Bildung im humanistischen Sinn gehört für mich dazu, über das warum und wie der Bildung selbst zu reflektieren. Ich mache das in meinen Kursen. Und kriege dann oft Rückmeldungen wie “Das ist der einzige Kurs, in dem man kritisch denken konnte.”

    Stellung in der Gesellschaft – na ja. Ob man das will? Oder vielleicht will man sich durch Bildung etwas Eigenes schaffen?

  46. @fauv: Russell & Balkan

    Es führt jetzt hier zu weit vom Thema ab, sich mit der politischen Philosophie Russells zu beschäftigen. Jedenfalls war er für die 16-Stunden-Arbeitswoche; insbesondere sollten Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr als das arbeiten, um gut für die Kinder da zu sein.

    Sie vergessen die vielen Leute auf dem Balkan, die ihr Haus selber reparieren müssen, weil sie kein Geld haben. Arbeit als entbehrlich zu sehen, Herr Schleim, wohnen Sie im Schlaraffenland. Eine überalterte Gesellschaft, wie Europa sie hat, die hat alles außer bezahlbare Arbeitskräfte.

    Ich sehe den Bezug zwischen dem Thema und dem Balkan nicht. Vielleicht ist es auch besser so, wenn Sie es mir nicht erklären.

    Die Überalterung ist ein Fakt – und heute schon ein Konflikt. Wer zahlt die Zeche? Wie lange kann man Schulden und Umweltverschmutzung immer weiter an die kommenden Generationen “vererben”, bis die das Erbe ausschlagen?

    Mein Vorschlag ist, mit überflüssiger und sogar schädlicher Arbeit (Bullshit Jobs) aufzuhören. Dann bleibt mehr Zeit fürs Wesentliche. Das ist aber in gewisser Weise eine utopische Wirtschaft.

  47. @Tobias: “Arbeitsamt zahlt uns mehr!”

    Das kann man aber nicht nur als Argument gegen das Bürgergeld, sondern auch als ein Argument für eine bessere Bezahlung im Gaststättengewerbe verstehen.

    Wenn sich ein Café nicht unter fairen Bedingungen betreiben lässt, dann ist es vielleicht nicht am richtigen Ort; im Kontext dessen sollte man aber auch die Steuervermeidung großer Ketten wie z.B. Starbucks sehen, die ganz andere Marktbedingungen haben, als das individuelle Café um die Ecke…

    …es ist aber in gewisser Weise auch eine Abstimmung der Menschen “mit den Füßen”, ihr Geld für die Einheitsprodukte der Steuervermeider auszugeben.

  48. @Kühn: Psychologie von Hartz IV

    Sie sagen es: Es geht auch um Psychologie (Einschüchterung), um Menschen zum Arbeiten zu zwingen.

    Das ist wirklich sehr kurz gedacht, denn die Aufstockerin, die gerade so mit viel Mühe über die Runde kommt, wird z.B. kaum das umetikettierte Gammelfleisch im Supermarkt anzeigen, wenn sie damit die Kündigung bzw. fehlende Vertragsverlängerung riskiert; das mal als Beispiel “pars pro toto”, dass die gesamte Gesellschaft auch etwas an guten Arbeitsbedingungen hat.

  49. Tobias Jeckenburger,
    Die Gesetzmäßigkeiten des Gastättengewerbes kann man langfristig nicht außer Kraft setzen. Das stimmt schon.
    Die Gesetzmäßigkeiten des Einzelhandels haben dazu geführt, dass selbst Ortschaften mit mehr als 2000 Einwohner keinen einzigen Laden mehr haben.

    Wollen wir das ? Und was für ein Menschenbild findet das in Ordnung ?

  50. @fauv (Zitat): „Die Gesetzmäßigkeiten des Einzelhandels haben dazu geführt, dass selbst Ortschaften mit mehr als 2000 Einwohner keinen einzigen Laden mehr haben.„
    Ja, und als nächstes ziehen die Bewohner weg und landen in der Agglomeration oder Stadt. In Japan ist dieser Prozess am weitesten fortgeschritten. Der Urbanisierungsgrad erreichte 2021 91.7 Prozent. Das kommt auch auf Deutschland zu. Ob das schlecht ist, ob man dem etwas entgegensetzen sollte, ist schwierig zu sagen. Erstaunlich finde ich einen solch hohen Urbanisierungsgrad unter anderem, weil es ja immer noch Landwirtschaft gibt in Japan und Landwirte wohnen ja auf dem Land. Bald sind sie wohl die einzigen verbleibenden Bewohner der Landstriche abseits der Stadt.

  51. @Holzherr 04.11. 21:58 / 13:58

    “Der Urbanisierungsgrad erreichte 2021 91.7 Prozent. Das kommt auch auf Deutschland zu. Ob das schlecht ist, ob man dem etwas entgegensetzen sollte, ist schwierig zu sagen.”

    Hat seine Vorzüge. Kürzere Wege, oft kommt man in der Stadt eher ohne Auto aus. Wichtig ist auch, dass die Urbanisierung so langsam von statten geht, dass die Schaffung von Wohnraum hinterher kommt. Ansonsten bleiben neben den Landwirten noch der Tourismus als Einnahmequelle für verbliebene Landbewohner. Und theoretisch auch Leute, die komplett Homeoffice machen können. Aber auch die müssen einkaufen, und haben vielleicht Kinder, die zur Schule müssen. Hier können dann die Fahrtkosten und der Zeitaufwand dafür auch schnell die niedrigeren Mieten wieder auffressen.

    Einerseits lebt es sich in ländlicher Natur auch ganz schön, andererseits gewinnen die Landschaften auch an touristischem Potential, je mehr die Menschen in die Stadt ziehen. Und insbesondere Urlaub auf dem Land spart dann auch die Flugreise ein. Noch ein Pluspunkt für die weitere Urbanisierung.

    “Ein potentielles Problem zunehmender Gratis-Arbeitsleistung über intelligente Automaten/Roboter ist wie sie schreiben, die damit einhergehende Verschwendung mit steigendem Ressourcen- und Energieverbrauch.”

    Ich dachte jetzt bei Verschwendung eher an fette SUVs, mehrere Flugreisen im Jahr und ziemlich große Wohnungen. Aber klar, man wird sehen, wieviel Strom ein Roboter verbraucht, wie auch z.B selbstfahrende Autos. Das kann viel sein, insbesondere wenn man dann sehr viele Roboter einsetzt, wenn die entsprechend billig werden.

    @Stephan 04.11. 18:10

    “Stellung in der Gesellschaft – na ja. Ob man das will? Oder vielleicht will man sich durch Bildung etwas Eigenes schaffen?”

    Eine entspannte Wirtschaft mit recht wenig verbleibender Arbeit, die die Roboter nicht hinbekommen, wird noch lange dauern, schätze ich. Aber wenn sich das wirklich abzeichnet, dann werden die jungen Menschen sich darauf vorbereiten, und eben auch Bildung in diesem Sinne nachfragen. Gerade als Antwort auf die Herausforderung, sich nicht mehr über die Arbeitsleistung definieren zu können.

    Wenn wir als Gesellschaft weiter zusammenhalten, dann werden sich viele wohl irgendwie weiterbilden, sich die Welt angucken, sich umeinander kümmern. Einfach weil das dann die einzigen sinnvollen Möglichkeiten sind.

  52. @Tobias Jeckenburger: Dichtgebaute Städte könnten den Bahnverkehr begünstigen, da dieser vor allem dort rentiert, wo es vorwiegend vielbefahrene Strecken gibt. Und das sind die Intercity-Strecken. Die Bahn ist überall dort im Vorteil, wo sie schneller als jedes andere Verkehrsmittel ist. Und das ist wiederum im Verkehr zwischen Stadtzentren, weil Staus Autos weniger attraktiv machen.

    Was das teure Bauen in Städten angeht, denke ich, dass viele Städte das selbst verursachen, denn sie erschweren das Bauen oft bewusst um einen Zuzug gerade zu erschweren. Gerade auch Mieterverbände werben für Massnahmen, die das Bauen unattraktiv machen. Wenn schon sollten Städte bestimmte Zonen als Bauzonen ausweisen und dort die Landpreise niedrig halten.

  53. Martin Holzherr,
    Wollen wir die Urrbanisierung fortschreiten lassen ?
    Ich denke, wir können gegensteuern. Der Mensch hat einen Anspruch auf Heimat.
    Und wenn es um Menschenbild geht, dann sollten wir nicht nur die Gesetze der Wirtschaft befolgen, sondern auch mal an die Menschen denken , eine funktionierende Wirtschaft soll dem Menschen dienen und nicht nur wenigen Nutzniesern.
    Um einen Kompromiss mit Herrn Schleim zu schließen, wir nennen es nicht Bürgergeld, wir nennen es Gemeindehilfe und die Gelder fließen in Gemeindewohnungen auf dem Lande , die sich Familien leisten können. Viele Jobs ließen sich online erledigen.
    Wir müssen nur unsere Phantasie spielen lassen.
    Was Isaak Asimov kann das können wir auch.

  54. @Tobias Jeckenburger(Zitat): „Aber klar, man wird sehen, wieviel Strom ein Roboter verbraucht, wie auch z.B selbstfahrende Autos.“
    Leute, die Dienstboten, Butler oder das was sie funktionell ersetzt, nämlich Roboter, besitzen, können und wollen mehr unternehmen und brauchen mehr Platz selbst wenn sie die Dienstboten im Keller unterbringen (wie im südkoreanischen Film „Parasites“) oder die Roboter über die Nacht im Besenschrank einsperren. Denn tagsüber sind diese Helfer des Alltags in der Küche, im Garten oder Kinderzimmer engagiert und brauchen dementsprechend Platz. Ein Lebensstil mit Bediensteten ist tendenziell ein luxuriöserer Lebensstil mit mehr Reisen, grösseren Häusern, mehr Swimmingpools, etc.

    Die einzige Konstante in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft ist tatsächlich das Streben nach mehr Wohlstand. Letztlich sind sich sogar alle politischen Parteien und Bewegungen darin einig, dass es darum geht reicher zu werden und die Linken wohl lediglich mehr Gerechtigkeit beim Erreichen dieses Ziels.

    Es ist in erster Linie die Kombination von mehr Technologie und weniger Nachkommen zusammen mit mehr Energie, die das ermöglicht. Das belastet aber auch zunehmend die Umwelt – ausser die Menschheitspopulation schrumpft im gleichen Mass wie der Wohlstand zunimmt – etwas was tendenziell tatsächlich passiert.

    Es gibt ja den Spruch: wir haben keinen Planeten B. Doch angesichts der steigend wachsenden Bedürfnisse des Menschen braucht es vielleicht bald einmal Ausweichplätze ausserhalb der Erde. Das Streben nach immer mehr Wohlstand erschien mir selbst lange Zeit fragwürdig. Wenn aber die Alternative das sich bekriegen und sich untertan machen von fremden Völkern oder Nachbarländern ist (wie im Falle des Ukrainekriegs), dann ist es immer noch besser nach selbst geschaffenem Wohlstand zu streben als nach Herrschaft über Andere.

  55. @Stephan Schleim

    Der Schlusssatz steht für eine Gesellschaft mit gleicheren Bedingungen für alle.

    Der Ansatz hin zu solcher Gesellschaft erscheint mir von einem ähnlichen Menschenbild auszugehen, welches Sie (nach Ihrer Überschrift zu urteilen) hinter der “Kritik” von CDU/CSU vermuten.

    Dieser – augenscheinlich erfolgreiche – Populismus bestätigt ein in der Gesellschaft offensichtlich vorherrschendes Menschenbild und lässt die eigentlich politisch Verantwortlichen fast als soziale Kraft erscheinen.

  56. @Holzherr 05.11. 09:12

    “…, dann ist es immer noch besser nach selbst geschaffenem Wohlstand zu streben als nach Herrschaft über Andere.”

    In der Tat. Das ist wohl auch der dickste Pluspunkt, den wir in Europa haben. Wenn das aus Freiheit und Demokratie letztlich folgt, dann sind wir auf einem guten Weg.

    Und doch wird es jetzt schon vielen genug mit dem Wohlstand. Und in Zukunft noch mehr. Letztlich braucht man vieles zum Leben wirklich nicht.

    Die derzeitigen so fleißigen Menschen sind ja auch damit aufgewachsen, dass es gilt möglichst viel Kompetenzen zu sammeln und diese dann möglichst produktiv und lukrativ im Beruf umzusetzen. Wenn dann der Ertrag den Bedarf übersteigt, dann gibt so mancher das Geld einfach schon deswegen aus, damit er einen Grund hat, weiter wie gewohnt so effektiv wie möglich zu arbeiten.

    Ich denke, es gibt aber jetzt schon viele Menschen, die ihr Geld längst nicht mehr ausgeben, und einfach ansparen, ohne zu wissen wofür überhaupt.

    Das kann mehr werden, insbesondere wenn man schon zu Jugendzeiten erkennt, dass die Welt keine Maximalleistung mehr braucht. Man kann sich ja auch irgendwie weiterbilden, sich die Welt angucken und sich umeinander kümmern.

    “Doch angesichts der steigend wachsenden Bedürfnisse des Menschen braucht es vielleicht bald einmal Ausweichplätze ausserhalb der Erde.”

    Ein Umzug in eine Raumstation, die um die Sonne kreist, wäre schon so teuer, dass das unbezahlbar ist. Ein Umzug zu einem Exoplaneten dann total unvorstellbar teuer. Ich denke aber, man kann sich auch auf der Erde mit geeigneter Technik von der Ressource Ackerland unabhängig machen, und braucht nur noch ein Grundstück dafür, das sogar mitten in der Wüste liegen kann, wo es der Natur keinerlei Konkurrenz macht.

    Man experimentiert ja jetzt schon an Bakterienkulturen, die mit grünem Wasserstoff gefüttert werden können. Zusammen mit Entsalzungsanlagen und Baustoffen wie z.B. Lehm kann man sich praktisch unabhängig von fruchtbarem Land machen. So könnte dann auch die Sahara mit 100 Milliarden Menschen bevölkert werden. Vorausgesetzt, wir haben überhaupt Lust, uns derart zu vermehren.

    Und ein komfortables Leben in der Wüste ist immer noch wesentlich angenehmer als auf einer geschlossenen Raumstation, ohne freien Luftraum und Schwerkraft und mit Strahlenbelastung. Und eben mindestens 1000 mal weniger aufwendig.

    “…ausser die Menschheitspopulation schrumpft im gleichen Mass wie der Wohlstand zunimmt – etwas was tendenziell tatsächlich passiert.”

    Warum nicht, wenn es dann noch ein paar Jahrzehnte so läuft. Was in 50 oder 100 Jahren wird, kann sich dann ja noch entwickeln.

  57. @fauv
    “Tobias Jeckenburger, Stephan Schleim
    ganz aktuell zum Nachdenken.
    Heute hat bei uns ein Café geschlossen, wegen Personalmangel.
    Die Angestellten haben gekündigt. Warum? Antwort der Frauen, das Arbeitsamt zahlt uns mehr !”

    Ganz klar, der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin des Cafes war nicht in der Lage sich eine passende bezahlbare Lokalisation auszusuchen und vernünftig mit dem Erwirtschafteten zu haushalten. Wenn sogar das Arbeitsamt mit seinen Almosen mehr bieten kann… Man sollte den Exarbeitgeber deutlich mit Hartz4 nicht unter 5 Jahren bestrafen, findest Du nicht?

  58. Uli
    diese Frauen hatten vorher nicht Ökonomie studiert. Und der Bäckerladen, den gab es schon seit Jahrzehnten.
    Wer war schuld ?
    Es sind die vielen Auflagen, die die Bäcker in die Knie zwingen. Dann wird am Personal gespart. Und wie reagiert der Staat . Er hilftden Bäckern nicht, er hilft den Angestellten.

  59. @fauv

    Ich habe nicht den neoliberalen Unsinn verbreitet das die bloß zu viel Geld bekommen und man die durch entsprechende finanzielle Bestrafung endlich zum Arbeiten bringen könne, das warst explizit Du der das angedeutet hat…

  60. P.S.: und das mit den vielen Auflagen ist sowas von romantischer Frühkapitalismus. Halten wir uns doch alle an Robert Owen und alles wird gut, nicht?

  61. Die Wirtschaft/Gesellschaft als Maschine
    Eine Maschine kann man ölen und sonst wie gut unterhalten. Dann läuft sie besser, produziert aber immer noch dasselbe. Wenn Stephan Schleim oben schreibt (Zitat): „Warum gestaltet man Arbeit nicht umgekehrt so, dass sie Spaß macht? „ oder „Eine Möglichkeit wäre, “Bullshit Jobs” prinzipiell als unzumutbar anzusehen. Dann würden Menschen überhaupt keine Leistungskürzungen drohen, wenn sie (aus guten Gründen) eine solche Tätigkeit ablehnen.“
    dann denkt er an Eingriffe in die Wirtschaft, die über das ökonomische Prinzip hinausgehen und erwartet meiner Ansicht etwas von der Wirtschaft, was sie nicht liefern kann. Klar, ob ein Job ein „Bullshit Job“ oder gesellschaftlich unerwünscht ist (Waffenherstellung, Pestizidproduktion?) könnte ein Gericht beurteilen. Und der Entscheid eines solchen Gerichts würde dann bestimmten Aufgabenbereichen, vielleicht sogar ganzen Firmen, den Garaus machen. Allerdings würde die Wirtschaft dadurch nicht besser laufen sondern sie würde nach wirtschaftsfremden Kriterien „gestutzt“ werden wie ein Wald bei dem der Förster unerwünschtes Unterholz entfernt. Ich könnte mir das durchaus vorstellen, glaube aber nicht, dass das ohne weiteres funktioniert und das erwünschte Ergebnis erbringt.

  62. Uli
    von Bestrafung ist keine Rede. Es geht darum, dass mit dem Eingriff des Staates in die Wirtschaft, die gut gemeinten Absichten, hier eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen nicht erreicht wird, sondern oft das Gegenteil.
    Bei Metzgern ist es ganz schlimm, die Hygieneauflagen sind so hart, dass ein Familienbetrieb, die nicht erfüllen kann. Ein Metzger aus unserer Nachbarschaft hat sogar Selbstmord begangen.
    Wir können uns die Verteilung von Unterstützungen nur leisten, weil wir hohe Exportüberschüsse haben.
    Wenn die Staatsquote zu hoch wird, wird das Verteilen von Unterstützungen nach dem Gießkannenprinzip unmöglich werden. Wieso bekommen Leute mit hohem Einkommen Kindergeld ??

  63. Uli Schoppe
    Zustimmung. Genossenschaften sind ein guter Kompromiss zwischen den Vorteilen von gezielten Wirtschaftsinteressen und der Verwirklichung von Individualinteressen, z.B. einer Familie.
    Wir sind Mitglied in einer Genossenschaft, und die wirft einen Überschuss von 6 % jedes Jahr aus.
    Philosophisch gedacht, es wäre doch gut, wenn sich der Staat selbst als Genossenschaft sähe. In der Schweiz ist man mit den Volksinitiativen und Volksabstimmungen diesem Gedanken schon nahe.

  64. @Holzherr 06.11. 00:45

    “Klar, ob ein Job ein „Bullshit Job“ oder gesellschaftlich unerwünscht ist (Waffenherstellung, Pestizidproduktion?) könnte ein Gericht beurteilen.”

    Eine Bekannte hatte mal in einem Callcenter angefangen, wo man eine Partnervermittlung nur vorgetäuscht hat. Die Kunden mussten über eine teure 0190er-Nummer die nötigen Angaben machen, die dann nicht mal aufgeschrieben wurden. Meine Bekannte hatte nur die Aufgabe, die Kunden möglichst lange in der Leitung zu halten. Nach 14 Tagen hat sie dann gekündigt, und dem Arbeitsamt gesagt, das ist kriminell was ich da machen muss, das mach ich nicht. Und das Arbeitsamt hat das auch akzeptiert.

    @fauv 06.11. 09:02

    “Bei Metzgern ist es ganz schlimm, die Hygieneauflagen sind so hart, dass ein Familienbetrieb, die nicht erfüllen kann.”

    Wenn Auflagen und Vorschriften den Aufwand erheblich erhöhen, ist das auf den ersten Blick sogar wirtschaftsfördernd. Es wird schlichtweg so zwangsweise mehr Umsatz gemacht. So richtig teuer wird das in der Bauwirtschaft, vor allem wenn dann noch eine künstliche Verknappung von Bauland dazukommt.

    Aber natürlich hat der Kunde hier gar nichts von, im Gegenteil, ihm geht das Geld aus, dass er sonst genauso gut für Anderes ausgeben kann. Das ist eine Grausamkeit den Menschen gegenüber. Hier wird auch massenhaft Arbeitszeit schlichtweg verschwendet. Dann lieber die Vorschriften ausmisten und in Klimaschutz und von mir aus auch in Landesverteidigung investieren.

    Dazu kommen noch die ganzen überflüssigen Mitarbeiter in den Stadtverwaltungen, die im Schnitt die Hälfte der Zeit gar nichts zu tun haben. Was soll dieser Blödsinn?

    Das ist doch ein völlig kurzsichtiger Versuch, Arbeitsplätze zu schaffen, der auch noch fast wirkungslos ist. Die öffentlichen Gelder, die hier verbraten werden, schaffen mindestens doppelt so viele Arbeitsplätze, wenn sie direkt für Wirtschaftsförderung bzw. für Steuersenkungen auf Arbeitseinkommen ausgegeben werden.

    Inzwischen sind wir doch schon so weit, dass uns gerade Arbeitskräfte fehlen. Nicht nur in der Pflege, auch Handwerker fehlen, die die Energiewende umsetzten müssen.

  65. Tobias Jeckenburger,
    die Verwaltung hat eine Eigendynamik, nicht nur in der EU.
    Wie wir da wieder herauskommen, wahrscheinlich gar nicht, in Italien hat sie ihren Höhepunkt. Aber die Italiener haben auch das gemeistert, die halten sich nicht mehr an Vorgaben und überprüfen sie auch nicht. Siehe Brückeneinsturz in Genua.
    Und wenn die Mafia noch daran beteiligt ist wie in Sizilien, dort sind manche Autobahnen nur noch einspurig.
    Ja, und das Menschenbild dahinter ?
    Herr Schleim , waren Sie schon einmal in Süditalien ?
    diese Antwort würde mich jetzt interessieren.

  66. Ist Laissez-faire das richtige gesellschaftspolitische Modell?
    Wirtschaftspolitisch bedeutet Laissez-faire, die Wirtschaft machen zu lassen und den Staat möglichst wenig eingreifen zu lassen.
    Stephan Schleim vertritt dagegen in vielen Belangen ein gesellschaftspolitisches Laissez-faire: Drogen, Alkohol, Tabak soll jeder soviel konsumieren wie er will. Der Staat soll möglichst wenig eingreifen.
    Auch Arbeiten sollen die, die das wollen. Alle anderen erhalten ein bedingungsloses Grundeinkommen.

    Mir scheint aber, dass sich sowohl das wirtschaftspolitische wie das gesellschaftspolitische Laissez-faire Prinzip nicht bewährt haben. Letztlich weil es so etwas wie einen Gesellschaftsvertrag gibt, der Individuen nicht nur Freiheiten gibt, sondern auch die Pflicht etwas zur Gesellschaft beizutragen. Die Idee, die Leute trinken und rauchen zu lassen, wenn sie das nun einmal wollen hat sich beispielsweise in der westlichen Gesellschaft genau so wenig durchgesetzt wie das wirtschaftliche Laissez-faire, weil in beiden Fällen die Konsequenzen für die Gesellschaft negativ sind, was sich etwa beim Alkohol in Sucht, Erkrankung, in familiären Problemen und Problemen bei der Arbeit zeigt. Auch die Notwendigkeit einer Arbeit nachzugehen, wenn dies möglich ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag, der den Einsatz des Einzelnen nicht nur für sich, sondern auch für die Gesellschaft vorsieht. Wer unfreiwillig die Arbeit verliert kann und sollte gemäss diesem Gesellschaftsvertrag unterstützt werden – allerdings mit dem Ziel, dass er wenn möglich wieder eine Arbeit findet und auch annimmt.

  67. Der Gesellschaftsvertrag ist eine Philosophische Konstruktion.
    Die Deutsche Sozialversicherung ist ein Faktum.
    Sie wurde nach der Reichsgründung 1871 geschaffen. Und, das ist wichtig, sie sollte sich selbst finanzieren.
    Die Versicherten zahlten von ihrem Lohn eine Abgabe für die spätere Rente, für etwaige Arbeitsunfälle, für Arbeitslosigkeit und für den Fall von Krankheit.

    Das funktionierte 100 Jahre gut, bis eine CDU Regierung auf die Idee kam, die Inanspruchnahme dieser Versicherungen nicht mehr als Recht der Versicherten zu sehen, sondern z.B. die Arbeitslosenversicherung als Sozialleistung zu betrachten, die unabhängig von der schon geleisteten Arbeitszeit und den geleisteten Beiträgen ist, unter dem Namen Hartz IV .
    Es gibt also keinen Unterschied zwischen einem Arbeiter, der arbeitslos geworden war und einem Sozialhilfeempfänger, der noch nie gearbietet hatte.

    Diese Verfälschung des Versicherungsgedankens, wer einbezahlt, der bekommt auch was, findet jtzt ihren Höhepunkt mit dem Begriff Bürgergeld.
    Solange die Wirtschaft boomt funktioniert das, wenn die Wirtschaft einbricht, dann wird das Bürgergled gekürzt. Bei einem Versicherungsvertrag kann das nicht passieren.

  68. @Holzherr 06.11. 22:54

    “Auch die Notwendigkeit einer Arbeit nachzugehen, wenn dies möglich ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag, der den Einsatz des Einzelnen nicht nur für sich, sondern auch für die Gesellschaft vorsieht.”

    Ich denke mal es ist beides wichtig, wie es den Menschen geht, und wie es der Gesellschaft incl. dem Zustand der Staatskasse geht. Den eigentlich sehr wenigen, die sich wirklich erfolgreich vor Arbeit drücken, dem stehen sehr viel mehr Menschen entgegen, die soviel arbeiten wie sie können, und immer noch Aufstocker sind und von Schikanen der Arbeitsämter bedroht sein können. Und dann kommen auch noch die dazu, die Arbeit haben, aber Angst vor einem Abrutschen in die Arbeitslosigkeit haben (müssen).

    Der sich inzwischen etablierte Niedriglohnsektor produziert eben viele, die davon alleine nicht leben können, insbesondere wenn sie nicht Vollzeit arbeiten können, weil sie z.b. Alleinerziehende sind. Dazu passt ein Klima mit weniger
    Druck und unkomplizierten Aufstockungsregelungen sehr gut, finde ich.

    Der Niedriglohnsektor hat ja nebenbei auch positive Auswirkungen auf die Gesellschaft. Und die Niedriglöhne sind letztlich Marktpreise, die sich nicht so einfach ändern lassen. Mindestlöhne werden oft umgangen, indem man einfach unbezahlte Überstunden fordert, und der Arbeiter sich das gefallen lässt, damit er den Arbeitsplatz nicht verliert.

    Auch kann man sich die Frage stellen, ob die Gesellschaft die wenigen Menschen, die sich aktuell wirklich vor Arbeit drücken, als Arbeitskräfte überhaupt braucht. Und in Zukunft brauchen wird. Spätestens dann kann man sich diese Diskussion auch sparen.

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