Ist Wissenschaftler*in vielleicht doch kein so toller Beruf?

Wissenschaft gilt als die Suche nach Wahrheit. Doch wie halten es Forscher*innen mit ihrer eigenen Realität?

Der Unterschied könnte kaum größer sein: Einerseits werden zu dieser Jahreszeit in Schweden wieder Preise zum Andenken an einen Mann (Alfred Nobel) verliehen, den am Ende seines Lebens möglicherweise Gewissensbisse wegen der Erfindung des Dynamits plagten und der darum sein Vermögen der Wissenschaft vermachte. Andererseits nehme ich in meinem Umfeld viel Unsicherheit und Unzufriedenheit über wissenschaftliche Laufbahnen wahr.

Immer häufiger scheinen sich junge Menschen nach dem Studium oder der Promotion von der Akademie abzuwenden. Beispielsweise bekam ich erst gestern die Frage gestellt, wie ich (gemeint war: als Außenseiter, der in der Öffentlichkeit seine Meinung sagt) es geschafft hätte, mich zu etablieren (gemeint war: auf eine feste Stelle an einer Universität zu kommen).

Schlechte Verträge

Heute schrieb ein junger Familienvater dann, “der zentrale Makel des gesamten Systems [ist] das Fehlen von Dauerstellen im Mittelbau.” Damit meinte er, dass der sogenannte “wissenschaftliche Nachwuchs” oft nur Zeitverträge bekommt. Ich ergänzte, dass seit den Reformen um das Jahr 2000 herum nun sogar vermehrt Professuren nur noch auf Zeit angeboten würden.

2000. Das ist die Zeit der Bologna-Reform: Alles musste gezählt, standardisiert, verglichen und optimiert werden. Konkurrenz und Wettbewerb sollten für die beste Verwendung von Mitteln sorgen, auch in der Wissenschaft. In dieser Zeit entstand ebenfalls die europäische Richtlinie 1999/70/EG, die Befristungen von Arbeitsverträgen regelte.

Diese war eigentlich dazu gedacht, Nachteile befristeter Arbeitsverhältnisse einzuschränken (§5 Maßnahmen zur Vermeidung von Mißbrauch). Darüber hatten sich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände verständigt.

In Deutschland schrieb man aber keine Verpflichtung zur Angabe sachlicher Gründe für befristete Verträge fest (gemäß §5.1a der Richtlinie), sondern eine pauschale 12-Jahres-Regel (gemäß §5.1b; mit ein paar Ausnahmen z.B. im medizinischen Bereich). Das heißt, wissenschaftliches Personal durfte (und darf) vor der Promotion für sechs Jahre und dann noch einmal für sechs Jahre zeitlich befristet angestellt werden – ohne besonderen Grund.

Theorie und Praxis

In der Theorie will man das Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen damit vor der ewigen Wiederholung von Zeitverträgen schützen, sogenannten Kettenbefristungen. In der Praxis werden die Leute dann aber oft für die maximale Dauer – es geht hier um die produktiven Jahre der 20er und 30er – in befristeten Arbeitsverhältnissen gehalten und schließlich “weggeworfen”.

So behalten die Institutionen finanziellen Spielraum und hält man – ungewollt oder gewollt? – bestimmte Gruppen klein. Wer den Mund zu weit aufmacht oder nicht das gewünschte Verhalten zeigt, für den läuft die Zeit von selbst ab. Wie praktisch, wenn man keine Kündigung rechtfertigen muss. Dabei gilt: Je kürzer der Zeitvertrag, desto größer die Kontrolle.

Mit einer Reform im Jahr 2015/2016 nahm man immerhin nichtwissenschaftliches Personal heraus – übrigens gegen den Widerstand der Max-Planck-Gesellschaft. Diese wollte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin “als Verhandlungsmasse” (Zitat Wikipedia) für ihre Personalpolitik gebrauchen. Lang lebe die Solidarität und Zusammenarbeit!

Ich bin Hanna

Als das Wissenschaftsministerium 2021 in einem Filmchen das deutsche Wissenschaftszeitvertragsgesetz pries, platzte vielen Kolleginnen und Kollegen schließlich der Kragen: Unter dem Hashtag #ichbinhanna kritisierten sie den Umgang mit dem Personal in Forschung und Lehre. Die für viele schlechte Bezahlung und ewigen Zeitverträge waren (und sind) Hauptkritikpunkte.

Dieses Jahr erschien dann ein daraus entstandenes Suhrkamp-Taschenbuch, das die “prekäre Wissenschaft in Deutschland” vehement kritisiert. Ein Leser auf Amazon wiederum kritisierte dies mit der Bemerkung: “Wissenschaft ist kein normaler Beruf. Es ist ein Traumberuf mit extrem viel Freiheiten und Selbstbestimmtheit.”

Wie kann es so unterschiedliche Perspektiven geben? In Forschung und Lehre begegnet man auf jeden Fall vielen inspirierenden Persönlichkeiten; mir selbst ermöglichten frühe Erfolge beim Einwerben von Drittmitteln auch viele Kongressreisen um die Welt. Als ich merkte, wie viel Zeit für das Reisen draufging, während die liegengebliebene Arbeit im Büro sich nicht von selbst erledigte, reduzierte ich das aber wieder.

Drittmittel sind aber gerade kein Beispiel für Selbst-, sondern für Fremdbestimmung. In vielen Ländern kürzten Regierungen die Grundausstattung von Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Den nötigen Rest sollten sich die Wissenschaftler mit Anträgen selbst verdienen, frei nach dem Motto: Der Wettbewerb sorgt für die Bestenauslese. Die Regeln dafür legen aber oft externe Akteure fest: Beamte, Stiftungen oder Betriebe.

Je nach Fach, je nach Grundausstattung, je nach Kontakten haben Forscherinnen und Forscher jedoch ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Noch schlimmer: Da solche Entscheidungen oft auf Grundlage anonymer Gutachten getroffen werden, kommt es zu einer Fokussierung auf den Mainstream. Sprich: Wer das macht, was alle machen, hat die größten Erfolgschancen.

Traum und Realität

Diese Kritik ist nicht neu. Schon lange bemängelt man das “Matthäusprinzip” bei der Mittelvergabe: Wer hat, dem wird gegeben. Ob damit wirklich Innovation belohnt wird statt immer mehr vom Gleichen, behandeln wir ein anderes Mal.

Sie können aber auch einmal selbst überlegen, was zurzeit die größten Menschheitsprobleme sind – und welcher Wissenschaftler etwas zu seiner Lösung beigetragen hat. Schon im Wettrennen um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms anno 2000 brachte der Biotech-Unternehmer Craig Venter die Wissenschaftler des Humangenomprojekts ins Schwitzen. Am Ende teilte man sich die Lorbeeren.

Die Coronapandemie zeigte erneut, wie wichtig Forschung ist. Einen der wichtigsten Impfstoffe entwickelte aber das Unternehmen BioNTech – und brauchte dafür sogar noch die Hilfe des größeren Partners Pfizer. Derweil waren die Wissenschaftler an den öffentlichen Instituten vielleicht noch mit dem Schreiben Anträgen und Einreichen von Formularen beschäftigt.

Solche Beispiele zeigen, dass Geld in unserem System nicht nur Macht bedeutet, sondern auch die Freiheit, bestimmte Ideen zu verfolgen. Wenn Wissenschaft so frei ist – auch die “Publikation” kommt von lat. publicatio, Veröffentlichung –, warum erzählen einem so viele Forscherinnen und Forscher so oft bestimmte Dinge nur “hinter vorgehaltener Hand”? Allein diese Woche hörte ich das schon mehrmals.

Wenn man jemanden oder vielleicht sogar einen ganzen Forschungszweig in der Öffentlichkeit kritisiert – man denke an die Biologische Psychiatrie oder die bildgebende Hirnforschung –, dann ist das vielleicht gut für den Erkenntnisgewinn, macht der Kritiker sich aber potenziell Feinde. Dabei könnten die Leute, die man heute verärgert, die Gutachter von morgen sein (Warum die Wissenschaft nicht frei ist).

Erstaunlich ist auch, wie vielen Forschern, die eigentlich alle nach Wahrheit suchen, einfachste Wahrheiten ihrer eigenen Arbeiten nicht auffallen: dass diese sich beispielsweise nicht ohne Weiteres wiederholen (replizieren) lassen, wie das bei guter Wissenschaft der Fall sein müsste. Wahrscheinlich betreibt ein Großteil von ihnen schlicht das, was Thomas Kuhn (1922-1996) “normale Wissenschaft” nannte: produktiv gemäß den Erwartungen des eigenen Paradigmas forschen, ohne dessen Annahmen kritisch zu hinterfragen.

Früher

“Früher war alles besser!”, heißt es so oft. Werfen wir darum einmal einen Blick in den rund hundert Jahre alten Aufsatz “Wissenschaft als Beruf” des berühmten Soziologen und Volkswirts Max Weber (1864-1920).

“Wie gestaltet sich die Lage eines absolvierten Studenten, der entschlossen ist, der Wissenschaft innerhalb des akademischen Lebens sich berufsmäßig hinzugeben?”

Max Weber, 1919/2002, S. 474

Webers Fazit ist ernüchternd. Er stellte die wissenschaftliche Laufbahn als ein Glücksspiel dar. Doch dabei hätten nicht alle dieselben Chancen:

Bei uns ist “die Laufbahn eines Mannes der Wissenschaft im ganzen auf plutokratischen Voraussetzungen aufgebaut […]. Denn es ist außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten, der keinerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn sich auszusetzen.”

Max Weber, 1919/2002, S. 475

Der berühmte Soziologe zeigte auf, wie die materiellen Bedingungen des Wissenschaftsbetriebs auch das Wissen prägen, das in ihm generiert wird. Dabei hätten diejenigen, die Macht oder Geld besitzen, das Sagen; eben die Plutokraten. Wer sich erst einmal etabliert habe, könne die Laufbahnen anderer beeinflussen. Das mache den ganzen Prozess unvorhersehbar:

“Geblieben aber und wesentlich gesteigert ist ein der Universitätslaufbahn eigenes Moment: ob es einem solchen Privatdozenten, vollends einem Assistenten, jemals gelingt, in die Stelle eines vollen Ordinarius [= Lehrstuhlinhabers] und gar eines Institutsvorstandes einzurücken, ist eine Angelegenheit, die einfach Hazard [= Glücksspiel, bei dem alles riskiert wird] ist. Gewiß: nicht nur der Zufall herrscht, aber er herrscht doch in ungewöhnlich hohem Grade. Ich kenne kaum eine Laufbahn auf Erden, wo er eine solche Rolle spielt.”

Max Weber, 1919/2002, S. 477

Empfehlungen

Besonders bitter klingt Webers “Berufsberatung”:

“Das akademische Leben ist also ein wilder Hazard. Wenn junge Gelehrte um Rat fragen kommen wegen Habilitation, so ist die Verantwortung des Zuredens fast nicht zu tragen. Ist er ein Jude, so sagt man ihm natürlich: lasciate ogni speranza [= nach Dantes Inferno: “Ihr, die ihr durch die Höllenpforte eintretet, lasset alle Hoffnung fahren!”]. Aber auch jeden anderen muß man auf das Gewissen fragen: Glauben Sie, daß Sie es aushalten, daß Jahr um Jahr Mittelmäßigkeit nach Mittelmäßigkeit über Sie hinaussteigt, ohne innerlich zu verbittern und zu verderben?”

Max Weber, 1919/2002, S. 481

Wir wissen heute, welche furchtbare Katastrophe sich schon zehn bis zwanzig später ereignete, übrigens auch unter Beteiligung von Wissenschaftlern. Weber selbst musste das zum Glück nicht mehr miterleben.

Aber auch ich frage mich heute, was ich Studierenden oder gerade Graduierten empfehlen soll, die sich wegen einer Berufsberatung an mich wenden. Wissenschaft kann faszinierend sein, ja. Doch zu einem Großteil wird man sich danach richten müssen, was andere denken und wollen.

Selbst diejenigen, die die Spielregeln des heutigen Systems beherrschen, verbringen einen Großteil ihrer Zeit mit Formalitäten und Management. Ist das der Sinn der Sache? Für die schlauesten Köpfe unserer Zeit?

Insofern ist mein Tipp, vor allem dann in die Wissenschaft zu gehen, wenn man es nicht lassen kann. Dabei sollte man, spätestens gegen Ende der Promotionsphase, auch über realistische Alternativen nachdenken. Und die Augen offenhalten.

Hier in den Niederlanden hat man den Wahnsinn mit den Befristungen nun endlich größtenteils aufgegeben (Feste Verträge werden Standard an niederländischen Unis). Ich musste die alte, sechsjährige Tortur noch durchlaufen, gönne den jüngeren Kolleginnen und Kollegen die besseren Umstände aber von Herzen. Tatsächlich sehe ich, wie nun immer mehr Talent aus Deutschland auf so eine Assistenzprofessur hier in Holland wechselt.

Denkanstöße

Daher schließe ich mit ein paar Denkanstößen:

  • Können wir uns angesichts der Probleme der Menschheit wirklich so viele Managertypen leisten, die für die Karriere das Blaue vom Himmel versprechen aber nichts zum Fortschritt beitragen?
  • Wenn es in der Wissenschaft vor allem um Veröffentlichung (von Erkenntnissen) geht, warum ist dann auf dem Weg dorthin so gut wie alles geheim? Und bleibt es auch?
  • Man sollte die Frage einmal umdrehen: Nicht: “Ist unsere heutige Wissenschaft neutral und frei?”, sondern: “Gab es jemals eine wirklich neutrale und freie Wissenschaft?”
  • Wenn es diese gravierenden Probleme seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit einem Jahrhundert und länger gibt, warum spielen dann immer noch so viele mit?
  • Warum sind wir so besessen von Exzellenz und der neuen Elite, während 14(!) Prozent der Schülerinnen und Schüler gar keinen Abschluss mehr schaffen?
  • Warum werden die Bürgerinnen und Bürger, die das zum Großteil bezahlen, nicht viel stärker in den Entscheidungsprozess einbezogen?

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Neu: Folgen Sie Stephan Schleim auf Twitter. Titelgrafik: holdentrils auf Pixabay.

Referenz: Weber, M. (1919/2002). Wissenschaft als Beruf. In ders., Schriften 1894-1922, S. 474-511. Stuttgart: Kröner.

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60 Kommentare

  1. Noch ein Hinweis darauf, dass die Wissenschaft ja so objektiv vorgeht: In einer neuen Studie akzeptierten 2% der Gutachter eine Forschungsarbeit sofort, wenn der Autor einen niedrigen Status hatte. Bei einem Autor mit hohem Status waren es 21%! (Huber et al., 2022) Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass von vorne herein weniger die Forschung von Autoren mit niedrigem Status begutachten wollten.

    Siehe auch eine Zusammenfassung auf dieser Grafik, AL = niedriger Status; AH = hoher Status.

  2. Ich habe das Thema des von Weber wie normal angesprochenen Antisemitismus im Artikel nicht weiter verfolgt, weil ich diese Fragen nicht einfach so vermischen wollte (und es liegen 100 Jahre dazwischen).

    Für Interessierte sei darauf hingewiesen, dass ziemlich genau 20 Jahre nach Webers Vortrag/Artikel “Wissenschaft im Beruf” in Deutschland ein Ministerialerlass erfolgte, wonach Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Fragebogen über “jüdische Versippung” ausfüllen mussten; jüdischstämmige Menschen waren vorher schon aus dem Staatsdienst entfernt worden.

    Der ministerielle Fragebogen erklärte:

    Als jüdischer Mischling gilt, wer einen oder mehrere volljüdische Grosselternteile besitzt. Als jüdisch versippt gilt derjenige, dessen Ehefrau Jüdin oder jüdischer Mischling ist. (November/Dezember 1938)

    Am 2. Dezember 1938 füllte der Historiker Otto Hintze den Fragebogen aus und legte seine Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Wissenschaften nieder, weil er mit einer Jüdin (Hedwig Hintze) verheiratet war. Otto starb weitgehend isoliert 1940 in Berlin, seine Frau zwei Jahre später auf der Flucht in den Niederlanden (Utrecht).

  3. Ich möchte ein Beispiel für die “Objektivität” in den Wissenschaften aus der Neurophysiologie/Neurobiologie im Bezug auf den zu Beginn des Blogeintrags erwähnten Nobelpreis geben.

    Der US-amerikanische Neurobiologe Jerome Y. Lettvin des MIT hat im vergangenen Jahrhundert herausgefunden dass die Retina, die er damals bei Fröschen untersuchte, rezeptive Felder aufweist. Die Details dazu lasse ich aus damit der Beitrag nicht unnötig lang wird.

    Jedenfalls waren die Befunde von Lettvin damals so sensationell dass kein renommiertes Journal sein dazugehöriges Paper publizieren wollte. Lettvin publizierte den Artikel dann unter dem Titel “What the frog’s eye tells the frog’s brain”. Während einer öffentlichen Vorstellung des Papers wurde Lettvin zudem vom Fachpublikum ausgelacht, da niemand ihm die Befunde glaubte.

    Später haben dann David Hubel und Thorsten Wiesel die Arbeiten aufgenommen und fortgeführt und dafür den Nobelpreis erhalten. Natürlich wurden mir im Studium auch nur die Arbeiten von Hubel und Wiesel als Meilenstein präsentiert, von Lettvin sprach niemand. Als ich den Dozent fragte ob er denn Jerome Lettvin kenne schüttelte der Dozent nur den Kopf, er kannte ihn nicht. Mich hat das schon verwundert.

    Es gibt sicherlich unzählige solcher Beispiele in den Wissenschaften.

  4. @Philipp: Lettvin & Nobelpreise

    Mir ist das Beispiel nicht bekannt. Allgemeiner wird man auch hier sagen können: Die Geschichte wird von den Gewinnern geschrieben.

    Die Mitglieder der Nobel-Komitees sehen erst einmal nur das, was man ihnen vorschlägt. Bei der Recherche sollte ihnen so etwas freilich auffallen. Hubel und Wiesel könnten übrigens auch für ihren Gesamtbeitrag gewürdigt worden sein, nicht notwendigerweise nur als erste Entdecker.

    Ein anderer Fall ist Rosalind Franklin: Sie soll die Doppelhelixstruktur der DNA entdeckt oder jedenfalls mitentdeckt haben, wofür Crick & Watson später den Nobelpreis bekamen.

    An meiner Uni gibt es heute Förderstipendien mit ihrem Namen. Mir fällt aber gerade auf, dass Franklin bei der Vergabe des Preises schon gar nicht mehr lebte. Hätte sie ihn vielleicht doch bekommen, wenn sie nicht so früh gestorben wäre?

  5. Nun ja, als jemand, der beide Welten kennt, muss ich mal eine Lanze brechen für die “Flucht” in die freie Wirtschaft. Wer sich seine Neugier bewahren möchte, findet mit Sicherheit auch außerhalb der Welt der Unis und Institute seinen Platz. Ich weiß, der Weg von der Idee, über “da ist was” hin zum Verständnis und am Ende dem einen oder anderen schönen Paper ist eine tolle Sache. Aber ist nicht auch das erste Produkt im Laden wo ich weiß, da steckt meine Idee drin, oder ich habe sonst irgendwie mit dran entwickelt, ebenso befriedigend? Klar ich tausche ein wenig Freiheit hinsichtlich der Richtung meiner Forschung gegen meist bessere Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung und mehr Effizienz. Muss jeder für sich selbst wissen, aber ich bin jedenfalls in der Industrie viel lieber zu Hause als an der Uni.

  6. @Thomas: Alternativen

    Guter Hinweis! Ich empfehle auch immer wieder mal eine Karriereberatung, damit jemand “von außen” mitguckt, was es für Alternativen gibt.

    Die demografische Entwicklung sollte man auch nicht aus den Augen verlieren. Wer soll in zehn Jahren noch die ganze Arbeit erledigen? Den eigenen “Nachwuchs” und auch die Migranten so schlecht zu behandeln, wird, denke ich, irgendwann zum Boomerang werden.

  7. @ Stephan Schleim

    Was Sie letztlich als eine Art von „Entartung“ (des Wettbewerbs) beschreiben, gilt nicht nur für den Wissenschaftsbereich, es gilt überall in der Gesellschaft wo es auch um Ressourcenverteilung geht, sogar bei der Lebensmittelverteilung bei den Tafeln.

    Wettbewerb führt fast zwangsläufig zum „Krieg“ „Jeder gegen Jeden“. Positive Effekte des Wettbewerb (z.B. zwischen USA – Russland) werden oft wieder vernichtet, z.B. unser auf billiges Gas begründeter Wohlstand.

    Vermutlich ist der Sinn des „Kastenwesen“ derartiges zu vermeiden, weil die Kastengrenzen unüberwindbar sind. Die Kaste sorgt für Ihre Mitglieder, alle leben nebeneinander her, relativ friedlich, positive Entwicklungen gibt es kaum.

    Es kommt, wie meistens in der Technik, auf ein „Optimum“ an. Nur, wer bestimmt das „Optimum“?

  8. Wissenschaftler ist keine geschützte Berufsbezeichnung.
    Es gibt auch noch Wissenschaftlerinnen!

  9. @Thomas: P.S. Wirtschaft und Kritik

    Eines meiner neuen Hobbys ist ja die Geldanlage. Ich bin immer wieder überrascht, dass man dort Kritik explizit Raum gibt, denn niemand will sein eigenes Geld wegschmeißen. Darum folgt nach dem Pro- üblicherweise ein Kontro-Szenario. Übrigens ging (und wahrscheinlich: geht) die katholische Kirche so bei Heiligsprechungen vor: Der advocatus dei stellt die positive Sichtweise dar, der advocatus diaboli die negative.

    Dass man im Gegensatz dazu mit einer kritischen Haltung in der Wissenschaft schnell als “Nestbeschmutzer” gilt, spricht Bände.

  10. @ Stephan Schleim 06.10.2022, 11:05 Uhr

    Zitat: „Wer soll in zehn Jahren noch die ganze Arbeit erledigen? Den eigenen “Nachwuchs” und auch die Migranten so schlecht zu behandeln, wird, denke ich, irgendwann zum Boomerang werden.“

    Vermutlich ist heutzutage das Problem, dass sich keiner mehr wirksam um das „öffentliche Wohlbefinden“ (sozusagen um „Streicheleinheiten“) für alle „Beladenen“ schert, außer die Psychologen. „Einzeltherapie“ ist offensichtlich unökonomisch, zu wenig wirksam.

    Das haben früher, ich vermute relativ erfolgreich, die Religionen übernommen. Die „Schäfchen“ wurden zu Zusammenkünften „getrieben“, manchen wurde der „Kopf gewaschen“, viele erhielten Trost und fühlten sich danach besser…..

  11. @Hauptartikel

    “Insofern ist mein Tipp, vor allem dann in die Wissenschaft zu gehen, wenn man es nicht lassen kann. Dabei sollte man, spätestens gegen Ende der Promotionsphase, auch über realistische Alternativen nachdenken. Und die Augen offenhalten.”

    Naja, als Künstler geht es einem ähnlich. Wer entsprechend in die Kunst verliebt ist, der Arbeitet an seiner Kunst einfach so viel wie geht, und verdient sich sein Geld dann öfter auch woanders.

    Das tut der Sache vielleicht sogar auch mal gut, wenn man auch mit wissenschaftlicher Arbeit das Ideelle von dem Finanziellen trennt, wenn es anders nicht geht.

    Inzwischen kann man doch auch alles Online veröffentlichen. Schafft das nicht auch eine neue Freiheit?

    Klar ist es ärgerlich, wenn wichtige Forscherzeit mit Anträge schreiben verschwendet wird, und alles im engem Rahmen des Mainstreams bleiben muss. Wenn das sich in den Niederlanden inzwischen verbessert hat, dann bekommt man das bei uns hoffentlich auch wieder hin.

  12. Tobias Jeckenburger: “Inzwischen kann man doch auch alles Online veröffentlichen. Schafft das nicht auch eine neue Freiheit?”

    Irgendwo kann jeder irgendetwas veröffentlichen, es wird aber nicht unbedingt wahrgenommen oder von Geldgebern als regelrechte Publikation gewertet.

  13. So lange das Totalversagen der Ökonomie für wahrhaftige Erkenntnis und Lehre gehalten und genommen wird, lamentieren wir hier halt noch etwas.

    Bin gespannt, was Montag wieder für ein Bonmot kommt.

    Würde mich mal freuen,wenn da jemand eine Arbeit präsentiert,der die 7 Todsünden im Neoliberalismus erklärt und prämiert wird. Ist zwar auch keine Lösung, aber Watzlawik hat ja schon vor Jahren gesagt,die Lösung ist das Problem.

  14. Geld kann bloß einmal verteilt werden. Gelder, die für Theologie, Genderstudies, irgendwas mit Menschen und Medien o.ä.verbraten wurden,stehen für sinnvolle Forschung halt nicht mehr zur Verfügung.

  15. Paul Stefan schrieb (06.10.2022, 18:22 Uhr):
    > Irgendwo kann jeder irgendetwas veröffentlichen, es wird aber nicht unbedingt wahrgenommen […]

    Um so wertvoller sind Veröffentlichungen “dort, wo” (bzw. “so, dass”) insbesondere den darin Adressierten die Wahrnehmung Barriere-frei ermöglicht und (ähnlich einem [[Einschreiben mit Rückschein]]) nachweisbar und sogar wiederum öffentlich dokumentiert ist. (Beispiel.)

    So wertvoll, dass dafür ein ordentlicher Anteil unseres Beitrages für kommunikative Teilhabe angemessen wäre. …

  16. @Uwe: Herabschauen

    Da ist wieder dieses typische Herabschauen auf die “Laberfächer”: Glauben Sie mir, wir hätten hier bessere Diskussionen, wenn die Leserinnen und Leser ‘mal etwas Philosophie studiert hätten. Und ohne diese kämen wir heute nicht in den Genuss von Grund- und Menschenrechten.

    Mich wundert die Abwesenheit all der Betriebswirte und Juristen in ihrer Aufzählung, deren Arbeit darin besteht, nicht nur für sich selbst, sondern für den Großteil der Menschheit immer mehr Bullshit zu erzeugen.

    (Und damit bestreite ich nicht, dass sowohl Betriebswirtschaft als auch Rechtswissenschaft in ihrem Wesen sehr wichtig für die Gemeinschaft sind; ich meine mehr, sich dort den durchschnittlichen Absolventen anzuschauen: Die wollen schnell viel Geld verdienen – aber mal einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft leisten, statt immer nur ich, ich ich? Pustekuchen.)

  17. Wichtiger für das berufliche Fortkommen als Können ist das Vitamin “B”, gemeint sind die Beziehungen.
    Wer eine Hochschulkarriere anstrebt, der sollte Beziehungen haben.
    In den 60iger Jahren war es so, dass der Dozent seine Assistenten hatte, und einer von denen wurde sein Nachfolger.
    Vielleicht war das ein Grund, warum befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen wurden.

    Die Problematik mit der Grundlagenforschung an Universitäten und in der freien Wirtschaft, da sind die Konzerne im Vorteil, weil sie mehr Geld zur Verfügung haben. Über die praktische Zusammenarbeit weiß ich zu wenig.

    Um mal auf “toller Beruf” einzugehen. In den Magrebstaaten sind die meisten Akademiker arbeitslos.

  18. @Tobias Jeckenburger:
    Inzwischen kann man doch auch alles Online veröffentlichen. Schafft das nicht auch eine neue Freiheit?

    Meinen Sie damit dass die wissenschaftliche Arbeit bzw. das Paper ohne peer-review Verfahren eines ausreichend guten/angesehenen Journals hochgeladen werden kann?

    Persönlich würde ich wissenschaftliche Arbeiten die nicht durch das peer-review Verfahren gegangen sind nicht lesen (außer in Ausnahmefällen).
    Keine Frage: Gutachter machen mitunter auch unnötige Probleme und tragen nicht immer dazu bei dass die Qualität des Papers sich verbessert.
    Aber ganz ohne das peer-review Verfahren vorgehen indem die Arbeit irgendwo ohne Widerstand hochgeladen wird?

    Mal abgesehen davon dass selbst die Publikation in einem niedrigen “no-name” Journal fast damit gleichkommt die eigene Arbeit weggeworfen zu haben, da sie dann viele andere Akademiker bzw. die interne Szene nicht mehr interessiert.

    Es gibt beispielsweise für die Biologie und für die Lebenswissenschaften das Bioarchive (https://www.biorxiv.org) bei dem empirische Paper ohne peer-review einreichbar sind. Viele Journale müssen die dort eingereichten Paper auch noch akzeptieren wenn sie nachträglich bei den Journalen eingereicht werden. Aber für den Wissenschaftler bzw. dessen Karriere sind solche “Publikationen” wie auf Bioarchive wertlos. Denn das Journal zählt leider manchmal (oder häufiger) mehr als die eigentliche Arbeit wenn es um die Aufmerksamkeit und Karriere (oder sagen wir einfach die Arbeit und das Überleben) geht.

  19. @Philipp: Open Peer Review

    Du liest aber doch auch diesen Blog hier?! 😉

    Im Übrigen ist das Peer Review-System kaputt. Hast du das hier gesehen?

    Welcher Fälschungs- oder Replikations-Skandal wurde eigentlich durch Peer Review aufgedeckt?

    Ich bin für Open Peer Review: Forscherinnen und Forscher stellen ihre Ergebnisse zur Diskussion – und in der Öffentlichkeit beurteilen andere das dann in einem fortlaufenden Dialog.

  20. Den Link von dir hatte ich gelesen. Dass es Probleme mit peer-review gibt ist klar. Dass ich das nicht anders sehe hatte ich in meinem Beitrag ja sanfter formuliert durchblicken lassen.

    Ich glaube allerdings dass es ohne peer-review Verfahren nicht besser wird, da damit andere Probleme einhergehen würden. Es würde wohl zu weit führen das hier zu diskutieren.

    An die Qualität offener peer-review Verfahren glaube ich weniger. In Einzelfällen mag das super funktionieren, das glaube ich. Aber wenn ich beispielsweise auf Academia.edu lese wie solche öffentlichen oder semi-öffentlichen “Begutachtungen” ablaufen, d.h. wie sich Wissenschaftler und Philosophen dort bei ihren jeweiligen Papern angehen, glaube ich weniger dass das gut flächendeckend funktionieren kann. Ich wurde für die Diskussion zu ein paar Papern eingeladen und meistens sprangen sich die Leute nur gegenseitig an die Gurgel. Diese Menschen haben die gesamte Diskussion, bei der es eigentlich um sinnvolles Feedback für die Arbeiten ging, kaputt gemacht.

  21. @Philipp: Open Peer Review

    Hmm, diese Beispiele kannte ich noch nicht.

    Was sagt das über die Persönlichkeit von Forscherinnen und Forschern aus, wenn sie sich nicht einmal sachlich über ihren Forschungsgegenstand verständigen können?

  22. @Stephan Schleim:

    Es ändert natürlichts nichts daran dass es auch im peer-review Verfahren von angesehenen Journalen menschlich gesehen sehr negative Beispiele gibt. Ein satirisches Interview mit einem Gutachter von Neuroimaging Studien findet man übrigens hier: https://www.andysbrainblog.com/andysbrainblog/2016/08/an-interview-with-reviewer-2.html?rq=review

    Als ich dieses “Interview” las musste ich mehrmals laut lachen. Eventuell ist der Link auch für dich und andere Leser hier erheiternd. Kollegen, denen ich dieses “Interview” geschickt habe, fragten mich nur wo denn der Witz sei? Das Interview würde doch die Realität spiegeln. 😉

  23. Da ist wieder dieses typische Herabschauen auf die “Laberfächer”: Glauben Sie mir, wir hätten hier bessere Diskussionen, wenn die Leserinnen und Leser ‘mal etwas Philosophie studiert hätten.

    Q.:Schleim
    Von Philosophie habe ich nicht die geringste Ahnung. Deshalb fehlt sie in meiner Aufzählung. Wenn Sie meinen Philosophie sei vergleichbar mit Theologie, dann ist das ihre Einordnung.

    Beitrag zu einer besseren Gesellschaft leisten,

    Was eine bessere Gesellschaft ist,ist Ansichtssache. Bessere Gesellschaften werden u.a. von Taliban, Kommunisten, Katholiken angestrebt. In deren besseren Gesellschaften möchte ich nicht leben.

    Und ohne diese kämen wir heute nicht in den Genuss von Grund- und Menschenrechten.

    Ein bißchen überheblich. Ähnliches habe ich auch schon von Menschen vernommen, die sich für Christen halten.
    Analog zu Liebigs Minunimumgesetz kann man fragen wieviel Akademiker und von welcher Sorte braucht es, um eine Gesellschaft bestmöglich am Laufen zu halten.

  24. @ Philipp / Schleim

    Das man sich mal ordentlich in die Haare kriegt, halte ich nicht für verkehrt,solange man danach auch wieder ein Bier trinken kann.
    Es gibt halt Erkenntnisse,die sich widersprechen. Das kann man dann einfach stehen lassen.
    Güterabwegung haben wir zu Corona zur genüge diskutiert.
    Schwierig wird es nach meiner Ansicht, wenn Erkenntnis,Meinung,Haltung und Ergebnis zu einem Produkt wird und Erfolg damit gemessen werden muss. Im Zweifel im Wert Geld bemessen wird.
    Was der Kern des Artikels ist.
    Gerade Pääbo und Zeilinger in diesem Jahr zeigen, wenn man den öffentlichen Aussagen trauen darf, dass lediglich Neugier und intrinsische Motivation für Wissenschaft ausschlaggebend war. Die Verwertungsinteressen sind nach- bzw. folgegelagert.
    Verwertung ist so ein Begriff und eine Bedeutung, das mich kritisch werden lässt.
    Verwertung passiert ideell,mental und materiell.

  25. Leistungsgesellschaft und Bestenauslese.

    Wird durch Benchmarks festgelegt,welches Grundlage auch für Bologna war.

    Gerade Pääbo und Zeilinger zeigen,dass sie daran eigentlich kein Interesse hatten.

    Bedenkenswert.

  26. Verwertungsinteresse

    Hasselmann hat den menschlichen Einfluss auf das Klima nachgewiesen.
    Wie wurde diese Wissenschaft ‘verwertet’?

    Holzherr,der sich hier zurückhält, sagt, McKinsey bilanziert CO2-Neutralität auf ein Bilanzvolumen von ca. 275 Billionen Dollar.

    Bevor wir Billionen in den Schaden investiert und verwertet haben.

    Junge Junge Junge….

  27. Wissenschaft und Beruf

    Wissenschaft und Geld und Zeit als Berufung kann ich verstehen. Wissenschaft und Beruf ist Perversion.

  28. @Philipp: Danke für den Link. Ich musste gerade im Zug nach Utrecht so oft lachen, dass ich komische Blicke der anderen Reisenden erntete.

    Aber ja: Im Grunde stimmt’s. Und das ist eher zum Heulen.

  29. Ich glaube nicht, dass open peer review gut funktionieren wird. Es kann aber sehr vom Fach bzw. den beteiligten Forschern abhängen.

    Es ist die Frage, ob die Publikationen dort überhaupt ausreichend gelesen und eingehend genug bewertet werden, so dass sich dort viele Arbeiten anhäufen, zu denen man keine belastbaren Bewertungen finden (z.B. weil nur ein oder zwei vorliegen).
    Und dann besteht die Gefahr, dass Institutionen, die Forschungen finanzieren, eine Publikation dort nicht als ausreichend geprüft werten, sie also Forschern keine Punkte bringen (so ein System gibt es z.B. in Tschechien).

  30. @Uwe: Akademie

    Sie greifen hier doch die “Laberfächer” auf.

    Wenn Sie die Geschichte des Rechtsstaats nicht kennen, halte ich Sie darum nicht für einen schlechteren Menschen. Aber vielleicht sollten Sie dann hier nicht so eine starke Meinung vertreten.

    Und Nebenbei: Taliban & Co. sind nun gerade kein überzeugendes Beispiel für akademische Freiheit.

  31. Gerade von Pääbo las ich heute einen Artikel,dass sich selbst der grösste Kritiker sein, sein Ansatz ist.

    Kommen wir wieder zu den Todsünden und Neoliberalismus und dessen Grundlagen.
    Sünden in Rechtfertigung gewandelt.
    Das nenne ich mal kirchlich ‘Wandlung’.

  32. @Paul Stefan: Aufmerksamkeit

    Gute Einwände. Das hängt aber auch etwas von der Zielgruppe ab, oder?

    Viele Forscher sind doch heute auf Twitter usw. Da wird es den Kollegen wohl nicht entgehen, wenn es eine neue Publikation im eigenen Fachgebiet hat. Oder man macht sie darauf aufmerksam. Oder sie schauen sowieso auf die Sites mit dem Open Peer Review, weil sie neugierig sind oder ihre eigenen Arbeiten dort haben. Oder oder.

    Wenn man freilich eine größtmögliche Gruppe erreichen will, kommt man über die Science-Like Papers nicht vorbei, mit ihren Presseabteilungen usw. Das ist ja aber wohl kein gerechtes System.

  33. @Stephan Schleim

    Aber vielleicht sollten Sie dann hier nicht so eine starke Meinung vertreten.

    Meine Meinung vertrete ich so gut ich kann, learning by doing. So ist es halt wenn Bürger sich äußern. Was erwarten Sie?

    Warum werden die Bürgerinnen und Bürger, die das zum Großteil bezahlen, nicht viel stärker in den Entscheidungsprozess einbezogen?

    —–

    Und Nebenbei: Taliban & Co. sind nun gerade kein überzeugendes Beispiel für akademische Freiheit.

    Wie kommen Sie auf diese Auslegung? Das
    war als abschreckendes Beispiel gedacht.
    Herr Schleim, sie glauben Ihre Blase hätte ein größeres Stück vom Kuchen verdient, das dürfte in jeder Blase geglaubt werden.

  34. @Stefan 07.10. 15:54

    „Ich bin für Open Peer Review: Forscherinnen und Forscher stellen ihre Ergebnisse zur Diskussion – und in der Öffentlichkeit beurteilen andere das dann in einem fortlaufenden Dialog.“

    Hört sich doch gut an. Wikipedia funktioniert auch. Und wenn hier mal weniger gute Beiträge eingestellt werden, dann ist das so schlimm auch wieder nicht. Der Leser ist ja selber kompetent. Und kann auch andere Beiträge zum Thema suchen und lesen, und entsprechend zu einem Urteil kommen.

    Für den nichtprofessionellen aber interessierten Leser ist es auch sehr von Vorteil, wenn man keine Paywall mehr aufbaut.

    Wer seine bezahlte Stelle vor den Geldgebern rechtfertigen muss, der hängt im derzeitigem System fest. Aber gerade das ist doch gerade suboptimal. Eigentlich geht es um Neugier bei den meisten Beteiligten. Wenn man für seine Lehrtätigkeit schon Geld bekommt und ein gewisses Grundgehalt für Forschungsarbeit bekommt, dann kann man sich auf seine wirklich einen selber fesselnden Themen konzentrieren. Und nur dann läuft der Mensch im allgemeinen auch zur Höchstform auf.

    Wer nur seine Außenwirkung im Blick hat, und um seine Pfründe kämpft, von dem würde ich sowieso nicht soo viel Interessantes erwarten. Ich als Laie zumindest, der mit dem Wissenschaftsbetrieb eigentlich keine speziellen Erfahrungen hat.

    Wenn da ständig Mainstreaminhalte ewig durchgekaut werden, und immer wieder die selben Annahmen bestätigt werden sollen, dann wird es nebenbei auch allgemein langweilig, scheint mir. Ich glaube nicht, dass uns das so viel weiter bringt. Wirklich ergebnisoffene Forschung, die einfach nur fasziniert, die hat meine ich mehr Potential. Dafür muss man doch Fragen stellen können, die einen selber interessieren, und nicht immer nur gucken, welche Fragen man stellen muss, um an Forschungsgelder zu kommen.

    Wo es Geld zu verteilen gibt, da werden sich immer welche finden, die das nutzen. Das hat seine Berechtigung, sollte aber nicht derart das System dominieren. Wir brauchen einfach mehr praktische Forschungsfreiheit. Zumindest aus der Sicht des interessierten Laien, der auf der Suche nach wirklich interessanten Neuigkeiten ist.

  35. Weniges in dem ich übereinstimme mit dem Artikel, viele Vergleiche die hinken v.a. bzgl. der Naturwissenschaft…

    Wissenschafter ist der tollste Beruf für einen neugierigen Menschen, aber der Zustand der Wissenschaft ist leider desolater denn je. Dänemark und Schweden geben ja keine Impfmittel mehr heraus, weil die Nebenwirkungen und Lebensjahre die dadurch den jungen Generationen verloren gehen den Schutz der Corono-Risikogruppen nicht aufwiegen. Aber von diesem totem Pferd wird man Sie Herr Schleim vermutlich nicht mehr runterkriegen, geschenkt also.

    In der Wissenschaft geht es nur noch um publish or perish, observe and reproduce ist leider tot bei 70% von Studien die diesem Kriterium nicht mehr genügen. Wie diese 70% die letzten zwei Jahre wohl weiter entwickelt haben ist eine rhetorische Frage. Der PCR-Test Publikation von Drosten war nach einem Tag durch den Review (lach). Von den unzähligen Studien und Simulationen wie sich die Pandemiewellen entwickeln hat noch weniger gestimmt als die 70%. Mittlerweile interessiert sich der Rest der Welt nicht mehr für Corona und beendet die Pandemie für beendet während wir uns auf die Herbstwelle vorbereiten und Milliarden in Impfmittel investieren die keiner mehr haben will.

    Dass man jetzt mehr feste Stellen an den Unis vergibt wird sicherlich nur noch mehr Konformisten, Opportunisten und Akademikerkinder in die Verbeamtung treiben. Gerade hier haben sich doch bisher Leute aus unteren sozialen Schichten durchsetzen können, weil Sie bereit waren für ihr Interesse und Ehrgeiz länger unbefristet zu forschen aber es trotzdem schafften sich die Mittel und Professur zu arbeiten. Jemand nach der Dissertation direkt unbefristen wird wie bei der Genderquote die Qualität der Professorenschaft noch weiter verwässern und die soziale Durchlässigkeit beschränken. Denn die Chancen der Unterschicht werden ja noch schlechter in weniger Zeit um die festen Stellen zu konkurrieren.

    Wer als Geisteswissenschaftler anscheinend nicht begreift, dass in den Naturwissenschaften dieser Wettbewerb entscheidend ist um die besten Ideen, die nötigen Fördergelder dafür, die exp. Validierung dieser Ideen und das Ganze 10-15 Jahre dauert von Promotionsbeginn an wie auch die meisten Produktentwicklungen in der Industrie oder von der Idee zum sich refinanzierenden Startup, der hat die Erfolgskritieren und -fähigkeiten guter Wissenschaftler denke ich noch nicht klar durchdrungen.

    Ich empfehle das Buch Adrift von Scott Galloway, darin kann man interessante Statistiken sehen wie z.B. das immer weniger der heutigen Generation es besser haben oder aufsteigen können gegenüber ihren Eltern. Hier könnte die Geisteswissenschaftl wissenschaftsoziologisch mal etwas beitragen, wie das eigentich sein kann und ob wirin einer Sackgasse und Produktivitätsschrumpfung der heutigen Wissenschaft die ja Innovationen bringen soll bereits angekommen sind längst faktisch auch wenn die Zahl der Publikationen und Patente exp. steigt. Dass tun die Inzidenden ja auch jetzt wo man wieder anfängt stärker zu testen, man misst eben was man messen will in beiden Bereichen. Von dt. Wirtschaftsforschern wird seit Jahren berichtet, dass die Produktivität fällt und fällt…

    Trotzdem Glückwunsch zu ihrer Unbefristung.

  36. @ Kuhn

    Sie scheinen ein gewisses Menschen-/Gesellschafts-/Weltbild zu haben,in dem Fortschritt grenzenlos ist und permanente Veränderung die Konstante ist.
    Schon mal darüber nachgedacht,dass wir im Grunde am Ende angekommen sind?
    Nicht jede ScienceFiction als Vision verklärt wird real.

  37. @Kuhn: Wettbewerb

    Wo bleibt der Nachweis, dass im Konkurrenzkampf um Fördermittel beim heutigen Peer Review die besten Ideen ausgewählt werden, statt Konformität? Aber Ihre Corona-Generalkritik konnten Sie ja ein weiteres Mal wiederholen. (Tipp: Niemanden interessiert’s.)

    Ich kann mangels Kenntnis nicht über die Physik oder Chemie sprechen; aber in der (Bio-)Medizin, die sich so rühmt, naturwissenschaftlich sein zu wollen, wird ein Großteil der Forschung für die Mülltonne produziert und sind wirkliche Innovationen selten. (Sagen selbst Mediziner in führenden Fachzeitschriften.)

    Z.B. weder das Manhattan-Projekt noch die Entwicklung der Coronavirus-Impfstoffe setzten auf das etablierte Wissenschaftssystem; Marktprinzipien wurden durch staatliche Förderung außer Kraft gesetzt.

  38. @ Kuhn

    Produktivität um der Produktivität willen ist genau das Problem.
    Es gibt den Gedanken,das ein Kind lediglich ein Produkt von Sex ist.
    Ich halte die komplette Durchökonomisierung von Gesellschaften in der Tat für eine Fehlentwicklung.
    Zudem dahinter momentan noch eine lineare Ökonomie verstanden wird.

  39. @Mussi:

    @ Philipp / Schleim
    Das man sich mal ordentlich in die Haare kriegt, halte ich nicht für verkehrt,solange man danach auch wieder ein Bier trinken kann.
    Es gibt halt Erkenntnisse,die sich widersprechen. Das kann man dann einfach stehen lassen
    .”

    Vielleicht reden wir jetzt über zwei verschiedene Themen?

    Privat kann ich in Diskussionen auch Gas geben. Es ist aber ein anderes Thema wenn es um die Begutachtung einer anderen Arbeit/Studie/Paper geht. Eine Arbeit kann basierend auf ihren Daten/Beobachtungen beispielsweise andere theoretische Schlussfolgerung ziehen als ich das getan hätte. Es geht dann nicht um meine Meinung, sondern darum ob die Autoren der Arbeit qualitativ ausreichend gut gearbeitet haben und ob man ihre theoretischen Schlussfolgerungen (beispielsweise im Diskussionsteil der Arbeit) halbwegs folgen kann. Dazu muss man nicht allen Aspekten der Arbeit zustimmen.

    Ich würde also klar unterscheiden zwischen: a) Diskussionen um Thema X, beispielsweise unter Freunden, Kollegen, oder hier im Blog und b) Begutachtung der Arbeit von anderen in die Menschen etliche Stunden Arbeit (Wochen, Monate) investiert haben. Im letzteren Fall sollte man doch eher unterstützen statt “zu diskutieren”.

  40. @ Philipp

    Prinzipiell gebe ich Ihnen was das Schlussfolgern und Urteilen zur materiellen Dimension betrifft natürlich recht.
    Bei ‘Geistesprodukten’ funktioniert das aber nicht. Deshalb ist der Streit in der Demokratie so wichtig. Da geht es um’s Durchsetzen.

  41. @ Philipp

    Putin zu Macron:” Ich setze mich durch,entweder mit Verhandlung oder Krieg”.

  42. Ketzerische Frage: wieviel Wissenschaft und Erkenntnis steckt dahinter?
    Wieviel Philosophie? Dugin oder die Bostoner bzw. Chicagoer Schule?

    Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

  43. @Philipp: Fakten & Meinungen

    Das Hauptproblem ist, denke ich, dass Fakten und Meinungen nicht strikt getrennt werden; wobei man noch anerkennen müsste, dass auch Fakten auf Theorien und Annahmen basieren. Grundkurs Wissenschaftstheorie.

    Ich hatte selbst gerade bei meinem Artikel Communication About Phineas Gage in einer neurowissenschaftlichen Zeitschrift die Erfahrung, dass alle drei Peer Reviewer dagegen waren. Der Redakteur warf das Handtuch. Eine andere übernahm und fand, dass die Arbeit publiziert werden müsste. Von den drei Peer Reviewern verschwanden zwei nach peinlichen Bemerkungen, über die man eigentlich mal schreiben müsste, ins Nichts. Der dritte zog das Fazit, dass er keine wissenschaftlichen Einwände mehr hat; dieses Verhalten fand ich korrekt. Damit wurde der Artikel dann publiziert.

    Das ist natürlich ärgerlich, wenn man sieht, wie viel Müll im Gegensatz publiziert wird, auch in führenden Zeitschriften, weil er der herrschenden “Neuro-Ideologie” entspricht. Und auch wenn man einmal eine kritische Sichtweise durchsetzen kann, kostet das so viel Zeit und Energie, dass das für den Kritiker ein Wettbewerbsnachteil ist und bleibt.

  44. @ Schleim

    Erfolg und folgen ist wohl das grösste Geheimnis mit/bei Durchsetzen.

    Fragen sie mal die Gläubigen.

  45. Uwe Hauptschüler,
    auch wenn du es nicht glaubst, die ökonomischste Wissenschaft ist die Philosophie.
    Warum ? Ganz einfach, Philosophie listet auf, was Menschen schon gedacht haben und wie sie gedacht haben. Und wenn man das weiß braucht man die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.
    Früher hieß sie noch Naturphilosphie und war eine Mischung aus Physik, Chemie , Moral, Gesellschaftswissen und auch Rechtswissenschaft.
    Eine Beschäftigung damit nennt sich heute “Studium generale”

    Ein Wissenschaftler sollte also von allem eine Ahnung haben und wissen, warum man forscht, wie man forscht und welche Folgen das haben kann.
    Der Erfinder der Wasserstoffbombe, Oppenheimer, der hat sein Tun später bereut.

    Zu “toller Beruf”, es ist ein toller Beruf, wenn man wissen will, was die Welt im Innersten zusammenhält, es ist verfluchter Beruf, wenn man einen Dämon entdeckt und ihn auf die Menschheit loslässt.
    Und es ist ein undankbarer Beruf, wenn man für seine Forschungsergebnisse getadelt wird.

  46. @Stephan Schleim:

    Das Hauptproblem ist, denke ich, dass Fakten und Meinungen nicht strikt getrennt werden; wobei man noch anerkennen müsste, dass auch Fakten auf Theorien und Annahmen basieren. Grundkurs Wissenschaftstheorie.”

    Das ist mir alles klar. Aber man muss die Dinge in der Praxis nicht komplizierter machen als sie eigentlich sind.

    Ich hatte selbst gerade bei meinem Artikel Communication About Phineas Gage in einer neurowissenschaftlichen Zeitschrift die Erfahrung, dass alle drei Peer Reviewer dagegen waren…

    Es gibt bei manchen Journalen die Möglichkeit die Gutachter/Reviewer vorzuschlagen. Auch kann man Gutachter (beispielsweise 1-2) je nach Journal ausschließen. Ob die Editors dann auch zwei oder drei der empfohlenen Gutachter nehmen ist natürlich eine andere Frage. Ich finde das gut. Denn zumindest steigt die Wahrscheinlichkeit Gutachter zu erhalten die beispielsweise Kernpunkte des Papers besser verstehen.

  47. @Philipp: Reviewer

    Es bezog sich doch gerade auf die Praxis, in Reviews Meinungen und Fakten nicht zu trennen.

    Übrigens wollte ich dir kein Defizit in Wissenschaftstheorie unterstellen, falls das so rüberkam; im Gegenteil.

    Aber das Vorschlagen bzw. Ausschließen von Reviewern ist ja wiederum nur Symptombehandlung. Und wenn es dann ein paar “Freune” statt “Feinde” werden, dann ist eine neutrale Beurteilung auch nicht wirklich gewährleistet.

  48. Zum Tod Bruno Latours (1947-2022), den ich in Groningen noch live miterleben konnte, und passend zu unserem Thema ein kurzer Hinweis:

    Der Wissenschaftssoziologe zeigt im Buch Laboratory Life: The Social Construction of Scientific Facts (1979, mit Woolgar), dass Wissen in den Naturwissenschaften (auch) durch soziale Prozesse geprägt ist: wie Rhetorik, Voreingenommenheit und Gruppenverhalten.

  49. @Mussi: Margraf & Individualisierung

    Danke für diesen interessanten Link. Margraf ist Professor für Klinische Psychologie und ich zitiere ihn regelmäßig.

    Die Tipps für den Umgang mit Stress sind gut – zielen aber alle, wie leider so oft in der heutigen Klinischen Psychologie, aufs Individuum (z.B. Anfertigung eines “Dankbarkeitstagebuchs”). Mit anderen Worten: Es geht immer nur um Anpassung; an den strukturellen Ursachen für Stress wird nichts getan.

    Siehe auch:

    Deutsche wollen weniger Stress – doch wie?

    Wozu Meditation und Achtsamkeit? Und wozu nicht?

  50. Deutsche wollen weniger Stress – doch wie?

    Weniger Konsum wäre eine Maßnahme. Für das gesparte Geld reduziert man die Arbeitszeit. Hab ich gemacht. Wäre auch bei einigen Arbeitskollegen machbar gewesen. Wurde es aber nicht nicht. Ein Betriebsrat behauptete mal, dass z.B. Altersteilzeit öfter von den unteren Lohngruppen als von den oberen in Anspruch genommen werde.
    Arbeiten wird gerade von Studierten oft verklärt. Es muss unbedingt eine Arbeit sein, die Spaß macht. Bei einer guten Bezahlung läßt sich die Arbeitszeit eher reduzieren. Um 13:00 Feierabend zu machen, ist spaßiger als um 15:30. Von einem Großvater, ehemals Bergmann, habe ich den Spruch: “Die beste Arbeit und die beste Krankheit taugen nichts.”

  51. @uwe: Teilzeit

    Ja – ich stimme Ihnen zu. Als ich diesen Vorschlag zuletzt auf einer Online-Tagung machte, erhielt ich aber gleich die feministische Keule, dass die meisten Frauen ohnehin in Teilzeit arbeiteten und das eine Armutsfalle sei.

    Wenn man gerade so über die Runden kommt, ist Teilzeit auch nicht wirklich eine Option.

    Aber bei vielen wissenschaftlichen Anstellungen ist es leider anders herum: Man hat sowieso nur einen (befristeten) Teilzeitvertrag, soll aber mehr Stunden arbeiten. Als Doktorand wurden mir 20 Wochenstunden vergütet, erwartet aber eher 60. Und das wurde noch als mehr oder weniger “fair” angesehen.

    Ich arbeite übrigens selbst in Teilzeit und erwäge auch, die Stunden weiter zu reduzieren. Ich kann es mir aber leisten, ohne große Einschränkungen. (Mache umgekehrt aber auch keine teuren Urlaube etc., habe nicht einmal ein Auto.)

    Die Schlussfolgerung bleibt aber: Die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind oft schlecht. Vielleicht sollte man einfach etwas anderes machen.

  52. „Die Coronapandemie zeigte erneut, wie wichtig Forschung ist.“ „Wenn Wissenschaft so frei ist – auch die “Publikation” kommt von lat. publicatio, Veröffentlichung –, warum erzählen einem so viele Forscherinnen und Forscher so oft bestimmte Dinge nur “hinter vorgehaltener Hand”?”
    “Wenn es in der Wissenschaft vor allem um Veröffentlichung (von Erkenntnissen) geht, warum ist dann auf dem Weg dorthin so gut wie alles geheim? Und bleibt es auch?”
    Zitate s.o.

    „Mir erging es wie beim Befragen eines Prüflings. Wenn da irgendetwas hohl klingt, bohrt man nach. Wenn man dann keine, falsche oder sich widersprechende Antworten bekommt, hat man keinen Zweifel, dass der Kandidat ein Problem hat. Die offensichtlich falsche Information zur Farbe des Impfstoffs auf dem Beipackzettel haben wir erst zu fünft diskutiert. Auf unser anschließendes Nachfragen erhielten wir von BioNTech und dem PEI keine, falsche und sich widersprechende Antworten. Zum Beispiel hat das PEI auf unsere Frage zur Farbkontrolle auf eine Vorschrift zur Messung des Erweichungspunkts von Zäpfchen verwiesen. In Examensprüfungen erhält man selten Antworten, die so daneben liegen.“

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=89043

    Nach der Lektüre dieses Interviews beneide Sie um Ihr weiterbestehendes Vertrauen in die wissenschaftliche Arbeitsweise des PEI.

  53. Das heißt, wissenschaftliches Personal durfte (und darf) vor der Promotion für sechs Jahre und dann noch einmal für sechs Jahre zeitlich befristet angestellt werden – ohne besonderen Grund.

    Gelten die Fristen für Vollzeitstellen und wie sieht es aus, wenn man in Teilzeit an einem Lehrstuhl arbeiten möchte, weil man nicht 8-9 Stunden am Stück geistig konzentriert bleiben kann bei hochkomplexen mathematischen Konzepten und Formeln? In mir ist der Eindruck entstanden, dass z.B. Medizin ein Auswendiglernfach ist, während man Mathematik konzeptionell ab Beginn des ersten Semesters verstehen muss, um weiterzukommen. Interessant an der Philosophie ist, dass sie mit der Mathematik verwandt ist, in dem Sinne, dass Philosophen Mathematiker waren und man auch Mathematik mit Nebenfach Philosophie studieren kann.

    In der Praxis werden die Leute dann aber oft für die maximale Dauer – es geht hier um die produktiven Jahre der 20er und 30er – in befristeten Arbeitsverhältnissen gehalten und schließlich “weggeworfen”.

    Das habe ich fast am eigenen Leib gespürt. Erst hatte ich eine DFG-Stelle ohne Lehrverpflichtung, was für mich ideal war, weil ich mich ausschließlich auf reine Forschung konzentrieren konnte und ich absolut kein Mensch bin, der sich für Lehre begeistern lässt. Leider wurde dieser Vertrag nach fast zwei Jahren von drei Jahren Befristung in einen Vertrag mit Lehrverpflichtung ohne meine Zustimmung geändert, den ich für Weiterbeschäftigung unterschreiben musste. Als mir diese Abhängigkeiten zu bunt wurden, habe ich gekündigt und stehe dem aktuellen „Wegwerfsystem von Akademikern“ sehr skeptisch gegenüber. Ich würde eher Bürgergeld beantragen und meinen eigenen Forschungsinteressen an der Uni nachgehen), als mich diesem falschen System zu unterwerfen.

    “Wissenschaft ist kein normaler Beruf. Es ist ein Traumberuf mit extrem viel Freiheiten und Selbstbestimmtheit.”

    Wenn ich eine solche Aussage lese, frage ich mich, welchen Beruf dieser Schreiber ausübt und ob er den Beruf als Wissenschaftler nicht idealisiert. Welche Freiheiten soll der Wissenschaftler haben und wo liegt die Selbstbestimmtheit? DFG Stellen schreiben dir dein Forschungsinteressengebiet vor, sowie der Lehrstuhl, an dem du arbeitest. Intrinsische Motivation wird so getötet. Mein Interessengebiet setzt sich aus mehreren zusammen. Also müsste ich theoretisch an mehreren Lehrstühlen arbeiten, um es abzudecken. Es gibt auch Menschen, die haben absurde Vorstellungen vom Lehrerberuf: Lehrer seien faul, hätten viel Freizeit und Ferien und sollten doch lieber weniger Bezahlung bekommen, damit mehr leidenschaftliche Lehrer den Beruf ergreifen, weil es nicht sein kann, dass ein Lehrer anständig für seine Leistung bezahlt wird. Ach ich hatte vergessen zu erwähnen, dass Lehrer doch nichts leisten, wenn sie vor einer Klasse stehen. Sowas hörte ich von einer Kleinfamilie mit drei Personen, die mit einem Bruttoeinkommen von 5000 Euro schlecht zurechtkamen.

    mir selbst ermöglichten frühe Erfolge beim Einwerben von Drittmitteln auch viele Kongressreisen um die Welt. Als ich merkte, wie viel Zeit für das Reisen draufging, während die liegengebliebene Arbeit im Büro sich nicht von selbst erledigte, reduzierte ich das aber wieder.

    Wer hat, dem wird gegeben. Man muss erst einmal die Möglichkeit bekommen, überhaupt Drittmittel einwerben zu können. Wenn das dann erfolgreich war, steht einem die Welt der Forschung für ein kleines Zeitfenster sperrangelweit offen. An meinem Lehrstuhl wurde ich trotz sehr guter Leistungen nicht betreut, es fehlte schlicht das Geld, bis heute. Und selbst wenn ich eine Forschungsstelle finanziert bekäme, wäre es mühsam, weil ich mit Fremdbestimmtheit konfrontiert wäre. Man besucht dann nur Tagungen, die für die eigene Forschung relevant sind und die Forschungsthemen werden in der Regel vom Lehrstuhl vordiktiert. Wehe, man käme auf die Idee selbst Ideen zu entwickeln. Was ich ebenfalls beobachtet habe: Studenten, die besser ins Prüfungssystem passen, bekommen die Promotionsstellen, während man selbst versucht zu verstehen und zu hinterfragen, selbst das komplette Prüfungssystem.

    Den nötigen Rest sollten sich die Wissenschaftler mit Anträgen selbst verdienen, frei nach dem Motto: Der Wettbewerb sorgt für die Bestenauslese. Die Regeln dafür legen aber oft externe Akteure fest: Beamte, Stiftungen oder Betriebe.

    Meine bisherige Lebenserfahrung – ich bin noch jung – hat mir gezeigt, dass nicht Wissen zählt, sondern Vermögen und Einkommen, was schon da ist. Wer hat, dem wird gegeben. Beispiel: Erbe. So wird seit Generationen weitergegeben, was von einem Startpunkt aus erwirtschaftet wurde und durch Vermehrung über Zinsen (wer hat, dem wird gegeben) an Menschen weitergeben wird, die dann mit einem, der schlechte finanzielle Ausgangssituation hatte, konkurrieren muss. Das führt bei mir dazu, dass ich mein Wissen nur noch verkaufen möchte, als es freizügig überall im Netz preiszugeben, weil ich kein Einkommen im Wissenschaftssystem erzielen kann. Mir reicht eine Teilzeitstelle. Ich musste schon immer mit wenig Ressourcen auskommen. Diese Fähigkeiten zählen nicht, sondern wer fährt den dicksten SUV und damit dann Grundschulkinder platt.

    Da solche Entscheidungen oft auf Grundlage anonymer Gutachten getroffen werden, kommt es zu einer Fokussierung auf den Mainstream. Sprich: Wer das macht, was alle machen, hat die größten Erfolgschancen.

    Jeder macht z.B. irgendwas mit Learning. Da fließen die Gelder. Aber nicht jeder hat die mathematischen Fähigkeiten die Verfahren überhaupt zu verstehen. Und wer soll in Zukunft Algorithmen entwickeln, für das ein tiefes mathematisches Verständnis fächerübergreifend benötigt wird? Ich, denn ich habe mir die Mühe gemacht, gegen den Mainstream so breit mein Fach zu studieren, dass ich in der Lage bin konzeptionell in viele Richtungen zu denken. Ich muss – tut mir leid – sehr darüber schmunzeln, wenn Mediziner Deep Learning Verfahren erklären, weil sie in der Regel mathematisch fachfremd sind. Aber ich bin genauso fachfremd in Medizin und habe großen Respekt davor, was professionelle Mediziner leisten können. Ohne Medizin hätte ich womöglich diesen Beitrag nicht bei MENSCHEN-BILDER veröffentlichen können.

    Die Coronapandemie zeigte erneut, wie wichtig Forschung ist. Einen der wichtigsten Impfstoffe entwickelte aber das Unternehmen BioNTech – und brauchte dafür sogar noch die Hilfe des größeren Partners Pfizer. Derweil waren die Wissenschaftler an den öffentlichen Instituten vielleicht noch mit dem Schreiben Anträgen und Einreichen von Formularen beschäftigt.

    Ich kann mir vorstellen, dass die großen Unternehmen ihre eigenen Forschungsabteilungen haben. Man muss den profitorientierten Unternehmen zu gute halten, dass sie eben Gewinne machen und damit ihre Forschung finanzieren. Es stimmt, dass die Uni im Nachteil ist durch das Schreiben von Anträgen und Einwerben von Drittmitteln, was auch dazu führen kann, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit gefährdet wird. Denken wir an wirtschaftliche Interessen, die den Weg in die Lehrstühle finden. Wie könnte es an den Unis besser laufen? Gebt den Unis mehr Geld. Investiert in Forschung, Lehre und Bildung. Man sieht es an den Schulen, was uns Bildung wert ist. Mir ist es auch weitgehend egal, dass wir Fachkräftemangel haben. Ich werde mich jedenfalls nicht als Quereinsteiger vor eine Klasse stellen, nur um als Feuerlöscher zu dienen. Die Probleme wurden verursacht von der Gesellschaft. Dann muss diese sie bitte lösen. Ich spende auch nichts an die Tafel. Man muss die Probleme nicht dadurch manifestieren, dass man sie aufrechterhält.

    Erstaunlich ist auch, wie vielen Forschern, die eigentlich alle nach Wahrheit suchen, einfachste Wahrheiten ihrer eigenen Arbeiten nicht auffallen: dass diese sich beispielsweise nicht ohne Weiteres wiederholen (replizieren) lassen, wie das bei guter Wissenschaft der Fall sein müsste. Wahrscheinlich betreibt ein Großteil von ihnen schlicht das, was Thomas Kuhn (1922-1996) “normale Wissenschaft” nannte: produktiv gemäß den Erwartungen des eigenen Paradigmas forschen, ohne dessen Annahmen kritisch zu hinterfragen.

    Das ist der beste Punkt. Ich habe es selbst erlebt. Ein Algorithmus in einem Paper, wo sogar der Code abgedruckt wurde, hat nicht die Ergebnisse geliefert, wie im Text beschrieben. Meine Vermutung: Der Code ist fehlerhaft abgedruckt, um nicht seine eigene Programmierleistung frei zur Verfügung zu stellen. Dann könnte der nächste sofort mit einem fertigen Programmschnipsel loslegen, wofür der erste viel Zeit investiert hat. Ich denke, dass das auch der Grund für Patente ist. Warum soll ich meine Verfahren, die mich viel Zeit, Wissen und Geld gekostet haben, einfach so jedem überlassen? Das geht nur, wenn Geld kein Ziel wäre, dass es zu erreichen gilt.
    Gute Wissenschaft, wissenschaftliches Arbeiten: Ich bin hier am Anfang meiner Promotion und lerne gerade das Schreiben von Papern nach guter, wissenschaftlicher Praxis, sprich: Vermeidung von Plagiaten. Uns Studenten wurde gesagt, dass wir nicht unsere eigenen Arbeiten zitieren sollen. Das habe ich aus folgendem Grund nicht verstanden: Wenn ich in einem Paper eine Aufgabe mit Verfahren A löse und in der Diskussion dann überlege, dass ich auch ein Verfahren B nehmen kann, was ich dann in einem weiteren Paper bearbeiten möchte (weil ich möglichst viele Paper veröffentlichen will) und die beiden Verfahren vergleichen möchte, muss ich doch Paper A zitieren. Stephan Schleim macht in seinem Blog sehr viel Selbstreferenzierung – nur so am Rande.
    Woher weiß ich, was meine eigene Leistung tatsächlich war? Ich erfinde das Rad nicht neu. Hierbei wurde uns der Hinweis gegeben, in eigenen Worten die Konzepte zu beschreiben. Ich habe zu oft das Gefühl, dass ich doch eigentlich von anderen abschreibe, zum Beispiel Formeln oder Notationen. Ich mache hier doch kein Umlabeling. Naja, irgendwann habe ich das richtige Zitieren und Vermeidung von Paraphrasierung auch verstanden. Vielleicht hat jemand einen guten Link für meine Fragestellungen bzgl. Plagiat vermeiden.

    Er stellte die wissenschaftliche Laufbahn als ein Glücksspiel dar. Doch dabei hätten nicht alle dieselben Chancen:

    Das gibt mir Trost und Verständnis meiner Situation. Es liegt nicht an mir. Ich habe sehr gute Leistungen, selbst erarbeitet und viele Hürden in Kauf genommen und mich damit zum Außenseiter gemacht.

    Aber auch ich frage mich heute, was ich Studierenden oder gerade Graduierten empfehlen soll, die sich wegen einer Berufsberatung an mich wenden. Wissenschaft kann faszinierend sein, ja. Doch zu einem Großteil wird man sich danach richten müssen, was andere denken und wollen.
    Selbst diejenigen, die die Spielregeln des heutigen Systems beherrschen, verbringen einen Großteil ihrer Zeit mit Formalitäten und Management. Ist das der Sinn der Sache? Für die schlauesten Köpfe unserer Zeit?
    Insofern ist mein Tipp, vor allem dann in die Wissenschaft zu gehen, wenn man es nicht lassen kann. Dabei sollte man, spätestens gegen Ende der Promotionsphase, auch über realistische Alternativen nachdenken. Und die Augen offenhalten.

    Das werde ich im Hinterkopf behalten für meinen eigenen Berufsweg und mir von niemandem erzählen lassen, was gut für mich sein soll, wenn finanzielle Interessen meinen Weg bestimmen sollen und es nicht mehr um mich und meine Gesundheit geht. Wenn mir bspw. Stress bereitet Lehre gegen meine Natur übernehmen zu sollen, entscheide ich mich lieber für Stressvermeidung als eingespannt zu werden in einen Lehrbetrieb, der vorallem durch Unterfinanzierung von Stellen Probleme bekommt. Was ich grundsätzlich nicht verstanden habe: Lehrstuhlinhaber schreien nach fehlenden Leuten für die Lehre. Der Lehrstuhlinhaber wird doch dafür bezahlt Lehre zu machen. Er ist sogar dafür verpflichtet. Es liegt in seiner Verantwortung, dass der Lehrbetrieb läuft. Warum stellt er sich nicht selbst vor die Studenten und rechnet seine Übungszettel vor? Warum auslagern von Verantwortung und Delegationsketten bis zu Bacheloranden? Das finde ich fehlplatziert. So musste ich am eigenen Leib erfahren, dass mir eine Masterarbeit an einem Lehrstuhl verweigert wurde, wenn ich nicht Lehre übernehme. Es wurde dann schön verpackt in ein Sätzchen: Dann müssen Sie aber mithelfen bei uns… Achja, muss ich das? Ich habe den Lehrstuhl gewechselt, keine Lehre gemacht, eine sehr gute Betreuung genossen und fachlich sehr gut abgeschlossen. Ich bin nicht verantwortlich für die schlechte finanzielle Situation an den Lehrstühlen. Ein kleiner Tipp: Man kann sehr viel im Eigenstudium schaffen.

    Wenn es in der Wissenschaft vor allem um Veröffentlichung (von Erkenntnissen) geht, warum ist dann auf dem Weg dorthin so gut wie alles geheim? Und bleibt es auch?

    Weil eben die Finanzierung nicht vom Himmel fällt. Mir wurde eine fachliche Kooperation mit anderen Professoren untersagt, damit ich nicht Gefahr laufe mein Forschungsthema zu verlieren. So prekär ist das Wissenschaftssystem. Du musst alles geheim halten, sonst ist der nächste schneller und promoviert mit deinen Ergebnissen. Sehr ärgerlich. Abschaffen des Publikationsdruck und finanzielle Förderung würde vielleicht mehr Erkenntnisgewinn bereitstellen. Ich weigere mich Literaturrecherche zu betreiben aus einem Pool von überspitzt formuliert 99.9 % publizierten Müll… Dafür fehlt mir die Zeit. Nach dem Impact kann man auch nicht gehen. Es wird zu viel NONSENSE abgeschrieben und zitiert. Grausam.

    Wenn es diese gravierenden Probleme seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit einem Jahrhundert und länger gibt, warum spielen dann immer noch so viele mit?

    Man wächst in den Problemen auf und gewinnt vielleicht erst Einsicht, wenn man selbst promoviert. Da das aber auch die Zeit für Familiengründung ist, wird dann Geld verdienen am Ende wichtiger als gegen die Situation anzukämpfen. Vielleicht können sich auch nur Menschen kritisch damit auseinandersetzen, die keine Familie haben. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass wenn der Thron (Lehrstuhl) einmal erklommen wurde, es diese nicht mehr interessiert und im System mitspielen und Doktoranden weiter verheizen, weil sie selbst im System Uni gefangen sind, aber ihren Beamtenstatus nicht verlieren wollen. Ich habe beobachtet, dass beim Bewerben auf Lehrstühle schlecht um Dauerstellen verhandelt wurde. Dann muss man eben mit einer Dauerstelle zurechtkommen. Hätte man von vornherein um drei Stellen gekämpft und zwei raushauen können, sähe die Lehre vielleicht besser aus und müsste keinen Affentanz bei der DFG aufführen, um Mittel für Aufgabenstellungen zu bekommen, die kein Absolvent nach Regelstudienzeit mehr schaffen kann. Man müsste noch mal drei Semester Promotionsstudium anhängen, um sich in das Forschungsthema einzuarbeiten.

    Warum sind wir so besessen von Exzellenz und der neuen Elite, während 14(!) Prozent der Schülerinnen und Schüler gar keinen Abschluss mehr schaffen?

    Neulich erst wieder gelesen, dass in Kitas schon die zukünftigen Menschen für die Wirtschaft zu finden sind. Klar, der Mensch ist nur noch Produktionsfaktor, der möglichst passgenau ins System reinoptimiert wird. Wenn das nicht gelingen mag, meditiert man, macht Yoga, besucht Stressbewältigungskurse und verbringt Zeit beim Verhaltenstherapeuten, die auch nur Output unserer kranken Leistungsgesellschaft sind. Bedingungsloses Grundeinkommen. Diskutiert mal darüber und hört endlich auf, alles nachzuplappern, dass das nicht finanzierbar sei. Klar, ihr könnt es nicht selbst berechnen, es ist komplex. Aber versucht doch einmal wenigstens darüber ernsthaft nachzudenken. Findet doch mal die Gründe dafür, warum nur wenige Prozent sehr viel Reichtum besitzen und überlegt doch endlich mal, wer das finanziert: Ihr!

    P.S. Wer Gedanken frei lässt, hat wieder Kapazität für neue.

  54. Teilzeitstelle & In Ruhe gelassen werden

    Teilzeitstellen an der Uni hängen von den Lehrstühlen ab. Wo Geld vorhanden ist, gibt’s auch Vollzeitstellen oder wo viel Vermarktung stattfindet (siehe BWL). Unterbezahlung aber das dreifache Arbeiten gab’s auch in der Chemie. Ich selbst hatte eine Vollzeitstelle (woanders) bezahlt bekommen, habe dann aber auch nach der Arbeit und an Wochenenden und im Urlaub gearbeitet, um überhaupt die Forschungsaufgabe in der vergüteten Befristung von drei Jahren zu bearbeiten. Ich bin ausgebrannt.

    Ein Rechnen in 2D hätte unnötigen Overhead durch eine dritte Dimension vermieden. Ich denke nur Mathematiker können beurteilen, wann 2D Rechnen ausreicht und wann es wirklich notwendig ist eine dritte Dimension miteinzubeziehen. Aber trag das mal Geldgebern vor. Wer das Geld hat, aber keine Ahnung, fördert, was er sich am besten vorstellen kann. Und das ist eine 3D Simulation!

    In die Teilzeitfalle fallen Frauen deshalb, weil es in unserem Arbeitssystem so angelegt ist. Solange noch nach dem „Der Mann ist Ernährer und hat zu versorgen“- Prinzip gelebt wird, bleibt die Teilzeitfalle. Sobald das erste Kind da ist, rutschen Paare automatisch in die Falle, wenn es wirtschaftlicher ist, dass Mann seiner Arbeit nachgeht und Frau in Teilzeit geht und dabei dann noch Kind unentgeltlich selbst betreut, kocht und den Haushalt unbezahlt schmeißt. Gefördert wird das Ganze dann noch durch Ehegattensplitting. Nicht mehr witzig finde ich, dass bei Einkommenssteuererklärungen dann das Ehegattensplitting so erklärt wird, dass Mann automatisch in Steuerklasse 3 und Frau in 5 geht, wenn ich das richtig wiedergebe. Eben automatisch, weil Mann mehr verdient und Frau ja „nur“ einen Teilzeitjob macht. Alles klar. Im Übrigen habe ich schon miterlebt, wie beim Einstellen einer Frau gefragt wurde, ob diese wegen Frauenquote eingestellt wurde, obwohl die Frau teilweise besser ausgebildet war als entsprechende Herren.

    Ich möchte einen Teilzeitjob in der Forschung machen ohne Lehrverpflichtung. Da ich seit meinem Burnout nicht mehr arbeitsfähig bin, werde ich Maßnahmen wie berufliche Reha ausprobieren und bis dahin unbezahlt weiterstudieren, auch wenn das rententechnisch dumm ist. Aber die Rente an sich ist ein dummes, nicht funktionierendes System. Wenn das nicht funktioniert, beantrage ich Erwerbsminderungsrente. Dann gibt’s die nächste sehr gut ausgebildete Fachkraft, die an den unmenschlichen Bedingungen in der Arbeitswelt scheitert und dessen/deren Potential weggeworfen wurde, wie bei dem Asperger-Menschen, der einfach nur einen ruhigen, ungestörten Arbeitsplatz gebraucht hätte, damit er sich konzentrieren kann. Wann begreift der Durchschnittsmensch, dass es Menschen gibt, die keine Reizüberflutung verarbeiten können? Es ist nicht jeder kompatibel in Großraumbüro, Kundenkontakt, Telefonie, Sprechen vor Menschen. Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben, insbesondere allgemein vom Menschen!

    Themenvorschlag:

    In Ruhe gelassen werden. Mir leuchtet die Schulpflicht ein. Schließlich ist es wichtig, dass jeder Mensch sein Recht auf Bildung erfüllt bekommt. Aber oftmals ist Schule eben auch das pure Gegenteil, ein Ort des Mobbings, des Vergleichens, an dem man gezwungen wird Leistung zu erbringen, sonst bekommt man bei Leistungsverweigerung eine 6. Wenn man nicht spurt, verspielt man sich die Zukunft. Man wird einfach nicht in Ruhe gelassen von den Mitmenschen um einen herum, mit denen man in überfüllten Bussen gequetscht stehen muss, sich in der Klasse bloßstellen lässt, etc. Dabei hat der Mensch doch ein Recht darauf in Ruhe gelassen zu werden, wie unser tolles Strafgesetzbuch zeigt. Warum gilt das dann nicht für jeden Menschen, insbesondere bezogen auf Schule und Leistung?

    P.S. Wer Gedanken freilässt, hat Kapazität für neue.

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