Tests – ein paar Worte dazu

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Jeder, der was auf sich hält, weiß auch was übers Testen. Zum Testen von Intelligenz oder intellektuellem Entwicklungsstand (was bei Kindern sicherlich die bessere Bezeichnung ist). Aktuell habe ich zwei Gespräche mit Eltern geführt, die mich zweifeln lassen, ob die Zunft der Testpsychologen wirklich einen guten Job macht. Eltern stecken einfach in einer schwierigen Lage: Dem Kind geht es nicht gut, der Druck wächst – und dann kommt der Test.

Grundsatzfragen zum Testen möchte ich in der Folge nicht erörten, sondern zwei Aspekte aufgreifen: Sprachliche Fähigkeiten im jungen Alter und Extremwerte über IQ 130.

Jonas hat einen Verbal-IQ von 134. Was man wissen muss: Intelligenzdiagnostik in jungen Jahren ist vielmehr eine Form von Entwicklungsdiagnostik, nicht aber die Festschreibung einer Ausprägung schlechthin. Auch ist bitte zu bedenken, dass gerade sprachliche Anteile der Gesamtintelligenz in jungen Jahren schlichtweg einen Entwicklungsvorsprung messen. Die anderen (die Vergleichsgruppe, anhand derer der Vorsprung festgestellt wurde) holt in den weiteren Jahren auf – sie wird beschult, Sprache wird gefördert. Und siehe da: Der Vorsprung schmilzt. Jonas hat in der 5.Klasse „nur“ noch einen kleinen Vorsprung und liegt in seinen sprachlichen Fähigkeiten im IQ 115-120.

Anton hat einen IQ von 145. Vorsicht: Da hat der Diagnostiker nicht genau erklärt, wie die Testergebnisse im Bereich über IQ 130 zu verstehen sind. In den Randbereichen der Intelligenzverteilung können die Werte extrem verzerren. Hier liegen nämlich nur wenige Vergleichswerte vor, da in der Testnorm nur wenige Probanden in diesen Bereichen vorliegen. Bei 2% Hochbegabten ist das fast selbstverständlich. Also behelfen sich Testkonstrukteure, indem sie „schätzen“. Aus diesem Grunde wird vom „Deckeneffekt“ gesprochen, der für viele Tests gilt.

Zusammengefasst: Je jünger Kinder sind, desto stärker können die Werte im weiteren Verlauf schwanken. Besonders sprachliche Anteile können in jungen Jahren überschätzt werden. Tests messen in der Regel genau bis zur Grenze von IQ 130. Über diese Grenze hinweg können keine genauen Angaben gemacht werden.

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Veröffentlicht von

Götz Müller ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter des Instituts für Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). Er arbeitet beratend und diagnostisch mit Familien hoch begabter Kinder und Jugendlicher. In der psychotherapeutischen Arbeit beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit dem Underachievement bei Hochbegabten, hier insbesondere bei Jugendlichen.

13 Kommentare

  1. Hochbegabung – fehlende Vergleichsgruppe

    und fehlende Messgenauigkeit….

    Vielen Dank für die wertvollen Hinweise, ist es immer doch das Gleiche: Ein einziger Test, selbst wenn er entprechend den allgemein verbindlichen Testgütekriterien objektiv, reliabel und vailide ist, ist kein ausreichendes Instrument zur Diagnostik bestimmter “Fähigkeiten”.

    Tests messen in der Regel genau bis zur Grenze von IQ 130.

  2. Problem Hochbegabung

    Mir fällt auf, daß Hochbegabung immer noch eine peinliche Angelegenheit für alle Beteiligten ist (Eltern, Psychologen, betroffene Kinder). Irgendwie wäre es doch allen lieber, wenn das “Problem” verschwinden würde…

    Leider wird in Deutschland Hochbegabung noch immer marginalisiert, statt auf breiter Front HBe zu suchen und zu fördern. Alle Kinder brauchen Zuspruch und Förderung, aber HBe ganz besonders. Ich würde mir wünschen, das Problem der ‘Underachiever’ öfter diskutiert zu sehen.

  3. @ Monika Armand

    Man muss es immer wieder laut sagen: Tests sind Entscheidungshilfen, ergänzende Informationsquellen und haben daher ihren Nutzen, wenn man mit ihren Stärken und Schwächen umzugehen weiß. Und das scheint dann doch immer wieder vergessen zu werden!

  4. Schwankende Werte

    In einem Leserbrief in der Zeitschrift “Spektrum der Wissenschaft” wurde folgende Aussage gemacht:
    “Entwicklungspsychologen sagen,d as der IQ um +/- 21 Punkte allein durch ein anregendes Umnfeld des Kindes im Alter von der 21. Schwangerschaftswoche bis 6 Jahre schwanken kann …”
    Ist diese Aussage nach Ihrem Kenntnisstand belegt und wenn ja, durch welche Untersuchung(en)?

  5. @ Bloemenkemper

    Dass andere sagen, der Wert kann maximal um 10 Punkte schwanken, heißt nicht, dass es auch so ist. Es geht um die Belegbarkeit. Die 21 Punkte sind sehr weit gegriffen – vor Allem, wenn es sich um den Gesamtwert eines Tests handelt und nicht um einzelne Unterskalen! Und abgesehen davon, dass mir auf die Schnelle kein Untersuchungsdesign einfällt, dass das sauber messen lässt. Aber mehr dazu, wenn ich den Artikel gelesen habe. Wo finde ich ihn?

  6. Testverfahren

    Wir haben unsere Kinder mit 7 und 5 Jahren in unserer städtischen Erziehungsberatung testen lassen. Der damalige Leiter dieser Institution kannte sich sehr gut mit diesem Thema aus. Er wandte den “Adaptiven Intelligenz-Test” an, der seinen Erklärungen nach keine Obergrenze bzgl. des “IQ-Wertes” einführt. So erreichte unser Sohn Werte, die z.T. bis 160 lagen. Bei unserer Tochter stellte es sich nicht ganz so deutlich dar, Gesamtwert bei 130. Auf meine Frage, woran man denn Hochbegabung deutlich erkennen würde, wenn man mal den IQ-Wert außer Acht lassen würde, meinte unser Tester, dass der Fragebereich “Rückwärts kodieren” seiner Beobachtung nach nur von “echten” Hochbegabten gekonnt würde.Damals, unsere Kinder sind heute 15 und 14, waren wir vom Ergebnis irritiert, da unser Meinung nach unsere Tochter viel “begabter” war. Heute, gute 8 Jahre später, zeigt sich, das dieser Test absolut korrekt war. Bei gleichen Förderungsmaßnahmen, beide Kinder sind seit der 7. Klasse auf einem Internat für Hochbegabte, werden die Unterschiede mittlerweile sehr deutlich.

  7. @ Christel

    Dem stimme ich gerne zu, wenngleich ich sagen muss, dass die Höhe der IQs sekundär zu betrachten sind. Die Stabilität der Werte – also wozu ich gebloggt habe – ist hier weniger relevant!
    Der Unterschied zwischen Ihren Kindern ist durchaus ein wesentlicher, denn der genannte Bereich, der grob umschrieben das Arbeitsgedächtnis umfasst, ist von hoher Bedeutung für mentale Operationen. Und zu diesen gehört eben auch die Schule.

  8. IQ v.s EQ

    ……….muffel, muffel Handtuch weiter in
    den Mund schieb.

    Uwe Kauffmann

    (* Gottlob nur noch einen IQ von 106, kann und will keine Kartenhäuser mehr bauen, da vom gesunden Menschenverstand elender weise
    immer die unteren Stockwerke einweichen.*)

  9. Überflüssig

    Was nützen einige wenige Intelligente, wenn 99,9% der Bevölkerung diese nicht verstehen? Denn unsere Hauptschulen waren schon immer Garanten des Vergessens.
    Der Verein Kijash (Förderung begabter Schüler) in Darmstadt mußte aufgeben, weil 25.000,-€ fehlten. Das verdeutlicht den Stellenwert Begabter in unserer Gesellschaft. Wer bei uns Erfolg haben will muß nur 25% Rendite versprechen. Dann läuft’s. Leute, die mitdenken können stören da nur.

  10. antwort

    also ich gebe den lehrern die schuld da meine mutter arbeiten mußte und anscheinend kein zeit für ein/ihr kind hatte.
    ich hoffe es wird besser in der zukunft weil die kinder,spätere erwachsene tierisch zu leiden haben unter der nicht vorhanden gewesenen aufmerksamkeit und unterrichtung bzw. aufallen dessen.

    gruß,Sonja

  11. Intelligenztests im Kindergartenalter

    Ich habe nun verschiedene Aussagen zur Veränderlichkeit von IQ-Testergebnissen bei Kleinkindern gelesen und würde gerne mehr darüber wissen. Ich habe gelesen, eine hohe Intelligenz sei 1. zum großen Teil genetisch vererbt und 2. schon bei Säuglingen feststellbar. Es gibt Aussagen, dass Intelligenz auch bei geringer/keiner Förderung bestehen bleibt (z.B. bei erwachsenen Minderleistern gemessen werden kann). Andererseits gibt es Aussagen, dass sich ein in der 3.Klasse gemessener hoher IQ-Wert über die Jahre minimieren kann, wenn nicht gefördert wird … aber eher bei Kindern mit niedrigerer Hochbegabung …

    Gibt es vielleicht etwas, wo ich genauere, verifizierte Aussagen darüber finde?

    Ich interessiere mich für den K-ABC und würde den gern im Kiga-Bereich einsetzen.

  12. @ Checkliste

    Lieber Herr Hoppe,
    die genannte RTL-Checkliste ist eine gut bekannte. Wie bei vielen Checklisten wird es nicht über die Maße eines Screenings hinauskommen. So auch die, an der ich selbst mitgeschrieben habe. Als Praktiker finde ich alles, was bei den Kriterien Intelligenznähe besitzt, noch ganz gut (auch wenn die Ratersubjektivität das sehr relativieren kann); wissenschaftlich halten die Checklisten kaum, was sie versprechen. Auch ist die keineswegs empirische Konzeption wie z.B. die so genannten Sonderinteressen oder auch die vermeintliche Affinität zu Älteren durchaus fragwürdig! Siehe im Allgemeinen hierzu auch den älteren Blogbeitrag “Huste häufig”!

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