Adventskalender: Das vierte Türchen
BLOG: Hochbegabung
Der zweite Advent … Zeit, die nächste Kerze am Adventskranz anzuzünden! Und auch, das vierte Türchen aufzumachen. Was verbirgt sich heute dahinter?
Es ist eine große Fähigkeit, seine Fähigkeit zu verbergen. (François de la Rochefoucault, Maximen)
Wenn ich mich recht erinnere, wurde unlängst der Kommentar geäußert, die Klugen könnten sich doch einfach dumm stellen, um das Problem sozialer Schwierigkeiten etwas abzufangen. (Das Gegenteil ist ja bekanntlich schwieriger.) Aber funktioniert das? Ich würde sagen, ersteres funktioniert hauptsächlich deshalb, weil das Umfeld eigentlich kluge Kommentare als “seltsam”, “töricht” etc. abtut – und dass es den betreffenden Personen einfach wahnsinnig gut tut, wenn sie auf ein Umfeld treffen, in dem ihre Begabung als das interpretiert und anerkannt wird, was es ist: ein Teil ihrer Persönlichkeit.1 Aber eben auch nur eine Eigenschaft unter vielen. Ich würde mir für Hochbegabte ein Umfeld wünschen, das eine gewisse Gelassenheit bezüglich Begabung mitbringt und das offen ist für die vielen anderen Eigenschaften, die Hochbegabte mitbringen – und die sie mit anderen Menschen gemeinsam haben. Damit sich niemand mehr dumm stellen muss.
1 Die Psychotherapeutin Andrea Brackmann, die zwei vor allem unter Hochbegabten sehr populäre Bücher geschrieben hat (Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel und Ganz normal hochbegabt) postuliert auf Grundlage ihrer Einzelfalluntersuchungen, dass Hochbegabung die ganze Persönlichkeit “durchdringt” und somit bei der Diagnostik und Therapie psychischer Störungsbilder als Hintergrundvariable berücksichtigt werden muss – zumal Hochbegabung Probleme nach sich ziehen kann, die phänotypisch anderen Störungen ähneln kann (z.B. ADS, Autismus), sodass die Differentialdiagnose nicht trivial ist.
Kognitive Dissonanz
Es ist aussergewöhnlich, wenn Meinungen zu einem Grossteil einem eigenen Denprozess entspringen. Auf die Frage, was denkst Du zum Thema XY, haben zwar Gebildete und gut Informierte meist eine Antwort parat. Doch in der Regel entspringt diese Einsicht einer Kombination von Angelesenem und selber Kombiniertem. Wird man mit einer anderen Meinung konfrontiert, ist das meist dem gleichen Meinungsbildungsprozess zuzuordnen und nur die Informationsquellen waren andere. Gibt es aber keine solchen äußeren Referenzen um eine Meinung einzuordnen, reagieren viele verstimmt und halten die Ansicht für versponnen. Dieses Phänomen ist universell. Nicht umsonst spricht man auch in der Wissenschaft vom Standardmodell. Erst ein Paradigmenwechsel lässt die neue Ansicht zu. Wer also Paradigmen immer wieder über den Hauffen wirft, hat es schwierig mit seinen Mitmenschen. Hochbegabte aber sind oft solche Paradigmeninfragesteller.