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Traumwelten entschlüsselt: Luziden Träumen auf der Spur

Hast Du schonmal von der Möglichkeit geträumt, Deine Träume bewusst zu steuern und zu erleben? Luzides Träumen ermöglicht genau das. Ein Zustand, in dem Du nicht nur passiv beobachtest, sondern aktiv mitgestaltest und Deinen Traum zum eigenen Meisterwerk machen kannst. Wie das funktionieren soll? Dieser Frage stellen sich Forschende tagtäglich, um Klarheit darüber zu gewinnen, was genau hinter dem luziden Träumen steckt und wie man das Steuer übernehmen kann. Tauchen wir ein in die Welt der Träume, in der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen.  

Was wie Science-Fiction klingt, wurde bereits in der Antike als luzides Träumen beschrieben. Heutzutage wird dies als Zustand definiert, in dem man sich während dem Träumen darüber im Klaren ist, dass man gerade träumt (1). Trotz der Tatsache, dass das Phänomen des klaren Träumens bereits seit einigen Jahrhunderten bekannt ist, löste es bei einigen Forschenden bis 1970/1980 Skepsis aus, da es bis dato keine objektiven Beweise dafür gab. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschrieben, dass der Zustand während des sogenannten Rapid Eye Movements (REM) auftritt. Diese Schlaf-Phase ist definiert als jene, in der wir träumen und sich die Augen charakteristisch schnell hin und her bewegen (3,4). Die Phase wird auch als “aktiver/paradoxer Schlaf“ bezeichnet, da das Elektroenzephalogramm-Muster während dieser Phase dem des Wachzustands ähnelt (2, 5, 8).

Wie kann man herausfinden, ob jemand luzide träumt?

Bei einer Technik, die bereits Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre von Hearne und La Berge angewandt wurde, sollen Träumende ihr Bewusstsein über das Träumen signalisieren. Dabei sollen die Augen in einer bestimmten Abfolge in unterschiedliche Richtungen bewegt und diese Signale mittels Elektrookulographie aufgezeichnet werden. Diese Methode wird während des REM-Schlafs angewandt und nennt sich „Eye-signaling methodology“. Außerdem wurden Fragebögen entwickelt, um das bewusste Erleben des Traumes zu bewerten. Anhand dieser kann man allerdings nicht mit 100%-er Sicherheit bestätigen, dass die Testperson wirklich einen luziden Traum hatte. Zusätzlich erstellt der oder die Träumende einen Bericht, in dem der Traum und insbesondere die luzide Phase detailliert beschrieben ist. Die Notwendigkeit für bessere Fragebögen und standardisierte Methoden, um sowohl die Häufigkeit als auch Intensität der luziden Träume zu messen, bleibt hier jedoch nicht aus (1).

Wie kann man sich das luzide Träumen zu Nutze machen?

Luzides Träumen ist nicht nur ein besonders hilfreiches Tool in der Bewusstseinsforschung. Man nutzt es darüber hinaus auch in der Medizin, z.B. bei der Behandlung anhaltender Albträume. In der Theorie soll der Träumende die Kontrolle über den Traum erlernen, um der sich abspielenden Traumszene zu entkommen und um diese bewusst verarbeiten zu können. Vor allem wiederkehrende Albträume rufen einen Leidensdruck und eine Beeinträchtigung hervor, welche deutlich spürbar bei alltäglichen Dingen wie dem beruflichen als auch sozialen Leben sind. Häufig leiden Menschen mit post-traumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Angstzuständen darunter. Mit der Anwendung des luziden Träumens sollen sowohl die Frequenz der Albträume, die Intensität und die psychologische Last verringert werden (6). Um das Einschätzen der Betroffenen bezüglich ihrer Selbstwahrnehmung zu erleichtern, könnten bildgebende diagnostische Marker für das Bewusstsein bei der Diagnose, Überwachung und Behandlung von Patienten helfen, die aufgrund verschiedenster Ursachen nicht ansprechbar sind (z.B. durch Trauma, Aphasie, körperliche Einschränkungen) (1).

Welche Hirnregionen sind beim luziden Träumen Hauptakteure?

Wissenschaftler vermuten, dass vor allem der frontale Teil des Gehirns eine entscheidende Rolle spielt, indem er das limbische System inhibiert. Die Aufgaben des Frontalhirns liegen generell in der exekutiven Kontrolle, dem rationalen Denken und der Aufmerksamkeit eines Menschen, während das limbische System unsere Emotionen kontrolliert. Was geschieht nun während des luziden Träumens? Vereinfacht gesagt, steigt die Aktivität des frontalen Gehirns im Vergleich zum normalen REM-Schlaf während des luziden Träumes an. Dadurch verringert sich die Aktivität des limbischen Systems. Diese Aktivitätsverringerung kann sowohl die Häufigkeit als auch Intensität von Albträumen beeinflussen, wobei die Luzidität nicht der alleinige Faktor für eine Verbesserung des Zustands ist. Es werden zusätzlich und individuell auch andere Therapieansätze angewandt (z.B. die Imagery Rehearsal Therapie (IRT)) (6).

Luzides Träumen in der Therapie?

Durch den Therapeuten oder die Therapeutin werden Betroffene dabei unterstützt, Techniken zu entwickeln, die das luzide Träumen induzieren. Dies kann bereits nach einer einzigen Sitzung aber auch erst nach einigen Wochen Wirkung zeigen. Wenn es gelingt, die Träume zu steuern, können die Häufigkeit und der durch die Albträume verursachte Stress reduziert werden. Durch eine langfristige Therapie kann man nun das Wachleben genauer untersuchen und dem Albträume hervorrufenden Problem auf den Grund gehen (6).

Eine Studie von 2023 (7) vergleicht verschiedenste Methoden zur Induktion des luziden Träumens und prüft sie auf ihre Effektivität. Generell können luzide Träume sowohl im Wachzustand als auch im Traumzustand ausgelöst werden. Es gibt Techniken, bei denen man sich z.B. vor dem Schlafen gehen einredet, dass man einen luziden Traum haben wird. Dabei gibt es zwei Herangehensweisen. Wie sich bei der Vergleichsstudie herausstellte, ist die bisher effektivste Technik die sogenannte „Mnemonic induction of lucid dreaming“-Technik. Vereinfacht gesagt werden hierbei vor dem Schlafen gehen Gedächtnisstützen festgelegt, mit dem Ziel, im Traum diese Hinweise zu erkennen, um sich somit darüber bewusst zu werden, dass man gerade träumt. Häufig kommen auch Traumtagebücher zum Einsatz, in denen über ein paar Wochen hinweg jede Nacht der Traum des Träumenden dokumentiert wird. In Kombination mit anderen Techniken soll das Traumtagebuch vor allem dabei helfen, sich häufiger nach dem Aufwachen an einen Traum zu erinnern. Auch Sinneswahrnehmungen können luzides Träumen induzieren („Senses-initiated lucid dream“-Technik). Hierbei werden Träumende nach fünf Stunden Schlaf gebeten, sich in mehreren Zyklen auf das Sehen, Hören und Körperempfinden zu konzentrieren. Des Weiteren werden auch die externe Stimulation unserer fünf Sinne, die kortikale Stimulation, Hypnose und die Anwendung von Substanzen genutzt, um luzides Träumen zu induzieren (7).

Auf den ersten Blick mag das gar nicht so kompliziert erscheinen. Luzides Träumen zu erlernen ist jedoch nicht trivial. Die Eine Technik, die stets erfolgreich funktioniert, existiert nicht und die Erfolgsrate variiert von Mensch zu Mensch. Dennoch ist das Phänomen des luziden Träumens, bei dem die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen, zum einen faszinierend und zum anderen ein weitreichendes Forschungsfeld. Neue Perspektiven werden sowohl in der Traumforschung als auch in der therapeutischen Anwendung durch persönliche Weiterentwicklung als auch bei der Bewältigung von Traumata und Ängsten eröffnet.

Übrigens, auch Dr. Mondino hat sich in einem Kurzvideo den Themen Traum und luzides Träumen gewidmet: Schaut hier rein!

Quellen

  1. Baird, B., Mota-Rolim, S. A., & Dresler, M. (2019). The cognitive neuroscience of lucid dreaming. Neuroscience & Biobehavioral Reviews100, 305-323.)
  2. Boissard, R., Gervasoni, D., Schmidt, M. H., Barbagli, B., Fort, P., & Luppi, P. H. (2002). The rat ponto‐medullary network responsible for paradoxical sleep onset and maintenance: a combined microinjection and functional neuroanatomical study. European Journal of Neuroscience16(10), 1959-1973.
  3. Dement, W., & Kleitman, N. (1957). The relation of eye movements during sleep to dream activity: an objective method for the study of dreaming. Journal of experimental psychology53(5), 339.
  4. Dement, W., & Wolpert, E.A. (1958). The relation of eye movements, body motility, and external stimuli to dream content. Journal of experimental psychology55(6), 543.
  5. Jones, B. E. (2004). Paradoxical REM sleep promoting and permitting neuronal networks. Archives italiennes de biologie142(4), 379-396.
  6. Macêdo TCF, Ferreira GH, Almondes KM, Kirov R and Mota-Rolim SA (2019) My Dream, My Rules: Can Lucid Dreaming Treat Nightmares? Front. Psychol. 10:2618. doi: 10.3389/fpsyg.2019.02618
  7. Tan, S., & Fan, J. (2023). A systematic review of new empirical data on lucid dream induction techniques. Journal of Sleep Research32(3), e13786.
  8. Xi, M. C., Morales, F. R., & Chase, M. H. (2001). The motor inhibitory system operating during active sleep is tonically suppressed by GABAergic mechanisms during other states. Journal of Neurophysiology86(4), 1908-1915.

Autorin des Artikels ist Sarah Streicher.

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Ab und zu gibt es auch Gastbeiträge im Blog, die neben dem Team der Hertie-Stiftung aktuell verfasst werden von Carolin Haag, M.Sc. in Molekularbiologie, Doktorandin am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen, Lale Carstensen, M.Sc. in Chemie, promoviert am Institut für Wasserchemie der Technischen Universität Dresden und Ronja Völk, M.Sc. in Molekulare Biotechnologie und ehemalige Autorin bei Hirn und Weg. HIRN UND WEG ist der Neuroblog der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung , der die Bandbreite und Facetten eines der faszinierendsten Organe zeigen, Erkenntnisse aus Wissenschaft einfach und gut erklären und geistreich und unterhaltsam begeistern möchte. Neben der Informationsvermittlung gehören die Förderung von Exzellenz und die Schaffung von Strukturen in den Neurowissenschaften zu den Zielen des Programmbereichs "Gehirn erforschen" der Stiftung.