Erwachsenen ADHS-Gibt´s das?

Aufmerksamkeit Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS (eng. ADHD). Bei diesem Begriff haben viele von uns sofort die Assoziation von einem kleinen, zappeligen Jungen im Kopf, welcher sich in der Klasse nicht richtig konzentrieren kann oder verträumt durch die Gegend schaut. Doch ADHS hat viele unterschiedliche Gesichter.

Symptome

ADHS ist durch 3 Kernsymptome gekennzeichnet. Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Hier eine Aufzählung von möglichen Symptomen anhand von Beispielen1.

Hyperaktivitätsmerkmale liegen vor wenn das Kind:
– ein gesteigertes Bewegungsbedürfnis (Zappeln mit den Händen oder Füßen) hat.
– sich bewegt auch wenn es unpassend ist/ oder innere Unruhe.
– ein starkes Redebedürfnis hat.

Impulsivitätsmerkmale liegen vor wenn das Kind:
– oft mit Antworten herausplatzt.
– schwer abwarten kann bis sie an der Reihe ist.
– oft andere unterbricht oder „stört“.

Unaufmerksamkeitsmerkmale liegen vor wenn das Kind:
– Schwierigkeiten hat sich auf „langweilige“ Aufgaben zu konzentrieren.
– Schwierigkeiten hat  genau zu arbeiten und Details zu beachten.
– häufig nicht zuhört.
–  häufig Aufgaben nicht zu Ende bringen kann.
– Schwierigkeiten beim Organisieren und Planen hat.
– Probleme bei Aufgaben hat, die längere geistige Anstrengung erfordern.
– häufig Gegenstände verliert.
– leicht ablenkbar ist.
– bei Alltagstätigkeiten vergesslich ist.

Biologie von ADHS

Wichtig ist, dass es bei ADHS wie bei den meisten psychiatrischen Befunden keinen eindeutigen biologischen Marker (messbare biologischer Indikator) gibt. Jedoch gibt es genetische und neurobiologische Merkmale, die bei ADHS signifikant häufig auftreten.

Bei ADHS, Patienten und Patientinnen gibt es nachweislich Veränderung in den Genen, die bestimmte Neurotransmitter (Dopamin, Serotonin, GABA…) regulieren. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die für die Signalweiterleitung im Gehirn wichtig sind. Dopamin z.B ist wichtig für Motivation, Antrieb, Aufmerksamkeit und das Steuern von Bewegungen. Wenn mehrere Neurotransmitter Veränderungen im Haushalt aufweisen kann dies vermutlich zu ADHS führen2. Bei männlichen Mäusen in der Pubertät wurde einen Anstieg der Dopamin Rezeptoren Dichte im Vergleich zu weiblichen Mäusen festgestellt. Im Erwachsenenalter findet dann eine Angleichung statt. Dies könnte ein Grund sein warum dieses Syndrom vor allem bei heranwachsenden Jungen (Verhältnis 3:1 bis 6:1) im Vergleich zu Mädchen diagnostiziert wird. Im Erwachsenenalter sollte dieser Unterschied jedoch verschwinden.

Neurobiologisch ist bei ADHS-Patienten und Patientinnen eine verringerte Größe des Frontallappens (Bewegung, Impulskontrolle, Selbstregulation/Selbstkontrolle…) zu beobachten sowie eine verminderte Durchblutung der präfrontalen Hirnregionen1.

ADHS im Erwachsenenalter

Früher  ging man davon aus, dass sich ADHS im Alter „herauswächst“. Heute weiß man:  Das auffälligste Symptom die Hyperaktivität lässt bei vielen Kindern mit dem Alter extrem nach, doch Unaufmerksamkeit und Impulsivität, bleiben bei 60-80 % weiterhin bestehen. Wichtig ist hierbei jedoch das für einen ADHS Diagnose im Erwachsenenalter die oben genannten Symptome schon im Kindesalter bestehen müssen und das Syndrom nicht im Erwachsenenalter spontan auftritt.

Es gibt jedoch auch Kritiker, die ADHS für Überdiagnostiziert halten oder die Existenz ganz anzweifeln – und jetzt sollen auch noch Erwachsen betroffenen sein?

Aber halt, hört mich an. ADHS soll kein Label sein oder eine Verpflichtung, Tabletten zu nehmen. Eine offizielle Diagnose hilft vielen Betroffenen, sich selbst sowie ihre Stärken und Schwächen zu verstehen. Auch gibt es viele Alltags-Bewältigungsstrategien, von denen vor allem ADHS-ler profitieren(Mentales Kontrastieren, Wenn-dann Pläne,…)4,5.

ADHS als positive Charaktereigenschaft

Der kontrovers diskutierte Forscher Hartmann, der eine angenehm positive Sichtweise auf ADHS hat, formuliert die typischen Merkmale als Wesenszüge um. Seiner Meinung nach ist ADHS wie der IQ in der Bevölkerung glockenverteilt, wobei nur wenige eine starke Symptomatik aufweisen und wenige überhaupt keine6.
Eine positive Eigenschaft, typisch für Menschen mit ADHS, ist Kreativität. Auch das Phänomen des Hyperfokus tritt besonders häufig bei diesem Syndrom auf. Hyperfokus ist ein Zustand der vollen Konzentration, wobei eine starke intrinsische Motivation vorliegt, in der Zeit und die äußere Umwelt vollständig ausgeblendet wird.

Vielleicht erweitert sich das Bild von ADHS in Zukunft vom Zappelphilipp zu einem leicht desorganisieren, kreativen, energiegeladenen, mitten im Leben stehenden Erwachsenen.

References

1.    Gawrilow C.A DHS. München, Stuttgart: Reinhardt; UTB GmbH; 2009. UTB; 3289. http://www.utb-studi-e-book.de/9783838532899.
2.    Comings DE. Clinical and molecular genetics of ADHD and Tourette syndrome. Two related polygenic disorders. Ann N Y Acad Sci. 2001;931:50-83. doi:10.1111/j.1749-6632.2001.tb05773.x .
3.    Wender PH. ATTENTION-DEFICIT HYPERACTIVITY DISORDER IN ADULTS.Psychiatric Clinics of North America. 1998;21(4):761-774. doi:10.1016/S0193-953X(05)70039-3 .
4.    Gawrilow C, Gollwitzer PM, Oettingen G. If-Then Plans Benefit Delay of Gratification Performance in Children With and Without ADHD.Cogn Ther Res. 2011;35(5):442-455. doi:10.1007/s10608-010-9309-z .
5.    Oettingen G.Psychologie des Zukunftsdenkens: Erwartungen und Phantasien. Göttingen, Seattle: Hogrefe; 1997. Motivationsforschung; Bd. 16.
6.    Hartmann T, Pagel F.Eine andere Art, die Welt zu sehen: Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ; “ADD – Attention Deficit Disorder”. 12. Aufl. Lübeck: Schmidt-Römhild; 2009.

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Veröffentlicht von

Ronja Völk ist Masterstudentin für Molekulare Biotechnologie an der Universität Heidelberg. Im Zuge Ihres Studiums hat sie vielerlei Praktika absolviert, unter anderem am Deutschen Krebsforschungszentrum und in Harvard im Bereich Neurologie. Sie ist begeisterte Leserin von Wissenschaftsmagazinen und liebt es, ihr Wissen mit anderen zu teilen. (Für Ihr näheres Umfeld ist sie auch gerne mal Umwelt-/Medizin-/ Impf-/Corona-Expertin.) Das zeigt, wie hoch der Bedarf an einfacher, verständlicher Wissenschaftskommunikation ist.

19 Kommentare

  1. Sehr geehrte Frau Völk,
    In einer Ausgabe des Deutschen Ärzteblatt war mal ein Artikel zu ADHS, wo auch auf die Prognose eingegangen wurde. Demnach haben ADHS Patienten auch eine erhöhte Unfallhäufigkeit, eine erhöhte Anfälligkeit für Suchterkrankungen und sogar eine geringere Lebenserwartung. Leider weiß ich die genaue Ausgabe nicht mehr, aber vielleicht möchten Sie das recherchieren. Mit freundlichen Grüßen Dr.med. Carsten Hobohm

  2. Danke für den Beitrag. Ich habe eine ADHS Diagnose auch erst im Erwachsenenalter erhalten, nachdem sich mir so viele Parallelen zu meinen Kindern während ihrer Diagnostik aufgezeigt haben.

    Es hat einiges erklärt aber ich bin auch froh, ohne diesen defizitären Blick auf ADHS aufgewachsen zu sein.

    Ich war halt einfach so(impulsiv, Abenteuerlust, manchmal vorlaut).

    Aber ich habe das immer als meinen Motor, meinen Antrieb erleben dürfen. Ich würde als fantasievoll und ideenreich beschrieben und hätte das Glück, auch einen beruflichen Rahmen zu haben, in dem ich das Leben könnte und genau diese Impulsivität,die genannte intrinsic he Motivation usw als bereichernd erlebt wurden.

    Manche nennen es Esprit💁‍♀️.
    Das wünsche ich meinen Kindern auch.

    • Freut mich sehr wenn dir dieser, auch positive Blick auf ADHS so gefallen hat und vielen Dank für den Kommentar!!!
      Ich glaube du sprichst damit vielen ADHS-lern aus der Seele. 🙂

      • Liebe Bianca welchen Beruf üben Sie aus? Ich und bestimmt auch viele Adhs let wird es interessieren in welchen Berufen diese Stärken gut ausgelebt werden können.

        • Oft wird über ADHS als Krankheit oder Störung gesprochen. Selten als Bereicherung.
          Doch stellen wir uns die Gesellschaft ohne die exzentrischen kreativen oft auch sehr emphatischen Menschen vor. Kunst, Musik, viel Spontanität und Engagement würde uns verloren gehen.
          Als Ausbilder für Menschen mit solchen besonderen Fähigkeiten und Stärken, weise ich meine Teilnehmer, nicht auf Defizite sondern, auf diese speziellen Möglichkeiten hin. Und ermuntere sie genau das zu nutzen. Es ist für mich sicherlich etwas einfacher, weil ich ebenfalls diese Besonderheiten nutzen kann.

  3. ADHS: Vom Verhaltensproblem zur Krankheit und zurück
    Tatsächlich wurde der ADHS-Symptomenkomplex bereits 1775 von Melchior Adam Weikard in seinem Buch „Der Philosophische Arzt“ beschrieben (siehe Geschichte der ADHS). Sein Versuch diese Verhaltensauffälligkeit als Krankheit zu sehen, schien dazumal aber auf wenig Gegenliebe zu stossen. Im ADHS-Eintrag der Wikipedia liest man dazu:

    Die Störung [ADHS] wurde früher als reines Verhaltensproblem gesehen, während sie heute zunehmend als komplexe Entwicklungsverzögerung des Selbstmanagement-Systems im Gehirn verstanden wird. ADHS kann dabei auch als ein Extremverhalten aufgefasst werden, das einen fließenden Übergang zur Normalität zeigt.

    Wenn man hier liest (Zitat): Vielleicht erweitert sich das Bild von ADHS in Zukunft vom Zappelphilipp zu einem leicht desorganisieren, kreativen, energiegeladenen, mitten im Leben stehenden Erwachsenen. so würde das neue Bild des ADHS-Betroffenen als desorganisiertem, energiegeladenem Kreativen bedeuten, dass man in der gesellschaftlichen Einschätzung dieser Verhaltensauffälligkeit wieder zum Zustand zurückkehrt bevor ADHS als ICD und DMS-Diagnose erfasst wurde. Der einzige Unterschied zu ganz früher wäre nur die wohlwollende, positive Interpretation dieser Verhaltensauffälligkeit. Nun, positive Umdeutungen passen natürlich bestens zur heutigen Zeit der politischen Korrektheit.

    Viel wahrscheinlicher aber ist wohl, dass man Personen mit ADHS-Symptomenkomplex dann als spezielle Charaktere akzeptieren wird, wenn sie mit ihrer Umwelt insgesamt zurechtkommen, während sie im andern Fall weiterhin als Kranke behandelt werden werden.

    • Danke für deinen Kommentar.
      Zitat (Der einzige Unterschied zu ganz früher wäre nur die wohlwollende, positive Interpretation dieser Verhaltensauffälligkeit. Nun, positive Umdeutungen passen natürlich bestens zur heutigen Zeit der politischen Korrektheit.)
      Eine positive Sicht auf ADHS hat meiner Meinung den Vorteil dass man, falls man selbst betroffen ist, sich mehr Selbstliebe entgegenbringt. Jeder möchte im Reinen mit sich selbst sein. Das bedeutet nicht, dass man nicht an sich arbeiten kann.

  4. In der älteren Psychologie unterscheidet man zwischen dem Phlegmatiker, dem Choleriker, dem Sanguiniker und dem Melancholiker.
    Diese Temperamente hat man schon vor ADHS unterschieden.
    Sicher ist, wer phlegmatisch ist, der hat kein ADHS. Aber wer will schon phlegmatisch sein `? Frauen wollen keine Phlegmatiker.

    • Ja, im “Tanz um den heißen Brei” (Brot&Spiele – Tittytainment) braucht man ständig neue Namen, damit die wettbewerbsbedingte Symptomatik der Profit- und Konsumautisten (die Hierarchie des zeitgeistlich-reformistischen Kreislaufes des imperialistisch-faschistischen Erbensystems) bloß nicht unter die Räder gerät, in den 70ern hätte die Psychologie das ja beinahe geschafft, aber die konservative ADHS konnte die herkömmlich-gewohnte Konfusion für ihre Welt- und “Werteordnung” doch noch retten.😎 (korrigiert!!!)

  5. “herauswächst…”
    Es handelt sich hier wahrscheinlich um Persönlichkeitsmerkmale die auf sehr frühe Konditionierungen bestehen. Konditionierungen können sie schwierig/kaum mit dem Willen “löschen” da diese tief im Unterbewusstsein eingegraben sind und bewusst nicht beeinflussbar . Hyperaktivität entsteht nicht a priori , wird auch nicht durch den Neurotransmitterhaushalt direkt bestimmt da letzterer Ausdruck einer permanenten arousalen Erregung des Nervensystems ist, was wiederum Ursachen in der genetischen Vererbung (Sensibilisierung) haben könnte. Hyperfokus tritt automatisch bei viel Dopamin ein und ist ein eingeengte Bewusstseinszustand der nach innen wie nach außen gerichtet sein kann. Es sind meiner Ansicht nach alles nur Erscheinungen einer tieferen Ursache(/im Unterbewusstsein) die zu eigenen Persönlichkeitsmerkmalen werden die ein genormter Phlegmatiker nie verstehen wird und die er dann in “krankhafte” Symptomen
    versucht einzuordnen.

    • @Golzower

      Ich bin ein ehemals Betroffener von ADHS, HSP und wollte dieses nicht mehr hinnehmen. Konditionierungen schienen der logische Verursacher zu sein. Es hat ein paar Jahre (>6) gedauert die wirklichen Ursachen zu extrahieren, aber inzwischen bin ich Symptom frei.

      Denke, dass das “herauswachsen” nur teilweise, durch Zunahme der Lebenserfahrung, möglich ist.

    • @Golzower

      Ich bin ziemlich sicher, die Hyperaktivität entsteht aus dem Unterbewusstsein, wo die Vernunft von Mensch heftigst auf Konfusion reagiert.

      😏Besser der Gewohnheitsmensch des nun “freiheitlichen” Wettbewerbs in “gesundem” Konkurrenzdenken hat keine Verbindung zum Unterbewusstsein👋😬 – Dem geistigen Stillstand seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”), und somit der gleichermaßen unverarbeitet-gepflegten instinktiven Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriertem “Individualbewusstsein” ein Ende, nur durch Bekenntnis zu wirklich-wahrhaftige Möglichkeiten in Gemeinschaftseigentum und geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein!👊😎

  6. Ja, im “Tanz um den heißen Brei” (Brot&Spiele – Tittytainment) braucht man ständig neue Namen, damit die wettbewerbsbedingte Symptomatik der Profit- und Konsumautisten (die Hierarchie des zeitgeistlich-reformistischen Kreislaufes des imperialistisch-faschistischen Erbensystems) bloß nicht unter die Räder gerät, in den 70ern hätte die Psychologie das ja beinahe geschafft, aber die konservative ADHS konnte die herkömmlich-gewohnte Konfusion für ihre Welt- und “Werteordnung” doch noch retten.😎 (korrigiert!!!)

  7. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir ständig heftige ADHS-Debatten über/wegen des Bildungssystems haben – Bildung ist verhaltensökonomisches Impfen, gegen Einflüsse die dem System der Bewusstseinsbetäubung schaden.

    Wenige haben bisher erkannt was unser Gehirn zur vollen/ganzheitlichen Aktivität für Bewusstsein und wirklich-wahrhaftige Gedanken braucht!

  8. 🤔Wenn Gehirnforscher entdecken wo und was prägende Erinnerungen sind👀, dann könnten sie fantasievolle🏝⛵Gedanken implantieren, oder traumatische reparieren😊💭, und Mensch hat sicher auch ein systemrational-geordnetes Unterbewusstsein🤤😴, ohne …😐!? 🤣

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