Der Baron und seine Lügen

Es war eine eisige Nacht im russischen Winter, als er seine Reise antrat. Nach einer Verfolgungsjagd mit einem riesigen Wolf tauschte er kurzerhand sein Schlittenpferd gegen das Ungetüm und eroberte St. Petersburg. Dort zündete er den Kopf eines trinkfesten Generals an, zog sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf und ritt auf einer Kanonenkugel, um im Krieg die feindlichen Truppen auszuspionieren.

Spätestens jetzt sollte vielen klar sein, dass dies die Geschichte von Baron Münchhausen ist.

Der weltbekannte Lügenbaron ist Namensgeber für zwei psychische Störungen: Das Münchhausen Syndrom und das Münchhausen-by-proxy-Syndrom. Die Betroffenen erfinden ebenfalls fantastische und ausgeklügelte Lügengeschichten, auf die ihre Adressaten häufig hereinfallen. Belogen werden in der Regel Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal.

«Man braucht nur ein wenig Phantasie, und alle Schlösser öffnen sich.» Freiherr Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen

Münchhausen Syndrom

Charakteristisch für das Münchhausen-Syndrom sind Vortäuschung und Herbeiführen von Symptomen und Verletzungen. Dieses Verhalten bezeichnet man als artifizielle Störung. Im Gegensatz zur Simulation, die häufig finanzielle oder juristische Vorteile mit sich bringen soll, ziehen betroffene Patientinnen und Patienten keinen leicht erkennbaren Nutzen aus der Täuschung. Die Manipulation geht häufig so weit, dass es zur Selbstverletzung kommt. 

Beispiele dafür sind Aufbringen von ätzenden Substanzen auf die Haut, Einspritzen von giftigen Stoffen, Manipulation von Wunden, Vortäuschung von Suizidversuchen oder psychotischen Zuständen und missbräuchliche Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente.

Münchhausen-by-proxy-Syndrom

Beim „stellvertretenden“ Münchhausen Syndrom erfinden bzw. verursachen die Erkrankten Symptome bei Dritten. Oftmals handelt es sich hierbei um Eltern oder andere Bezugspersonen, die ihren Kindern mutwillig schaden, um medizinische Behandlungen zu erwirken. Verbreitet sind die Initiierung einer Dehydration, Herauszögerung von Wundheilungsprozessen, Hervorrufen von Bauchschmerzen oder Strangulation.

Da die Opfer oft zu jung sind, um selbst Auskunft über ihren Gesundheitszustand zu geben, werden Ärztinnen oder Ärzte, die auf die Aussagen der Angehörigen vertrauen, dazu verleitet, nicht notwendige und häufig riskante, chirurgische Eingriffe vorzunehmen 

Die Motivation

Man kann sich vorstellen, dass die Verifizierung eines Verdachts auf Münchhausen / Münchhausen-by-proxy- Syndrom sowie dessen Behandlung sehr knifflig sind. Wo hört Mutterliebe auf und wo fängt Kindesmisshandlung an?

Um differenzieren zu können, ist es wichtig, zu verstehen, wieso die Betroffenen krankhaft lügen.

Aktuell wird vermutet, dass Erkrankte mit ihrem Verhalten Aufmerksamkeit und Einzigartigkeitsgefühle erlangen wollen. Zudem legt eine Theorie nahe, dass sie auf diese Art traumatische Erfahrungen aufarbeiten oder versuchen, konfliktreiche Paarbeziehungen zu stabilisieren. Viele Täterinnen und Täter leiden zusätzlich unter Persönlichkeitsstörungen oder mussten selbst Gewalt und Missbrauch erleiden.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer

Auch wenn es sich beim Münchhausen Syndrom um eine der kompliziertesten psychischen Erkrankungen handelt und die Prognose grundsätzlich schlecht ist, ist eine Therapie möglich. Auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient werden durch Psychotherapie schnelle Fortschritte erzielt und die zwanghaften Eigenschaften abgelegt.

Der echte Baron kämpfte wahrscheinlich nie gegen das osmanische Reich, er traf nie den Sultan von Konstantinopel und wurde nie an einer Schnur von Enten durch die Lüfte getragen. Doch obwohl sich hinter seinem Namen zwei ernstzunehmende Krankheiten verbergen, faszinieren uns seine fabelhaften Lügengeschichten nach wie vor. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lügt er wohl noch heute. 

Literatur

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Louisa Sohmen und ich bin Medizinstudentin in Hamburg. Da ich erst am Anfang meines Studiums stehe, konnte ich noch keine eigenen Erfahrungen in der wissenschaftlichen Forschung sammeln, allerdings kann ich mir gut vorstellen, später in einem solchen Bereich tätig zu werden. Die Komplexität des menschlichen Gehirns faszinierte mich schon immer, weswegen ich mich sehr freue, mich hier regelmäßig mit spannenden Fakten auseinandersetzen zu können.

31 Kommentare

  1. Feedback, gerade auch hierzu :

    Um differenzieren zu können, ist es wichtig, zu verstehen, wieso die Betroffenen krankhaft lügen.

    Selbstverständlich nur anekdotisch und freundlich, wie ohne wissenschaftlichem Anspruch diesem netten und verständig erscheinenden werten wissenschaftnahen WebLog kommentarisch beigetragen.

    Ich hatte (lange Zeit) mit einigen sogenannten / sozusagen pathologischen Lügnern eben persönlich zu tun, sie lügen selbst dann, wenn sie keinen persönlichen Nutzen, sondern gar Schaden zu erwarten haben.

    Meine persönlich gehaltene Einschätzung ist, dass sie regelmäßig betrügen, auch strafrechtlich relevant, und sich insofern um einen Rahmen ihrer lügnerischen Tätigkeit bemühen, der Charmanz bedeuten kann, auch scheinbare Irritiertheit; der Lügner lügt aber immer grundsätzlich auf seinen persönlichen Vorteil bedacht, nicht selten den schnöden Mammon meinend.

    Lügner und Betrüger haben oft das Problem, das sie sich ihre Lügen, gerade im fortgesetzten Alter, nicht mehr umfänglich merken können und insofern nach einem Rahmen, dem o.g. streben, ihn ausarbeiten und für sich nutzen, sie geben sich als talentiert und als ein bisschen verwirrt aus, um sich zu schützen.
    (Sicherlich kann andauernde Lügerei auch zu Deformation führen und den kontinuierlichen Lügner, der nicht selten auch Betrüger ist, selbst im Rahmen seiner Fantasie-Gebilde erfassen, so dass er selbst an das glaubt, was er sich zusammenlügt. – Eine Erkrankung muss aus diesseitiger Sicht nicht immer vorliegen.)

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  2. Das Leben des Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen war außergewöhnlich, seine Geschichten sind es nicht minder.
    Und dass seine letzten Lebensjahre so einen tragischen Verlauf genommen haben, das hat er nicht verdient. Er hat es auch nicht verdient, ein Namensgeber einer der abartigsten psychischen Störungen zu sein, des Münchhausen Stellvertreter Syndroms.

    Zu seinem Leben. Mit 70 Jahren starb seine Ehefrau. Die Ehe war kinderlos geblieben.
    Er verliebte sich in sein 17 jähriges Patenkind und heiratete sie im Alter von 73 Jahren. Ob das eine selbstlose Handlung war um das Patenmädchen finanziell abzusichern , oder ob es tatsächlich Liebe war, das kann man nachträglich nicht festlegen. Auf jeden Fall hat ihn die junge Frau betrogen, und er ließ sich scheiden. Bei dem Scheidungsprozess verlor er sein Vermögen.

    War dieser Münchhausen ein Lügner oder war er ein begnadeter Erzähler ?
    Ich tippe auf das Letztere, denn warum sonst sollten und die haarsträubenden Geschichten
    so in gute Laune versetzen . Wenn wir ihn als Lügner bezeichnen, dann ist jeder Romanautor von phantastischen Geschichten ein Lügner.

    Nachtrag: Zur psychischen Erkrankung , die Münchhausen Syndrom genannt wir kann ich nichts sagen.

    • Vielen Dank für Ihre Ergänzung, Herrn Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen habe ich schließlich kaum in meinem Text gewürdigt. Ich stimme Ihnen dahingehend zu, dass seine “Lügen” durchaus als kreative Erzählungen interpretiert werden könnten, für die Lügen der vom Münchhausen/ Münchhausen-by-proxy Syndrom Betroffenen gilt dies meiner Meinung nach nicht. Hier geht es schließlich um Betrug, Ressourcenverschwendung und sogar Kindesmisshandlung. Im Anbetracht dessen hat Münchhausen es wohl wirklich nicht verdient, Namensgeber für diese Erkrankungen zu sein.

        • Betrug ist laut StGB, wenn man “…durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält”. Und auch wenn man hier sicherlich nicht mit begrifflicher Haarspalterei weiterkommt, leiden die Belogenen Menschen ja mit Sicherheit auch unter der Krankheit bzw. unter dem Kontakt mit Erkrankten.

  3. “Aufmerksamkeits-und Einzigartigkeitsgefühle erlangen wollen…”
    Wollten das der Journalist Relotius und Herr von und zu Guttenberg nicht auch ? Werbespots arbeiten unterschwellig so . Gutgemachtes Marketing spricht solche Gefühle an in dem es uns suggeriert das wir mit dem betreffenden “einzigartigen ” Produkt glücklich sind. Der Baron Münchhausen wollte aus uns nicht mehr bekannten Motiven mit seinen Lügen vielleicht ein psychisches Defizit kompensieren ( Mehr Schein als Sein oder Anerkennungssucht oder Selbstverliebtheit, Minderwertigkeitskpomplexe oder …) Der Hochstapler Felix Krull (Thomas Mann) stapelt hoch um in einer verlogenen Gesellschaft Karriere zu machen . Wie Eulenspiegel oder der Hauptmann von Köpenick narrt er die Spielregeln einer Gesellschaft und zeigt wie gut man mit Lügen Menschen manipulieren bzw. betrügen kann . Viele verstricken sich dann so in ihr Lügenbild dass es paranoid wird in dem sie an das glauben was ihr verwirrter Geist erschaffen hat. So fühlen sie sich berufen, erleuchtet, auserwählt etc. und entwickeln eigene Moralvorstellungen in denen Betrug und Lügen legitime Mittel der Egobefriedigung sind.

    • Da bin ich ganz Ihrer Meinung! Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es mit der Zeit immer schwieriger wird, die erschwindelte Welt von der echten zu unterscheiden. Der “originale” Baron Münchhausen hat einige Zeit im Krieg verbracht, psychische Defizite oder gewisse Traumata sind also nicht auszuschließen. Andererseits wurde seine Geschichte im Laufe der Zeit von verschiedensten Autoren umgedichtet, also wer weiß, wie viele Lügen ihm zusätzlich in den Mund gelegt wurden…

      • @Louisa Sohmen: “Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es mit der Zeit immer schwieriger wird, die erschwindelte Welt von der echten zu unterscheiden.”

        Assimiliert-gebildet in stets kapitulativer Kompromissbereitschaft zu konsum- und profitautistischer Bewusstseinsbetäubung, so kann man die Mentalität der wettbewerbsbedingten Wohlstands- und Gewohnheitsmenschen bezeichnen.

        Es ist für die erfolgshungrigen Populisten in dieser mehr als nur illusionären Welt- und “Werteordnung” offensichtlich immer leichter, die erschwindelte Welt absolut wissentlich ohne … zur echten zu erklären, es ist nicht mehr scheinbar, es ist einfach anscheinend das diese Welt keine andere Wahl hat als den “Treuhändern” der leichtfertigen Übertragung von allem zu folgen, also nicht nur durch “Kreuzchen auf dem Blankoscheck” – da ist es also kein Wunder wenn die Menschen “einfach” krank oder “patriotische Querdenker” werden!?

    • “Der Hochstapler Felix Krull (Thomas Mann) stapelt hoch um in einer verlogenen Gesellschaft Karriere zu machen.”

      Die Lüge ist im Laufe der zeitgeistlichen Reformen bis zum nun “gesunden” Konkurrenzdenken des “freiheitlichen” Wettbewerbs zur Ursache aller Probleme unseres “Zusammenlebens” geworden

      Neurosen und Psychosen sind in manigfaltiger Ausprägung …, wo die reine Vernunft einen unkorrumpierbaren Verstand zu Verantwortungsbewusstsein in alles gerecht und kompromisslos-achtendes Gemeinschaftseigentum “wie im Himmel all so auf Erden” gestalten sollte – geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein, anstatt egozentriert-konfusioniertes “Individualbewusstsein” in wettbewerbsbedingter Symptomatik.

  4. Eines lehrt uns die Geschichte vom Baron Münchhausen:
    Lügen(geschichten) sind oft sehr viel interessanter als die – oft sehr banale – Wahrheit.

    Tatsächlich sind es ja nicht banale Schummeleien oder simple Lügen, die der Baron auftischte, sondern Lügengeschichten, also ganze Stories in denen sich eins ins andere fügt. Geschichten also mit denen man eine ganze Tischgesellschaft unter- und bei Laune halten kann.

    Selber hab ich das in abgeschwächter Form schon mehr als einmal erlebt, dass eine Frau, die ich näher kannte, Geschichten etwas ausschmückte um sie stimmiger und interessanter zu machen und gerade hab ich eine Essay-Sammlung von Ellena Ferrante („Meine geniale Freundin“) gelesen, in der sie über sich selbst und ihren Werdegang schrieb und in der sie in einem der Essays verriet, dass sie als Kind/Jugendliche nicht nur Tagebuch schrieb sondern auch bis zu ihrem 14. Lebensjahr Lügengeschichten erzählte, wobei diese Lügengeschichten aber nichts anderes als ausgeschmückte oder herbeigesehnte Erlebnisse waren und ja, dass sie damit ihre Kolleginnen/Freundinnen unterhalten und sich selbst beneidenswert machen konnte.

    Dann aber beschloss sie damit aufzuhören und auch ihr wahrhaftiges, von Emotionalitäten und jugendlichen Empörungen triefendes Tagebuch gab sie in dieser Form auf und begann vom Tag ihrer „Konversion“ an, an statt weiter zu lügen, in der Öffentlichkeit in zurückhaltender Art wahrhaftig zu sein und dafür ihre Tagebucheinträge mehr zu „gestalten“ und zusammenhängender, übergreifender zu machen.

    So wurde sie Schriftstellerin, verriet sie in einem dieser Essays.

    • Ich denke, man muss hier zwischen kleinen unterhaltsamen Schummeleien, die Erzählungen interessanter machen und handfesten Lügen, die das Leben anderer (negativ) beeinflussen, differenzieren. Die Wahrheit mag manchmal banal und langweilig sein, im medizinischen Bereich ist sie allerdings unumgänglich für eine erfolgreiche Behandlung. Die Essays werde ich mir mal anschauen, vielen Dank für die Empfehlung 🙂

  5. Jetzt mal zum Krankheitsbild.
    Wenn ich das recht verstehe, glaubt der Hypochonder, dass er krank ist, obwohl er es nicht ist.
    Der Patient mit dem Münchhausen Syndrom weiß, dass er nicht krank ist und täuscht eine Krankheit vor um Mitleid und Liebe zu bekommen.
    Richtig ?

    • Genau! Obwohl es nicht ganz klar ist, ob dieses Vortäuschen wirklich absichtlich passiert oder eher aus einem dissoziativen Zustand heraus.

        • Eine sehr gute Frage! Ich habe jetzt eine Weile darüber nachgedacht und bin für mich persönlich zu dem Schluss gekommen, dass ich die Schönheits-Op Sucht eher der Dysmorphophobie als den beiden von Ihnen erwähnten Krankheiten zuordenen würde. Hierbei ist nämlich charakteristisch, dass sich die Betroffenen “grundlos” hässlich fühlen und übertriebenen Wert auf Äußerlichkeiten legen, wobei sie objektiv ganz normal aussehen. Das passt, wie ich finde, ganz gut. Außerdem werden beim Münchhausen Syndrom ausschließlich andere Menschen belogen, die Schönheits-Op Süchtigen belügen sich ja, wenn auch nicht beabsichtigt, eher selbst. Was meinen Sie?

          • “Außerdem werden beim Münchhausen Syndrom ausschließlich andere Menschen belogen, …”

            Besonders beim stellvertretenden Münchhausen werden (dissoziative?) Probleme verdrängt, also ist ausschließlich auch nicht gerade belogen/Lüge!?

            Wenn ein Chirurg einen “objektiv ganz normal aussehenden” operiert, dann ist das mehr als eine Lüge, es ist neben systemrationaler Menschenverachtung auch Betrug am Eid der (psychatrischen) Medizin, der …!?

      • Hallo

        Bei mir persönlich handelt es sich eher um eine artifizielle Störung. Das Krankheitsbild ist aber ähnlich und bei mir “geschied” das Vortäuschen absichtlich und nicht aus einen dissoziativen Zustand heraus.

  6. Das Münchhausensyndrom geht ja oft mit Selbstverletzungen einher, wobei diese Selbstverletzungen im Fall des Münchhausensyndroms einem klaren Zweck dienen: sie sollen einen krankhaften Zustand vortäuschen und zielen auf ärztliche Zuwendung ab.

    Die häufigste Form der Selbstverletzung, das Ritzen, zählt allerdings nicht zum Münchhausensyndrom, denn geritzt wird ja nicht um etwas vorzutäuschen wie beim Münchhausensyndrom, sondern es dient der Selbstbestrafung oder ist Ausdruck von ungelösten Konflikten oder dem Versuch sich selber zu spüren. Die Lebenszeitprävalenz selbstverletzenden Verhaltens ist bis zu 20%. Demgegenüber ist das Münchhausensyndrom und das Münchhausen-Stellvertretersyndrom sehr selten.

    Das Münchhausensyndrom teilt aber mit den Selbstverletzungen und verwandten Erscheinungen typische Persönlichkeitsmerkmale wie Identitätsstörungen, Selbstwertdefizite und Borderline-Persönlichkeit. Zudem gibt es nicht selten auch Kombinationen von Münchhausensyndrom und klassischer Selbstverletzung.

    Mir scheint das überhaupt ein Charakteristikum psychischer/psychiatrischer Krankheitsbilder: Gleiche oder ähnliche Ursachen können sich auf verschiedene Art und Weise manifestieren. Die gleiche Ursache/psychische Konstellation kann also zu Selbstverletzung, Münchhausensyndrom oder Hypochondrie führen. Es ist fast so wie wenn man die gleiche Aussage sowohl in spanisch als auch deutsch oder katalanisch vortragen kann.

  7. Louisa Sohmen,
    Sie machen das geschickt, jetzt weiß ich auch, was eine dissoziative Störung ist.
    Und gleich mal weiter gedacht. Wo führt der Weg hin ? Soll das ein Crashkurs für angehende Psychotherapeuten werden oder schwebt ihnen eine Diskussion über Lüge und Wahrheit vor ? Eine Gesellschaft kann man ja als eine Ansammlung von Individuen betrachten und dann können wir aktuelle Diskussion über Corona , über die Querdenker , über Politiker führen.
    Es wird unterhaltsam !

    • Ich habe auf keinen Fall den Anspruch, einen Crashkurs für angehende Psychotherapeuten zur Verfügung zu stellen, dafür kenne ich mich gar nicht gut genug aus! Diskussionen über Lüge und Wahrheit klingen hingegen ausgezeichnet 😉

  8. @hwied: “… Ansammlung von Individuen …”

    Eine Gesellschaft sollte eine unkorrumpierbare / nicht konfusionierbare Gemeinschaft von Selbstbewussten sein, dann erst klappt’s mit wirklich-wahrhaftigen Diskussionen OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik die …! 😎

  9. Die Wahrheit ist, daß Mensch ALLE bedeutet, die Menschen gleich sind, die “freiheitlich”-wettbewerbsbedingte Gesellschaft die meisten Mental verkommen läßt und ebenso benutzt / systemrational verwurstet.

  10. Zur Ehrenrettung des Barons. (Nachdem ich nochmals seine Biografie gelesen habe ) Münchhausen war gegen die Veröffentlichung dieser Geschichten was dafür spricht das er über eine gewisse Etikette verfügte, die Normen der damaligen Gesellschaft achtete und auch Scham-und Rechtsgefühle hatte. Werte, die diesen Personen die heute mit diesem Syndrom beschrieben werden, sehr wahrscheinlich fehlen und die Gründe dafür werden hier gesucht. Wer in kaputte familiäre/gesellschafliche Strukturen mit Gewalt ,Brutalitäten, Lügen, Betrügereien hineingeboren wird, wird diese Muster übernehmen um sich zu behaupten. Innerlich wird er wahrscheinlich eine gespaltene Person bleiben da seine Grundbedürfnisse nach Liebe und Geborgenheit nicht respektiert und anerkannt werden, aber die erfährt er auch nicht bewusst sondern durch die Konflikte seiner Psyche(Seele) die in seiner kaputten Umwelt genau so kaputt ist und sich wahrscheinlich- unbewusst – in diesem Syndrom äußert in dem der eigene Körper benutzt wird. Diese Personen handeln also -unbewusst-nach Werten die ihnen anerzogen wurden, die sie geprägt haben, die
    wahrscheinlich weit weg von den Werten des Barons liegen der beim lügen noch Scham und andere Rechtsgefühle entwickeln konnte.

    • Ich hatte immer angenommen, das Münchhausen-Syndrom beruht auf wohlige Erfahrungen einer gestörten Person mit dem Gesundheits-/Krankheitssektor – das Wort Gesundheitswesen scheint mir fast nicht mehr angemessen.

      • Das mag zumindest teilweise hinkommen, erstaunlich viele Münchhausen-by-proxy Patienten/ Patientinnen arbeiten selbst im Gesundheitswesen! Zwar sind “wohlige Erfahrungen” sicherlich nicht der Hauptauslöser, könnten aber durchaus eine Rolle spielen. (Gute) Ärzte und Ärtztinnen sind nun mal führsorglich und schenken den Erkrankten Aufmerksamkeit, die sie vielleicht anderweitig nicht erfahren.

  11. Dieser Satz ist gelogen !
    Wenn das stimmt, dann stimmt etwas nicht. Wenn wir der Aussage vertrauen, dass der Satz „Dieser Satz ist gelogen“ wahr ist, dann widerspricht sich der Schreiber. Er erwartet, dass wir den Satz für wahr halten und gleichzeitig seinen Inhalt für wahr halten. Aber der Inhalt des Satzes widerspricht dieser Forderung. Er sagt explizit, der Inhalt des Satzes ist falsch.
    Der Satz hat ein Eigenleben angenommen, den wir kurz Inhalt nennen. Und wenn wir den Satz nicht schreiben, sondern sagen, dann ist der Inhalt des Satzes falsch, man kann auch sagen , er ist eine Lüge aber der Sprecher erwartet von uns , dass wir ihm vertrauen und den Satz als wahr nehmen.
    Die Lüge beinhaltet formal einen logischen Widerspruch. Und die Lüge beginnt ein Eigenleben zu führen. Die Lüge schafft einen Graben zwischen dem Lügner und dem der belogen wird.
    Graben heißt auf niederdeutsch Sund. Daraus leitet sich die Sünde ab. Die Sünde ist der Graben, den der Mensch zwischen sich und Gott als Personifizierung der Wahrheit schafft.

  12. Baronesse Münchhausen?
    Nicht nur Männer gehen mit erfundenen Krankheiten hausieren, zunehmend tun dies auch reifere Frauen (Zitat Wikipedia): „ Neuere Langzeitstudien ergaben, dass aber auch Frauen im Klimakterium häufiger am Münchhausen-Syndrom leiden.„

    Doch ist eine Baronesse Münchhausen, die Lügengeschichten am Laufmeter auftischt, überhaupt denkbar?
    Durchaus, nur eben mit Frauen-, nicht Männergeschichten. Keine Frau also, die auf Kanonenkugeln reist, aber eine Frau, die als Mata Hari den Männern den Kopf verdreht (?) Zur Zeit von Baron Münchhausen waren die Sphären von Mann und Frau noch weitgehend getrennt und die Rollen zwischen Mann und Frau fest verteilt – wobei aber gerade die Töchter aus höherem Haus schon relativ früh hin und wieder gegen das Rollenideal verstiessen. Nur wurden diese Rebellinnen wie etwa George Sand kaum in den inneren Kreis der damaligen Männergesellschaften aufgenommen und ihre Geschichten waren keine erfundene Helden- und Lügengeschichten, sondern wurden wenn schon als Romane (des Herzens) zwischen zwei Buchrücken gepresst.

  13. Martin Hozherr,
    nach ihrem Beitrag kommt der Verdacht auf, dass schöngeistige Literatur ein Standbein im Münchausen Syndrom hat. Und Kinder übertreiben ihre Erlebnisse, weil sie sie entweder so erlebt haben oder mit der Übertreibung Spannung abbauen.
    Ich sehe phantasievolle Geschichten positiv, man muss ja nicht alles glauben.

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