OneWeb nimmt die Starts wieder auf

Generisches Abdeckungsprofil einer Walker-Satellitenkonstellation, hier für 60 Satelliten mit einer Bahnhöhe von 700 km und einer inklination von 55 Grad auf 15 Bahnebenen, Quelle: Michael Khan

OneWeb ist eins der Unternehmen, die den Aufbau und Betrieb von Megakonstellationen kleiner Telekommunikationssatelliten im niedrigen Erdorbit vorhaben. 

Bis jetzt sind 74 der geplanten mindestens 650 Satelliten oben; 68 davon wurden mit zwei Starts von Sojus-Raketen im Februar und März 2020 ins Orbit gebracht. Jeder der Satelliten hat eine Masse von 150 kg. 

Ende März 2020 ging OneWeb dann pleite, musste die Aktivitäten vorübergehend einstellen und Angestellte entlassen. Nun aber hat ein Konsortium unter 50%iger Beteiligung der britischen Regierung eine Milliarde investiert um das Unternehmen aufzukaufen. 

Wie Arianespace am 21.9.2020 in einer Pressemitteilung bekannt machte, ist der nächste OneWeb-Start für den Dezember 2020 geplant. Dann soll eine Sojus-Rakete vom neuen russischen Kosmodrom Vostochny aus 36 OneWeb-Satelliten starten. 

Die geplante Aufgabe der Konstellation sind Kommunikations- und Breitband-Internetdienste mit geringer Latenzzeit. Die britische Regierung hat ihr Interesse an OneWeb mit der Absicht begründet, auf Basis dieser Konstellation ein eigenes Satellitennavigationssystem zu schaffen. Mit dem Austritt aus der EU ist Großbritannien auch von der Teilnahme am europäischen System Galileo ausgeschlossen. 

Experten haben aber Zweifel angemeldet, ob dieses Vorhaben sinnvoll ist.  Weder ist das Weltraumsegment von OneWeb für den Einsatz als Navigationssatelliten vorgesehen, und es ist unklar, ob die Umkonstruktion der Satelliten funktionieren würde. Noch sind die Bahnen der Megakonstellation für diesen Einsatzzweck geeignet. Das russische Glonass, das US-GPS, das europäische Galileo und das chinesische Beidou nutzen Bahnhöhen von 19,000-23,000 km und Umlaufperioden um die 12 Stunden, die vorgesehene Bahnhöhe der OneWeb-Satelliten ist dagegen nur 1200 km. 

Di vorherige Premierministerin Theresa May hatte im Dezember 2018 angekündigt, Großbritannien wolle ein eigenes Satellitennavigationssystem aufbauen. Dazu wurde eine Machbarkeitsstudie gestartet. Ursprünglich wurden die Kosten des Projekts auf 3-4 Milliarden Pfund geschätzt. Im May Mai 2020 waren die geschätzten Kosten schon bei 5 Milliarden Pfund angelangt und das Projekt wurde gestoppt.

Allerdings ist bei diesen Kosten zu berücksichtigen, dass ein eigenes Navigationssystem immer weitere Investitionen benötigt, weil die Nutzer ihre Operationen auf der Nutzung des Systems aufbauen. Die Wirtschaft, das Verkehrswegen und das Militär wird damit von der permanenten Verfügbarkeit der Navigationsdienste abhängig. Ab einem gewissen Punkt kann man nicht mehr einfach so aussteigen, wenn es einem zu teuer wird. 

Das ist ein guter Grund, sich vorher schon ganz genau zu überlegen, was man da eigentlich tut. Großbritannien hatte darauf bestanden, dass die Mitgliedschaft bei Galileo nur EU-Mitgliedsstaaten offen stehen dürfe. Das ging aber nach hinten los, als das Land aus der EU austrat. 

Avatar-Foto

Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

13 Kommentare

  1. Rechtschreibfehler: Im May 2020 waren die geschätzten Kosten schon bei 5 Milliarden Pfund angelangt und das Projekt wurde gestoppt. Es müsste Mai heissen nicht May (Namen der Premierministerin).

    Betreffend Navigationssystemen: die Liste der globalen Navigationssysteme umfasst:
    – NAVSTAR GPS (Global Positioning System) der Vereinigten Staaten von Amerika
    – GLONASS (Globales Satellitennavigationssystem) der Russischen Föderation
    – Galileo der Europäischen Union
    – Beidou der Volksrepublik China
    und verschiedene Ergänzungssysteme Europas, der USA, Japans und Indiens. Satellitengestützte Zusatzsysteme, engl. Satellite-Based Augmentation Systems (SBAS), sind das europäische EGNOS, das US-amerikanische WAAS, das japanische MSAS und das indische GAGAN, die die Korrektursignale über geostationäre Satelliten abstrahlen.

    Die Liste zeigt mir, dass Grossbritannien sich ein voll eigenständiges Satelittennavigationssystem gar nicht leisten kann, denn NAVSTAR, GLONASS, Galileo und Beidou sind alle teurer als 10 Milliarden Dollar und damit über dem UK-Budget. Ein satellitengestütztes Zusatzsystem könnte sich Grossbritannien aber wohl leisten.

    Die geplanten One-Web-Satelliten scheinen für ein Navigationssystem auf den ersten Blick nicht geeignet. Doch vielleicht könnte sie ja irgendwie zurechtgeschustert werden. Grossbritannien könnte sicher auch mit suboptimalen Umlaufbahnen. dieser Satelliten ein Navigationssystem aufbauen und damit im Budget bleiben, denn etwas wie Galilleo ist für Grossbritannien sicher zu teuer – und wohl auch zu fern in der Zukunft, wenn man Galilieos Geschichte als Massstab nimmt.

    • Der Verschreiber muss wohl eine Freud’sche Fehlleistung sein.

      Ob Großbritannien sich ein eigenes Navigationssystem dieser Art leisten will, hängt wohl allein von den geostrategischen Ambitionen ab. Ob sie sich das leisten können, ist eine andere Frage – die zwei neuen Flugzeugträger der Queen Elizabeth-Klasse haben zusammen 7.6 Milliarden GBP gekostet, also 10 Milliarden Dollar. Das land kann also offenbar solche Vorhaben stemmen, wenn es das will. Ob es das will, ist eine andere Frage.

      Die letzte Schätzung der Kosten eines eigenen Navigationssystems lag bei 5 Mrd. GBP. Wahrscheinlich wäre es dann noch einmal deutlich teurer geworden. Aber auch bei OneWeb ist über die jetzt investierte Milliarde hinaus noch etliches hineinzubuttern. OneWeb selbst hat sich bei den Kosten immer etwas bedeckt gehalten. 2015 haben sie selbst eine Schätzung von 3.5 Milliarden Dollar Gesamtkosten abgegeben, allerdings für ein reines Kommunikationssystem, denn bis jetzt sollte es auch nur das sein. Wenn nun auch noch vollkommen konträre Zusatzaufgaben hinzu kommen, dann wird es natürlich teurer – falls das überhaupt mit den entwickelten Satelliten und geplanten Bahnen machbar ist.

      Japan geht in der Satellitennavigation einen anderen Weg und entwickelt mit Michibiki ein reduziertes System ohne globale Abdeckung, aber mit Fokussierung auf das Inselreich und die umgebenden Gebiete. Das ist natürlich deutlich preiswerter zu haben. Das System basiert auf relativ wenigen Satelliten in exzentrischen, geneigten Bahnen. Japan hat aber auch keine geostrategischen Ambitionen. Wenn Japan das kann, kann Großbritannien das auch, wohlgemerkt mit den Einschränkungen, die damit einhergehen. Nur – wozu würde das Land denn dann zwei so riesige neue Flugzeugträger brauchen?

      • Michibiki (みちびき) ist ein GPS-basiertes Ergänzungssystem ( Satellite-Based Augmentation Systems (SBAS) ), funktioniert also nicht ohne das US-System GPS.
        Wenn es stimmt was sie schreiben, dass ein britisches Navigationssystem vor allem für die britischen Flugzeugträger und das britische Militär wichtig wäre, wäre eine solche Abhängigkeit vom US-System nur sinnvoll, wenn Grossbritannien jederzeit voll mit den USA kooperieren würde.

        Mir ist auch nicht ganz klar, was es bedeutet, dass Grossbritannien die Nutzungsrechte an Galileo verliert. Denn empfangen können die Galileo-Signale ja alle, auch Benutzer in nicht EU-Ländern. Galileo bietet jedoch eine Vielzahl von Diensten an und die meisten Dienste sind dann wohl nur EU-Ländern zugänglich – oder nicht?

        • Ja, Michibiki ist ein Ergänzungssystem, aber genau darum geht es hier doch, oder? Gerade um die gesicherten Dienste mit besonderem Schutz vor Blockieren und Spoofing, an denen regierungsseitige Nutzer besonders interessiert sind. Die Frage ist halt, ob dann ein System ausreicht, das solche Ergänzungsdienste in einer limitierten Region bereitstellt (wie das japanische System) oder ob die Briten so etwas überall auf der Welt haben wollen.

          • Ja Zustimmung. Mich wundert nur, dass ein US-System (das GPS) den Japanern (Zitat) gesicherte Dienste mit besonderem Schutz vor Blockieren und Spoofing anbieten soll, denn Michibiki kann das nur über GPS vermittelt anbieten benutzt es doch letztlich GPS. Die Japaner müssen den USA also vertrauen – und umgekehrt.

          • Ich sehe jetzt das Problem nicht. Die Japaner nutzen das offene Signal von GPS und realisieren die Zusatzdienste über ihr eigenes System. Die Nutzerterminals müssen das Signal von GPS sowie das von Michibiki empfangen und intern verarbeiten.

  2. Mit dem Austritt aus der EU ist Großbritannien auch von der Teilnahme am europäischen System Galileo ausgeschlossen.

    Hm, gemäß diesem Artikel ist das nicht der Fall. Demnach dürfen Drittländer-Firmen – britische Firmen in diesem Fall – zwar nicht mehr am Bieterprozess für sicherheitsrelevante Komponenten teilnehmen, aber Großbritannien könnte, wenn es will und wenn entsprechende Verträge mit der EU verhandelt sind, am Galileo-System weiterhin mitwirken.

    Bloß wollte Johnson offenbar nicht, sondern – Opportunist, der er ist – die nationalistische Karte spielen und damit die Dumpfnationalisten, die derzeit das große Wort in Großbritannien führen, auf seine Seite ziehen. Dafür spielt dann Geld eben keine Rolle mehr. Er (Johnson) muss es ja nicht aus seiner persönlichen Kasse bezahlen.

    • In der englischsprachigen Wikipedia liest man dazu:

      Im März 2018 kündigte die Europäische Kommission an, dass das Vereinigte Königreich nach seinem Austritt aus der Europäischen Union (EU) von Teilen des Projekts (insbesondere in Bezug auf den gesicherten Dienst PRS) ausgeschlossen werden könnte.

      In einer Rede auf der Konferenz des EU-Instituts für Sicherheitsstudien betonte der für die Brexit-Verhandlungen verantwortliche Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, die Position der EU, dass Großbritannien beschlossen habe, die EU und damit alle EU-Programme, einschließlich Galileo, zu verlassen.

    • Dieser Artikel liefert wieder eine andere Perspektive auf die Situation, nach der es nicht so sicher ist, dass Großbritannien vollen Zugriff erhält. Denn es geht nicht nur um Nutzungsrechte am Public Regulated Service. Kurzsichtiges und letztendlich den Interessen der EU schadende Taktiken gibt es demnach auf auf Seiten der EU-Mitglieder, die auf kurzfristige Vorteile für die eigene Industrie spekulieren.

  3. Für ein System wie GPS, Galileo etc wird man sicher nicht die niedrig fliegenden OneWeb Satelliten nutzen, doch vor GPS gab es schon mal ein Satellitennavigationssystem für das US-Militär: Transit

    https://de.wikipedia.org/wiki/Transit_(Satellitensystem)

    Das arbeitete nach einem anderen Prinzip, wurde aber durch GPS abgelöst das viel genauer war und zudem dreidimensional.

    De Fakto gibt es schon drei globale Satellitennavigationssysteme im Einsatz, dazu zwei lokale. England braucht nicht noch ein weiteres und ehrlich gesagt denke ich haben die gerade andere Probleme.

  4. Die Royal Navy braucht sicherlich ein globales Navigationssystem. Wie sollten ihre Schiffe sonst die Falklands und die anderen Restbestände des weltumspannenden Empires finden, in denen Ihre Majestät noch zuständig ist.

  5. Wenn geplant sein sollte, auf der Basis von OneWeb ein GPS-Overlay zu implementieren, und nicht ein eigenständiges GNSS, dann erscheint es mir nicht von vorneherein klar, dass das nicht machbar ist. Zumindest weiß ich, dass Studien im Gange sind, um genau so ein Overlay auf Basis von LEO-Satelliten zu realisieren.

  6. Wichtig ist, dass es mehrere Systeme gibt, die unabhängig von den USA sind.
    Mit Galileo haben wir ja sowieso das beste System.

Schreibe einen Kommentar