ExoMars: Einleitung des Aerobraking morgen
BLOG: Go for Launch
Bevor ich zum Aerobraking komme, als erstes zwei Bilder, eins von mir von gestern Abend und eins vom CaSSIS-Kamerasystem auf dem TGO der Mission ExoMars 2016, das bereits Ende November von der Region Noctis Labyrinthus auf dem Mars gemacht und gestern publiziert wurde.
Die Aerobraking-Phase
ExoMars ist aktuell in einer exzentrischen Bahn mit einer Neigung von 74 Grad gegenüber dem Marsäquator und einer Umlaufperiode von 24 Stunden. Das Perizentrum der Bahn ist 200 km hoch, das Apozentrum knapp 33200 km. Die Zielbahn für die wissenschaftliche Phase ist dagegen nur 400 km hoch und fast kreisförmig. Dort muss der TGO aber erst einmal hin. Mit Triebwerksmövern allein würde das 1200 m/s an Delta-v kosten. Bei einer Masse im Endorbit von um die 1400 kg bräuchte man allein für diese Absenkung etwa 700 kg Treibstoff.
Mit Aerobraking wird das Delta-v für die Absenkung auf etwa 150 m/s reduziert, also um mehr als 85%. Dafür dauert das Aerobraking auch sehr lange. Aerobraking bedeutet, dass man eine Raumsonde viele Hundert Mal in die Hochatmosphäre stippen lässt. Nicht tief genug, um die Reibungshitze und aerodynamischen Kräfte zum Problem werden zu lassen. Es wird kein Hitzeschild und auch keine besondere Versteifung der Struktur gebraucht. Aber doch so tief, dass die Abbremsung sich merklich auswirkt. Im Schnitt soll das Apozentrum pro atmosphärischem Durchgang um rund 140 km abgesenkt werden.
Am frühen Nachmittag des 15.3.2017 geht es los. Dann durchläuft der TGO das Apozentrum seiner Bahn. Dort wird ein kleines Manöver durchgeführt, das das Perizentrum von aktuell 200 km zunächst auf 150 km absenkt. 12 Stunden nach dem Manöver ist die Sonde am Perizentrum und bekommt zum ersten Mal die Atmosphäre zu spüren. Bei 150 km macht man allerdings noch kein wirkliches Aerobraking. Es ist erst einmal ein Test, um zu sehen, wie die Raumsonde das mitmacht. Und auch jetzt schon, bei 200 km Perizentrumshöhe, gibt es bei jedem Perizentrumsdurchlauf durchaus schon eine messbare Abbremsung und eine kleine Veränderung der Ausrichtung.
Wenn alles klar geht, wird drei Tage später, wieder an einem Apozentrum, ein weiteres kleines Manöver durchgeführt werden: von 150 auf 140 km. Drei Tage darauf gehts dann noch einmal 10 km hinunter mit dem Perizentrum. Danach sind die Absenkungen geringer. Die Anfangsphase des Aerobraking nennt man “Walk-in”.
Insgesamt will man der Raumsonde einen maximalen Wärmefluss von 2800 W/Quadratmeter ihrer Oberfläche zumuten. Das ist etwa das Doppelte der Sonneneinstrahlung, die in Erdnähe auf eine zur Sonne ausgerichtete Fläche trifft. Bei einem atmosphärischen Durchflug, der anfangs nur einige Minuten dauert, wird dieser Wärmefluss nur kurz erreicht, dennn die atmosphärische Dichte nimmt exponentiell ab. Das heißt, die Sonde merkt erst kaum etwas, dann nimmt die Reibungshitze steil zu, und schon ist es wieder vorbei.
2800 W/qm sind der maximal zulässige Wert. Man setzt einen Sicherheitsfaktor von 2. Das heißt, man zielt die Bahn so, dass eigentlich nur 1400 W/qm auftreten düften. Der Sicherheitsfaktor ist deswegen notwendig, weil die Dichte der Hochatmosphäre sehr variabel ist, wie schon die mit Aerobraking sehr erfahrenen Amerikaner feststellen mussten. Zu diesem Wärmefluss gehört ein dynamischer Druck von rund 0.3 N/qm. Auch dies ist der Spitzenwert, der nur am tiefsten Punkt der Bahn erreicht wird. Auch dieser kann deutlich höher ausfallen, wenn die Dichte unerwartet ansteigt.
Aerobraking ist nicht nur wegen der Länge der Phase problematisch – immerhin dauert die Phase mehr als ein Jahr, bis Ende März 2018. Dazu schreibe ich bald noch mehr auf “Go for Launch”.
Das ist ein spannendes Thema. Ich freue mich auf weitere updates. 🙂
In welchen Größenordnungen ändern sich beim Aerobraking andere Bahnparameter, z. B. die Bahnneigung oder die Positionierung des Apozentrums? Lässt sich das irgendwie sinnvoll durch die Lage der Sonde beim Durchflug beeinflussen?
Die Bremskräfte wirken ja nur tangential, deswegen kann die Bahnneigung gar nicht beeinflusst werden. Argument des Perizentrums und Rektaszension des Knotens werden durch Störmomente durch die Abplattung des Mars verändert, und zwar umso mehr, je niedriger das Apozentrum ist und je länger die ganze Chose dauert. Diese zwei Winkel sind aber erst einmal egal. Man versucht, das Aerobraking so schnell und sicher wie möglich durch zu ziehen. Ganz egal ist die Richtung der Apsidenlinie nicht, denn am Ende will man in eine sehr schwach exzentrische Bahn, deren Perizentrum bei -74 Grad Süd liegt. Auch der Knoten ist nicht ganz egal, denn man muss ja die Bahn so ausgerichtet haben, dass die Daten von der Landung der Rovermission am 19.3.2021 (nach aktueller Planung) übermittelt werden. Das heißt, der TGO muss genau zum Zeitpunkt der Landung genau über dem Landeort sein.
Zitat:“Insgesamt will man der Raumsonde einen maximalen Wärmefluss von 2800 W/Quadratmeter ihrer Oberfläche zumuten” Heisst das, dass nur die Wärmeentwicklung gefährlich werden kann und nicht etwa der Druck durch die Restatmosphäre. Werden die Solarsegel druckmässig also nicht besonders belastet?
Den zu erwartenden dynamischen Druck habe ich ja hingeschrieben. Es ist richtig, dass angesichts der Größenordnungen von aerothermodynamischem Wärmefluss gegenüber dynamischem Druck thermische Probleme das größere Problem sind.
Der tiefste Punkt der Bahn muss nach abgeschlossenem Aerobraking wieder angehoben (auf 400km) werden, wenn ich das richtig verstehen. Wie viel Treibstoff kostet das Manöver oder ist das in den 150 m/s schon mit drin?
Das Manöver (eigentlich ist es eine Sequenz von einem großen und mehreren kleineren Manövern) ist natürlich Teil des Aerobraking-Budgets. Mit ungefähr 70 m/s stellt es den größten Happen aus dem Budget dar.