Wie Goethe auf die Geologische Karte kommt
Anfang Dezember 1820 kontaktierte der hallesche Jurist und Amateurgeologe Christian Keferstein die Weimarer Verlagsanstalt, die auf geowissenschaftliche Publikationen und Karten spezialisiert war, mit einer Bitte. „Ich wünsche nun ein größeres Werk, unter dem Titel – Deutschland, geognostisch, geologisch dargestellt – herauszugeben, und glaube, das es am besten seyn würde dies in einzelnen Heften erscheinen zu lassen; das erste würde eine geognostische General Charte von Deutschland nebst einer allgemeinen geognostischen Beschreibung enthalten.“
Kartografische Darstellungen zur Geologie gab es schon seit einigen Jahrzehnten. In zunächst schwarzweißer Zeichensymbolik, später in Form farbiger Flächen auf topografischen Blättern, wurden Gesteine und ihre Verbreitung dargestellt. Schon um 1761 war zum Beispiel eine schwarz-weiß gedruckte lithologische Karte der Gegend zwischen Weimar und Saalfeld von dem Rudolstädter Leibarzt und Geschichtskundler Georg Christain Füchsel erschienen, 1755 eine farbige Version der Grafschaft Henneberg von Friedrich Gottlieb Gläser, 1778 die lithologische Karte Sachsens von Johann Wilhelm v. Charpentier. Der britische Landvermesser William Smith hatte um 1815 die ersten modernen geologischen Karten veröffentlicht, wo die Gesteine entsprechend ihrer Fossilien und Alters geordnet sind.
Bereits um die Jahreswende 1820/21 schickte Keferstein die ersten Entwürfe seiner geologischen Karte Deutschlands nach Weimar, mit der Bitte, diese auch an Johann Wolfgang von Goethe weiterzuleiten. Keferstein hoffte sich vom Bergrat und Farbenforscher Hilfe bei der Farbgebung der Karte. Goethe hatte schon seit einigen Jahren ein Interesse an der Geologie entwickelt, weit über seine Verpflichtungen als Aufseher des Silber- und Kupferabbau rund um Weimar und Ilmenau hinaus. In den folgenden Monaten beschäftigte sich Goethe intensiv mit der Kolorierung der Karten. Goethes Tagebücher geben Auskunft über jene Tage. “17. März 1821: Kefersteins geologische Karte und ihre Färbung durchdacht. 18. März 1821: vor Mittagessen: Überlegung der geologischen Karte, Tabelle der Farben.” Zwischen März und Mai 1821 wurden die ersten Probenexemplare der Karte gedruckt. Keferstein schreibt: „ Was dunkel von meiner Seele schwebte, was aber mir zu erreichen ohnmöglich war, die Harmonie der Farben, verdanke ich Ihrer gütigen Beyhülfe … Ihre Farbentafel wird gewiß claßisch bleiben, …“
Bei der Farbgebung lässt sich Goethe von seinem ehemaligen Mineralogieprofessor Abraham Gottlob Werner und dem Aussehen der Felsformationen im Gelände inspirieren. Quarzreiche magmatische Gesteine, wie Granit, werden rot dargestellt. Die Farbe kommt von dem hohen Feldspatanteil, der das grobkörnige Gestein manchmal rosa bis rötlich erscheinen lässt.
Quarzarme magmatische Gesteine, wie Basalt, werden schwarz gehalten. Hier herrschen dunkle, eisenhaltige Mineralien vor. Karbonatgesteine wie der Muschelkalk werden in blauen oder sehr hellen Farbtönen gehalten. Je nach Reinheit und Verunreinigung, kann Kalkstein grünlich, braun, grau bis weiß sein. Sandstein wie der rötliche Buntsandstein, Hinweis auf einen Anteil von verwitterten Eisenmineralien (wie Goethit), wird in gelb bis orange dargestellt.
Kefersteins Kartenwerk wurde im Juni-Juli 1821 veröffentlicht und ein großer Erfolg. Die Farben, die er in seinen Karten verwendete, wurden auch von anderen Geologen übernommen und im Laufe der Zeit erweitert. Tatsächlich wird Goethes Farbgebung teilweise noch heute in modernen geologischen Karten verwendet.