Einzigartiger Edelstein des Tutanchamun durch Meteoritenimpakt entstanden

Ägypten, Tal der Könige, am frühen Morgen des 4. November 1922. Seit sechs Jahren gräbt der britische Archäologe Howard Carter schon hier in einem abgelegenen Tal westlich des Nils, das im Alten Ägypten als Land der Toten angesehen wurde. Zahlreiche Herrscher wurden hier bestattet und Carter hofft, hier auch das Grab des Tutanchamun zu finden, ein eher unbekannter Pharao der vor über 3.300 Jahren über Ägypten herrschte. Bisher hatte Carter kein Glück und dies ist die letzte Grabungssaison, die sein Geldgeber bereit ist zu bezahlen. An jenem Tag hat ein Arbeiter eine Stufe, die in die Tiefe führte, entdeckt. Als man den Schutt beiseite schafft, kommt eine Treppe zum Vorschein und schließlich eine versiegelte Tür. Einen Monat später dringen die Ausgräber in die Grabkammer ein, die, wie sich Carter später erinnert, “mit wunderbare Dinge gefüllt war.”

In einer Truhe entdeckt Carter eine goldene Brustplatte, die mit einem auffälligen gelb-grünlich schimmernden Skarabäus geschmückt ist. Der Skarabäus stellt den Sonnengott Ra dar, wie er die Barke mit der Sonnenscheibe über das Himmelsgewölbe trägt, und ist aus einen zunächst nicht bestimmbaren Edelstein geschnitzt.

Carter beschreibt den Stein zunächst als Chalcedon, eine gewöhnliche Quarzvarietät. Erst 70 Jahre später entdeckt der italienische Mineraloge Vincenzo de Michele, dass es sich tatsächlich um libysches Wüstenglas handelte. Wüstenglas besteht aus fast reinen Siliziumdioxid wie Quarz, weist aber eine andere Kristallstruktur auf. Zusätzlich weist libysches Wüstenglas noch Spuren von seltenen Elementen, wie Nickel, Chrom, Iridium und Kobalt, auf.

Die Fundstelle von libyschen Wüstenglas wurde 1932 vom britischen Kartografen Patrick A. Clayton während einer kartografischen Mission entlang der Grenze von Ägypten zu Libyen, damals unter italienischer Herrschaft, zufällig entdeckt. Mitten in der Wüste ragen hier Gerölle aus Glas aus dem Wüstensand. Die Entstehung dieses Vorkommens ist noch heute rätselhaft. 

Fachleute vermuten, dass Wüstenglas durch Aufschmelzen und schnelles Abkühlen aus Quarzsand entstanden ist. Vulkanismus wurde rasch ausgeschlossen, weil es keine Anzeichen für Vulkane an der Fundstelle des Wüstenglas gibt. Der Impakt eines Himmelskörpers tief im Inneren der Libyschen Wüste könnte die benötige Hitze erzeugen, allerdings wurde bisher kein Impaktkrater gefunden. In 2013 wurde in einer Studie vorgeschlagen, dass ein “Airburst” vor 28 Millionen Jahre die oberen Schichten des Wüstensands aufgeschmolzen hat. Wenn ein großer Meteorit oder Komet in der Erdatmosphäre explodiert, kann genug Hitze freigesetzt werden, um die Erdoberfläche zu verkohlen. Dabei entsteht auch kein Impaktkrater, wie vermutlich während des Tunguska-Ereignis von 1908 passiert.

Eine in der Fachzeitschrift Geology veröffentlichte Studie widerspricht nun dieser Hypothese. Die Studie konnte Spuren des Minerals Reidit in Proben von libyschem Wüstenglas nachweisen. Reidit ist ein Hochdruckmineral, dass nur von großen Meteoritenimpakten bekannt ist. Laut Studie kann eine Luftdetonation allein nicht den benötigten hohen Druck, der zur Bildung von Reidit aus Zirkoniumdioxid nötig ist, erklären. Nur ein direkter Einschlag kann den nötigen Druck, einige Millionen Pascals, liefern. Weiterhin rätselhaft bleibt allerdings wo der Impaktkrater, der zum Streufeld aus Wüstenglas gehört, liegen könnte.

Rätselhaft bleibt auch, wie ein Stück Wüstenglas in Besitz von Tutanchamun gelangte. Die Fundstelle liegt weit entfernt von alten oder modernen Karawanenrouten. Der Skarabäus auf der Brustplatte ist bisher das einzige Beispiel ägyptischer Kunst, wo dieses Mineral verwendet wurde.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

2 Kommentare

  1. David Bressan schrieb (20. Mai 2019):
    > Ägypten, Tal der Könige, am frühen Morgen des 4. November 1922. […] Einen Monat später dringen die Ausgräber in die Grabkammer ein, die, wie sich Carter später erinnert, “mit wunderbare[n] Dinge[n] gefüllt war.”

    Verbürgt zu sein scheint eher, dass die Ausgräber am 27. November 1922 (also noch im selben Monat) die Grabkammer Tutanchamuns betraten; dass Howard Carter schon am Vortag als Erster (seit Langem) einen Blick durch eine kleine Öffnung in die Kammer hatte werfen können; und dass er später (im Buch “The Tomb of Tutankhamun”) seine Erinnerungen an diesen Moment insbesondere dadurch beschrieb, er habe Lord Carnarvons gespannte Frage »Can you see anything?« knapp und atemlos mit »Yes, wonderful things.« beantwortet.

    Und dass, wie sich herausstellte, die Grabkammer dabei tatsächlich mit Sachen gefüllt war, die Carter, Carnarvon u.a. als das ansahen, was man “wunderbare Dinge” nennen mag.

    p.s.
    Josef Honerkamp schrieb (19. Mai 2019):
    > […] die vereinheitlichte Theorie der elektrischen, schwachen und starken Wechselwirkung, das so genannte Standardmodell. Dieses Modell gilt heute als die grundlegende Quantentheorie.

    Sofern das “Standardmodell (der Teilchenphysik)” bekanntlich experimentell getestet werden kann (und folglich ggf. als falsifiziert befunden werden könnte und verworfen werden müsste), handelt es sich dabei aber nicht um eine (vereinheitlichte) Theorie, also nicht um ein System bestimmter nachvollziehbarer und festhaltbarer Definitionen von Messgrößen,
    sondern (“lediglich”) um eine Zusammenfassung von Messwerten aller Messgrößen, die sich im Rahmen (der Vereinheitlichung) der Theorien von elektro-schwacher und starker Wechselwirkung definieren lassen; einschl. der Erwartung, dass eventuelle weitere Messwerte dieser Messgrößen mit den bisher schon erhaltenen statistisch kompatibel sein würden.

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