Der Bergsturz von Bondo

BLOG: Geschichte der Geologie

Was die Steine erzählen und wie wir sie verstehen lernten
Geschichte der Geologie

Am 23. August 2017, einem Mittwoch, donnerten 3,1 Millionen Kubikmeter Fels vom Piz Cengalo, ein 3.369 Meter hoher Gipfel in den Bergeller Alpen, ins Val Bondasca. Es war einer der größten Bergstürze in der Schweiz seit 130 Jahren.

Man hatte den Berg schon länger im Auge, da Bergstürze und Murabgänge das Dorf von Bondo bedrohten. Im Dezember 2011 brachen bereits 1,5 Millionen Kubikmeter ab. Seit August 2012 wurde die Nordwand des Berges überwacht. Im Juli 2017 wurde eine Zunahme der Kriechbewegungen beobachtet. Eine Karte der Gefahrenzonen warnt vor einen möglichen Bergrutsch mit einem Volumen von 2 bis 3 Millionen Kubikmeter, gefolgt von Steinschlag mit zusätzlichen 2 Millionen Kubikmeter.

Ein Alarmsystem sollte die Bewohner rechtzeitig warnen und ein Auffangbecken die Schuttmassen auffangen. Das Alarmsystem gab auch tatsächlich Alarm, allerdings wälzten sich über 500.000 Kubikmeter Schlamm, Stein und Geröll ins Tal. Zu viel für das Auffangbecken. Die Straße nach Bondo wurde verlegt und 99 Gebäude beschädigt. Acht Wanderer, die im oberen Bereich der Val Bondasca unterwegs waren, wurden von den Steinmassen begraben.

Messungen rund zwei Wochen vor dem Bergsturz zeigten eine starke Zunahme der Bewegungen an der Bergflanke. Fachleute hatten daraus geschlossen, dass sich in den nächsten Wochen und Monaten ein Bergsturz ereignen werde. Der tatsächliche Bergsturz erfolgte dann jedoch ohne Vorankündigung mit kleineren Felsstürzen, er war auch kompakter und größer als erwartet. Die Schuttmassen schlugen auf den darunter liegenden Gletscher auf. Beim Aufprall wurde das Eis des Gletschers teilweise aufgeschmolzen. Das Wasser-Schuttgemisch durchfloss das Val Bondasca und erreichte schließlich Bondo.

Bergstürze, die auch heute noch immer wieder Menschen in den Alpen bedrohen, sind für Geologen eine natürliche Folge der Gebirgsbildung, die eindrucksvollste Erscheinung eines zwangläufigen Zerfalls. Der Heidelberger Geologe Wilhelm Simon formulierte es so, Bergstürze sind „ganz alltägliche Vorgänge in der Landschaftsentwicklung des Hochgebirges.“ Mehr noch: „Berg- und Felsstürze, sind die „Bildhauer am Relief des Hochgebirges.“ Die Vorbedingungen für einen Bergsturz sind nicht erst im Moment seiner Ablösung gegeben. Sie sind schon lange vorher im Gebirgsbau angelegt. Talwärts geneigte Schichtflächen oder stark zerklüftetes Gestein fördern das Abrutschen von Gesteinspaketen, einsickerndes Wasser wirkt als natürliches Schmiermittel und das Abschmelzen von Eis raubt den Berggipfeln ihren inneren Zusammenhalt. Die eigentliche Talfahrt ist so nur der letzte Akt einer langen Entwicklung.

In den Alpen sind mindestens 230 Bergstürze bekannt, Massenbewegungen mit mehr als eine Million Kubikmeter Volumen. Davon sind 130 vermutlich kurz nach den Abschmelzen der großen Talgletscher am Ende der letzten Eiszeit abgegangen, 33, darunter auch einige der größten, einige Zeit danach und 70 in historischen Zeiten.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

3 Kommentare

  1. D.Bressan,
    Wenn man Bergstürze sehen will, muss man gar nicht weit fahren.
    2001 im April sind bei Urbach im Remstal 70 000 m³ Berghang abgerutscht. als Ursache nimmt man die starken Regenfälle der vergangenen Tage.
    Man kann sich diesen Bereich ansehen. Es gibt einen extra angelegten Rundweg.
    Ich denke, dass diese Form von Oberflächenveränderung noch viel häufiger vorkommen wird. In der Schweiz, mit ihren engen Tälern sind solche Vorkommnisse natürlich viel spektakulärer.

  2. Der Bergsturz vom Piz Cengalo ist ziemlich glimpflich verlaufen. Um Größenordnungen folgenreicher war die Verwüstung des Callejón de Huaylas in 1970. Ich hatte damals davon gehört.

    Erst bei der Durchreise in 1997 wurde mir aber klar wie sehr die Region gelitten hatte. Yungay war fast vollständig verschüttet worden, nur 92 von 25.000 Einwohnern überlebten.

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