Wie Handystrahlung vor Hirntumoren schützt

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Schon gehört? Täglich mit dem Handy telefonieren schützt vor zwei seltenen Formen von Gehirntumoren. Wie sich bei der Interphone-Studie herausstellte, erkranken Menschen, die 15 bis 30 Minuten pro Tag telefonieren, etwa ein Fünftel seltener an Glioblastom und Meningeom als Menschen, die gar kein Handy benutzen. Die Studie sollte den Zusammenhang von Handystrahlung und Krebs untersuchen.

So in der Art.

Auf dieses nette Informationshäppchen bin ich jedenfalls in einem Artikel über Handystrahlung gestoßen, den unser ehemaliger Kollege Christoph Böhmert für uns geschrieben hat. Die Interphon-Studie war von der (inzwischen notorischen) WHO-Krebsforschungsgruppe IARC angeleiert worden, um den Zusammenhang zwischen Handystrahlung und Hirntumoren zu erforschen.

Natürlich liest man nirgends von der segensreichen Wirkung der moderaten Handynutzung. Und das obwohl es sogar, wie Christoph im Nebensatz anmerkt, Studien gibt, laut denen sich Menschen durch Handystrahlung besser konzentrieren können. Das muss aber ein Fehler sein, denn wir wissen ja alle: Handystrahlen sind irgendwie nicht gut und bestenfalls ein notwendiges Übel.

Lustig wird die ganze Geschichte, wenn man sie mit einem anderen Fall vergleicht, in dem eine – in diesem Fall nachgewiesenermaßen krebserregende – Substanz ein ganz ähnliches Muster hervorruft. Alkohol nämlich erzeugt in vielen Studien ganz ähnliche Daten wie die Handystrahlung: Wer gar nichts trinkt, hat ein höheres Risiko für eine ganze Reihe von Problemen als Leute, die ein bisschen trinken. Prost!

Wir wissen alle, wie kritisch Wissenschaft und Gesellschaft diese spezielle Variante der unerwarteten Dosis-Wirkungs-Beziehung immer wieder hinterfragen. Nun ja.

Bemerkenswert ist noch, dass die Interphone Study Group ganz selbstverständlich jene sehr nahe liegende Erklärung für die höheren Krankheitsraten benennt, von der beim Rotwein fast niemand[1] etwas wissen will. Sie vermuten nämlich, dass die Handy-Abstinenzler eine selbstselektierte Gruppe mit anderem Gesundheitsprofil sind. Beim Alkohol liegt diese Vermutung sogar noch ein ganzes Stück näher; da hatte ich ja andernorts drüber geschrieben.

Die kleine Anekdote zeigt mal wieder, dass auf Wissenschaft basierende Aussagen eben nicht direkt von Daten abgeleitet sind. Und eben nicht zwangsläufig aus ihnen folgen, schon gar nicht bei solchem Gesundheitskram. Da steckt eben noch eine ganze Menge Interpretation mit drin. Und wie wir mal wieder sehen, lassen Wunschdenken und Vorurteil das Ergebnis schnell mal in ganz unterschiedliche Richtungen kippen.

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[1] Fairerweise muss man sagen, dass die mediale Berichterstattung zumindest bei größeren Publikationen seit ein paar Jahren anders aussieht.

10 Kommentare

  1. Mmh, wurde schon der Zusammenhang zwischen der Beteiligung an Studien und möglichen Erkrankungen untersucht? 😉

  2. Nun wie die es auf Englisch heisst Correlation is not Casuation. Man kann aus Korrelationen zwar Vermutungen anstellen, aber die Kausalität muss noch geprüft werden.

  3. Das Leben an sich ist krebserregend oder das Gegenteil davon. Wer lebt, ist noch nicht gestorben; wer gestorben ist, lebt nicht mehr. Ich bin aber sicher, daß es Studien gibt, die belegen können, daß auch atmen und schei-en krebserregend ist. Wir werden alle sterrrrben.

  4. Ich frage mich, wie solche Studien motiviert werden.
    Bevor ich beträchtliche Summen aufwende, will ich als Institution, die sowas finanziert, doch von den Antragstellern eine Theorie haben, wie solche nicht-ionisierende Strahlung eine mutagene Wirkung haben kann. Und das Modell muss einigermaßen mit den Erkenntnissen der Physik aus den letzten 120 Jahren kompatibel sein. Wär ein bisschen seltsam, wenn manchmal die Physik “nicht gilt”, oder?
    Da scheinen mir Leute an ein “feinstoffliches” Paralleluniversum zu glauben, mit reichlich Platz für unsichtbare rosa Einhörner.

    • Es gibt vermutlich fünf mal so viel dunkle Materie wie baryonische Materie im Universum.
      Das wäre doch ein schönes feinstoffliches Paralleluniversum für die Esoteriker.
      Womöglich gibt es da drinnen noch ein dunkles Periodensystem und ein dunkles Standardmodell.
      Ich stelle mir gerade dunkle Sterne vor, die die dunkle Energie abstrahlen, von der es ja auch eine größere Menge gibt.

      • Die gängigen Modelle für Dunkle Teilchen schließen die Bildung von Dunklen Sternen aus, d. h. das Zeug ist
        a) fein verteilt (so 10^ -12 Sonnenmassen innerhalb der Neptunbahn)
        b) wechselwirkt so gut wie nicht mit normaler Materie
        Damit kann man wenig (außerhalb der Kosmologie) erklären, insbesondere keinen (Nicht-)Krebs, für den es wesentlich naheliegendere Erklärungen gibt 🙂

  5. Und täglich grüßt das Murmeltier !
    Täglich erscheinen in Presse und TV sogenannte Experten, die mir die Welt im Sinne bestimmter Lobbyistengruppen bzw. der deutschen Industrie in Form von “unabhängigen Studien” erklären wollen. Für mich sind das quasi Menschen, die nie einen Orgasmus hatten, ihn aber stundenlang bis ins Detail erklären und analysieren können. Fehlt nur noch eine Studie über die Auswirkung von Handystrahlung auf die neuronalen Dysfunktionen bei selbsternannten Experten…

  6. Als es noch keine Handys gab waren probate Hausmittel schon weit verbreitet:

    Fifty years of plutonium exposure to the Manhattan Project plutonium workers: an update.

    Twenty-six white male workers who did the original plutonium research and development work at Los Alamos have been examined periodically over the past 50 y to identify possible health effects from internal plutonium depositions. Their effective doses range from 0.1 to 7.2 Sv with a median value of 1.25 Sv. As of the end of 1994, 7 individuals have died compared with an expected 16 deaths based on mortality rates of U.S. white males in the general population. The standardized mortality ratio (SMR) is 0.43.

    Plutonium wirkt anscheinend stärker als Handys.

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