Tiefergehende Zusammenhänge (oder: wozu in die Ferne schweifen)
BLOG: Exo-Planetar
Nach einem Tagungsaufenthalt (Paneth Kolloquium) in Riesenschnitzelhausen Nördlingen mit viel, viel isotopenbezogenen Vorträgen jetzt mal wieder ein Beitrag über was ganz anderes. Nicht ganz, um Isotope geht es nämlich auch. Aber mal in einem größeren Zusammenhang. Es geht um die Zusammensetzung der Erde, und woher das Baumaterial kam.
Es geht um die Wasserstoffisotope (mal wieder), Thema des Papers Evidence for primordial water in Earth’s deep mantle von Lydia Hallis und Kollegen. Der Lebenslauf der Kollegin ist ein schönes Beispiel dafür, dass es sich in der Wissenschaft halt lohnt, nicht an einem Ort zu bleiben, sondern erst mal Erfahrungen zu sammeln. Hallis ist in Glasgow tätig, das Paper geht aber auf Zusammenarbeit mit Leuten zurück, mit denen sie zuvor auf Hawaii zusammengearbeitet hat. Ja, auch dort wird Planetologie betrieben, und zwar auf höchstem Niveau (in doppeltem Sinne). In dem Science-Paper (hier ein Tagungsabstrakt für lau) geht es, wie der Titel sagt, um die Herkunft des Wassers auf unserem blauen Planeten (ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung, Erich Kästner). Ein heißer Kandidat waren Kometen, aber zumindest Rosetta war in der Hinsicht eine Enttäuschung.
Das Verhältnis der beiden Isotope D und H wird durch massenabhängige physikalische Prozesse wie Verdampfung, Kondensation, Aufschmelzen oder Diffusion beeinflusst. Das leichtere Isotop H ist etwas beweglicher – es geht z.B. eher in den verdampften Teil des Wasser, während im noch flüssigen des schwerere D angereichert wird. Man kann solchen Fraktionierungsprozesse durchaus auch für die Bestimmung der Temperatur in solchen Prozessen verwenden. Das wird z.B.in der Paläontologie benutzt, um das Klima in der Vergangenheit zu bestimmen. Neben diesen massenabhängigen Prozessen gibt es auch noch die massenunabhängigen Prozesse, die etwas komplizierter sind. Grundsätzlich sind solche Isotopenverhältnisse so etwas wie Fingerabdrücke von Elementen.
Wenn man jetzt also die Herkunft des irdischen Wassers bestimmen will, liegt es zunächst nahe, einfach mal des Wasser zu untersuchen, und die Ratios (also Verhältnis D/H) mit dem in extraterrestrischem Material zu vergleichen. Das irdische Ozeanwasser zeigt einen ziemlich einheitlichen Wert (SMOW, Standard Mean Ocean Water), und auch generell variiert Oberflächenwasser nicht so gewaltig (aber messbar). Was einen solchen Vergleich ja eigentlich leicht machen sollte. Eigentlich. Dummerweise ist das Wasser an der Erdoberfläche, auch in den gut durchgequirlten Ozeanen nicht alles Wasser auf unserem Planeten. Viel davon steckt weiter unten fest – in der Kruste oder gar im Erdmantel, gebunden in Mineralen. Die Schätzungen des Anteils variieren, es sollte aber der größere Teil sein. Noch besser, das Wasser zirkuliert nicht nur an der Oberfläche, sondern halt auch via Plattentektonik und Vulkanismus durch den festen, silikatischen Teil des Planeten. Deshalb ist zu erwarten, dass die D/H-Ratios eben durch physikalische Prozesse verändert wurden und werden. Tendenziell sollte das leichtere Isotop H in Atmo-, Hydrosphäre, Kruste und dem oberen Mantel angereichert sein, während der tiefere Mantel ‘schwerer’, also an D angereichert wäre. Anders gesagt, um irgendwelche weitergehenden Schlussfolgerungen ziehen zu können, sollte man das Ausgangsverhältnis kennen.
Wo aber kriegt man das Ur-Wasser, das die Ur-Erde repräsentiert, her ? In den letzten paar Milliarden Jahren wurde leider auch das Erdinnere ordentlich umgewälzt, also keine einfache Frage. Hallis et al. entschieden sich für Gestein aus Island und von Baffin Island (Padloping Island, so ziemlich am abgelegensten Winkel des Planeten). Dieses bildete sich aus Lava, die aus tieferen Mantelregionen stammt (km). Und je tiefer, desto unwahrscheinlicher sind Einflüsse von oben (wobei wir hier von sehr großen Zeiträumen sprechen…) Aus der Isotopie des Edelgases Helium hat man bereits Hinweise, dass die fraglichen Gesteine aus einem sehr ‘primitiven’ oder ursprünglichen Reservoir stammen, ohne Anzeichen von Mischung mit anderem Material während des Aufstiegs.
Untersucht haben Hallis und Kollegen kleine Glaseinschlüsse in Olivin (er schon wieder…) aus den schon vorher ausführlich untersuchten Basalten. Und zwar mit einer Ionensonde (SIMS). Wir erinnern uns, dabei wird die Probe mit einem feinen Ionenstrahl ( in der Regel Sauerstoff oder Cäsium) abgerastert, und die freigesetzten Ionen per Massenspektrometer analysiert. Hier nicht mit der allgegenwärtigen NanoSIMS, sondern einem etwas schwereren Geschütz, einer mächtigen Cameca ims 1280. Die hat zwar nicht die hohe Ortsauflösung der NanoSIMS, dafür erlaubt sie aber präzisere Messungen der Isotopenverhältnisse. Das sind raumfüllende Geräte, deren Betrieb ein ziemlicher Aufwand ist. Und teuer sind die Dinger selbstverständlich, Hardware und im Betrieb – ein eigener Techniker ist auf jeden Fall auch nötig.
Ein Problem ist die Präparation solcher Proben – unsere Erde ist ein recht nasser Körper, so dass Wasserstoff eigentlich überall klebt. Außerdem muss die Probe sehr gut poliert werden, Unebenheiten von ein paar tausendstel Millimeter können die Analysen schon beeinflussen, die korrekte Geometrie im Gerät ist wichtig.
Das Ergebnis zeigt extreme D/H-Verhältnisse, die sich noch am ehesten mit denen der kohligen Chondrite vergleichen lassen. Das sind die Meteorite, die sich (chemisch) wohl am wenigsten seit dem frühesten Sonnensystem verändert haben. Interessanterweise scheinen auch Ergebnisse für Mars-Meteorite in dieselbe Richtung zu deuten – da kristallisiert sich möglicherweise ein schlüssiges Gesamtbild heraus. Das Ausgangsmaterial wären dann wohl eher den Asteroiden ähnlich gewesen.
Wie stellen die Autoren sich das Ganze dann vor ? Das Ur-Wasser muss dann wohl mit dem Startmaterial – ähnlich dem der kohligen Chondrite – wohl in Form von Staubpartikeln akkretiert sein. Das Kunststück ist dann halt noch, einen Verlust des Wassers durch die hohen Temperaturen beim Wachstum der frühen Erde durch Impakte und Kollisionen, und vor allem der auf jeden Fall sehr energetischen Entstehung des Erdmondes, wohl in einer großen Kollision, zu erklären. Aber sehr wichtige Eckdaten für die Modellierungen der Erdentstehung sind die Ergebnisse der Studie allemal.
Unterm Strich ein sehr interessantes Paper, das zeigt dass die wichtigen Erkenntnisse in der Planetologie auch mal direkt unter unseren Füßen gefunden werden können, anstatt weit draußen zwischen den Planeten.