Sternwarte Lübeck: Ein Teleskop geht in Rente

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…und auch tagsüber
Astronomers do it at Night

35 Jahre lang war das 48cm-Teleskop auf seiner schweren parallaktischen Montierung unter dem Dach der Kuppel der Sternwarte Lübeck der ganze Stolz der dortigen Sternfreunde. Unzähligen Besuchern – Groß und Klein – hat dieses Fernrohr die Wunder des Himmels gezeigt, Generationen von Lübecker Amateurastronomen nutzten es für ihre eigenen Beobachtungen und Himmelsaufnahmen. Mit dem Aufkommen der digitalen Fotografie zeigte sich aber: Das Teleskop ist den heutigen Anforderungen der Technik nicht mehr gewachsen. Die Lübecker wünschten sich daher ein leistungsfähigeres Gerät mit moderner Ausstattung. Was viele Jahre nach einem unerfüllbaren Traum aussah, wird nun Realität – Dank großzügiger Spenden der Lübecker Dräger- und Possehlstiftungen – und das große Teleskop muß Platz machen für seinen Nachfolger.

Abschiedsbild: Bevor es an den Abbau geht, scharen sich die fleißigen Helfer ein letztes Mal um das Teleskop

Die Sternwarte Lübeck ist eine typische Volkssternwarte, die regelmäßig öffentliche Vorträge und Beobachtungsabende anbietet. Betrieben wird sie vom Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck e.V., aus dem sich ein etwa 15köpfiges Mitarbeiterteam rekrutiert, das das Vortragsprogramm bestreitet und bei den Beobachtungen die Teleskope betreut. Die Sternwarte ist sozusagen ein Kind der Nachkriegszeit, entstanden auf Initiative des inzwischen verstorbenen Prof. Dr. Peter Baron von der Osten-Sacken, dem es in den 50er Jahren gelang, die Lübecker Stadtväter zum Bau der Sternwarte in den Räumlichkeiten der Johannes-Kepler-Realschule im Stadtteil Eichholz zu veranlassen. In die 3.25m-Kuppel auf dem Dach des Schulgebäudes zog damals ein 25cm-Spiegelteleskop ein. Mit der Zeit stiegen die Ansprüche der Lübecker Beobachter an ihr Gerät, besonders bei der Fotografie zeigte der lange Newton seine Schwachstellen ebenso wie die seiner Montierung. In den 70ern konnte von der Osten-Sacken dann die Stadt erneut davon überzeugen in ihre Sternwarte zu investieren: Ein neues, größeres Teleskop wurde angeschafft, das auf einer schweren Montierung der Firma Wachter bombenfest stand. Vielseitig sollte das Fernrohr sein, deshalb ließ es sich mit einem auswechselbaren Fangspiegel mit wenigen Handgriffen von einem Newton mit knapp 2m Brennweite in einen Cassegrain mit 6m Brennweite umwandeln. Mit seinen fast 50cm Öffnung war es lange Jahre das größte Teleskop Norddeutschlands in Amateurhänden, und die Lübecker nutzten es fleißig. 

Seit der letzten Neuverspiegelung vor fünf Jahren hat der Hauptspiegel arg unter der Witterung gelitten

Im Laufe der Zeit kam das Fernrohr dann in die Jahre, obwohl es natürlich immer gut in Schuß gehalten wurde. Regelmäßig wurden die Spiegel neu belegt, vor einigen Jahren konnte das Kuppeldach saniert werden, und schließlich ersetzten eine FS2-Steuerung und neue Motoren die selbstgebaute Nachführeinheit aus der Anfangszeit. Die Mitte der 90er Jahre angeschaffte CCD-Kamera zeigte, daß trotz aufgehellten Himmels vom Lübecker Stadtrand aus noch immer einiges möglich ist, doch die Technik entwickelte sich in der folgenden Zeit rasant weiter: GoTo-gesteuerte Montierungen fahren Objekte binnen Sekunden an, Teleskop und angeschlossene Kamera werden per Computer bedient und inzwischen häufig über das Internet ferngesteuert. Zudem ermöglicht Leichtbau es, auch große Öffnungen auf moderaten Montierungen einzusetzen. Große, schwere Volltuben auf wuchtigen Montierungen mit Tangentialarm gehören damit der Vergangenheit an.

Meinereiner durfte in den Tubus klettern und von innen die Halterungen der Leitrohrschellen lösen

Nun, da sich tatsächlich eine Finanzierungsmöglichkeit für ein neues, kompakteres Gerät gleicher Öffnung samt Montierung und CCD-Kamera eröffnet hat, mußte das altgediente Teleskop die Kuppel räumen. schon im Vorwege war klar, das wird kein Kinderspiel, im Gegenteil. Das Teleskop und insbesondere die Montierung sind alles andere als Leichtgewichte und mußten irgendwie die schmale Treppe des Kuppelaufgangs hinunterbuchsiert werden. Beim Einbau hatte man damals derlei Schwierigkeiten umgangen, angeliefert wurde in Einzelteilen und per Kran direkt in die Kuppel. Also traf man sich sich in Erwartung schwerer körperlicher Arbeit zu Demontage und Abtransport.

Abwärts gehts für die Deklinationsachse

Zunächst wurden Kleinteile und das Sucherfernrohr abmontiert und der Fangspiegel sicher verstaut, dann kam der Hauptspiegel an die Reihe. Die komplette Spiegelzelle wurde ausgebaut und gleich mitsamt zwei der schweren Gegengewichte nach unten gebracht. Anschließend folgte der Tubus, der sich tatsächlich die enge Treppe entlangwuchten ließ. Die nackte Montierung mußte dann bis nach der Pause auf das Zerlegen warten, in der sich die fleißigen Schrauber, Träger und die alles dokumentierenden Fotografen ersteinmal mit einem zweiten Frühstück stärkten.

Große Schrauben hielten die Einzelteile der Montierung zusammen. Um die Deklinationsachse abnehmen zu können, mußte aber zunächst ein wenig Friemelarbeit geleistet werden um die Kardangelenke des Tangentialtriebs zu trennen. Die Achse besteht aus Vollmaterial und ist entsprechend schwer. Erst mit einem Abschleppseil als zusätzliche Unterstützung trauten wir uns, sie abzunehmen und auf den Weg nach unten zu bringen.

Einen Meter weit ging es für die nochmal schwerere Rektaszensionsachse, mehr ging nicht

Noch schwieriger wurde das bei der Rektaszensionsachse mit ihrem großen Messingschneckenrad. Zwei lange Holzbalken zur Unterstützung mußten her, damit sich eine handvoll kräftiger Männer überhaupt daran machen konnte, sie vom Säulenfuß zu nehmen. Sofort danach kapitulierten die Jungs dann auch, die Treppe herunter hat es die Achse nicht geschafft. Da sich nirgends in der Kuppel ein Flaschenzug anbringen läßt, muß vielleicht tatsächlich ein Kran her, um sie die drei Stockwerke hinunter in die Räumlichkeiten der Sternwarte im Erdgeschoß zu bekommen. In der Mitte der Kuppel verblieb nur der Sockelfuß der Montierung. Bis das neue Teleskop mitsamt Montierung und Säule dort aufgebaut werden kann, steht die Kuppel leer. Die Lübecker hoffen in dieser Hinsicht auf ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk von der Spedition.

Eingelagert: Tubus, Spiegel und Teile von Montierung und Knicksäule

To be continued…

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

10 Kommentare

  1. Schade

    Hallo Caro,

    ist ja eigentlich ein sehr trauriges Bild, diese solide und offensichtlich überaus tragfähige Montierung so in der Ecke liegen zu sehen…Aber ohne Goto und Co. scheint ja heute gar nichts mehr zu gehen…Wobei es für eine Volkssternwarte sicherlich vorteilhaft ist. Trotzdem: Schade!

    Gruß, Ralf

  2. Die Kehrseite der Medaille

    Hallo Ralf,

    natürlich sieht man so ein altgedientes Teleskop mitsamt Montierung nur mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen – es hat schließlich jahrelang treue Dienste geleistet und ist ja auch nicht defekt oder derartiges.

    Gerade beim Teleskop haben aber schon immer gewisse Schwierigkeiten bestanden, es ist nämlich eigentlich viel zu groß für die kleine Kuppel. Gerade mit größeren Besuchergruppen wird das zum Problem. Etwas kompakteres kommt da also gerade Recht.

    Und nunja. Sicher GoTo muß nicht sein, aber ist halt doch auch eine praktische Sache. Rein vom Standpunkt des Sternwartenbesuchers, der einen Blick auf Mond und Planeten wirft, wäre das alte Teleskop sicher genauso gut wie das neue. Die alte Montierung trägt auch den wuchtigen schweren Newton-Cassegrain ohne mit der Wimper zu zucken und hätte sicher auch einfach nur einen anderen Tubus locker aufnehmen können. Aber wenn schon modernisieren, warum dann nicht gleich komplett?

    Teleskop und Montierung suchen übrigens nach einem neuen Besitzer, der ihre Eigenschaften genauso zu schätzen weiß wie es die Lübecker lange jahre getan haben.

  3. Einzusehen

    Hallo Caro,

    stimmt, eng war´s, daran kann ich mich noch erinnern, als ich mal da war. Die neue Ausrüstung bietet alles in allem sicher mehr Möglichkeiten. Soso, einen neuen Besitzer suchen die guten Stücke also…hmmm…Vor allem die Montierung finde ich schick, sehr schick sogar…grübel…nun habe ich selber seit knapp einem Jahr bereits eine tolle Knicksäulenmontierung. Sonst wäre ich womöglich schwach geworden… ;o) Ich hoffe, ihr findet jemanden!

    Viele Grüße, Ralf

  4. Verkauf Ihrer alten montierung

    zufällig bin ich auf Ihre Seiten gestoßen. Ich suche für einen guten Freund ( ebenfalls aus Lübeck). Der wie Sie das Hobby ausübt.
    Ich möchte Ihm ein Montierung für sein selbstgebautes 16″ Dobs. sponsern. Sollten Sie mit Ihrem Verkaufsvorhaben konkret werden, dann senden Sie mir Ihren Preis
    Mit freundlichem gruß
    aus Hamburg

  5. Re: Verkauf Ihrer alten montierung

    Hallo Herr Buhr,

    ich glaube nicht, daß die Sternwarte Teleskop und Montierung getrennt verkaufen wird. Beides gehört zusammen, und ist eines der beiden Teile nicht mehr vorhanden, dürfte es schwierg werden für das jeweils andere einen Käufer zu finden.

    Hinzu käme: Eine Montierung wie diese bräuchte eine feste Aufstellung in einer Kuppel oder ähnlichem. Zum Abtransport der schwersten Montierungsteile war ja zudem auch ein Kran von Nöten. Ein Dobson-Teleskop läßt sich im Allgemeinen auch nicht so einfach parallaktisch montieren, insbesondere Gitterrohrtuben sind dafür nicht geeignet.

  6. Ein neues Zuhause für das Teleskop

    Hallo Herr Meyer,

    tatsächlich ist das Teleskop mitsamt seiner Montierung vor kurzem offiziell in andere Hände übergangen.

    Die Sternwarte Lübeck hatte nicht aktiv nach einem Käufer gesucht, es war aber klar, daß es in der Region bleiben sollte (schon allein wegen der festen Neigung der Knicksäule) und wenn möglich weiterhin der astronomischen Öffentlichkeitsarbeit dienen.

    In Kürze wird das Gerät die Zierde der großen Kuppel auf dem Dach der vhs-Sternwarte Neumünster sein:
    http://www.sternwarte-nms.de

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