ITV 2010 – mehr als Immer Total Verregnet
BLOG: Astronomers do it at Night
Pfingstwochenende 2010 in Heidelberg: Hochsommerliche Wetterverhältnisse brachten so viel Sonnenschein, daß man den Tag nur mit einer großen Portion Eis unter dem Sonnenschirm verbringen mochte. Ganz anders dagegen die Tage um Himmelfahrt in der vorangegangenen Woche. Frostigkalte Temperaturen, Regenschauer und starker Wind wechselten sich ab, so daß so mancher zuhause sogar die Heizung wieder aufgedreht haben wird.
Nun ist aber nicht Pfingsten sondern Himmelfahrt die Zeit um Neumond – zumeist im Mai – und damit prädestiniert für ein Teleskoptreffen: Die Beobachtungsnächte werden kürzer, sind aber noch nicht zu kurz bevor im Sommer dann die Zeit der Mitternachtsdämmerung eingeläutet wird. Gleichzeitig werden die Temperaturen zum Ende des Frühlings hin (eigentlich) angenehm genug zum Campen, was für viele Teilnehmer immer den Reiz solcher Treffen ausmacht.
Über das Internationale Teleskoptreffen Vogelsberg oder kurz ITV, das größte Teleskoptreffen im deutschsprachigen Raum, das traditionsgemäß immer am Himmelfahrtswochenende stattfindet, habe ich im letzten Jahr ja schon berichtet. Auch am diesjährigen Treffen, dem 19. seiner Art, habe ich wieder teilgenommen. Von meinem neuen Wohnsitz Heidelberg hat man es im Vergleich zu meiner alten Heimat Hamburg nichtmal mehr halb so weit zum Vogelsberg, wo das ITV nunmehr das vierte Jahr in Folge im Campingpark am See oberhalb der Kleinstadt Gedern stattfindet. Mein ITV-Aufenthalt hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich in die Länge gezogen: War ich bei meiner ersten Teilnahme 1999 "nur" die vier Tage des verlängerten Himmelfahrtswochenendes von Mittwoch Nachmittag bis Sonntag Mittag – die offizielle Zeit des Treffens – dabei, habe ich im letzten Jahr ganze 10 Tage auf dem ITV-Platz verbracht. Ganz so lang sollte es in diesem Jahr nicht werden, denn am Samstag vor Himmelfahrt war ich ja zum WiS!-Autorentreffen geladen worden.
Am nächsten Tag war ich eigentlich nicht recht motiviert loszufahren: Am Wochenende zuvor war ich gerade in meine neue Wohnung eingezogen, um mich herum standen noch immer stapelweise Kisten, Lampen und Regale wollten montiert werden, und so weiter. Außerdem regnete es in Strömen, keine guten Aussichten für ein Teleskoptreffen. Gegen Mittag aber riß die Wolkendecke auf und die Sonne kam zum Vorschein. Eine schnelle Nachfrage bei Bekannten, die schon vor Ort waren, ergab: Dort sah es genauso aus. Also flugs Teleskop und Campingutensilien im Auto verstauen und los konnte die Reise gehen.
Keine zwei Stunden später konnte ich meinen Teilnehmerausweis in Empfang nehmen und mich daran machen Zelt und Teleskop aufzubauen. Letzteres war angebracht, denn die Wolken, die bis in den frühen Abend immer wieder durchzogen, lösten sich nach Beginn der Dämmerung endgültig auf und es begann eine ITV-typische Beobachtungsnacht. Feuchtigkeit durch den nahegelegenen See und durch den Niederschlag der letzten Tage legte sich schnell über die Optiken, je weiter die Nacht voranrückte, desto häufiger hörte man die anwesendenden Beobachter ihre Teleskope mit kleinen Fönen wieder trockenlegen. Das gemeinsame Beobachten mit Freunden und Bekannten, die man nicht so häufig trifft, war für mich dennoch ein Genuß.
In den folgenden Tagen dagegen wurden auch ITV-Veteranen wettertechnisch auf die Probe gestellt. Zwar hatte das Treffen schon so manch witterungsbedingtes Unbill zu bieten, von Schneefall (1998), haselnußgroßen Hagelkörnen (am Morgen der partiellen Sonnenfinsternis 2003) bis hin zu heftigen Gewitterschauern mit Sturmböen (häufiger mal) und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dem gegenüber standen aber eigentlich fast immer auch sommerlich-warme Tage mit viel Sonnenschein und einigen brauchbaren klaren Nächten. In diesem Jahr blieb das Wetter während der Himmelfahrtswoche durchgehend ungemütlich. Die Temperaturen erreichten zwar keine Minusgrade, aber andauernder Wind ließ die gefühlte Kälte weiter zunehmen. Immer mal wieder ein Regenschauer, die Sonne dagegen ließ sich kaum blicken. In so einer Situation besinnen sich Teleskoptreffen-Teilnehmer umso mehr auf die sozialen Aspekte derartiger Veranstaltungen: Bekanntschaften pflegen, neue Leute kennenlernen, sich austauschen, und auch ein wenig feiern. Ich selbst habe im Rahmen des offiziellen Vortragsprogramms das Haus der Astronomie vorgestellt und schonmal einen Vorgeschmack auf geplante Aktivitäten gegeben, die auch Amateurastronomen einbeziehen werden.
Zusätzlich zum Vortragsprogramm gehören zum ITV auch immer ein großer Flohmarkt, der die Angebote der anwesenden Händler ergänzt, und die Preisverleihung für innovative Selbstbauten. Beides findet am Samstag statt, bevor die meisten Teilnehmer am nächsten Tag die Rückreise antreten. ein heißer Kandidat für einen der Preise mußte leider schon am Freitag das Treffen wieder verlassen: Timm Klose, der auch mein Teleskop gebaut hatte, war mitsamt Hündin Buffy und seinem ultraleichten 20-Zöller dort, ein von den Anwesenden zurecht bewundertes Gerät. Gewonnen hat stattdessen unter anderem Kurt Schreckling, der sich nicht nur im Teleskopselbstbau sondern auch mit der Entwicklung von Turbinen für Modellflugzeuge einen Namen gemacht hat, diesmal mit einem modifizierten Schiefspiegler.
Der Tag der Heimreise wurde von einem tragischen Todesfall überschattet, eine Frau vom Reinigungspersonal erlitt einen Herzinfarkt. Als wollte uns das Wetter hämisch die Zunge raustrecken, kam dann auch noch die Sonne zum Vorschein und es wurde im Laufe des Tages richtig warm. Abends konnte ich einen Blick auf die schmale Mondsichel werfen. Nachzügler, die noch eine Nacht auf dem Campingplatz verbrachten, konnten in der Nacht auch wieder beobachten. Im nächsten Jahr fällt Himmelfahrt auf den 2. Juni, das ITV-Wochenende findet also in exakt einem Jahr statt. Ob dann wohl das Wetter mitspielt?