So bin ich nun mal

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Etwas zu verstehen ist nicht nur eine Anomalie, sondern eine ganz normale Unwahrscheinlichkeit. (frei nach Luhmann)

Momentan arbeite ich mich aus beruflichem Interesse durch Lektüre zum Thema Personenbeurteilung. Die Wahrnehmungsverzerrungen türmen sich gemeinsam mit den Beurteilungsfehlern zu einem so hohen Bücherberg auf, dass ich weder etwas sehen, geschweige denn beurteilen kann. Und da der Mensch urteilen muss, stürze ich mich auf die Bücher und meine Bewertung fällt nicht gut aus. Die meisten Bücher über Personenbeurteilung lassen einen wichtigen Aspekt des Themas vollends außer Acht: Personenbeurteilung schließt auch die Bewertung der eigenen Person ein. Ein Aspekt, der meiner Meinung nach bei der Beurteilung anderer keine geringfügige Rolle spielt.

Vor allem das menschliche Bedürfnis, sich und seine Lieben in einem möglichst positiven Licht zu sehen, kann einen verzerrenden Einfluss auf das Selbstkonzept haben. Ein positives Selbstkonzept ist assoziiert mit psychischer und physischer Gesundheit. Machen wir unsere Sache gut, suchen wir Antworten für den Erfolg am liebsten in unserer Intelligenz, Kompetenz, Persönlichkeit. Geht etwas schief, sind meist die anderen schuld, das heißt bei Mißerfolgen steigt die Wahrscheinlichkeit für externale Ursachenzuschreibungen. Diese Tatsachen gehören zum Einmaleins der Psychologie und haben wir es bisher nicht gewusst, haben wir es schon immer geahnt.

Wir suchen die Wirklichkeit, aber finden sie nicht, sondern erfinden sie. (frei nach Watzlawick)

Genau wie die Grundlagen der Attributionstheorie sind auch die konstruktivistischen Ansätze von Luhmann, Watzlawick und von Glasersfeld meinem Gegenüber, welches da verbockt auf dem Fenstersims hockt und schmollt, völlig gleichgültig. In seiner Empörung verfällt es in Sturheit und reiht hartnäckig einen Beurteilungsfehler an den nächsten. Meine konstruktivistisch angelehnten Kooperationsangebote gehen in der geifernden Gischt der Wut unter. Der Konflikt baut sich gefährlich, gleich einer Meereswoge, auf und droht über uns zusammenzubrechen.

Da merke ich, dass der vermeintliche Konflikt, der in schönster Lehrmanier schon Stufe drei der Glasl’schen Konfliktstufen erklommen hat, keiner ist. Hier unterlagen die Protagonisten dem Fundamentalsten aller Attributionsfehler: Eine Überschätzung dispositionaler Faktoren gepaart mit der Unterschätzung von situativen Bedingungen. Und an dieser Stelle ist sicher die Nachfrage erlaubt, warum mein Gegenüber sich nicht vor dem Wutausbruch bei mir nach den Ursachen erkundigt hat. Dann hätte ich es doch darüber aufklären können, dass nicht ich, sondern die anderen schuld sind. „So bin ich nun mal.“, antwortet es.

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

4 Kommentare

  1. Tja, und deshalb stellt sich die Frage, ob es seit der Erfindung der Astrologie nennenswerte Fortschritte in der Objektivierung der Personenbeurteilung gegeben ha?

  2. @ Fehlersuche

    Soso.

    Wenn man die Gründe für das, was gut läuft, in sich selbst sucht, die für das, was schief läuft, hingegen externalisiert, dann ist man gesund, munter und gefrässig.

    Sucht man die Gründe für beides in sich, wird man depressiv, traurig und antriebslos.

    Sucht man die Gründe für beides draussen, dann ist das vermutlich auch nicht gut, obwohl mir kein Krankheitsbild dazu einfällt.

    Halt doch! “Neuronaler Determinismus”, oder? Komisch aber: die sind alle so munter und fröhlich, die Singers, die Roths, die Metzingers (vom heiteren LaMettrie [L’homme machine] gar nicht zu reden). Weil sie sich komplett entschuldigt fühlen?

  3. Tja, und deshalb stellt sich die Frage, ob es seit der Erfindung der Astrologie nennenswerte Fortschritte in der Objektivierung der Personenbeurteilung gegeben hat?

    Was? Soll das heißen, du bezeichnest die “Erfindung der Astrologie” als nennenswerte Fortschritte? Oder war das mehr als Ironisch gemeint? Denn für mich sind solche “Erkenntnisse” komplette Hirngespinste, komplett an den Haaren herbeigeführt!

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