Der Zweck und die Mittel

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Die wichtigste Voraussetzung, um Menschen zu erreichen, ist Aufmerksamkeit. Da Lebewesen in der Regel sehr sensibel auf Gefahren reagieren, spielen Marketing-Kampagnen gern mit unseren Ängsten. Das Spiel mit der Angst des Publikums entfaltet sich nur dann wirksam, wenn es überzeugen kann, dass die negativen Konsequenzen tatsächlich eintreffen werden. Außerdem muss die Botschaft die Zielperson persönlich betreffen. Klassisch werden daher Reminders wie „Das könnte DIR passieren“ eingebaut.

Provoziert ein Spot aber zu viel Angst, schaltet das Publikum ab. Bedrohliche Informationen, die zu überwältigen drohen, fallen selbstschützenden Abwehrmechanismen zum Opfer. Denn Angst produziert Stress und beeinflusst so unsere Fähigkeit überzeugende Informationen zu verarbeiten. Umso höher das Angstlevel, umso schwerer fällt uns die Konzentration auf und die Einschätzung von Botschaftsinhalten.

In der letzten Woche bin ich über zwei Beispiele von Tierschutzoranisationen gestolpert, die beide über das Ziel hinausschießen.

Die folgenden Auszüge stammen aus einem Flyer, den wir letztens in die Hand gedrückt bekamen von der PETA-Organisation: people for ethical treatment of animals, der Schwesterorganisation von PETA USA, der weltgrößten Tierrechtsorganisation: „Studien belegen, dass Kinder, die nur ein einziges Mal Tierquälerei begangen haben, mit großer Wahrscheinlichkeit auch andere Gewalttaten begehen werden. Schulen, Eltern, Gemeinden und Gerichte, die den Missbrauch von Tieren als „geringes“ Vergehen abtun, ignorieren daher eine Zeitbombe.“

Auf die wissenschaftliche Basis folgen sogleich Erziehungstipps: „Sollten Sie Ihr Kind dabei erwischen, wie es vorsätzlich ein Tier quält oder gar tötet, lassen Sie ihm das nicht kommentarlos durchgehen, auch dann nicht, wenn es nicht in böser Absicht geschah, es ein Einzelfall war oder Ihr Kind nur aus „Neugierde“ handelte. Nehmen Sie sich die Zeit, mit ihrem Kind über seine Tat zu sprechen, und erklären Sie ihm, warum es das nie wieder tun darf. Kinder, die dadurch auffallen, dass sie wiederholt Tiere quälen, bedürfen der Hilfe eines professionellen Psychologen, denn es könnte sich um erste Anzeichen für wachsende Gewalttätigkeit handelte.“

Und folgen wir der Argumentation der Tierfreunde, können sie ihr Kind vor „wachsender Gewalttätigkeit“ schützen, in dem sie zum Beispiel im Winter Löcher ins Eis machen, „damit Vögel, Eichhörnchen und andere Tiere aus Pfützen und Teichen trinken können“ oder indem sie Aussagen und Sprüche, die Tiere degradieren, vermeiden, „auch wenn sie nur zum Spaß gemacht wurden, z.B. Ich hasse Katzen, dumme Kuh, (…)“

Es vermittelt den Eindruck, dass die meisten Tiere unter kindlicher Tierquälerei leiden und nicht unter zum Beispiel Massentierhaltung. Und weiter: „Aufgrund veröffentlichter Berichte lässt sich sagen, dass alle bekannt gewordenen Schiessereien an Schulen in den USA eines gemeinsam hatten: Jeder, der jungen Mörder hatte, bevor er auf seine Klassenkameraden losging, bereits Tiere gequält oder getötet. Nach Ansicht von FBI-Experten, Vollstreckungsbeamten, der Amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie sowie Interessengemeinschaften für Kinder richten Menschen, die zunächst Tiere quälen, schließlich ihre Gewalt auch gegen ihre Mitmenschen.“

Hier werden Aussagen in einem Kontext präsentiert, der mich erstaunt. Nicht jeder der ein Tier quält, wird zum Amokläufer, weil die Eltern es versäumt haben ihrem Kind zu sagen, dass es „das nie wieder tun darf“. Aber es ist bisher unumstritten, dass ein (von drei) Symptom für späteres antisoziales Verhalten Tierquälerei ist. Nur ist das erstens kein vice versa Zusammenhang und zweitens gehört dieses Thema nicht als des Pudels Kern in eine Broschüre für Tierrechte.

Zur Zeit kursiert außerdem noch ein viraler Spot im Netz, der auf die Massenabschlachtung von Fischen aufmerksam machen will: "(…) With this campaign, Animals Awake wants to raise awareness that millions of fish are being skinned and stripped from their organs while still alive, while its proven that fish can feel distress and even pain" (aus der PR-Meldung).

Die niederländische Tierschutzorganisation "Wakker Dier" (Animals Awake) ließ sich vielleicht von der bekannten PETA-Kampagne mit den ausgesuchten Nacktfotos von schönen Frauen inspirieren. Die Organisation scheint jedoch die flüchtige Aufmerksamkeit ihres Publikums zu fürchten und setzt auf Schönheit und Sexappeal noch eine Überdosis Schock drauf. Bei youtube ist der Spot nicht mehr ohne Altersbeschränkung zugänglich. Wer ihn sich trotzdem anschauen möchte, kann dies beim werbeblogger tun.

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

5 Kommentare

  1. mörderrische Komplexsität

    Hallo,
    danke jetzt ist mir schlecht. Ich dachte immer ich würde nie zu alt für die Entwicklungen dieser Welt werden.
    Aber vor allem und überhaupt schwappt über den großen Teich, so widerliches Zeug rüber, dass mir der 11. September gar nicht mehr so abstrus vorkommt.
    Für weitere Gedanken streickt mein Verstand…..

    Gruß Uwe Kauffmann

  2. @Bednarik

    Hallo,
    und ich dachte der Gründer von Scientology, wäre auf Meskalin hängen geblieben. Tja man lernt nie aus. 🙂

    Gruß Uwe Kauffmann

  3. Sendung in VOX : “Das Gute u. das Böse”

    Wieso gehört Tierquälerei von Kindern nicht zu Tierrechten? Weil diese “süßen, kleinen Monster” alles dürfen? Die Tiere haben das Recht, von diesen Quälereien in Ruhe gelassen zu werden und es ist ja wohl erwiesen, dass Kriminelle schon als Kinder Tiere gequält haben. Ich weiß, wovon ich rede! Ganz gewiss! Wenn ich noch einmal ein “Kind” sehe, dass ein Tier quält, geht es zur Polizei und “Anzeige wegen Tierquälerei”. Dann mal ein bisschen zum Psychologen… Mal sehen, was dabei herauskommt. Vielleicht ist dies Kind ja ein potentieller kleiner Schläger oder empfindet “tiefes Glücksgefühl” bei Quälereien….
    Ich bin sehr froh, dass sich eine Organisation wie die PETA mit diesem Thema auseinandersetzt, nachdem hier in Deutschland ja alles beschönigt und verharmlost wird.

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