Parabelflüge hoch x

BLOG: Zündspannung

Blick über den Plasmarand
Zündspannung

Im Moment hängt das amerikanische Raumfahrtprogramm etwas in der Luft – das Space Shuttle Programm ist eingestellt, die NASA hat gerade ihr Marsprogramm zusammengestrichen, und bis zu den nächsten bemannten Flügen dürften etliche Jahre vergehen.

Dennoch gibt es in Amerika auch im Bereich der bemannten Raumfahrt eine Pionier-Stimmung: die kommerzielle bemannte Raumfahrt macht die ersten Schritte. Heute ist der erste Tag der Konferenz über die Nächste Generation Suborbitaler Forschung in Palo Alto, also quasi um die Ecke von meinem Wohnort.

Suborbital, das bedeutet ein Flug in den Weltraum, aber nicht im Orbit. Die Flughöhe ist dabei über 100 km, man ist offiziell im Weltraum. Quasi die gesamte Atmosphäre ist unter einem. Solche Flüge haben seit dem X15-Programm in den 50er Jahren nicht mehr stattgefunden. Jetzt aber gibt es eine Reihe von Firmen, die, angespornt vom X-Prize und Funding durch NASA, dafür Flugzeuge/Raumschiffe entwickeln.

Neben Weltraumtourismus sollen dabei vor allem Wissenschaftler und Ausbilder angesprochen werden. Daher auch diese Konferenz, die Vertreter von Raumfahrtagenturen, Wissenschaftler, Lehrer und Firmen zusammenbringen will.

Neil Armstrong

Neil Armstrongs Vortrag

In der Eröffnungsveranstaltung gab es zunächst drei Präsentationen: zuerst von niemand anderem als Neil Armstrong, der als 25jähriger Testpilot war und suborbitale Flüge durchgeführt hat, bevor er in ein anderes, ein wenig bekannteres Programm wechselte.

Bei den frühen Flügen der amerikanischen Navy und Air force ging es zunächst darum, die Schallgrenze zu brechen und dann immer schneller und auch immer ‘heißer’ zu fliegen. Heißer, weil die Temperatur bei hohen Geschwindigkeiten ebenfalls steigen. Dafür wurde das Flugzeug aus Nickellegierungen entwickelt, die zu der Zeit die hitzebeständigsten Materialien waren. Das X15-Flugzeug flog zwar überhalb des größten Teils der Atmosphäre, aber es war eigentlich nicht dazu gedacht, hoch zu fliegen. Es war ein voller Erfolg – es wurden damit jede Menge Erfahrungen gewonnen und Messungen durchgeführt.

Als nächstes hat David Mackay geredet – der Haupttestpilot von Virgin Galactic. Virgin Galactic ist die Gewinnerin des X-Preises, der ausgeschrieben wurde, mit einem wiederverwendbaren Raumschiff Menschen in den Weltraum zu bringen. Später gab es noch kurze Vorstellungen der verschiedenen Firmen, unter anderem Virgin Galactic, da werde ich dann mehr zu schreiben.

Die letzte Sprecherin der ersten Session war June Scobee Rodgers, die Gründerin des Challenger Centers for Space Science Education. Frau Scobee Rodgers Ehemann war der Astronaut Dick Scobee, der bei der Explosion des Space Shuttles Challenger ums Leben gekommen ist. Frau Scobee hat daraufhin die Center gegründet, um sich darum zu kümmern, Kinder und Jugendliche für den Weltraum zu faszinieren.

In den Centern spielen die Kinder eine Weltraummission nach. Sie übernehmen Positionen im Kontrollzentrum und im Raumschiff und sollen so etwas lernen und gleichzeitig dafür begeistert werden. Es wäre nun interessant zu wissen, wie gut das funktioniert – ob durch einen solchen Besuch zum Beispiel tatsächlich mehr Kinder später ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium beginnen, aber genaue Zahlen wusste Frau Scobee Rodgers leider nicht. Wie dem auch sei, das ist ein interessantes Konzept, das nicht nur direkt für den Weltraumflug begeistern kann, sondern auch indirekt für andere Wissenschaften.

Nebenbei wurde auch viel Werbung für weitere Projekte gemacht, beispielsweise Kinderbücher, die auf dem Mond spielen.
 
Nach einer ersten Kaffeepause gab es ein weiteres Highlight: es wurde ein Weltraumflug mimt XCOR verlost. Zunächst wurde ein Backup gezogen – der Backup ging an eine Dame namens Jennifer, die in der Ausbildung arbeitet. Der Preis selbst ging an ‘Thomas’ vom JSC, der auf die Bühne ging und sofort sagte, dass er den Preis nicht wolle und jemand anders gezogen werde soll – auch, weil er ihn als Angestellter der Regierung nicht annehmen dürfe. Ihm wurde der große Gutschein dann trotzdem in die Hand gedrückt. Vermutlich ein guter Tag für die Backup-Gewinnerin.

In einem Panel haben dann der Vertreter der verschiedenen Firmen kurz den Stand der Dinge zusammengefasst und sich danach den Fragen des Publikums gestellt. Vertreten waren Blue Origin, Armadillo Aerospace, XCOR, Virgin Galactic und Masten. Alle von diesen Firmen bis auf Masten wollen im Endeffekt bemannte Raumflüge anbieten. 

Blue Origin ist eine Firma, die im Jahr 2000 vom Amazon-CEO gegründet wurde. Sie setzt auf eine Rakete, die vertikal startet und auch wieder landet. Die Crew aus drei Personen befindet sich in einer Kapsel auf der Rakete. Diese Kapsel trennt sich von der Rakete und landet unabhängig davon mit einem Fallschirm. Obwohl vor den bemannten Flügen mehr als hundert Testlandungen durchgeführt werden sollen, wird die unabhängige Landung mit Fallschirmen als sicherer betrachtet.

Bisher hat Blue Origin schon einige unbemannte Testflüge durchgeführt, unter anderem den “Short Hop”, bei dem nur drei der Triebwerke angeschaltet waren. Eigentlich würde der Computer unter diesen Bedingungen gar nicht erst starten, aber die Ingenieure haben diese Sicherheitscheck ausgeschaltet. Die Rakete ist also gestartet, hat dann aber später festgestellt, dass nur drei Triebwerke funktionieren, und ist automatisch wieder sicher gelandet – ein großer Erfolg für das Team.

Bei einem späteren Testflug wurde die Rakete dann aber zerstört – was nicht völlig unerwartet war, schließlich wird die Technologie neu entwickelt. Im Moment ist Blue Origin also dabei, eine neues System zu bauen.

Armadillo Aerospace setzt ebenfalls auf vertikal startende und landende Raketen. Bisher hat sie mit ihrem STIG-A-System Testflüge bis auf über 80 km durchgeführt, hatte aber diverse Probleme, und sowohl die Rakete als auch die Ladung sind verloren gegangen. Im Mai soll der Testflug der nächsten Generation, STIG-B, stattfinden. Diese Rakete soll bis zu 50 kg auf 140 km Höhe bringen und vier Minuten gute Mikrogravitation bieten.

Die Firma XCOR will mit ihrem Lynx-System von einer Landebahn abheben und auch wieder landen. Bisher gibt es noch kein Flugmodell, aber die Hardware wird nach und nach gebaut und integriert. Insbesondere die Triebwerke werden seit 2008 getestet und sollten wohl ohne weitere Probleme funktionieren. Das Ziel ist es, eine sehr hochwertige Mikrogravitation zu bieten, so dass nicht nur ein Achterbahn-Flug, sondern auch gute Forschung möglich ist.
Flugprofil

Das Flugprofil von Virgin Galactic

Virgin Galactic ist die einzige Firma, die bereits bemannt fliegt (eigentlich ist es ein Konsortium von Firmen – Virgin Galactic, Scaled Composite, TSC). Sie hat mit ihrem SpaceShipOne den X-Preis gewonnen. Das Raumschiff wird mit einem Flugzeug, dem WhiteKnight, auf 15 km Höhe gebracht, was bereits über dem Hauptteil der Atmosphäre ist. Dort klinkt es such aus und zündet den Raketenantrieb. Im Weltraum werden die Flügel des Raumschiffs hochgeklappt. In dieser Konfiguration ist der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre besonders stabil – das Raumschiff richtet sich automatisch richtig aus. Die Landung erfolgt dann auf einer Landebahn wie bei einem Flugzeug.

Mit dem SpaceShipOne ist bisher nur eine Person geflogen, obwohl Platz für drei ist. Es ist aber trotzdem sehr klein und nicht für Flüge mit Weltraumtouristen oder Wissenschaftlern geeignet.

Deshalb wird jetzt das SpaceShipTwo entwickelt, mit dem zwei Crewmitglieder und bis zu sechs Passagiere fliegen können sollen. Es wird wie bisher von einem Flugzeug gestartet, dem WhiteKnightTwo. Dieses Flugzeug kann von überall auf der Welt starten, im Prinzip kann man also die Flüge auch anderswo durchführen (ob die ESA oder das DLR wohl einmal Kampagnen damit durchführen wird?). WhiteKnightTwo ist so gut wie fertig getestet, und SpaceShipTwo hat bisher mehrere Gleitflüge zurück auf den Boden durchgeführt. Der Raketenantrieb für SpaceShipTwo wird bereits getestet.

Ein weiterer Vorteil der Verwendung von dem Flugzeug ist es, dass das Cockpit von WhiteKnightTwo genauso designed ist wie das von SpaceShipTwo. Man kann also mit dem Flugzeug die Steuerung des Raumschiffs trainieren.  Als Langzeitziel hat Virgin Galactic den Flug in den Low Earth Orbit. Aber allein für die suboritalen Flüge haben schon 500 Personen Tickets reserviert. Man darf gespannt sein, wann es dann losgeht.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Erhöht man die Spannung zwischen zwei Elektroden, die ein Gas umgeben, beginnt das Gas irgendwann zu leuchten: Freie Elektronen im Gas haben genug Energie, um die Gasteilchen zu ionisieren und noch mehr Elektronen aus den Atomen zu schlagen. Ein Plasma wurde gezündet, die Zündspannung ist erreicht. Gibt man nun noch zusätzlich Mikrometer große Teilchen in das Plasma, erhält man ein sogenanntes "Komplexes Plasma", mit dem ich mich zunächst als Doktorand und Post-Doc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und nun an der University of California in Berkeley beschäftige. In diesem Blog möchte ich sowie ein wenig Einblick in den Alltag im Forschungsinstitut bieten, als auch über den (Plasma)-Rand hinaus blicken. Mierk Schwabe

2 Kommentare

  1. Disney-Park-Rummel im erdnahen Weltraum?

    Es gibt schon hunderte von Buchungen für Suborbitalflüge, von denen jeder mehr als 100’000 Dollar kostet.
    Wer es sich leisten kann oder wem es das Geld Wert ist (Suborbitalflug anstatt Eigenheim) kann ein gehobenes Disney-Park Vergüngen erleben.
    Suborbitalflüge sind allerdings nur ein Segment der privaten Raumflugfahrt und nicht unbedingt dasjenige, welches der Raumfahrt grosse neue Impulse geben wird. Es könnten die private Raumfahrt sogar in Verruf bringen oder ihr das Stigma des Unverantwortlichen/Gefährlichen anheften – dann nämlich wenn sich ein tödlicher Umfall ereignet.

Schreibe einen Kommentar