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BLOG: WIRKLICHKEIT

Hirnforschung & Theologie
WIRKLICHKEIT

In meinem letzten Beitrag zur Kategorie "Erkenntnistheorie" (Mary und die Osculogie) hatte ich anhand eines Gedankenexperiments zu verdeutlichen versucht, dass das überpersönliche Wissen über ein bestimmtes Phänomen und die persönliche Erfahrung desselben Phänomens zwei unterscheidbare Weisen des Zugangs zur Wirklichkeit dieses Phänomens darstellen. Diese Unterscheidung muss nun noch entscheidend tiefer geführt werden.

Wissen und Erfahrung treten zueinander in Spannung, aber in keinen Widerspruch. Wichtig: Der eine Zugang lässt sich nicht durch den jeweils anderen ersetzen. Es geht hier also um kein Entweder-Oder, nicht um objektive Wahrheit versus subjektive Täuschung.

Ein Beispiel: Die Erfahrung eines Krebsforschers mit einer eigenen Krebserkrankung trägt zu seinem objektiven onkologischen Wissen wahrscheinlich nichts Neues bei – aber man wird nicht bestreiten, dass es sich hierbei um eine wirkliche Erfahrung des Phänomens Krebserkrankung handelt und dass sich dem Patienten die Wirklichkeit einer solchen Erkrankung auf ganz eigene, nämlich persönliche Weise zeigt. Der Wirklichkeit in dieser Hinsicht kann nun ein Anderer nicht "objektiv-wissenschaftlich", mit allgemeinen Erklärungen und Statistiken begegnen, sondern nur auf eine gleichfalls persönliche, von der ehrlichen Bemühung um ein Nachempfinden und persönliches Verstehen geprägte Weise. In diesem Spannungsfeld ereignet sich der Dialog zwischen Patient und Arzt, das heißt zwischen "Fall" und Mediziner einerseits (Wissen) und zwischen Mensch und Mensch anderseits (Erfahrung).

Die Unterscheidung zwischen Wissen und Erfahrung ist besonders bei psychologischen Phänomenen und damit auch im Bereich dessen wichtig, was in der Öffentlichkeit "Hirnforschung" genannt wird; denn dabei handelt es sich ja größtenteils um Neuropsychologie oder Psychophysiologie, also um viel "Psycho". Ein "Paradox" zwischen Wissen und Erfahrung entsteht, soweit ich bisher sehe, auch nur bei psychologischen Phänomenen (vgl. auch die farben-deprivierte Mary aus dem Originalgedankenexperiment). (Für die mesoskopische Physik mag man auch noch Beispiele finden: Das eine ist es, die Galileischen Fallgesetze zu kennen, das andere ist es, sich im freien Fall aus einem brennenden Hochhaus zu befinden.)

Die Analyse der Zugänge zur Wirklichkeit – vielleicht sind es auch Aspekte oder Ebenen oder Dimensionen oder Weisen der Erschließung von Wirklichkeit, was auch immer – muss jedoch noch tiefer geführt werden. Vermutlich werden Sie jetzt gerade nicht küssen. Sie erinnern sich vielleicht, dass die Mundmuskulatur über den Nervus facialis gesteuert wird und die Tastreize aus dem Gesicht über den Nervus trigeminus ans Gehirn weitergeleitet werden – Sie verfügen also über einiges oskulogische Wissen. Und hoffentlich sind Sie nicht in der bedauernswerten Situation von Mary, sondern können auch auf einige persönliche Kuss-Erfahrungen zurückblicken, angefangen vom Gute-Nacht-Kuss der Eltern, den Kussspielen bei Kindergeburtstagen, dem ersten Küsschen, dem ersten "richtigen Kuss", dem Abschiedskuss und dem Gute-Nacht-Kuss Ihres Partners usw. usf. (Noch besser, wenn Sie sich jetzt schon realistisch auf Ihren nächsten Kuss freuen können!)

Aber jetzt gerade, wo Sie nicht küssen: Wie fühlen sich Ihre Lippen jetzt in diesem Moment an? Und Ihr ganzes Gesicht? Oder achten Sie einmal auf Ihre Hände, Sie können gerne einmal zwei Finger aneinander reiben: wie fühlt sich das an? Nun, es fühlt sich an! Schwierig zu beschreiben – aber unbezweifelbar wahr. Sie wissen, dass sich Ihre Hände auch gestern angefühlt haben; vielleicht erinnern sie sich, dass Ihnen gestern Morgen auf dem Weg zur Arbeit kalt war, und das obwohl heute bereits der Frühling beginnt, und Sie hatten dann Ihre Hände in die Jackentasche gesteckt. Sie wissen das – aber fühlen, tatsächlich fühlen können Sie Ihre Hände nur: jetzt.

Sie haben jetzt gerade auch ein Bild vor Augen. Ich meine nicht, dass Sie dies oder jenes  in der Umgebung Ihres Laptop/PC sehen. Aber Sie haben immer aktuell einen visuellen Eindruck. Dieser stets gegenwärtige visuelle Eindruck bleibt gleichbleibend intensiv, er verblasst nicht, auch nicht wenn Sie ruhig auf einen Punkt blicken. Sie sehen tatsächlich (so wie Sie fühlen): immer genau jetzt. Sie wissen zwar, was Sie gerade eben noch gesehen (sprich: gelesen) haben und Sie können sich leicht vorstellen, wie zum Beispiel Ihre Katze aussehen wird, wenn sie Sie bei nächster Gelegenheit freudig begrüßt – aber sehen, tatsächlich sehen können Sie nur genau jetzt. Können Sie in die Welt blicken unter dem Aspekt des genau jetzt gegenwärtigen visuellen Eindrucks? Können Sie genau dies jetzt sehen?

Worauf ich hinaus möchte, ist, Sie auf die weniger abstrakte, gleichsam "hyperkonkrete", "hyperreale" Weise aufmerksam zu machen, mit der Sie Sekunde für Sekunde die Welt spüren. Sich dieser schlichten Tatsache vollständig bewusst zu werden, dass Sie genau jetzt und nur jetzt die Welt spüren, kann sehr schwierig sein und lange dauern – aber es gibt keinen Zweifel, dass Sie es tun und dass Sie es meisterhaft können, ohne jede Übung. Ich gebe zu, dass diese "Erkenntnis" maximal trivial erscheinen könnte. Aber wir stoßen hier zum ersten Mal auf ein ernstes Problem vieler Menschen, nämlich dass sie die Bäume vor lauter Wald nicht mehr sehen. Professoren monieren zurecht, wenn ihre Studenten vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen – hier geht es mir aber um das umgekehrte Problem, und ich fürchte, dass Wissenschaftler auch besondere Mühe haben, vom "Wald-Fokus" auf den "Baum-Fokus" runterzuschalten. Bemerken Sie die Wirklichkeit dieses Augenblicks!

Das gegenwärtige Erleben ist keine persönliche Erfahrung. Man kann sich des Erlebens nur gewahr sein – es wäre schon viel zu viel gesagt, wenn man von "Eintreten in das Erleben" spräche. Und wenn man auf das Erleben reflektiert, über es spricht, besteht die Gefahr, es wie eine (sehr kurze) persönliche Erfahrung zu behandeln – und damit schon seiner sinnlich-konkreten Essenz zu berauben.

Daher vielleicht noch eine "Übung", damit Sie ganz sicher sind, dass Sie verstehen, was ich meine: Hören Sie eine Zeitlang einmal auf die auditorischen Empfindungen, die Sie stets genau jetzt haben. Hängen Sie  mit Ihrer Aufmerksamkeit nicht Geräuschen nach, denken Sie nicht darüber nach, was ein Geräusch bedeutet, sondern lauschen Sie einfach, und das heißt notwendigerweise: Hören Sie jetzt und jetzt und jetzt. Um Sie zusätzlich zu motivieren, möchte ich nicht unbescheiden sein und behaupten, dass diese Übung die effektivste Anleitung zur Zen-Meditation ist und dass diese Übung Sie gleichsam raketengleich zur Erleuchtung katapultieren wird.

Ich führe also eine weitere Unterscheidung ein: Wissen – Erfahrung – und: Erleben. Und ich behaupte, dass auch zum Erleben ebenso spannungsvolle Beziehungen bestehen, dass keine Widersprüche entstehen und dass eine Ersetzung des einen durch den anderen "Zugang" nicht möglich ist (analog wie schon für Wissen vs. Erfahrung gezeigt). Darin liegt übrigens auch eine sehr wichtige Feststellung für eher esoterisch-spirituell gesinnte Gemüter, die vielleicht hoffen, dass man hier nun auf das Eigentliche stößt (Erleben), welches alles andere überflüssig macht  und relativiert (Wissen, Erfahrung). Nein, wer zukünftig ausschließlich im Erleben sein Dasein fristen und auf persönliche Erfahrung und Wissen verzichten wollte, der lebte wie ein neugeborenes Baby oder wie ein schwer demenzkranker Greis – das kann sicher kein Ideal sein. Dennoch ist es interessant und erhellend, das Erleben von Gegenwart näher zu untersuchen, um besser zu verstehen, was Erfahrung und Wissen sind und wie wir zur Wirklichkeit stehen.

Da Sie aus der Alltagserfahrung kommen, könnte das Erleben Ihnen als späte Entdeckung oder gar Konstruktion erscheinen. Aber tatsächlich spricht doch einiges dafür, dass das unmittelbar gegenwärtige Erleben Ihrer Alltagserfahrung gleichsam voraus geht bzw. zugrunde liegt. Ihre Erfahrungen setzen sich – so stellt es sich bei abstrakter Betrachtung dar (Ebene: Wissen!) – aus vielen einzelnen Augenblicken zusammen. Ein bestimmter, methodisch restriktiver Typ von Erfahrung – die wissenschaftliche Analyse oder Beobachtung – mündet schließlich in überpersönliches Wissen. Gäbe es das Erleben nicht, gäbe es sicher keine persönliche Erfahrung und somit kein Wissen über die Wirklichkeit. Erfahrung ist – relativ zum Erleben – bereits abstrakt, eine Re-Präsentation vieler unmittelbar gegenwärtiger Eindrücke (Präsens); Wissen abstrahiert noch einmal in einer bestimmten Weise von den persönlichen Erfahrungen (Re-Re-Präsentation). Zugänglich sind Erfahrungen und Wissen ebenfalls stets nur jetzt; jetzt kann ich denken, sprechen, handeln. Von der Ebene der Erfahrung her betrachtet, gibt es im Wirklichkeitszugang des unmittelbaren Erlebens keine Wiederholung.

Dieser Augenblick des Erlebens ist einmalig, einzigartig, unwiederbringlich, niemand anders als ich erlebt ihn genau so. So ein Augenblick ist eine absolut gültige Brücke in meiner Lebenszeit: Meine ganze bisherige Lebensgeschichte mündet in diesen Augenblick, und von genau hier startet meine Zukunft. Wäre der Augenblick anders, wäre womöglich von nun an alles anders. Und mehr noch: die Vergangenheit erschließt sich mir in Erinnerungen, die ich jetzt habe; die Zukunft begegnet mir in Erwartungen und Befürchtungen, die ich jetzt habe. Es macht wohl wenig Sinn zu behaupten, dass es Vergangenheit und Zukunft nicht gibt, sondern nur die Gegenwart (sogenannter presentism, "Präsentismus"). Sinnvoll erscheint mir allerdings die Formulierung, dass es Vergangenheit und Zukunft nur in der Gegenwart des Erlebens und nicht ohne sie gibt (vgl. Augustinus).

(Exkurs: Dies gilt auch für physikalische Zustände. Wir erlebens-, erfahrungs- und wissensfähigen Beobachter können an dem gegenwärtigen Zustand der Welt frühere Weltzustände ablesen und zukünftige vorhersagen – aber die vergangenen Weltzustände gibt es in einem ursprünglichen Sinne physisch nicht mehr und die zukünftigen gibt es noch nicht. Das Jetzt ist physikalisch keine objektive Größe mehr, sondern es ist beobachterabhängig (bzw. abhängig von der relativen Bewegung von Beobachtern; Prinzip der relativen Gleichzeitigkeit). Eine absolut unbeobachtete Welt ist notwendigerweise unvorstellbar, undenkbar und unbeschreibbar. Sie wäre ein je gegenwärtiger physischer "Zustand", wobei "gegenwärtig" hierbei den unendlich kurzen Übergang von noch nicht vorhandener Zukunft in nicht mehr vorhandene Vergangenheit wäre. Gäbe es überhaupt Bewegung in einer unbeobachteten Welt? Gäbe es darin überhaupt Zeit? Machte der Satz "Es gibt eine Welt" überhaupt Sinn? Ende Exkurs)

Ich schließe an dieser Stelle vorerst mit der Feststellung, dass Meister Eckart das "actualitas" des Thomas von Aquin mit wercelicheit übersetzte, es aber durchaus auch wörtlicher mit Aktualität, sprich: Gegenwärtigkeit hätte übersetzen können. Auch an das englische "actually" = tatsächlich könnten wir denken. Auf jeden Fall bringt der Begriff actualitas – der Gottesdefinition bei Thomas von Aquin – Wirklichkeit, Gegenwart und Wahrheit (Tatsächlichkeit) nahe zusammen. Daher scheint mir die "Entdeckung" des Offensichtlichen – nämlich genau dieses Augenblicks – bedeutsam. Hier verbirgt sich meiner Erachtens der hermeneutische Schlüssel zum Verständnis der Logik theologischer Aussagen, die ohne die Dimension "Gegenwart" völlig unverständlich bzw. missverständlich erscheinen müssen. Ich wage die These, dass christliche Theologie letztlich eine Phänomenologie der Gegenwart (i.S.v. actualitas, Gott) und ihrer Bezüge zur erfahrenen und gemessenen Zeit ist. Aber dazu später mehr …

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Geboren 1967 in Emsdetten/Westfalen. Diplom kath. Theologie 1993, Psychologie 1997, beides an der Universität in Bonn. Nach einem Jahr am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (1997-98) bin ich seit Oktober 1998 klinischer Neuropsychologe an der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. Ich wurde an der Universität Bielefeld promoviert (2004) und habe mich 2015 an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert (Venia legendi für das Fach Neuropsychologie). Klinisch bin ich seit vielen Jahren für den kinderneuropsychologischen Bereich unserer Klinik zuständig; mit erwachsenen Patientinnen und Patienten, die von einer schwerbehandelbaren Epilepsie oder von psychogenen nichtepileptischen Anfällen betroffen sind, führe ich häufig Gespräche zur Krankheitsbewältigung. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen klinische Neuropsychologie (z.B. postoperativer kognitiver Outcome nach Epilepsiechirurgie im Kindesalter) und Verhaltensmedizin (z.B. Depression bei Epilepsie, Anfallsdokumentation). Ich habe mich immer wieder intensiv mit den philosophischen und theologischen Implikationen der modernen Hirnforschung beschäftigt (vgl. mein früheres Blog WIRKLICHKEIT Theologie & Hirnforschung), eine Thematik, die auch heute noch stark in meine Lehrveranstaltungen sowie meine öffentliche Vortragstätigkeit einfließt.

5 Kommentare

  1. Nunc

    Lieber Herr Hoppe!

    Die “Enter”-Taste existiert! Actualiter! Sie macht Absätze. Oder war es Absicht, den Leser in ein hechelndes “Nunc currens” zu zwingen, ohne ihm die kurze Erholung eines “Nunc stans”, eines Luftholpäuschens, zu gönnen?

    Spannend find’ ich es allemal, nach hechelnder Lektüre zu Kenntnis nehmen zu können, dass das “Jetzt” wieder zu Ehren kommt. Bei den Physikern übrigens auch. Ich las vor einiger Zeit Julian Barbours “The end of time” und das erschien mir als eine quantenphysikalisch/kosmologische Untermauerung des augustinischen Zeitbegriffes.

    Blöd ist halt nur (falls man die Wirklichkeit aus “elementaren Jetzten” zusammenbauen will), dass diese “Jetzte” der Wahrnehmung ihrerseits Gegenstand der neurowissenschaftlichen Dekonstruktion sind. Sie sind gar nicht elementar. Sie sind konstruiert und zusammengebaut – nach überraschenden Regeln übrigens, die die Prinzipien der Kausalität zu verletzen scheinen. Pöppel und Libet wären hier als Autoren zu nennen.

    Bin auf Ihre weiteren Gedanken gespannt.

  2. Layout

    Tut mir sehr Leid, ich werde das verändern, sobald ich Zugriff auf meine Admin-Seite habe, leider nicht vor Montag.
    Die Möglichkeit, das Jetzt aus der Perspektive des Wissens zu untersuchen (z.B. auch psychophysiologisch), ändert nichts daran, dass es einen eigenen, und wohl auch grundlegenden Wirklichkeitszugang darstellt. Das Wissen über das Jetzt ersetzt eben nicht das Jetzt.
    Nochmals Sorry für die “Blei-Wüste”.

  3. @ Autor

    Sehr geehrter Herr Hoppe,
    auch auf die Gefahr hin, mich als unwissender (total dämlich) zu outen, schreibe ich nun ein Paar Zeilen.
    Eine Entscheidung über Qualität, Wirkung und Beeinflussung der Denkrichtung, im Unterscheiden von Wissen und Erfahrung, macht für mich, nur im Bereich bewusstes Denken einen Sinn.
    Ist die Information erst einmal in neuronale Potentialverteilungen gegossen, ist sie, denke ich, abgelöst von ihrer Entstehung.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Chunks zerlegen kann, man kann nicht mit Ihnen arbeiten, sie arbeiten mit einem selbst.
    Dies soll nur mein Unverständnis darüber ausdrücken in welchem Zusammen, Ihr Beitrag zu Neurowissenschaften steht.

    Aber vieleicht finden Sie ja ein Paar klärende Worte für mich.

    Gruß Uwe Kauffmann

  4. Erleben zeigt die Grenzen des Wissens?

    Ich finde die Frage interessant, ob wir das erlebende Bewusstsein mittels demselben analysieren und erklären können.

    Im Jetzt sind wir schon ständig damit beschäftigt, Dinge zu kategorisieren und ihnen Sinn zu geben (man höre Braincast 2), z.B. sortiert mein Hirn die Buchstaben nach bekannten Verknüpfungen (man dkne an das eprxmienet der vrauschetnug der Bsacthuebn). Damit ist das Erleben schon mit dem Analysieren verknüpft. Gleichzeitig haben wir aber das “Gefühl” z.B. des Buchstaben A. Die Linienführung und das Aussprechen des A’s ist die Ebene des Erlebens.

    Ich wage nun die These, dass das Analysieren und damit das Wissen genauso ein “Erleben” ist, allerdings besitzt das Wissen die Möglichkeit vermittelt zu werden. Das Wissen ist schließlich aufschreibbar und überlieferbar. Der Klang des A’s im eigenen Kopf bleibt individuell, durch Aussprache kann ein anderer eine Ahnung von meinem A bekommen, aber es ist nicht dasselbe A.

    Gibt es also Dinge, die wir nur direkt erleben können? Ist unser Bewusstsein vielleicht aus solchen nur erlebbaren Teilchen aufgebaut? (bzw. aufbauen wäre wohl schon wieder ein analytischer Begriff) Oder wäre dies nun ein Griff in die Esoterik? Mir zeigt der hier besprochene Streit vom Erleben-Erfahren-Wissen auf, dass das Wissen und damit die Analytik, also auch die Naturwissenschaften, nur eine Perspektive auf die Welt ist. Weil unser Hirn das so besonders gut kann, haben wir auch schon vieles analytisch erfassen können (aber vielleicht dabei zu wenig auf das Erleben geachtet?).

    Für mich gibt die Welt des Erlebens Hoffnung, denn sie besteht auch dann noch, wenn sich unser Hirn in mathematische Funktionen zerlegen lässt, alles nur noch elektrochemisches Potential ist. Das Erleben wird aber weiterhin bestehen bleiben.

    Abschließend habe ich die Hoffnung, dass das Erleben noch viele Komponenten aufweist, die doch irgendwie als Wissen vermittelt werden können, sich also im Hier und Jetzt noch viele neue Erfahrungen sammeln lassen.

  5. @Sebastian Spiller

    Hallo,
    Bewustsein ist das kleine Frontend, mit dem wir arbeiten können, aber nur ein kleiner Teil der Hirnfunktion.
    Oder wie Katja Ebstein es gesagt hätte:”Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst, aber denken tust du nicht”.

    Aber das ist doch auch schön sich auf unbewuste Performens verlassen zu können.

    Gruß Uwe Kauffmann