Gedanken und Wirklichkeit

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Hirnforschung & Theologie
WIRKLICHKEIT

In diesem Blogpost mache ich mir Gedanken über Gedanken.

Gedanken sind ein erstaunliches Phänomen: Machen wir uns Gedanken – oder fallen sie uns ein? Haben wir Gedanken – oder haben sie uns (Besessenheit, Zwangsgedanken)? Sind die Gedanken frei – oder ist vielmehr derjenige frei, der sich nicht so viele Gedanken macht oder ganz frei von Gedanken ist? Manche Gedanken werden in die Welt gesetzt und breiten sich epidemisch aus, wie mentale Viren. Wir sind alle infiziert davon: längst nicht alle Gedanken, die man so hat, sind ureigene Gedanken – vielleicht sogar nur die wenigsten?! Physik ist ein Gedankengebäude, doch Gedanken selbst liegen prinzipiell außerhalb der Reichweite physikalischer Beobachtung und damit Theoriebildung. Es gibt Gedanken, die gerade jetzt niemand auf der Welt denkt.

Denken an

Die Basisform des Denkens ist: an etwas denken. Solche Gedanken haben einen semantischen Gehalt: sie verweisen auf etwas außerhalb ihrer selbst; erst das macht sie zu Gedanken. Der Gedankeninhalt kann wahlweise etwas in der Welt da draußen sein – oder auch ein anderer Gedanke, oder eine Empfindung, oder eine rein fiktive Vorstellung, oder ein Abstractum. Ich kann z.B. an meine Oma denken – weder der Gedanke noch sein Inhalt sind identisch mit meiner Oma, der Gedanke verweist lediglich auf sie. Es macht auch einen himmelweiten Unterschied, ob ich an Schmerzen nur denke oder ob ich faktisch Schmerzen habe (und dann an nichts anderes mehr denken kann). Oder ich denke an den gestrigen Tag, z.B. das Treffen mit einem guten alten Freund. Ich kann jedoch auch an Harry Potter und die sieben Heinzelmännchen denken. Oder an den Frieden in der Welt. Ohne Zweifel handelt es sich bei allen genannten Beispielen um Gedanken – und zwar um “Gedanken an dies oder das”. Schätzungsweise füllt diese Art gedanklicher Aktivität weit über 90% meiner voll- und halbbewussten Geistestätigkeit während eines Tages.

“Gedanken an” sind interessanterweise zunächst einmal weder wahr noch falsch: ich denke einfach nur an etwas. Der Gedankeninhalt ist mir dabei unzweifelhaft präsent: Ich kann selbst nicht daran zweifeln, dass ich gerade genau das denke, was ich gerade denke. Und auch an der realen Existenz oder Wirklichkeit meines Gedankens selbst kann es für mich keinen Zweifel geben – einschließlich der realen Existenz von Gedanken, deren Inhalt erklärterweise reine Fiktion ist. Gedanken sind selbstevident. Diese Eigenschaft teilen “Gedanken an” mit Empfindungen, deren Existenz und Inhalt mir ebenfalls unzweifelhaft präsent ist. (Gedanken sind aber keine Empfindungen.)

Mit Blick auf Descartes’ Meditationen könnte man sogar behaupten, dass die reale Existenz meiner Gedanken (oder meines Denkens in actu) mir letztlich sicherer und unbezweifelbarer ist als die reale Existenz wahrgenommener Objekte, z.B. meines Schreibtischstuhls oder anderer Alltagsdinge. Zudem werde ich die Existenz eines Schreibtischstuhls qua Schreibtischstuhl kaum je ohne gedankliche Aktivität, sprich: ohne den Gedanken an das Konzept Schreibtischstuhl bemerken. Unsere alltägliche Wahrnehmung erscheint als unauflöslicher Mischmasch von unmittelbar sinnlichen, für sich genommen aber sinn- und bedeutungslosen Empfindungen einerseits [bottom-up] und erkennenden, Bedeutung zuschreibenden Gedanken, die auf diese Empfindungen “angewendet” werden, andererseits [top-down]. Bei einer visuellen Objektagnosie fallen beide Aspekte auseinander: der Patient kann sehen, aber sehend nichts erkennen.

“Gedanken an” sind wirklich, d.h. sie existieren, auch wenn sie weder wahr noch falsch sind. Und als Wirklichkeit können sie auch Wirkung entfalten. Sie können u.a. unseren emotionalen und vegetativen Zustand akut beeinflussen und sich dann z.B. lustvoll, neutral oder schmerzlich anfühlen, wenn wir an sie denken. Bestimmte Gedanken hätte ich deswegen vielleicht lieber nicht (werde sie aber nicht los), oder ich würde am liebsten an nichts anderes mehr denken (werde aber immer wieder abgelenkt). Ich würde die These wagen, dass alle identifizierten Gefühle, die wir erleben, – z.B. als Angst wahrgenommene Angst – stets aus einem subtilen, unmittelbar vorausgehenden Gedanken erwachsen: Hätten wir kurz zuvor einen anderen Gedanken gehabt, hätten wir bei identischer sensorischer Stimulation ein anderes oder gar kein Gefühl entwickelt. Anders formuliert: ich würde Gefühle und Emotionen ähnlich deutlich von Empfindungen (z.B. Kribbeln im Bauch) abgrenzen wollen wie die alltagsbezogene Wahrnehmung von Objekten.

Wir können kaum verhindern, dass bestimmte Gedanken auftauchen – jeder kennt das Selbstexperiment “Denke zwei Minuten lang nicht an rosa Elefanten!” Aber wir können – in Grenzen – beeinflussen, wie sehr Gedanken unsere Gefühle und unser Verhalten beeinflussen, wie erlebnisoffen wir sie denken, ob wir also zulassen, dass sie wirken und uns beeinflussen. Man kann z.B. betont nüchtern, distanzierend und bilanzierend auf ein negatives früheres Ereignis zurückblicken – oder aber sich so intensiv emotional in dem Gedanken an das damalige Erlebnis verlieren, als würde man die Situation erneut durchleben (mental time travel, mental revivification). Religiöse und nichtreligiöse (z.B. politische, sportliche usw.) Tranceinduktionen setzen voraus, dass man in dieser erlebnisoffenen Weise an etwas Bestimmtes denkt; andernfalls wird Suggestion nicht wirksam.

“Gedanken an dies oder das” können psychologisch funktionell sein (z.B. die erlebnisoffene Visualisierung motivierender Ziele und der Planausführung) oder aber dysfunktionell (z.B. bei depressiver Grübelei). Vielleicht kann man sogar formulieren, dass Gedanken bzw. eine bestimmte Art des Denkens Menschen psychisch krank machen kann? Abhängigkeit und Sucht resultieren beispielsweise daraus, dass der Betroffene immer wieder an das Objekt der Begierde denken muss (vgl. Zwangsgedanken) – was natürlich ist, weil wir das Erscheinen von Gedanken nicht kontrollieren können – und es ihm dann nicht gelingt, diesem Gedanken jeglichen Einfluss auf sein Erleben und Verhalten zu verwehren. Die Lösung der Suchtproblematik wäre, sich durch wesentlich attraktivere Gedanken abzulenken, sodass der nun uninteressantere Gedanke an das Suchtobjekt nicht mehr so häufig auftaucht, oder aber dem Gedanken an das Suchtobjekt den Zutritt zum Erleben zu verweigern, also die Art und Weise zu verändern, wie man an das Objekt denkt.

Halten wir hier zunächst fest, dass ein Großteil unserer alltäglichen gedanklichen Aktivität gar nichts mit Wahrheit zu tun hat, gar nicht wahrheitsfähig ist. Ich finde das besonders in Bezug auf religiöse Aktivitäten besonders überraschend und interessant – meist stellt sich die Wahrheitsfrage hier gar nicht; denn man denkt doch nur an etwas (und lässt es wirken) = An-dacht.

Propositionen

Gedanken können – durch Verknüpfung einfacherer, zugrunde liegender Gedanken – zu einer Aussage kombiniert werden und dadurch einen über den semantischen Gehalt ihrer Teilelemente hinausgehenden propositionalen Gehalt aufweisen. Beispiel: “Jeder Mensch ist sterblich.” Teilelemente: Mensch. Jeder. Sterblich. Ist. Lauter Gedanken, nun verknüpft zu einer Aussage, welche mindestens aus einem Subjekt und einem Prädikat besteht, welches dem Subjekt zugeschrieben wird.
Mit jeder Aussage – und eben erst mit Aussagen! – steht unmittelbar die Wahrheitsfrage im Raum, weil sofort die Frageform der Aussage mitklingt. Also: An Sterblichkeit denken hat keine Frageform – dieser Gedanke ist weder wahr noch falsch. Aber wenn ich denke: “Jeder Mensch ist sterblich”, dann schwingt gleich die Frage mit: “Ist jeder Mensch sterblich?”

Anders ausgedrückt: In jedem (ernst gemeinten) Aussagesatz verbirgt sich das Wörtchen “wirklich”: “Jeder Mensch ist wirklich sterblich.” Aussagesätze sind auf die Wirklichkeit aus, sie behaupten, Wirkliches zutreffend zu beschreiben, sie wollen wahr sein. Propositionales Denken steht notwendig unter einer Wahrheitsverpflichtung, welche es sich nicht erst selbst noch ausdenkt; es liegt in der Natur des Denkens. Und derjenige, der zu diesem Denken gelangt, wird zum Wahrheitssucher, ob er will oder nicht. (Dies meinte F. Nietzsche wohl, als er sagte, solange jemand Grammatik habe, glaube er an Gott … Der kannte halt noch die alte Metaphysik, für die “Wirklichkeit” die Gottesdefinition war; vom unsäglichen Schwachsinn Dawkinsscher Spaghetti-Monster-Götter, die es angeblich auch noch gibt [oder eben nicht], ahnte er dagegen noch nichts.)

Bei manchen “Gedanken an” schwingt unausgesprochen doch eine Aussage mit: Wird z.B. eine Vorstellung spontan als Erinnerung erlebt, steht die Behauptung im Raum, diese Vorstellung entspräche realen vergangenen Ereignissen – was sehr wohl wahr oder falsch sein kann. Oder denkt man an Personen/Objekte, Eigenschaften oder Ereignisse steht implizit die Aussage im Raum, dass es sich bei dem, woran man gerade denkt, tatsächlich um diese Entität handelt – worin man sich wiederum täuschen kann. Beim Gedanken an Gott schwingt bei Religiösen sogleich die Aussage mit, dass es Gott wirklich gibt – was wiederum stimmen kann oder auch nicht (da es eine Proposition ist), während der andächtige Gedanke an Gott für sich genommen weder wahr noch falsch wäre.

Traditionell bezeichnet die Philosophie nur das propositionale Denken als Denken im eigentlichen Sinne bzw. als Urteil. Das “Denken an” entspricht dagegen eher einer Vorstufe des Denkens, sprich: bloßen Vorstellungen.

“Denken an” vs. propositionales Denken

Mir erscheint einleuchtend, dass viele Tiere zu einem “Denken an” in der Lage sind. Ziemlich sicher spielen “innere Erlebnisse” gedanklicher Art eine wichtige Rolle im Erleben und Verhalten dieser Individuen.

Aber ich würde bestreiten wollen, dass Tiere zu einem propositionalen Denken in der Lage sind. Der Hund denkt sehr wohl an die Katze, die gerade den Baum hochgeflitzt ist, wenn er von unten zu ihr hoch bellt (“Katze im Baum”), und das Bellen ist die beobachtbare heftige Wirkung dieser Vorstellung. Aber er denkt vermutlich nicht: “Die Katze sitzt im Baum, obwohl sie durchaus auch nicht im Baum sitzen und ich mich irren könnte. Also frage ich mich: Sitzt die Katze wirklich im Baum?”. Seine Vorstellung geht (vermutlich) nicht in die Form einer Proposition über; der Hund sieht sich vermutlich nicht vor Wahrheitsfragen gestellt. Sein Verhalten ist effektiv an die Umwelt angepasst, auch vermittels funktioneller Vorstellungen. Aber er sucht vermutlich nicht nach einer Übereinstimmung aussagehafter, propositionaler Gedanken (Urteile) mit der Wirklichkeit. Hätte er sich geirrt, würde er daher (vermutlich) auch nicht über seinen Irrtum nachdenken – schon gar nicht als Irrtum –, sondern er würde einfach woanders nach der Katze suchen oder sich trollen. Völlig außerhalb seiner gedanklichen Möglichkeiten läge es (vermutlich), die Gründe für sein (richtiges oder falsches) Urteil zu erwägen.

Denken im philosophischen Sinne scheint eng mit Sprache verknüpft zu sein. Außerhalb der Sprache – z.B. nach einem völligen Verlust der Sprachfähigkeit im Rahmen eines Schlaganfalls (globale Aphasie) – wird es sehr schwierig oder vielleicht sogar unmöglich sein, noch in diesem urteilenden Sinne zu denken; auch wenn man noch zahlreiche gedankliche Vorstellungen erleben kann. Diejenigen, die die Existenz von Gedanken behavioristisch (antimentalistisch) abstreiten und das Denken für nichts anders als ein inneres Sprechen (covert behavior) halten, müssten Aphasikern und Tieren jegliches Denken absprechen, auch das “Denken an”. Ich selbst würde Gedanken (und das Denken) von ihrem jeweiligen sprachlichen Ausdruck unterscheiden wollen.

Propositionales Denken erscheint für das Phänomen des Lebens somit nicht essentiell; bei vielen Lebewesen geht’s auch ohne. Ich fürchte, dass es leider auch bei Menschen alles andere als selbstverständlich ist, die Gedanken, die man so den ganzen Tag lang hat, in eine klare Aussageform zu gießen und einem kritischen, begründeten Urteil zuzuführen …

Wiederum gilt dies in besonderem Maße für religiöses “Denken”, das meist ein religiöses “Vorstellen” bleibt und sich nur in Ausnahmefällen zu einem überhaupt wahrheitsfähigen Denken im philosophischen Sinne aufschwingt. Ganz in diesem Sinne schrieb die amerikanische – und evangelikal gesonnene – Anthropologin T. M. Luhrmann jedenfalls kürzlich in The New York Times (Titel: Belief is the least part of faith), dass den meisten Menschen, die sie von Gottesdiensten her kenne, die Wahrheitsfrage mehr oder weniger schnuppe sei: das Event zählt, die Emotion, die Gemeinschaft. Diese werden durch bestimmte “christliche” Gedanken ausgelöst – aber diese Gedanken werden nicht so gehört, dass sie etwas behaupten, was implizit eine kritische Rückfrage nach dessen Wahrheit auslösen würde, sondern so, dass sie eine suggestive Wirkung entfalten, ein Gefühl auslösen, usw. Es handelt sich hierbei lediglich um “Denken an etwas” mit interessanten (teils Besorgnis erregenden) psychologischen Effekten. – Ein ernstzunehmender Dialog von Religion und Wissenschaft erscheint mir auf dieser Basis von vornherein ausgeschlossen.

Abgestufte Wahrheit

Wie steht es nun aber um fiktive Aussagen, z.B. “Harry Potter ist ein Zauberlehrling”? Die Aussage ist innerhalb der Fiktion offensichtlich zutreffend und somit “wahr”. Aber insofern vom Subjekt gar nicht reale Existenz behauptet wird, ist der Satz “Harry Potter ist ein Zauberlehrling” nicht in der gleichen Weise wahr wie der Satz “Christian Hoppe ist ein Neuropsychologe”; denn er ist im Unterschied zum zweiten Satz nicht auf Wirklichkeit aus, sondern bleibt von vornherein im Bereich der Phantasie.

Diese (durchaus kritisierbare!) Überlegung erinnert an das Verhältnis der “Wahrheiten” in der Mathematik und der Physik. Es macht meines Erachtens einen Unterschied, ob eine Aussage lediglich innerhalb eines Axiomensystems logisch schlüssig (d.h. “wahr” in Anführungsstrichen) ist, oder ob sie beansprucht, die zutreffende, sprich: wahre (ohne Anführungsstriche) Beschreibung eines Sachverhaltes darzustellen, den wir für real existent halten. Die mathematischen Gedanken als solche existieren unzweifelhaft real – aber ihre abstrakten Inhalte (z.B. Zahlen) verweisen nicht auf in der Welt Vorfindliches oder Vorhandenes. “3 + 3 = 6” ist “wahr” in Anführungsstrichen, eine mathematische Wahrheit – “3 Bleistifte und noch mal 3 Bleistifte ergibt 6 Bleistifte” ist dagegen zusätzlich wahr mit Bezug auf die Wirklichkeit, weil Bleistifte wirklich existieren. Mathematische “Wahrheit” ist im Grunde nur die logische Voraussetzung für wahre Sätze über die Wirklichkeit, aber nicht Wahrheit im Vollsinne. Umgekehrt disqualifiziert logische Falschheit von vornherein Sätze als Kandidaten für die wahre Beschreibung von Wirklichkeit. Die Physik beruht auf der gewagten Annahme der Intelligibilität der Wirklichkeit, also einer asymptotisch möglichen Entsprechung von Denken und Sein.

Auch wenn Sie, werter Leser, meinen Vorschlag für eine “abgestufte Wahrheit” für unausgegoren halten oder in Bausch und Bogen ablehnen, wird nun immer deutlicher, was das eigentliche Problem ist, wenn man über Gedanken nachdenkt: Existenz.

Existenz

Was bedeutet es, dass etwas real existiert – und in diesem Sinne wirklich ist?

Während ich beim Gedanken an Harry Potter die Existenz dieses Gedankens in keiner Weise bezweifle oder auch nur bezweifeln könnte, bin ich gleichzeitig felsenfest davon überzeugt, dass es Harry Potter selbst nicht gibt, dass er nicht existiert, dass wir ihn uns nur ausgedacht haben. Spontan macht es für mich einen gewaltigen Unterschied, ob meine Erinnerung an den gestrigen Tag lediglich der Phantasie entspringt oder ob jener Tag mit den erinnerten Erlebnissen wirklich so stattgefunden hat. Im Bewusstsein meiner Fallibilität (Täuschbarkeit) – also der Einsicht, dass meine Erinnerungen und mein Wissen nicht nur dramatisch unvollständig, sondern in Teilen falsch sind infolge von Irrtum, Lüge und Täuschung – schwingt implizit mit, dass ich die Unterscheidung zwischen bloßer Fiktion (Phantasieprodukt) oder Illusion und Wirklichkeit (realer Existenz) immer schon akzeptiere und dass ich nach einer “Deckungsgleichheit” von Denken und Sein strebe, sprich: nach Wahrheit suche.

Ich kann mir alles Mögliche ausdenken aus Spass an der Freud – zu reinen Unterhaltungszwecken; dies ist “Denken an”, es soll nur bestimmte psychologische Funktionen erfüllen, z.B. mich zum Lachen bringen – ob es wahr ist oder nicht, diese Frage stellt sich von vornherein gar nicht.

Dann gibt es literarische Formen, die über Fiktion, Metaphern, Parabeln usw. über Wirklichkeit zu sprechen beanspruchen, indem sie sich etwas ausdenken. Nicht selten sind literarische Ausdrucksformen wesentlich geeigneter, die Wirklichkeit menschlicher Erfahrung angemessen und ergreifend zu beschreiben. Hier gilt nun: Man denkt sich die Wirklichkeit, die man zu beschreiben versucht, nicht aus, sondern die literarische Beschreibung bemisst sich an dieser Wirklichkeit. Die Orientierung an der Wirklichkeit (bei freier Wahl der künstlerischen Mittel), d.h. die Konfrontation mit der Wirklichkeit, die man sich nicht einfach ausdenkt, erscheint mir als wichtiges Kriterium zur Unterscheidung von Literatur und Geschreibsel bzw. von Kunst und Kitsch (oder Kunsthandwerk) überhaupt.

In der Wissenschaft und auch immer wieder im Alltag ist Denken genau dann ernsthaft, wenn es auf Wirklichkeit aus ist und wahr zu sein beansprucht, sich also an der Wirklichkeit messen lassen will angesichts der erkannten Möglichkeit von Irrtum, Täuschung und Lüge (z.B. bei einem Gerichtsprozess). Es gibt einen feinen, aber deutlich wahrnehmbaren Unterschied zwischen wirklichem Sehen und bloßer Imagination – und die Intaktheit dieser Unterscheidung ist für die seelische Gesundheit und das Alltagsleben fundamental wichtig (vgl. Psychose); von ihr her gewinnen wir eine starke Intuition der Unterscheidung von Wirklichkeit und Phantasie (oder Traum). Es gibt diese ganz feine Grenze zwischen “sich etwas ausdenken” und “etwas zeigt sich und wird darin von mir mittels gedanklicher Aktivität als das erkannt, was es ist”. Messung, Beobachtung und Experiment in der Physik stecken voller gedanklicher Aktivität – aber dennoch werden sie durchgeführt in dem Bemühen, logisch schlüssige Beschreibungssysteme an der Wirklichkeit zu überprüfen; logische Schlüssigkeit allein reicht nicht, das wäre “nur” Mathematik.

Wir müssen Existenz einerseits als ein von unserem Denken und Erkennen unabhängiges Wirklichsein verstehen, andererseits können wir Existenz aber nur denken als die Möglichkeit, sich zu zeigen. Nota bene: Keinesfalls ist etwas erst dann oder dadurch wirklich, dass es sich jemandem faktisch zeigt, der es erkennt – das wäre der idealistische Irrtum (esse est percipi, Berkeley). Aber wie sollten wir denn verstehen, dass irgendetwas existiert, wenn dies sich prinzipiell niemandem zeigen könnte, also nicht einmal Gott?

Metaphysik und Metanoetik

Definiert man Existenz als sich Zeigen können, dann steckt in diesem “Zeigen” bereits die Idee eines (nicht notwendig menschlichen!) Erkenntnisvermögens und eines (nicht notwendig menschlichen!) Jemands, der erkennt.

Man könnte methodologisch formulieren: Die Lehre vom Sein als Sein (Ontologie) kann einerseits nicht einfach in Erkenntnistheorie aufgelöst werden (= Idealismus); wir könnten dann nicht einmal die unabweisbare Existenz unserer Gedanken selbst denken, geschweige denn die Widerständigkeit der materiellen Welt. Es bliebe auch völlig unklar, inwiefern sich Gedanken auf etwas Anderes ihrer selbst beziehen können, warum Gedanken überhaupt eine semantische Struktur besitzen, sprich: warum Gedanken Gedanken sein können.

Andererseits kann die Ontologie aber auch nicht den Erkenntnisaspekt eliminieren (= Materialismus); denn Existenz können wir nicht anders verstehen als: sich (irgendjemandem mit Erkenntnisvermögen) zeigen können. Die Korrespondenz von Denken und Sein, die mit der wissenschaftlichen Methode in erstaunlichem Maße erreicht werden kann, gäbe dann keinen Anlass mehr für weitere philosophische Fragen. Die logische und semantische Kohärenz von Gedanken und Gedankenaustausch bliebe ein Randphänomen, obwohl sie das Philosophieren selbst erst ermöglicht.

Die Metaphysik muss daher meines Erachtens von Grund auf mit Erkenntnis zusammengedacht, sprich: mit einer Metanoetik verknüpft werden. Von Anfang an können wir über das Denken und das Sein nicht unabhängig voneinander oder gar eliminativ gegeneinander gerichtet sprechen – wir können es immer nur in einem spannungsvollen dialektischen Ineinander. (Die Frage ist allerdings, ob die hier anvisierte “Lösung” philosophischer Probleme notwendig an der dualistischen Struktur unserer Sprache scheitern muss und wir daher immer nur einsehen können, woran es liegt, dass sich philosophische Probleme letztlich nicht lösen lassen.) Hält man die dialektische Spannung von Denken und Sein nicht durch, werden Wissenschaft und Philosophie undenkbar.

Nochmals anders formuliert: Gerade von den Naturwissenschaften her scheint es so, dass wir Menschen als klitzekleiner Teil der materiellen Wirklichkeit in der Lage sind, Wirkliches als Anderes unserer selbst zu erkennen, also geistig abzubilden, “zu erfassen”. Das Andere ist demnach nicht so sehr Anderes, dass es völlig außerhalb unseres Erkenntnisvermögens läge – und umgekehrt denken wir uns das Andere nicht aus, es verdankt sich nicht uns, es ist wirklich ein widerständiges Anderes. Dieses Andere kann sogar real existiert haben, als es noch gar kein (menschliches) Bewusstsein in diesem Kosmos und auf dieser Erde gab – und doch können wir es heute erkennen und begrenztes Wissen darüber erlangen.

Die unbestreitbare Möglichkeit einer Entsprechung von Gedanken und Wirklichkeit wird keinesfalls durch den Hinweis auf das Gehirn erklärt. Ganz im Gegenteil erscheint die Intelligibilität des Seins noch viel erstaunlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass empirische Denkakte logisch und semantisch hochkohärent ablaufen, obwohl sie auf Basis hochkomplexer Hirnphysiologie in individuellen, warmen, von Blut durchpulsten Gehirnen (und niemals ohne diese) auftreten.

Take home messages (Thesen)

  • Ein Großteil unserer gedanklichen Aktivität findet ohne Wahrheitsbezug statt, es ist weder wahr noch falsch; das gilt auch für religiöses “Denken”. Dennoch sind diese Gedanken wirklich und (hoch)wirksam.
  • Ernsthaftes Denken – d.h. Denken im engeren philosophischen Sinne – hat eine propositionale Struktur und ist durch seinen angestrebten Bezug zur Wirklichkeit gekennzeichnet; es geht um begründete Aussagen über das, was ist. Vermutlich stellt diese Art des Denkens eher den Ausnahmefall in der alltäglichen gedanklichen Aktivität der meisten Menschen dar.
  • Wenn man Denken und Sein (d.h. sich zeigen können) gegeneinander ausspielt und nicht vom Grunde her spannungsvoll gleichberechtigt zusammendenkt – was leider meist geschieht (Idealismus, Materialismus) –, wird die Möglichkeit von Wissenschaft und Philosophie selbst undenkbar und man verstrickt sich notwendig in performative Selbstwidersprüche.

 

 

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Christian Hoppe ist habilitierter klinischer Neuropsychologe an der Klinik und Poliklinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn. Nach seinem Studium der katholischen Theologie (1987-1993) und der Psychologie (1991-1997) sowie einem Jahr an der Tagesklinik für Kognitive Neurologie der Universität Leipzig sowie dem Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (jetzt Max Planck Institute of Cognitive Neuroscience) ist er bereits seit 1998 in Bonn tätig. Promotion 2004 an der Universität Bielefeld (Prof. Dr. W. Hartje). Seine Schwerpunkte sind klinisch die interventionelle Neuropsychologie (u.a. Patientengespräche), wissenschaftlich die psychiatrie/psychotherapie-nahen Themen der Neuropsychologie (Depression bei Epilepsie, psychogene nichtepileptische Anfälle/dissoziative Störungen), aber auch das Gedächtnis, und in Lehre und Wissenschaftskommunikation Fragen rund um Geist und Gehirn (z.B. auch Nahtoderfahrungen) und ein wenig Statistik. Seine große Leidenschaft ist das Billard. (Profilbild by Lennart Walger) Wichtiger Hinweis - eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Kommentare und Antworten auf Kommentare bitte max. 500 Wörter und strikt "on topic"! Danke!

57 Kommentare

  1. Jaja

    , solid zusammengefasst, btw: diese Welt ist auch als gedacht vorstellbar und der Sich-Vorstellende oder Denker erstellt wiederum eigene Welten (die grundsätzlich Erkenntnissubjekte beinhalten können).

    MFG
    Dr. W

  2. Wo beginnt das Denken?

    “Gedanken] verweisen auf etwas außerhalb ihrer selbst”. Also denkt ein Hund, wenn er freudig reagiert, wenn sein Herr mit der Leine kommt? Vielleicht ist dies ein Grenzfall und eine deutliche Grenze zwischen der Symbolverarbeitung des Menschen und der höherer Tiere gibt es gar nicht. Der Unterschied liegt nur in der Komplexität der beteiligten Prozesse.
    Viele tendieren dazu eine enge Beziehung zwischen Denken und Sprache zu sehen. Andere wiederum, zum Beispiel viele Künstler, aber auch Mathematiker, behaupten, sie kennten so etwas wie nichtsprachliche Denkprozesse.
    Ein anderer Ansatzpunkt bringt das Denken mit der Bildung von Analogien in Zusammenhang. Douglas Hofstadter ist überzeugt davon, dass jeder Denkprozess viele und vielfältige Analogienbildungen beinhaltet und wir das selbst kaum noch bemerken, einfach darum weil das das vorgegebene “Vokabular” unserer Denkprozesse ist. Im von mir verlinkten Artikel wird der Einstieg in das Thema mit einem Buch von George Boole gemacht, der davon ausging, bei ( Bezugnahme zu oben) gedanklichen Aktivitäten gehe es um einen Wahrheitsbezug. Ist aber die Analogienbildungen der Hintergrunprozess, der uns Denken ermöglicht, wird klar, dass das kaum stimmen kann.
    Das schlichte Denken über unbewusst ablaufende Analogienbildungen wäre dann in etwa das, was Daniel Kahnemann das System I, zuständig für das schnelle Denken, nennt. Das analytische und langsame Denken würde noch einen kontrollierenden Prozess einschließen, den oben genannten angestrebten Bezug zur Wirkichkeit beinhaltend.

  3. Gedanken, Denken, Realität, Wirklichkeit

    Im Gehirn werden neuronale Muster verarbeitet, demnach ist Denken ein Mustervergleich und der Gedanke ein Ergebnis davon. Der Inhalt/Die Bedeutung eines Gedankens ist dann ein Erlebnis, eine kognitive Wahrnehmung.

    Wenn z.B. auf dem Tisch ein Gegenstand steht, dann ist dieser eine Realität. Wenn ich diesen Gegenstand betrachte/berühre und ihn damit bewerte entsteht für mich eine eigene Wirklichkeit (bezogen auf diesen Gegenstand). Diese Wirklichkeit wird von jedem Menschen individuell anders wahr genommen – wogegen die Realität gleich bleibt.

    Wenn Begriffe wie ´Gedanke/denken´ bzw. ´Wirklichkeit´ analysiert werden sollen, dann ist es hilfreich, erst einmal zu definieren, was man jeweils speziell damit meint.

  4. Denken

    Danke für den interessanten Artikel.
    Ich bin ja Laie…
    dennoch erstaunt es mit in der Zen-Meditation immer wieder, dass Gedanken einfach so auftauschen- wie Wellen und wenn sie nicht aufgegriffen werden genauso verklingen. Gedankenbildung wie Strukturentstehung im Chaos?

  5. Phänomen / sinnhafte Logik

    Da gibt es in der Bibel eine Stelle (weiß jetzt nicht wo und auch nicht wer), wo darauf hingewiesen wird, daß ihr eure Gedanken gelassen aussprechen könnt, denn diese sind immer von “Gott” – das macht ja auch Sinn, wenn man verstanden hat, daß Mensch ALLE bedeutet und nur gemeinsam die schicksalshafte Vorsehung / die “göttliche Sicherung” vor dem Freien Willen mit wirklich-wahrhaftiger Vernunft überschritten werden kann, um dann …!?

  6. @ Horst

    Das heisst, dass ich nicht aussprechen (beziehungsweise denken) kann, was vom Göttlichen nicht vorgesehen ist…!?

    Besteht ein völliger Ausschluß oder nur eine relative Tendenz, weil nichts Ewig ist – eben auch nicht das Göttliche ewigen Bestand leisten kann (will?)..

  7. Wie Dr. WB es “solide” nennt, blitzte in meinem Bewusstsein die Zusammenfassung so auf: mehr oder weniger “banale” Detailaspekte zu phänomenaler Gesamtvision zusammengefasst.
    (banal = solide)

    Also schön und gut erstellt, aber um es mit Silbermond auszudrücken: Es “passiert” mehr oder weniger tendenziel “nichts” – nur weils jetzt in Worte zusammengefasst gelesen werden kann – leider.

  8. @chris

    Coole (theologische) Frage: Gedanken und Vorsehung. Hängt wohl daran, ob Gedanken uns eher einfallen oder ob wir sie uns ausdenken … Unsere Entscheidung wäre es dann immer, welchen Gedanken wir uns “öffnen”, d.h. welche Gedanken wir verhaltenswirksam werden lassen. … Wenn Gott “Gegenliebe” will (was gängige Auffassung ist in den Monotheismen), dann wird er uns diese Freiheit lassen müssen; denn eine Liebe aus Pflicht oder zur Vermeidung angedrohter Sanktionen oder gar infolge roboterhafter Denkprogrammierung – wäre eben keine Liebe.

  9. Link: Denken ohne Sprache?

    Ich erhielt von einem netten Kollegen einen Hinweis auf den sehr interessanten Fall einer Neurowissenschaftlerin, die nach einem Schlaganfall eine Zeitlang ihre innere Sprache komplett verloren hatte und später über diesen Zustand einen Bericht geschrieben hat: hier. Mir scheint bei erst Durchsicht, dass dieser Fall die Sichtweise bekräftigt, dass ein komplexes Denken ohne Sprache kaum möglich ist.

  10. zum Denken

    (…) dass ein komplexes Denken ohne Sprache kaum möglich ist

    Wenn es um Sachen und Sachzusammenhänge geht, reicht auch der “Hund”. Ansonsten ist eine Begrifflichkeit oder Logik (im Sinne eben einer Sprachlichkeit) erforderlich. Denken ist, wie im Artikel nahegelegt, ab einem bestimmten definierten Punkt logisch.

    Ansonsten können Denkarten beliebig kategorisiert werden.
    Das war wohl auch der Grund, warum in der Kommentatorik mit ‘banal’ adjektiviert worden ist.

    Und man kann sich auch ein wenig locker machen und sich die vorgefundene oder umschließende Welt als gedacht vorstellen, als eine Welt, die Erkenntnissubjekte mit neuen Welten hostet, wobei diese Möglichkeit grundsätzlich auch “Tochterwelten” offen steht und Ergebnisse der Welten zwischenwirken, aber nie umfassend übersetzt werden kann zwischen der Welt des Geistes und der vorgefundenen Welt.

    Der letzte Satz mit den ‘performativen Widersprüchen’ blieb hier unverstanden, macht aber nichts, oder?

    MFG
    Dr. W

  11. banal

    Ja – der Versuch einer langweiligen Begriffsarbeit, Vorarbeit für Weiteres.

    Nein – Existenz versus Fiktion/Denken scheint mir ein sehr spannendes Thema zu sein, nicht zuletzt im Hinblick auf die Möglichkeit naturwissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt

    Performativer Selbstwiderspruch: Philosophie muss in ihren Konsequenzen mit der Möglichkeit des Philosophierens selbst (oder gar dem attestierten wirklichen Erfolg von Naturwissenschaft) vereinbar sein – sonst wird sie selbstwidersprüchlich.

  12. Philosophie

    Philosophie muss in ihren Konsequenzen mit der Möglichkeit des Philosophierens selbst (oder gar dem attestierten wirklichen Erfolg von Naturwissenschaft) vereinbar sein – sonst wird sie selbstwidersprüchlich.

    ist als ‘Liebe zum Denken’ anfänglich die Wissenschaft selbst gewesen und kann auch heute noch so verstanden werden, auch wenn sie viele Fachbereiche hat entstehen lassen, die abgegeben worden sind.

    In einem utilitaristischen Sinne ist da nichts widersprüchlich, die umgebende Welt wird von der (gemeinsamen – obwohl die Gemeinsamkeit der Welten der Erkenntnissubjkekte sich letztlich auf die Eigenschaft ‘Tochterwelt’ beschränkt) Welt des Geistes näherungsweise, es gilt ja immer ein Erkenntnisvorbehalt, bearbeitet.

    Es ist auch nicht hilfreich bestimmte philosophische Denkmuster oder Forderungen wie der nach der empirischen Adäquatheit einer Theorie beispielsweise, auf sich selbst anzuwenden. Denn diese Forderung ist eine Meta-Forderung, wirkt auf eine andere Schicht.

    MFG
    Dr. W (der es immer gerne einfach hat)

  13. Rechnen bei zerstörtem Sprachzentrum

    Personen, die nach Hirnläsion nicht in der Lage sind einfach Sätze zu verstehen oder zu formen, können dennoch in der Lage sein, komplexe Rechenaufgaben zu lösen, wie man hier liest.

    Dass Denken nicht identisch mit Sprechen und Formulieren ist, ist eigentlich eine triviale Erkenntnis. So machen viele die Erfahrung, dass sie ihre Gedanken nicht befriedigend versprachlichen können. Sogar sprachmächtige Personen haben sich schon darüber beklagt. Ferner kennt wohl jeder das Phänomen, dass er seine Gedanken durch Versprachlichung eine Form gibt – gezwungenermassen. Diese Konkretisierung der Gedanken verkürzt meist das Gedachte und gibt nur gewisse Aspekte des Gedachten wieder.

    Andererseits hat Denken eine starke strukturelle Änlichkeit mit Sprechen und Sprache. Dies führt zum Konzept der Sprache des Geistes, zum “mentalesisch”.
    Im Wikipedia-Eintrag liest man dazu:

    (1) Mentale Repräsentationen sind strukturiert.
    (2) Die Teile dieser Strukturen sind ‘transportierbar’; dieselben Teile (d.h. typidentische Teile) können in verschiedenen Repräsentationen auftreten.
    (3) Mentale Repräsentationen haben eine kompositionale Semantik; die Bedeutung komplexer Repräsentationen ergibt sich in regelhafter Weise aus der Bedeutung der Teile.“

    Entscheidend ist hier, dass Gedachtem eine innere, noch “transportierbare” Repräsentation zugeschrieben wird, die dann beim Sprechen eine konkretere Repräsentation erhält.
    Steven Pinker ist ein starker Verfechter des Konzepts einer “Tiefensprache”, eines “mentalesisch” und hat dieses Konzept in seinem Buch The Language Instinct verfolgt.

  14. Herr Holzherr

    , weil es jenseits der Sprachlichkeit oder Logik schwer fällt bis unmöglich scheint sich angemessen zum Denken zu äußern ist es erlaubt andere Sichten zu entwickeln, auch irgendwelche Geistessprachen betreffend, wobei derartige Versuche spekulativ sind und eben nur eine Sicht oder ein Konstrukt bleiben müssen.

  15. @Dr. Webbaer : DenkenBleibtUnverstanden?

    Muss das Wesen und der Hintergrund des Denkens für immer ein Geheimnis bleiben? Dies jedenfalls lässt sich aus ihrem letzten Kommentar, der so endet: “wobei derartige Versuche spekulativ sind und eben nur eine Sicht oder ein Konstrukt bleiben müssen.
    schliessen.

    Sicher ist die Idee der “Sprache des Denkens” wohl zu simpel und zu nahe an der menschlichen Sprache. Doch dass sich Denkphänomene, Denkprozesse und letztlich das Denken überhaupt wissenschaftlich ergründen und irgendwann vollständig verstehen lässt, daran zweifle ich nicht.

  16. zum Denken

    Doch dass sich Denkphänomene, Denkprozesse und letztlich das Denken überhaupt wissenschaftlich ergründen und irgendwann vollständig verstehen lässt, daran zweifle ich nicht.

    Von wem? Jedenfalls nicht vom Primaten. Dafür wären die sagen wir mal mehrdimensionalen Ablaufdiagramme zu komplex, zudem müsste neben der umfänglichen Erfassung der Natur (die umgebende Welt ist hier gemeint) auch die Bedeutung und Funktionsweise jedes einzelnen Schaltelements des Primatenrechners erfolgt sein – und wohlgemerkt: verstanden werden.

    Philosophisch angemerkt darf hier also gestochert werden, aber ohne Optimismus.

    Nur die Szientist weiß.

    MFG
    Dr. W (der hier durchaus etwas entmutigen wollte und nicht zu tauschen gedenkt mit Gehirnfroschern)

  17. Rechnen

    ist übrigens auch Logik bzw. Sprachlichkeit. – Es sind andere Mathematiken, Logiken und Wissenschaftlichkeiten denkbar & möglich.

  18. @Dr. Webbaer:10^11 Hirnzellen verstehen?

    Um das Denken zu verstehen müssen sich nicht 100 Milliarden Nervenzellen und ihr Zusammenspiel verstehen. Das Hirn arbeitet wohl viel einfacher als sich die meisten heute denken (wieder mal denken).
    Wahrscheinlich kann man das Hirn nur versthen, wenn man seine Entwicklung und die Gesetzmässigkeiten versteht, mit denen es auf Aussen- und Innenreize reagiert, sich plastisch verändert. Das menschliche Genom enthält nur wenige Gigabyte Information und nur ein kleiner Teil davon ist für die Hirnentwicklung verantwortlich. Das bedeutet, dass man viel weniger wissen muss um das Hirn und auch das Denken zu verstehen, als man heute meint.

  19. Aja

    , gut:

    Das Hirn arbeitet wohl viel einfacher als sich die meisten heute denken (wieder mal denken).
    (…)
    Das menschliche Genom enthält nur wenige Gigabyte Information und nur ein kleiner Teil davon ist für die Hirnentwicklung verantwortlich. Das bedeutet, dass man viel weniger wissen muss um das Hirn und auch das Denken zu verstehen, als man heute meint.

    MFG
    Dr. W

  20. @Martin Holzherr

    »Das menschliche Genom enthält nur wenige Gigabyte Information und nur ein kleiner Teil davon ist für die Hirnentwicklung verantwortlich. Das bedeutet, dass man viel weniger wissen muss um das Hirn und auch das Denken zu verstehen, als man heute meint.«

    Dann denken Sie aber sehr linear …

    In der 3sat TV Sendung “Scobel” vom 6 Juni 2013 bemerkte einer der Gäste, der Biologe Holk Cruse, dass man bisher nicht einmal das stomatogastrische Ganglion bei Krebsen wirklich verstanden habe. Und das konstituiert sich aus gerade mal ca. 30 Neuronen.

  21. Denken – leicht verständlich

    Wenn wir etwas erleben, werden die von den Sinnesorganen registrierten Reize in Signale umgewandelt, welche über Nervenleitungen zum Gehirn gelangen. Dort werden verschiedene Bereiche angeregt und dieses zusammenhängende Anregungsmuster wird für uns zum un-/bewussten Erlebnis, welches dann als Erfahrungswissen im Gedächtnis abgespeichert wird. Erinnern wir uns wieder (denken wir) an diese Erfahrung, dann werden die gleichen Gehirnbereiche wieder aktiviert wie beim ursprünglichen Erlebnis (dies wurde bereits -zig-fach experimentuell per fMRT belegt). D.h. an etwas zu denken, bedeutet, dass wir gespeichertes Wissen als reales Erlebnis wieder-erleben – und ein Gedanke ist demnach ein wiedererlebtes Aktivitätsmuster des Gehirns.
    Verknüpfen/Vergleichen wir durch Erinnern unterschiedliche Erlebnisse miteinander, so entsteht aus dieser Kombination neues Wissen, d.h. neuartige Gedanken – welche wiederum abgespeichert und erinnert werden können.
    Dieses wieder-erlebte Wissen wird allerdings beim Erinnern neu bewertet, da wir uns emotional, physisch und intellektuell dauernd verändern. Dies bedeutet, dass wir nie zweimal das Gleiche denken können – und, dass sich Inhalt und Bedeutung unseres Wissens daher dauernd ändern müssen, wenn ein erinnertes Wissen als Gedanke wieder-erlebt wird.

  22. @Chrys: Morphogenese verstehen => Hirn v

    Muss man das stomatogastrische Ganglion verstehen um das Hirn zu verstehen? Hätte ein Ingenieur der 1950er Jahre, dem man das komplette Schaltbild des neuesten Intel-Prozessors ( Haswell) gegeben hätte und der zugleich einen Haswell- Computer in Aktion erlebt hätte, aus dem Schaltbild schließen können, wie der Prozessor funktioniert?
    Alain Turing war auch in dieser Hinsicht seiner Zeit voraus. Er hat nämlich auch biologische Forschung betrieben und sich mit der Morphogenese beschäftigt, nämlich mit der Frage wie komplexe Muster durch dynamische biologische Prozesse entstehen können. Diese Frage: Wie entstehen komplexe Strukturen aufgrund von einfachen Prinzipien ist das, was einem viel tiefere Einblicke verschafft. Eine der wichtigsten Eigenschaften des Hirns ist seine Plastizität. Das Erwachsenengehirn, aber auch schon das Säuglingsgehirn ist das Resultat von strukturbildenden Prozessen, die auf Interaktionen auch mit der Unwelt beruhen. Es würde mich nicht verwundern, wenn der Tast- und Lagesinn sich nur dann normal entwickeln würde, wenn bereits der Fötus sich bewegen und sich selbst berühren kann. Selbst einfache Wechselwirkungen können komplexe Resultate haben, wenn viele Zellen oder Subsysteme darauf reagieren.
    Mich würde es auch nicht verwundern, wenn fortgeschrittene statistische Methoden tiefere Einblicke ins neuronale Geschehen bringen würden und wenn es so etwas wie Schwarmverhalten von Neuronen gäbe. Wer weiß, vielleicht sind es Mathematiker und Physiker, die das Hirnverständnis revolutionieren und nicht Informatiker und Modellierer, die Neuron für Neuron am richtigen Ort in der Simulatin unterbringen.

  23. Außen und Innen

    Sehr interessanter Artikel. Ich habe eine Frage: Kann ein Gedanke (verstanden als chemisch-elektrisches Signal, das notwendigerweise an das Objekt Gehirn materiell gebunden ist) auf etwas referenzieren, das sich außerhalb des Gehirns befindet?

  24. @goldammer: innen vs außen

    Schon eine Zelle unterscheidet aus sich heraus mittels ihrer Membran ein Innen, das sie sich selbst schafft, von einem Außen, das nur dadurch ein Außen ist, weil sie sich ihr Innen schafft – also: ein “Selbst” von einem “Anderen” -, wobei die Membran semipermeabel ist; denn die Zelle lebt natürlich von ihrer Umwelt und besteht aus Bestandteilen der Umwelt. Die Zelle ist im Grunde ein Prozess – der Prozess einer aktiven Unterscheidung von Innen und Außen.

    Physikalisch betrachtet sind da nur Atomwolken. Genau hier verläuft daher m.E. die Grenze zwischen Physik/Chemie und Biologie. (Wobei Viren sich genau auf der Grenze befinden.)

    Wenn eine Zelle Innen und Außen unterscheiden kann, ist es nicht unbedingt überraschend, dass es auch ein mehrzelliger Organismus kann.

    Das Nervensystem ermöglicht eine Abbildung des gesamten inneren Zustandes einschl. der Zustände an der sensorischen Außenseite des Organismus. Wie aber soll der Zustand von 100 Mrd. Nervenzellen integrativ erfasst und funktionell sinnvoll ausgewertet werden?

    Beispiel: Vor Dir steht ein kleiner Hund, der klefft. Was wird passieren, wenn Du ihn scharf anguckst und zurückbellst? Läuft er winselnd weg oder springt er Dir ins Gesicht? Physiologisch müsste man den Zustand aller Einzelteile des Organimus des Hundes kennen und über ziemlich gute Mathematik verfügen, um eine zutreffende Vorhersage zu wagen. Wir können aber natürlichweise den inneren physiologischen Zustand unter dem Fell des Hundes nicht erkennen; wir schauen nicht durch die Oberfläche hindurch. Es wäre daher schlau, wenn ich mir irgendwie anders ein Bild vom Gesamtzustand, und wichtiger noch: von der vermutlichen “inneren” Verhaltensdisposition des Hundes machen könnte (Ist der Hund ein Draufgänger oder ein Schisser?). Wenn meine “Wette” durch ein solches Bild nur um 5% häufiger richtig liegt, könnte sich der Trick bereits evolutionär durchsetzen.

    Ich meine, dass dies die (oder eine wichtige) funktionelle Rolle des Bewusstseins in der Biologie ist: In Form des Bewusstseins ist das Lebewesen über seinen Zustand und über die Verhaltensdispositionen seiner Umwelt informiert, was ihm nutzt, um das eigene Verhalten und die Vorhersagen geringfügig zu optimieren mit am Ende lohnenswerten Vorteilen. (Das Bewusstsein so zu beschreiben, heißt keinesfalls, dass es damit bereits erklärt wäre.)

    Obwohl wir uns jetzt in der mentalen oder psychologischen Domäne befinden, greift dasselbe Prinzip von Innen und Außen wie bei der Zelle, wie beim Leben: Wir erfahren die echte Andersheit des Anderen und dialektisch damit verschränkt unser Selbst und unsere Identität über die Zeit.

    Das dürfte alles an Korrelationen von senso-motorischen Reizen hängen: Wenn ich mich selbst bewege, geht das mit bestimmten sensorischen (z.B. kinästhetischen) Ereignissen einher – anders als wenn ich die gleiche Bewegung eines Anderen nur beobachte, wo keine korrelierenden sensorischen Empfindungen auftreten; usw.

  25. @ Christian Hoppe @chris
    13.06.2013, 12:37

    Ich habe echte schwierigkeiten zwischen “einfallen” und “ausdenken” das jeweils stattfindende auszuwählen, wenn ein Gedanke im Geiste auftaucht.
    O.k.,…. wenn was inmir “aufblitzt”,scheine ich es mir nicht “ausgedacht” zu haben.
    Aber das ich mich nun darauf festlegen würde, dazu reichts nicht. Woran müsste man hier auswählen – an welchen kriterien?

    Das Problem an theismen ist, dass sie einseitig / ideologisch geschrieben und und interprtiert werden und die ganze Bandbreite der mutmaßlichen “Gottfunktion” gar nicht wiedergeben/sich nicht erfüllend damit beschäftigt. Am Beispiel “Liebe” wird da sogar einfachst deutlich. Zählte man das wort in der Bibel, käme raus, dass es vielfach mehr behandelt wurde, als sein vermutliches gegenteil (Hass).

    Ich finde auch meine Frage oben gar nicht so theologisch – ich habe nur einfach noch kein anderes Wort/Begriff für “Gott” und Funktion, weshalb ich ganz schmerzfrei die Visionen vermenge. Aber “Cool” ist sie schon die Frage – nämlich: Warum können wir denken? Oder warum “denkt” es in uns? Ich erkenne nämlich keine absolute Evidenz, das es eine unausweichliche Entwicklung sei – zumindest, was Sprache angeht, die wir erst lernen müssen.

    Im Zusammenhang kommt mir Skinners “verbal behavior” in den Sinn, wo es um die These geht, wie/dass Sprache eng mit Verhalten verknüpft ist.

    Das wäre auch dann relevant, wenn man wie Horst annähme, das Denken ein Gemeinschaftsprojekt sei (alle Menschen in [uminöser] schicksalhaften Vorsehung …). Das Ausfallen von Sprache im Individuum zwangsweise zu Verhaltensanpassung führen müsste, die sich deutlich vom Mainstream unterscheidet – weil durch die Sprache erst auch die im Artikel oben erwähnten langen und auf einander aufbauenden Ursache/Wirkungszusammenhänge erfasst und schliesslich kommuniziert werden können. Bei Wegfall auch mit Sprache und Kommunikation stattfindenes Verhalten auf eine Urform oder Grundform reduziert stattfindet.

    Zu dem performanten Selbstwiderspruch:

    Dazu passt die Fragestellung, ob man sich eine Geschichte, eine literarische Erzählung, einen Roman, …. “ausdenken” kann, worin jedes Detail keinen Bezug zu irgendeiner Wirklichkeit hat – “alles” sozusagen ersponnen und gelogen sei? Oder ob es eine sprachsystematische Wahrheit in jeder Zusammenstellung von Worten und Sätzen gibt, die auch bei oberflächlich vorkommender “Irrsinnigkeit” immer Realitäten enthält (Stichwort ontologische Wahrheiten)? Diese ontologischen Wahrheiten nicht wie bei der überspitzten Aussage im Wort findet, sondern in der Vision, welche entsteht, wenn die Wörter gelesen werden (etwa “Bibel nicht wörtlich nehmen, sondern ernst”). Das wäre eine andere Ausdrucksweise des oben angefragten Problems, ob man nur denken kann, was “Gott” zulässt.

    Interesant aber wird dieses Szenario erst, wenn man sich fragt, warum es möglicherweise dennoch möglich wäre – der Intelligenzmainstream aber gar nicht erkennt, welcherart Höchstleistung darin verborgen liegt – da ja allgemein sofort jeder an “schwachsinnigkeit” denkt, wenn was nicht schlüssig “klingt”.

  26. @Martin Holzherr

    In einem Genom ist ja bereits mehr enthalten, als an der DNA Sequenz ersichtlich wird. Gene können einander überlappen, ein Gen kann bei mehr als einem Protein beteiligt sein, einige Gene steuern lediglich die Funktion anderer Gene, etc. Die genetische Information dient insgesamt eher zur Initialisierung eines selbstorganisierenden Prozesses, der durch seine Dynamik beständig Information (im Sinne von algorithmischer Komplexität) generiert, die wiederum rekursiv den weiteren Verlauf des Prozesses mitgestaltet. Die Morphogenese eines Lebewesens kann auf diese Weise praktisch beliebig komplex werden.

    Etwa die Morphogenese eines Nematoden (mit 302 Neuronen) liesse sich observationell vielleicht recht gut verfolgen und dokumentieren, aber es ist überhaupt nicht klar, dass dies zu einem Verständnis dessen führt, was sich dabei auf einem höheren Level abspielt. Das Tierchen beherrscht verschiedene Formen des Lernens, trifft Entscheidungen, orientiert sich an Umweltreizen, etc., was man alles gerne auf einem elementaren Level verstehen möchte. Aber es ist vielleicht ungefähr so, als wolle man das Rätsel des Sandhaufens durch dessen Morphogenese verstehen, d.h. man legt bei eins beginennd sukzessive Sandkorn auf Sandkorn und versucht genau festzustellen, bei dem wievielten Sandkorn der Sandhaufen aufscheint. Hier leuchtet es ein, dass der erhoffte Erfolg durch Sandkorn-Arithmetik nicht zu erringen ist.

    @Christian Hoppe: Danke für die Textkorrekturen!

  27. Das ist aber ein schöner Aufsatz!

    Danke!

    Zwei Anmerkungen. Ich würde der Tierwelt das propositionale Denken nicht so global absprechen. Es gibt neuerdings ziemlich erschütternde Daten über das Verhalten von Vögeln, die die Vermutung nahelegen, dass diese Tierchen ganze Szenarien in abstracto im Kopfe durchspielen, bevor sie sie in concreto in die Tat umsetzen.

    Ich bin mir weiter mit Dir, was die Verwendung des Wortes “Idealismus” abgeht, nicht im Reinen. Wenn wir uns darüber einig sind, dass “Sein” eines Wahrgenommenen und eines Wahrnehmenden bedarf und dass “Sein” ergo eine Relation ist (sind wir und da einig?) — dann würde ich genau DAS Idealismus nennen.

  28. @Chrys: Sand + Neuronen

    Richtig: Selbsorganisierende Systeme geraten erst gerade in den Fokus der Wissenschaft, auch der Phsyik, der Physik von Sand beispielsweise, wo man in der Zusammenfassung der Forschungen liest:“In recent years, sand has become a paradigm of complexity in physics. …
    The last few years have seen an explosion of theoretical and experimental activity in the study of its dynamics”

    Ein Unterkapitel dort ist mit Self Organized Systems überschrieben.

    Vielleicht ist es ein grundsätzlicher Irrtum zu meinen, die restlose Aufklärung aller Aktivitäten der 302 Neuronen des Nematoden sei der entscheidende Schritt für das Verständnis komplexer Neuronensysteme. Denn ein solch kleines Ensemble von Neuronen wird wahrscheinlich durch die Evolution auf sehr spezielle, kaum nachollziehbare Art spezialisiert worden sein. Doch bei 100 Milliarden Neuronen ist vielmehr zu erwarten, dass allgemeine Prinzipien am Werk sind. Tatsächlich zeigt die Grosshirnrinde ja nur wenig Spezialisierungen – im Gegensatz zu den älteren Hirnteilen. Und die Grösse der Grosshirnrinde macht ja gerade den Unterschied zwischen simpler gestrickten Tieren und Primaten.

    Weil es aber immer die Möglichkeit von durch evolutionären Zufall entstandenen, kaum noch nachvollziehbaren Entwicklungen, gibt, könnte es durchaus sein, dass man das menschliche Hirn noch lange nicht “vollkommen” verstehen wird. Doch bei den grundlegenden Prinzipien erwarte ich gerade durch das Studium der Entwicklungsprinzipien, der Kräfte, die auf die Ausbildung von neuronalen Netzwerken einwirken, den grössten Fortschritt.

    Im übrigen gilt es zu bedenken, dass gerade die begrenzte Grösse des Genoms es gar nicht erlaubt, ein neuronales System völlig undurchschaubar aufzubauen. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass einmal erfundene Module oder nützliche Mechanismen wiederverwendet werden und nur wenige Quirks eingebaut sind.

  29. @Chris

    Hast Du gestern Star trek gesehen?
    Findest Du den Nexus, der ja immer so ist wie das Individuum ihn für sein “Individualbewußtsein” braucht / will, letztendlich nicht auch ziemlich nervend, wie die Wirklichkeit dieser Realität, konsequent zuende gedacht – Ahnlichkeiten wie der Film mit Robin Williams im Jenseits eingeschlossen? 😉

    Kann mir jemand mal sagen, ob es einen Science Fiction gibt, der sich mit Mensch / einer Menschheit befaßt, die konsequent-kompromisslos als EINE die Wirklichkeit gestaltet – KONSTRUKTIV im Freien Willen und OHNE materialistische Expansion wie z.B. die Borg? 😉

    Da wird es doch wirklich schwierig, wenn EINER sich vorstellen soll, wie ALLE zusammen und in “göttlicher” Vernunftbegabung denken würden – der Weg dorthin ist bisher nur sehr begrenzt, im Kreislauf des geistigen Stillstandes seit der “Vertreibung aus dem Paradies”!? 🙂

  30. Und

    Weil es aber immer die Möglichkeit von durch evolutionären Zufall entstandenen, kaum noch nachvollziehbaren Entwicklungen, gibt, könnte es durchaus sein, dass man das menschliche Hirn noch lange nicht “vollkommen” verstehen wird.

    …damit auch das Denken nicht. Guter Ansatz! – BTW: Man wird auch eine vollständig erfasste (‘entschlüsselte’ wie es so “schön” heißt) Gendatenhaltung (das Epigenetik außen vor lassend) nicht verstehen, was in der Folge die Gentechnik als grundsätzlich problematisch erscheinen lässt.

    MFG
    Dr. W

  31. @ Horst

    Star Trek habe ich gesehen. So habe ich den “NExus” noch gar nicht betrachtet. Das wäre ja gar nicht so schlecht. Kann aber auch schief gehen. Stell dir mal vor, du hättest eine schwer depressive, suizidale Phase…!? Jemand/etwas würde dir die Arbeit (das Töten) abnehmen.

    Den Film mit R.Williams kenne ich nicht.

    Andererseits: Ein Nexus, wie gestern mit 1-2 Personen mag noch funktionieren. Ein solcher mit 7 Milliarden Menschen … ?

  32. @Martin Holzherr

    »Doch bei den grundlegenden Prinzipien erwarte ich gerade durch das Studium der Entwicklungsprinzipien, der Kräfte, die auf die Ausbildung von neuronalen Netzwerken einwirken, den grössten Fortschritt.«

    Diese grundlegenden Prizipien sind beim Nematoden eben dieselben wie beim Primaten, deshalb studiert man das auch beim C. elegans, der sich ganz hervorragend als Modellorganismus eignet. Nicht zuletzt dessen Morphogenese war und ist Gegenstand vielfältiger Untersuchungen (try google scholar). Doch was wurde erreicht?

    The fact that only ? 300 neurons seem to be enough for an organism to survive in the wild has been a particular challenge to scientists involved in modeling the brain/mind, who have struggled to simulate individual aspects of mental activity, e.g., memory, using many thousands of model neurons (Hertz et al., 1991). It seems there is little hope of understanding how the much more complicated human brain works, until we can explain the behavior of C. elegans in terms of its neural network dynamics. This is especially so because the complexity of behavior of an organism appears to be related to the complexity of its nervous system.

    N. Chatterjee, S. Sinha (2008). Understanding the mind of a worm.
    DOI: 10.1016/S0079-6123(07)68012-1

    Was wir an Naturerscheinungen verstehen können, hat Einstein einmal folgendermassen ausgedrückt (Mein Weltbild. Hrsg. von Carl Seelig, Ullstein, 1979, p. 127):

    Wenn man sagt, es sei gelungen, eine Gruppe von Naturvorgängen zu begreifen, so meint man damit immer, daß eine konstruktive Theorie gefunden sei, welche die betreffenden Vorgänge umfaßt.

    Sowohl logische Operationen wie auch rechnerische Simulationen im Rahmen einer Theorie folgen algorithmischen Regeln, sodass nur Phänomene, die auf algorithmisch lösbare Probleme führen, in dem von Einstein spezifizierten Sinn überhaupt begreifbar sind. Hingegen gehören Prozesse, die Information hervorbringen, i.e. bei denen die algorithmische Komplexität zunimmt, nicht zu dieser Klasse. Es ist daher absolut kein Wunder, wenn es mit dem Wurm nicht recht vorangeht — ganz zu schweigen vom menschlichen Geist und Hirn. Zu letzterem vgl. insbesondere Hofstadter.

  33. @Chris – Illusion und …

    Der Film von R.W. hat den Titel: Hinter dem Horizont – sehenswert und denkwürdig 😉

    “Stell dir mal vor, du hättest eine schwer depressive, suizidale Phase…!?”

    – Stell Dir mal vor, wir hätten in unserer Realität die Möglichkeiten eines fusionierenden weil geistig-heilenden Selbst- und Massenbewußtseins (Telepathie, Telekinese, usw. / Wirksamkeit OHNE …), wie müßte sich dies wohl in einem SO erweiterten Nexus auswirken, bzw. wäre das noch ein Nexus??? 🙂

  34. “Dumm und glücklich!”

    Denken ist in unserer Realität ein ziemlich einsam machender Vorgang, manchmal auch ziemlich krank / entartend machender, für die wettbewerbsbedingte Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung” – “Selig sind die geistig Armen”!? 😉

  35. @ Horst

    Was meint er mit “…Wirksamkeit OHNE …”? Etwa ohne bösen Gedanken, wie Mord und solche tendenziel unangenehmen Abläufe und Inhalte? Also auch keine geistige Penetration?

  36. @Christian Hoppe: Fragen zum Denken

       Denken an sich = ‘propositionales’ Denken?

    Ist nicht jedes Denken immer Verknüpfung von Elementen? Sie schreiben ja auch, dass diese Gedanken auf etwas außerhalb ihrer selbst verweisen – also auch auf die davon ausgehende Kombination von (Sinnes)Eindrücken.

    Ist dann nicht jedes Denken immer auch Verknüpfung mit Denken? Man denkt etwa an die Oma – aber dann doch nicht nur an momentane (Sinnes)Eindrücke, sondern immer an gedachte und gedacht komprimierte Eindrücke, also bereits an Propositionen.

    Ist dann nicht dieses Denken deswegen weder wahr noch falsch, weil es sich nur auf sich selbst in seiner aktuellen Form bezieht? Weil also der Rahmen dieses Denkens immer diesem Denken innewohnt?

       Propositionales Denken = Verknüfung beliebiger Rahmungen

    Ist dann propositionales Denken nicht nur deshalb ‘wahrheitsfähig’, weil es mehrere Propositionen oder Rahmungen verknüpft? In Ihrem Beispiel die Proposionen der mit dem Begriff ‘Mensch’, ‘Jeder’, ‘Sterblich’ und ‘Ist’ jeweils gedachten Eindrücke?

    Ist dann nicht trotzdem wieder verschiedenes propositionales Denken richtig? Schließlich ist etwa die Proposition von Mensch durchaus abhängig vom denkenden Subjekt. Also nicht jedes Denken denkt bei ‘Mensch’ an dieselbe ‘Wirklichkeit’.

    Ist dann nicht jeder denkende Mensch nur Richtigkeitssucher? Schließlich interessiert ihn die Wahrheit nicht, ja kann ihn nicht interessieren – sondern nur die Stimmigkeit seiner Gedanken, die Passung zwischen den semantisch gedachten Beziehungen und den propositional gedachten Beziehungen.

    Ist dann nicht Denken völlig unabhängig von Sprache? Denken nicht auch die Bienen, die ihren Tanz aufführen, oder die Bienen, die ihn beobachten, denken die nicht auch propositional? Sind die nicht auch Richtigkeitssucher?

    Ist dann nicht jedes Tier zum propositionalen Denken fähig? Schließlich muss auch der Hund die Katze und den Baum gedanklich repräsentieren. Und auch er muss lernen, wann diese Repräsentation stimmt, wann nicht. Dass er es tut, ist dafür nicht Entwicklung/Rückgang des Pawlowschen Reflexes ein Zeichen?

    Ist dann nicht philosophisches Denken nur eine Sonderform insofern, als es die Frage Allgemeingültigkeit aufwirft? Der Hund denkt wohl nicht darüber nach, ob die anderen Hunde das genauso erleben. Und auch die Biene dürfte sich diese Frage nicht stellen.

    Ist dieses philosophische Denken dann nicht nur deswegen möglich, weil wir in gewissem Maße unsere primären Propositionen hinterfragen können, also das Denken an sich? Also ist die Oma wirklich die Oma wie ich sie denke. Oder der Mensch wirklich das, was ich mir darunter vorstelle.

    Ist für dieses philosophische Denken wirklich Sprache erforderlich? Was ist mit Meditation? Was mit der Zen-Philosophie, die Sprache eigentlich ausschließt? Sind das nicht sogar Philosophien, die weil sie auf den Rahmen der Sprache verzichten in ihrer gedanklichen Erkenntnis der Wirklichkeit viel weiter kommen können? Weil sie die sprachlichen Propositionen komplett aufzulösen vermögen und damit viel beliebigere, allgemeinere und doch gerade darum komplexere Propositionen zulassen?

       Abgestufte Wahrheit = Heiliger Ernst

    Ist dann nicht die fehlende Kritik an (gerade religiösem) Denken allein eine Folge des Rahmens, eine Folge der Ausrichtung auf Erleben statt auf Hinterfragen? Ein Gottesdienst hat ja nicht das Ziel, sich in weitere Probleme oder Zweifel zu stürzen – sondern im Gegenteil menschliche Probleme und Zweifel durch gelebte Gemeinschaft zu verringern, sich auch selbst als Teil der Gruppe wirksam zu fühlen.

    Ist dann nicht jede Aussage eine Aussage in einem Axiomensystem? Mit dem Unterschied, dass uns das Axiomensystem bei Harry Potter deutlich bewusst ist, während wir es uns bei den Zuschreibungen an lebende Personen nicht vergegenwärtigen. Schließlich sind die Definitionen von Christian Hoppe, von ist, von ein und von Neuropsychologe – unsere Axiome des (wissenschaftlichen) Alltages.

    Ist dann wirklich ausgeschlossen, dass logisch falsche Sätze die Wirklichkeit richtig beschreiben? Das gilt doch wieder nur in dem Axiomensystem der Logik und dem metaphysischen Axiomensystem, dass Wirklichkeit in dieser Form existierte, dass sie also Entweder-oder ist – niemals Sowohl-als-auch.

    Ist dann nicht derjenige Zustand eines Subjektes der realste, in dem alle seine Gedanken vollkommen harmonieren? Und ist das nicht dann der Fall, wenn die (absolute) Wirklichkeit gerade nicht interessiert, sondern nur ein imaginierter Rahmen; sei er göttlicher oder spielerischer Herkunft. Also leben wir nicht eigentlich nur dann ganz, wenn wir in unserer gemachten Wirklichkeit fühlen?

    Ist dann der Bezug zur Wirklichkeit tatsächlich das Kriterium für Literatur/Kunst – oder ist es nicht vielmehr der Bezug zu den gedanklichen Propositionen des Rezipierenden? Ob etwa ein Roman der Wirklichkeit entspricht, das interessiert den Leser doch nicht, sondern nur inwiefern es an seinen Vorstellungen von Wirklichkeit anknüpft, also an seinen Propositionen. Darum kann dem einen Kitsch sein, was dem anderen Kunst ist – je nach den Bezügen zum Denken.

       Erkennen = Teilen von Gedanken

    Ist dann aber nicht auch jedes Denken ernsthaft, dass sich in irgendeinem von mindestens zwei Personen geteilten Rahmen bewegt? Wenn zwei Kinder Eisenbahn oder irgendein erfundenes Spiel spielen, dann ist deren Denken doch genauso auf situative Richtigkeit aus wie das Denken eines Wissenschaftlers.

    Ist dann das Problem der Psychose nicht eigentlich das der fehlenden Übereinstimmung mit mindestens einem anderen Denken? Lassen wir dort mal die Ursachen weg – aber wenn diese ‘Patienten’ ihre Welt mit anderen teilen können, dann haben sie keine Probleme mit seelischer Gesundheit oder Alltagsleben. Das Problem ergibt sich nur aus dem Fehlen entsprechender Kommunikationspartner.

    Ist dann aber nicht sogar jede Psychose (auch) menschengemacht? Sind es nicht wenigstens die geistigen Störungen der Genies? weil ihnen oft kein einziger Mensch in ihrer gedanklichen Komplexität folgen konnte? Weil darum ihre Gedanken immer teils als unwirklich gespiegelt wurden? Was dann die Psyche belastet?

  37. @Chris

    “Also auch keine geistige Penetration?”

    – ja letztendlich auch, denn das ist eine Wesens-/Unart des “freiheitlichen” Wettbewerbs um …, der alles verunstaltet, krankhaft, bzw. Symptomatik des Asozialen ist, und im geistig-heilenden Selbst- und Massenbewußtsein sofort entlarvt und menschenwürdig korrigiert werden kann.

    Aber vor allem meinte ich die Bedingungen des Zusammenlebens, die zur Entwicklung einer solchen wirklichen Wahrhaftigkeit absolut notwendig sind: Freiheit und Demokratie OHNE Steuern zahlen, OHNE “Sozial”-Versicherungen, OHNE manipulativ-schwankende “Werte”, usw.!

    Wenn Mensch in seiner Bewußtseinsentwicklung so beschränkt-begrenzt wie derzeit im zeitgeistlich-multischizophrenen Zynismus / Egoismus WÄRE, also letztendlich das illusionäre Produkt einer zufälligen Einmaligkeit in der stumpf-, blöd- und / oder wahnsinnigen “Vernunft” des “Rechts des Stärkeren” (die Hierarchie!), dann sollten wir um jeden Preis den TOTALEN Wettbewerb / Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung ausfechten – aber da ist eben mehr, auf Wegen die wir bisher nur oberflächlich durchdacht, besprochen und kaum beschritten haben!? 😉

    Dumm und glücklich ist auch, was sich allzu leichtfertig mit Intelligenz im System verkommen läßt – Kompromisse sind die ersten Schritte für diese bewußtseinsbetäubende Verkommenheit!!!

  38. Chrys

    vom Spam Filter verschlungen

    Unbedingt einen geeigneten Browser nutzen, der in der Historisierung die Formulardaten vorhält oder die sogenannte Zwischenablage nutzen.

    Das hiesige System nutzt zudem die Kodierung ‘iso-8859-1’, also kein UTF, hat also grundsätzliche Darstellungsprobleme.

    MFG
    Dr. W

  39. @ Horst

    Dein “geistig-heilendes Massenbewusstsein” ist eine andere Beschreibung der Assimilation des Subjekts. Übrig bleibt wenig “selbst” viel Masse = Mainstream. Die demokratische Ursubstanz, aus der Profilierungen erst möglich sind. Das dabei das Subjekt entsprechend beteiligt sei (Wahl, Stimme), ist eine Illusion. Willensbildung und freie Gedanken Einbildung sein müssen.

    Der Vergleich eines Nexus mit solcherart besonderem Bewusstsein wohl eher naiv – zumindest diese kunstvolle und lockende Versuchung im Film.

    Abseits dieser Kritik scheint aber etwas dringend bindend zu sein, sodas man nicht umhin kommt. Das ergäbe aber keine besondere Würdigung eines Subjekts, wenn es etwa ins Massenbewusstsein integriert wird. Dabei ist es ja eigendlichschonda, sonst es nicht lebenwürde können! Zu unterscheiden wäre, dass da mehrere Kollektive zu sein scheinen, welche in deiner utopischen Vision nur in der Verschmelzung Aller letzte Perfektion erhält und hält, was versprochen.

    Darf ich weiterhin skeptisch sein, wenn du von Heilung visionierst? Es gibt nämlich verschiedene Perspektiven zu bedenken.

    Was da geheilt wird, ist nicht “mein” Geist, sondern die als “krankheit” erkannte Wirkung meines Geistes im kollektiv – was nur derat funktioniert, wenn mein Geist an der Heiling Schaden nimmt (organisch) und schliesslich auch in der Qualia der Mentalität und Bewusstsein.
    Mir also eine Degenerierung als “geistig-Heilend” zu verkaufen, ist eben auch nur schlechter Stil, wie du ihn dem “Wettbewerber” im Markt um irdische Versuchungen (Geld) unterstellst, woraufhin dein Karma eigendlich leiden müsste! Kannst du dir angesichts noch in die eigenen Augen schauen?

    Ich habe mein ganzes Leben die Fresse gehalten, weil ich durchaus wusste, dass ich nichts beizutragen habe. Ich konnte mir jederzeit selbst in die Augen schauen.
    Und dann aber, als ich wohl doch mal meine Fresse aufmachte, bekam ich es mit der “Heilung” zu tun, die einem angetan wird, wenn man über sich hinauswächst (was heisst, man wächst über andere hinaus, die das dann wohl rückgängig machen).

    Ich kann mir heute noch in die Augen schauen. Anderen übrigens auch noch immer. Wo das doch Zeichen von Macht sei, die aus diesem Massengeist gespendet, mir dochnicht mehr zusteht? Mir scheints inzwischen vollends selektiv insGehirn gepfuscht worden zu sein, sodass mir “Freiheit” verkauft, aber vom verlust nichts gesprochen wurde. Ach ne,… diese Kompromisse immer…

  40. @Chrys : ForschungSchreitet langsamVoran

    2002, 2006 und 2008 wurden Nobelpreise im Zusammenhang mit der Forschung an C. elegans vergeben für genetische und biochemische Erkenntnisse (Steuerung der Organentwicklung, RNA-Interferenz, fluoreszierende Proteine). Von der Biochemie bis zum Verständnis der neuronalen Entwicklung mag es noch etwas dauern. Doch daraus grundsätzliche Erkenntnisprobleme abzuleiten ist verfrüht. Forschung schreitet viel langsamer voran, als die Pioniere jeweils denken. Ein gutes Beispiel ist die Forschung im Bereich künstliche Intelligenz, die in den 1960er Jahren intelligente Systeme innerhalb 10 Jahren voraussah mit dem Resultat, dass die Forschung in diesem Bereich in den 1980er und 1990er Jahren nur noch belächelt wurde. Heute erst gibt es mit neuen Ansätzen wie dem probabilistic reasoning (bayesian inference, Markov decision processes, Kalman filters) grosse Fortschritte. Die Erforschung existierender Systeme ist noch um einen Faktor schwieriger als die Konstruktion von neuen Systemen auf Basis von bekannten mathematischen Verfahren. Das gilt sogar für Systeme wie das Klima, welches ja nicht im Labor nachgebildet werden kann und wo mathematische und physikalische Modellierung allein nur zu einen spekulativen Theorie führen können.
    Vor allem ist es bei bestehenden Systemen schwierig einzuschätzen was die Bedeutung und Gewichtung von beobachteten Phänomen und Albäufen innerhalb des Gesamtsystems ist. So ist nicht auszuschliessen dass man bei neuronalen Systemen die Bedeutung beispielsweise von Neurohormonen unter- oder überschätzt. Die Existenz eines Subsystems in einem insgesamt komplexen System sagt noch wenig über das Zusammenspiel und die wahre Bedeutung dieses Subsystems aus.

    Die Ambition des Human Project Projects wird möglicherweise später einmal ähnlich eingestuft werden wie der frühe Entusiasmus im Bereich künstliche Intelligenz.

    Nicht wenige Forscher arbeiten mit Mutanten von C.elegans um hinter die Geheimnisse und die Bedeutung der beobachten neuronalen Prozesse zu kommen. Das ist eben der konstruktive Ansatz, von Richard Feynman im Satz ” What I cannot create, I do not understand.” verewigt.

    Grosse Fortschritte können auch neue Untersuchungsmethoden bringen.
    Computersimulation von neuronalen Netzwerken ist eine neue Untersuchungsmethode. Der neuronale “Schaltkreis” von C.elegans liegt bereits in diversen Computersimulationen vor, doch scheinbar sind die Ergebnisse, wenn es um die Erklärung des Verhaltens geht noch bescheiden:
    “However, we still lack understanding of how the neurons and the connections between them generate the surprisingly complex range of behaviors that are observed in this relatively simple organism”
    Woran liegt nun dieser Gap zwischen vermeintlicher Genauigkeit der Simulation und fehlender Übereinstimmung mit dem beobachteten Verhalten?
    1) Man könnte wesentliche Faktoren, die im neuronalen Geschehen eine Rolle spielen bis jetzt übersehen haben
    2) Man könnte die Dynamik des neuronalen Systems falsch modellieren

    Andererseits scheint man auch bei der Computermodellierung von C.elegans noch ziemlich am Anfang zu stehen, liest man doch im verlinkten Artikel: ” To account for the relatively slow propagation velocity and the attenuation of neuronal signals, we introduced “pseudo neurons” into our model to simulate simplified neuronal dynamics.”

    Bei der Vielzahl von Forschern und den immer wieder neuen, noch tiefere Einblicke verschaffenden Untersuchungsmethoden bin ich jedenfalls optimistisch, dass in ein paar Jahren oder Jahrzehnten auch ein Nobelpreis für die Aufklärung des C.elegans Nervensystems vergeben wird.

  41. Varianten

    What I cannot create, I do not understand.

    1.) What I can create, I do not understand.

    2.) What I cannot create, I do understand.

    3.) Was denkbar ist, ist möglich.

    4.) Was möglich ist, muss nicht denkbar sein.

    MFG
    Dr. W

  42. @ Dr. Webbaer, Martin Holzherr

    @Dr. W.: Möglicherweise gilt ja bei den SciLogs jeder, der 648 Bytes in eine <blockquote>-Umgebung schreibt, als Spammer oder Cyber-Terrorist. Wo hier die Grenzen für Kommentatoren gezogen werden ist wahrscheinlich ein Geheimnis der Software.

    @Martin Holzherr: Tja, Feynmans Parole scheint für Henry Markram und seine “lots of Einsteins” geradezu sinnstiftend zu sein. Dem steht freilich entgegen, dass man durch iterative Anwendung konstruktiver Regeln nicht zwingend im Bereich dessen bleibt, was konstruktiv noch begreifbar ist. Wenn schon nicht Turings Maschinen, dann sollten wenigstens Stephen Wolframs zelluläre Automata zum Nachdenken anregen über mögliche Gründe, warum es mit der Wurm-Simulation nicht wie erwartet funktioniert hat. Doch lieber macht man wohl einfach weiter wie gehabt, nur jetzt im ganz grossen Stil. Too big to fail?

  43. Semantik

    Hier wurden jetzt zahlreiche Simulationsmodelle bzw. Computermodelle des Denkens diskutiert.

    Ein Computer ist für mich ein bewusstloses Ding, in dem viele Prozesse hochgeordnet ablaufen – geordnet vom Konstrukteur des Rechners, und geordnet hin auf die Bedürfnisse des Anwenders.

    Nur der Anwender ist bewusstseinsfähig und denkfähig. Wenn ein Rechner seine Zustände in einer für das Denken des Anwenders nützlichen Weise ändert, heißt das noch lange nicht, dass der Computer gedacht hätte …

    Denkfähigkeit ist Weltfähigkeit. Rechner haben keine Welt, sondern sind nichts anderes als Teil von ihr. Wir sind auch Teil der Welt – ganz und gar – aber wir haben auch Welt.

    Nur das ist Semantik. Semantik kommt in Rechnern nicht vor, das ist nur Syntax bzw. Logik. No world.

    Dass wir unsere Welt-Habe digitalisieren können – indem wir sie in Ja/Nein-fähige Segmente zergliedern – heißt weder, dass die Welt digital ist noch dass auch ein Computer eine Welt besitzt.

    Die Widerständigkeit der Welt – ich bleibe auch dabei, dass die Arbeit an dieser Widerständigkeit das Merkmal wirklicher Kunst im Unterschied zu Kitsch bzw. Kunsthandwerk ist. Was nur gefallen und unseren Vorstellungen entsprechen will, sich aber nicht an der Welt abmüht, ist allenfalls “nur schön”, aber kann nicht beanspruchen, Erkenntnis in Form von Kunst zu sein.

  44. @Christian Hoppe

    Vielen Dank für die “Rettung” meines Kommentars aus den Klauen des Spamfilters, hab’s gerade bemerkt.

  45. @Chris

    “Dein “geistig-heilendes Massenbewusstsein” ist eine andere Beschreibung der Assimilation des Subjekts.”

    – Nein, ist es nicht, weil der Freie Wille erst dann …!

    Man, Du hast ja nichts verstanden, bzw. alles mißverstanden, oder …!?

    Aber das liegt wohl mehr an meiner “Festplatte”, bzw. an ihrer Funktion!? 🙂

  46. @ Horst

    Was hat Festplatte damit zu tun?

    Was ist verstehen, wenn alles aus allen Perspektiven anders aussieht.

    Was soll man auch verstehen, wenn geschwiegen wird an jeder Ecke.

    Der f. Wille erst dann…? Aha, weil was wegfällt?

    Mir kommen da einige Gedanken.

  47. @Chris

    Nein, ist es nicht, weil der Freie Wille erst dann “gottgefällig” funktioniert und Werte wie Verantwortung, Vernunft, Demokratie, Freiheit, usw., sind zweifelsfrei-eindeutig und vor allem menschenwürdig!

    Man, Du hast ja nichts verstanden, bzw. alles mißverstanden, oder Du hast einiges, bzw. alles verstanden, aber Konfusion und systemrational-gebildete SKM bewirken die allgemein übliche Reaktion!?

    Mit Festplatte meinte ich mein Gehirn, die Hardware welche selbstverständlich auch nur sehr begrenzt mit entsprechenden Erfahrungen / Software zu Erkenntnissen gelangt / geprägt ist! 😉

  48. Also ich habe nun zig ellenlange Kommentare fertig für die Zwischenablage und zum einfügen, aber keiner lohnt sich wohl wirklich dir zur Antwort vorzuwerfen.

    Ich werde müde an solchen Visionen von unendlich oft widerlegten “guten” Argumenten (Verstand, verantwortung, Demokratie, Freiheit und f. Wille sowieso). Schöne Utopien sind eben ewig am Leben – leider nur Virtuel (ideoloisch). Mit widerlegten Gegenständen zu argumentieren ist unfair und bringt nichts – außer im Kollektiv ein gutes Gefühl; vorrausgesetzt Zweifelsfreiheit ist eingetreten.

    Ansonsten hilft es mir nichts, wenn du also weiterhin an Worthülsen – vor allem solcherart arg tendenziellen, hängen bleibst, anstatt zur Sache zu kommen.

    Was “Heilen” bezüglich bedeutet, kannst du wohl sicher nicht schlüssig erklären?

    Halten wir also schon mal fest, dass Gedanken und Wirklichkeit jeweils weder im Massenbewusstsein nach deiner Vision, noch nach meiner Vision zwingend übereinstimmend sein müssen. Woraus sich ergibt, wie utopisch deine “Lösung” sei. Man letztlich von einer Misere in die nächste stolpert. Und das suggerierte “Gebot” zur Freiheit hier eigendlich eine Wahl lassen müsste, was aber scheinbar nicht geschieht.

    Zitat:

    “Man, Du hast ja nichts verstanden, bzw. alles mißverstanden, oder Du hast einiges, bzw. alles verstanden, aber Konfusion und systemrational-gebildete SKM bewirken die allgemein übliche Reaktion!?”

    -> Genau so. Aber was davon nun eigendlich? Und sind das alle Möglichkeiten? Bin ich vielleicht bei der Re-Assimilierung ins Fußvolk plötzlich im falschen Kollektiv gelandet?

    Wir kommen hier so nicht weiter.

  49. @Chris

    “Was “Heilen” bezüglich bedeutet, kannst du wohl sicher nicht schlüssig erklären?”

    Ist Dir die Kriegs-Lüsternheit (ein Bsp.: derzeit / immernoch USA / westliche Welt gegen Russland) nicht krank / oberste Lüsternheit von allen genug (Ursache aller unserer Probleme / Symptomatiken des “Zusammenlebens” ist, der nun “freiheitliche” Wettbewerb um …, / die Fortsetzung des Krieges mit “friedlichen” Mitteln)!?

    Ausserdem ist heilende Wirkung auch gemeint, wenn die Lüge zur Entwicklung von systemrationalen Ränkespielen nicht mehr möglich ist, oder die Masse / das Massenbewußtsein behilflich sein kann, wenn krankhafte Gedanken das Subjekt in Neurosen und Psychosen treibt, weil Mensch Gedanken nicht mehr nur durch Gesten des Gegenüber erahnt, sondern deutlich lesen / sehen kann – Wenn Mensch diese Möglichkeit der Bewußtseins-Entwicklung nicht hätte, dann wären Ausbeutung und Unterdrückung im “Recht des Stärkeren” absolut, und alle ideologischen Ismen nur ein Veits-Tanz um den Darwinismus!?

  50. @ Horst

    Nein, mich macht leider nichst mehr “krank” im Sinne von Erregen und Aufregen, seit man mich “Re-Assimiliert” und Teildegeneriert hat.

    Ich bin jetzt quasi Mainstream und völlig jenseits von gut und böse. Was geht mich irgendwas noch an! Eigendlichsitze ich hier und bete quasi darum, dass diese Gesellschaften in sich zusammenbrechen. Das wäre mir Genugtuung, bei welcher ich nicht zum Terroristen werden müsste.

    Und dein “Massenbewusstsein” ist gerade die URsache (das Wegbleiben) der Nachkriegszeit mit all ihren “kühlen” Nebenwirkungen. All dem Wirtschaftswachtum, dentechnoologischen Errungenschaften und … der auffälligen Ordnung und Ruhe in Europa. Man müsste fast dankbar für die Zerstörung natürlicher Bindungen sein.

    Übrigens kannst du dir deine “geistig-heilende” Massenbewusstheit in China ansehen – in den Megastädten und den “gleichgeschalteten” Individualbewusstseinen. Mache dir einen Reim draus. Chinesische Verhältnisse als Zukunftsvision für die ganze Welt…!?

  51. @ Horst

    Betreffend Massenbewusstsein:

    Es gibt Hinweise, dass es im Individuum getrennte neuronale Vernetzungen fürs Wachbewusstsein und für Traumaktivität im Gehirn gibt.

    Stelle dir vor, man könnte diese beiden Netzwerke so “kurzschliessen” dass sie beide parallel funktionierten – am Tage, wie im Traum. Wäre man dann nicht gar ein Gott mit entsprechenden Möglichkeiten im Massenbewusstsein?

  52. Liest sich gut:

    Denkfähigkeit ist Weltfähigkeit. Rechner haben keine Welt, sondern sind nichts anderes als Teil von ihr. Wir sind auch Teil der Welt – ganz und gar – aber wir haben auch Welt.

    MFG
    Dr. W

  53. @ Horst

    Interessant: Zu meinem letzten Kommentar strukturel kompatibel erschien heute ein Artikelin der Zeit.online….sonderbar, Wie gerufen:

    http://www.zeit.de/2013/25/gehirn-haelften-doppelnatur

    Der Artikel erinnert mich auch unweigerlich an Julian Jaynes Prinzip der bikameralen Psyche. Das Bipolare findet sich auch in vielenanderen Philosophien und Froschungen über den menschlichen Geist wieder. Mir unklar, wie man das landläufig verlächelt. Wobei … so unklar ist mir das nicht … nach der Gehirnwäsche durch Nazis und Alliierten der Nachkriegszeit. Mutmaßlich weilten wir (also die vorrangegangenen Generationen der Nachkreigszeit) mit nur einer Hirnhälfte, weil das Individuum dann leichter zu kontrollieren ist und sich dem nicht dominant entgegenstellen kann.

    Gegen ein Massenbewusstsein spricht noch einieges dagegen.

    Es gibt Aussagen wohl aus der Sozialforschung, das das Individuum nur etwa 160 Subjekte bewusst verwalten kann, dann aber recht sicher die Übersicht verliert über seine “Bekanntschaften”. Daraus geschlossen wird, dass Facebook-Profile mit 10 tausend Freunden keine traditionellen Freundschaften sein können – also die statistisch verwaltbare Höchstgrenze überschreiten und die Bindung zwisschen den Individuen nicht der einer Freundschaft entsprechen können.

    Nur logisch. Aber … was erklärt uns das betreffend emotionale Bindungen und Massenbewusstsein? Wohl doch nichts besonderes.

  54. @Chris

    “Aber … was erklärt uns das betreffend emotionale Bindungen und Massenbewusstsein?”

    – KEIN WUNDER, wo Mensch nur 10% seiner Hirnkapazität nutzt!? 🙂

  55. @ Horst

    Aus der These des Massenbewusstseins müsste schlüssig hervorgehen können, dass das “so” nicht wahr ist.

    Nämlich deswegen, weil damit erklärt werden könnte, dass einem im Schwarm gar nicht mehr verfügbar bleiben könnte – da ja auch der Schwarm darüber bestimmt, was das Subjekt mit seiner Kapazität anfängt/anfangen kann.

    Und davon auszugehen, dass 1300-1500 Gramm Gehirn (oder von der Schädelform entsprechend zu erwartendes Volumen) auch notwendigerweise immer voll funktionsfähig und voll ausschöpfbar seien, ist leider falsche Strategie und Anmaßend.

    Zitat:

    “KEIN WUNDER, wo Mensch nur 10% seiner Hirnkapazität nutzt!? :-)”

    -> 100 % wären das Menschenmögliche. Aber was wäre das eigendlich? Niemand weiß das – niemand kanns beschreiben.
    Und noch der genialste Kopf unter den Menschen ist eigendlich nur hochspezialisiert und ansonsten ein Fachidiot. Eine Ausschöpfung einer virtuel erträumten Kapazität des menschlichen Gehirns mit aller inidviduel beobachteter Leistungsfähigkeit ist bis heute noch nie geleistet worden – meine ich.

  56. Gedanken über Gedanken

    Ich habe eine Zwangserkrankung(Waschzwang),ausgelöst vor 30 Jahren,durch eine traumatische Erfahrung und beschäftige mich im Rahmen dessen,gesund zu werden,sehr viel mit diesem Thema. Da ich auch hochsensitiv und hochbegabt bin(IQ 140),ist einiges los im meinem Kopf und ich bin immer auf der Suche nach Antworten,was das Thema Wirklichkeit und Wahrnehmung betrifft. Ich würde gerne ein paar Fragen stellen,denn ihre Blogthemen und die Art,die Dinge zu beschreiben,interessieren mich sehr. Ev. im E-mail Kontakt,wäre das möglich?

  57. Hallo, ich habe auch einen Blog über das Denken bzw. die Gedanken geschrieben (http://das-denken.blogspot.de). Aber es bleibt immer die Frage offen, ob man mit Gedanken die Gedanken analysieren kann? Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
    Ich schreibe gerade ein E-Book (es ist kurz vor der Fertigstellung). Es geht darin hauptsächlich um die Auflösung und die Verhinderung von psychischen Leid. Bezüglich des letzten Beitrags sollten sich mit den erworbenen Erkenntnissen (aus meinem E-Book) auch Zwangsgedanken auflösen. Versprechen kann und darf ich es natürlich nicht. Aber: Versuch macht klug!