Bakterielle Bio-Konsolidierung

Oh, wie schön! Es ist Sommer. Wenn es am Freitag um 18 Uhr noch freie Parkplätze gibt, bedeutet das, es ist auch Reisezeit. Für uns geht es dieses Jahr an die schöne spanische Küste. Rund um die Gegend von Malaga will ich Tapas Essen und Wein trinken.

Aber natürlich kommt man in dieser Gegend nicht umhin sich auch mit der besonderen Architektur vor Ort zu beschäftigen – besonders in Granada. Als Neuseeländer ist mein Mann immer ganz besonders beeindruckt von alter Architektur. Klar, in Neuseeland gibt es nunmal auf Grund der kurzen (westlichen) Besiedlungsdauer kaum architektonische Perlen. In Granada hingegen sieht das ganz anders aus. Leider sehen viele Gebäude schon arg mitgenommen aus. Ein besonders schönes, aber auch stark angegriffenes Gebäude ist die Capilla Real die Königskapelle.

Links: Capilla Real, Granada By Antonio Herrera CC BY-SA 3.0 es, via Wikimedia Commons; Rechts: Detailansicht, via doi:10.1371/journal.pone.0132465
Links: Credit: Capilla Real, Granada By Antonio Herrera CC BY-SA 3.0 es, via Wikimedia Commons; Rechts: Credit: Microb Ecol.: 2010 Pinar et al. doi:10.1371/journal.pone.0132465 CC BY-NC 4.0 Detailansicht

Wie man auf dem Bild rechts sehen kann, beginnen die Ornamente bereits stark zu bröckeln. Dieser Abbau ist nicht allein den Witterungsbedingungen geschuldet. Die Anwesenheit von Bakterien, Pilzen und Flechten beschleunigen die Prozesse durch physikalische und chemische Abbauprozesse (z.B. durch die Produktion organischer Säuren). Außerdem verursachen solche Mitbewohner Verfärbungen. Eine Behandlungsvariante besteht daher auch in der Verwendung eines Breitspektrum-Biozids, namentlich Biotin T. Durch Interkation mit den Aminosäure-Thiol Gruppen werden insbesondere Flechten und Cyanobakterien zerstört.

Es gibt aber auch eine biologische Variante der Konsolidierung. Dabei spielen wieder ganz bestimmte Bakterien eine Rolle. Dieses Mal sind es Calciumcarbonat-produzierende Bakterien. Also Steinproduzenten. Diese Bakterien finden sich auch auf allen Steinmaterialen und im Boden wieder. Es gibt dabei zwei Ansätze: entweder man bringt von außerhalb eben jene Bakterien ein, oder man verstärkt die Vermehrung der bereits vorhandenen Bakterien. Die zweite Variante wird dabei als nachhaltigere Methode favorisiert. Es wird dabei ein bestimmtes Kulturmedium verwendet, das auf den Stein aufgesprüht wird. Mit dieser Methode kann eine Schicht von 10-50 µm Dicke erzeugt werden, dass den behandelten Stein ummantelt. Diese Methode wurde in besagter Capilla Real in einem Pilotprojekt getestet.

Die Gruppe, die diese Methode entwickelt hat, ist weiterhin darum bemüht die langfristigen Folgen für das Mikrobiom auf den behandelten Steinen zu beobachten. Wie eigentlich überall, suchen sie dafür einen möglichst einfachen und kostengünstigen Weg. Was heißt, dass Next Generation Sequencing des gesamten Mikrobioms wohl zu teuer/aufwändig wären. Darüber hinaus ist es gar nicht so einfach die verschiedenen Bakterien auseinander zu halten und eindeutig zu identifizieren. In großen Teilen findet man genetisch konservierte Bereiche. Man bräuchte also auch noch das nötige Know-How um zum einen die Daten auszuwerten und zum anderen bbenötigt man jemanden, der sich mit Metagenomik auskennt.

Aber es geht eben auch einfacher. Die angewendete Methode nennt sich DGGE – denaturierende Gradienten Gelelektrophorese. In einem früheren Beitrag ging es schon mal um die Auftrennung von DNA-Fragmenten. Das Prinzip ist hier ähnlich. Aus der genommenen Probe wird DNA vervielfältigt. Und zwar so, dass ein Bereich vervielfältigt wird, der in allen Spezies vorkommt. Jetzt sind die erhaltenen Fragmente alle ungefähr gleich groß, so dass eine Zuordnung zur jeweiligen Spezies schwierig ist. Dabei sind die Sequenzen aber nicht völlig identisch, nur eben gleich lang. Man behilft sich dann zur Auftrennung mit einem Gel, das einen denaturierenden Gradienten enthält. Je nach genetischer Zusammensetzung denaturieren die einzelnen Sequenzen dann bei unterschiedlichen Bedingungen. Die Fragmente wandern dann also durch das Gradienten-Gel und denaturieren an unterschiedlichen Stellen im Gel nach und nach. Sie wandern dann wesentlich langsamer als die noch intakten Fragmente, wodurch es dann schließlich doch möglich ist, die Sequenzen einzeln aufzutrennen. DGGE ist eine sogenannte Fingerprinting Methode und wird häufig in der mikrobiellen Ökologie angewendet, also immer wenn man Informationen über die Zusammensetzung eines Mikrobioms haben möchte. Anwendungen bestehen u.a. in der klinischen Diagnostik und in der Lebensmittelsicherheit. Und so sieht das dann aus:

via DOI 10.1007/s00248-010-9661-2
Denaturierende Gradienten Gelellektrophorese via DOI 10.1007/s00248-010-9661-2

Gezeigt ist, wie sich das Mikrobiom in den ersten 30 Tagen nach der Behandlung entwickelt. Zunächst gibt es eine hauptsächliche Besiedlung von fünf verschiedenen Spezies (Q, 1-5) Wenn man den Stein derart behandelt, dass die gewünschten Bakterien von außerhalb eingebracht werden, erhält man auch nur die entsprechende Bande (M, 6). Für alle anderen Werte wurde dann allerdings das bedondere Kulturmedium aufgesprüht. In den ersten Tagen nach der Behandlung sind  dann noch drei weitere Spezies vorhanden, deren Wachstumsbedingungen durch das Kulturmedium ebenfalls positiv beeinflusst werden. Sechs Tage nach der Behandlung, kann das eingebrachte gewünschte Bakterium nicht mehr identifiziert werden. Da aber trotzdem eine weitere Bildung von Calciumcarbonat beobachtet wurde, diskutieren die Wissenschaftler, dass sich diese Bakterien eventuell tiefer im porösen Basaltgestein befinden und so gar nicht in der Probe vorhanden waren. Außerdem vermuten sie, dass die Spezies 7 und 8 ebenfalls an der Calciumcarbonat Bildung beteiligt sind.

Das ursprüngliche Mikrobiom wurde nach 30 Tagen dann allerdings nicht wieder hergestellt. Diese Veröffentlichung ist mittlerweile schon recht alt. Vor kurzem gab es allerdings eine weitere Nachfolge-Veröffentlichung, die ich allerdings weitaus weniger aussagekräftig finde, obwohl hier über einen sehr langen Zeitraum Proben gesammelt wurden. Hier wurden die verschiedenen Spezies in Gruppen gemäß ihrer phylogenetischen Abstammung zusammen gefasst, was natürlich keine schlechte Idee ist. Allerdings gibt es keine echte Kontrolle, da der Stein vor der ersten Probennahme mit besagtem Biotin T behandelt worden ist und sich so nur noch Actinobakterien finden lassen, die vermutlich vom Biotin T unberührt bleiben. Insgesamt sieht die Verteilung dann so aus:

via DOI:10.1371/journal.pone.0132465
Verteilung der Bakterien nach ihrer phylogenetischen Zugehörigkeit via DOI:10.1371/journal.pone.0132465

Es wurden jeweils nach der Biotin T Behandlung (us) und dann nach fünf, zwölf und 30 Monaten Proben genommen, die DGGE-Analyse durchgeführt und dann die Bakterien in die oben genannten Gruppen eingeteilt. Ich verstehe nicht, warum nicht die “echten” Kontrollen aus dem ersten Paper zitiert wurden. So finde ich das Ganze zwar immer noch intressant aber irgendwie auch enttäuschend. Ein klassisches Beispiel für mangelhaftes Experimentdesign. Erst machen, dann nachdenken.

Aber darum geht es ja eigentlich gra nicht, sondern darum, dass so schöne Gebäude wie die Capilla Real auch weiterhin erhalten bleiben. Ich wünsche euch  aus dem Sommerloch einen schönen Urlaub!

 

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

2 Kommentare

  1. Die Capilla real bleibt auf alle Fälle erhalten – wenn vielleicht auch nur virtuell als Datei in einem Computerarchiv, jedoch so detailltreu, dass sie rekonstruiert werden könnte.

    Immerhin ist die Capilla real als Bauwerk in Granada nicht vom uns bevorstehenden Meerresspiegel von mindestens 4, vielleicht aber auch viel mehr Metern bedroht, denn Granada befindet sich 734 m über Meer.

  2. Pingback:Der Mensch stammt nicht vom Affen ab › Von Menschen und Mäusen › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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