Temple Grandin: Eating Meat is Ethical

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Diese Woche hatte Scilogs-Kollege Martin Ballaschk einen Link gewittert, der mich direkt zu einem Essay führte. Geschrieben war es von Temple Grandin, die darin kurz und prägnant darlegt, warum Fleischkonsum für sie ehthisch vertretbar ist und was dafür erfüllt sein muss. Jetzt hege ich bekanntermaßen eine große Faszination oder auch Begeisterung für diese Frau, da sie nicht nur empört ein Buch geschrieben hat und seitdem die Talkshows verstopft, sondern vom Fach ist und auch tatsächlich durch ihr entwickeltes Schlachthof-System einiges zur Verbesserung des Tier-Handlings beigetragen hat. Deshalb werde ich einerseits aus dem Essay zitieren, andererseits aber auch auf zwei Artikel verweisen, die ich schon über sie und ihre Arbeit geschrieben habe. Here we go.

Our relationship with the cattle should be symbiotic.  Symbiosis is a biological concept of a mutually beneficial relationship between two different species.  There are many examples of symbiosis or mutualism in nature. One example is ants tending aphids to obtain their sugary secretion and in return, they are protected from predators.  Unfortunately the relationship is not always symbiotic and in some cases, the ants exploit the aphids.  There are similar problems in poorly managed, large intensive agriculture systems. There are some production practices that must be changed. In the cattle industry, I know many people who are true stewards of both their animals and their land.  Their relationship with both the animals and the land is truly symbiotic. It is mutually beneficial to both the animals and the environment.  Killing animals for food is ethnical if the animals have what the Farm Animal Welfare Council in England calls a life worth living.

Frei übersetzt: in der “Rinder-Industrie” kenne ich viele Menschen, die sich wirklich um ihre Tiere und ihr Land kümmern, sie führen nahezu eine symbiotische Beziehung mit Land und Tieren, was beiden nützt. Wie Ihr seht, habe ich im Zitat diesen Satz markiert, den ich derart toll finde, dass ich ihn am liebsten ausrucken und einrahmen würde. Genau dieser Punkt wird – zumindest meiner Wahrnehmung nach – in jenen Debatten, die auf ein möglichst großes Publikum aus sind, meist vergessen und so verkürzt, dass bei nicht Wenigen der Eindruck entsteht, dass Tierquälerei und Umweltverschmutzung irgendwie zum Geschäft gehören.

I have been attended grazing conferences and I have learned that when grazing is done right it can improve the rangeland and sequester carbon. Ruminant animals that eat grass are not the environmental wreckers that some people say they are. Rotational grazing can stimulate more plant growth and growing plants help remove carbon from the atmosphere. Ruminant animals, such as cattle, bison, goats, and sheep, are the only way to grow food on rangelands that are not suitable for crops.  Ronald C. Follett with the USDA-ARS-NPA in Fort Collins, Colorado, states that grazing lands have the potential to sequester carbon.  According to researchers at National University in Panama, converting South American pastureland to soybean production will reduce carbon storage. Organic agriculture would be impossible and extremely difficult without animal manure for fertilizer.  Another issue that must be looked at in perspective is methane emissions.  It is likely that 80% of all total methane emissions come from coal burning power plants, rice paddies, and landfills.

Ein interessanter Punkt: Tiere in Gegenden leben und weiden lassen, die sich ohnehin nicht für Landwirtschaft eignen. Den letzten Satz dieses Zitates habe ich hauptsächlich deshalb marktiert, da sich vor einigen Tagen auf Facebook eine Freundin beschwerte, dass ein Landwirt in ihrer Nähe dünge und man daher kaum rauskönne. Nun ja, das ist nun mal so. Damit muss man leben.

Wer mit Temple Grandin spontan nichs oder wenig anfangen kann, darf sich gerne meinen Artikel über sie durchlesen. Ein kleiner Ausschnitt:

Temple Grandin ist keineswegs eine normale Wissenschaftlern, wobei die Bezeichnung “normal” immer eine gewisse Grat-Wanderung darstellt. Sie ist Autistin. Bis zum Alter von drei Jahren konnte sie nicht sprechen. Für sie war das Erlernen der Muttersprache wohl vergleichbar mit dem Erlernen einer Fremdsprache für uns. Davon merkt man in Vorträgen allerdings nichts. Neben der älltäglichen Kommunikation und dem Halten vieler Vorträge sind auch Wortwitze kein Problem. Das liest sich zuerst sicher etwas merkwürdig, allerdings darf man nicht vergessen, dass zwischen-menschliche Beziehungen für sie eine große Herausforderung sind. Im Gegensatz zu Nicht-Autisten kann sie mit Gefühlen wie Liebe nichts anfangen. In einer der Szenen der Reportage sagt sie das auch sehr direkt. Schaut sie sich zum Beispiel einen Film an, dann meistens so etwas wie Wallace and Gromit. Liebesfilme oder eben solche, in denen es um menschliche Beziehungen geht, langweilen sie. Es ihren engagierten Eltern zu verdanken, dass sie uns jetzt mit ihren Ideen und spannenden Blickwinkeln beglücken kann. Die haben sie nämlich unentwegt gefördert, sie auf Privat-Schulen geschickt und so die Grundsteine für die Zukunft gelegt. Dabei war es gar nicht mal Grandins großes Ziel, so durchzustarten. Allerdings haben Besuche auf dem Hof ihrer Tante großen Eindruck hinterlassen. Dort konnte sie sich mit den Tieren beschäftigen, sie beobachten und erste Schlüsse ziehen. Später folgte dann ein Studium der Tierwissenschaften. Die Kombination aus ihren Fähigkeiten als Autistin und dem nun vorhandenen wissenschaftlichen Hintergrund hat den Weg geebnet für eine andere Begabung – das Verstehen von Tieren auf eine Art und Weise, wie es sie vorher noch nicht gegeben hat.  

Auch ihrer Arbeit habe ich schon einen Artikel gewidmet:

Kommen wir nun mal zu den kleinen Details, denen vor Temple Grandin niemand ernsthaft Beachtung geschenkt hat. Im oben eingebundenen Vortrag nennt sie als erstes starke Kontraste, die zum einen durch helle Markierungen auf dunklem Untergrund erzeugt werden können, aber auch durch Sonnenlicht, das vereinzelte Stellen deutlich heller beleuchtet als andere. Das, was dort oben auf den Bildern gezeigt wird, sind sogenannte “Chutes”, also Bahnen, die es ermöglichen, Tiere geordnet zu führen. Aber mit eben jener einfachen Führung kann es schnell vorbei sein – gerade bei Rindern, die dann einfach stoppen und ein großes Chaos verursachen. Neben starken Kontrasten können auch simple Dinge wie ein Hut oder Ketten dafür sorgen, dass nichts mehr geht. Wichtig ist hier also, dass die Bahn dicht ist und kein Sonnenlicht durch Spalten fallen kann. Das Blickfeld der Tiere darf keine störenden Elemente enthalten. Sollten es die Tiere problemlos durch die Bahn geschafft haben, aber dann am Ende blocken – also einfach nicht mehr weitergehen – könnte das an einem zu dunklen Eingang liegen. Sehen die Tiere einfach schwarz, ist es vorbei. Nun ist es etwas schwierig, jedes Mal den guten Petrus zu bitten, er möge doch mal für einen wolken-verhangenen Himmel sorgen, damit die Tiere gleichmäßige Lichtverhältnisse vorfinden. Hier kann Milchglas Abhilfe schaffen und für eine konstante Helligkeit sorgen. Neben unsteten Lichtverhältnissen können auch Geräusche wie klappernde Ketten oder laufende Ventilatoren die Tiere irritieren. Das ist sehr interessant, denn auch Temple Grandin selbst kann diese Geräusche nicht ertragen. Ebenso sollten sich Personen nicht zu nah an die Bahnen stellen, auch das könnte eine Störung verursachen.


Wer sich auch selbst mal ein wenig einlesen möchte, findet massenhaft Material – auf öffentlich zugängliche Studien – auf der Seite grandin.com. Und hier geht es zum ganzen Essay “Eating meat is ethical“.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

33 Kommentare

  1. Verstehen

    Die Kombination aus ihren Fähigkeiten als Autistin und dem nun vorhandenen wissenschaftlichen Hintergrund hat den Weg geebnet für eine andere Begabung – das Verstehen von Tieren auf eine Art und Weise, wie es sie vorher noch nicht gegeben hat.

    Warum soll jemand, der Menschen nicht versteht, Tiere verstehen?

    Auch das mit dem Ethischen des Tierverzehrs, der u.a. auch dadurch begründet worden ist, dass andere den Kohlenstoffkreislauf mehr beeinflussen, kam hier i.p. Verstehen nicht an.

    MFG
    Dr. Webbaer (der in der Kommentierung sehr lieb war – und ohne Zynismus/Ursismus auskam)

  2. Ich habe mich hier ja auch schon mit ethischen Argumenten beschäftigt und festgestellt, dass diese gut und schön sind, aber selbst der besten so aufgebauten Argumentation fehlt oftmals der Nachdruck für jene, die sich damit noch nicht anfreunden können. Die Ökonomie (bessere Leistungen der Tiere, höhere Gesundheit oder eben auch die Möglichkeit der Nutzung von Landschaften, die nicht zum Anbau taugen) stellt jenen Nachdruck oftmals dar.

    Warum ein Mensch, der andere Menschen nur bedingt versteht, andere Tiere verstehen soll, ist natürlich eine berechtigte Frage. Eine klare Antwort kann ich nicht geben, aber die Tatsache, dass ihre Schlachthöfe als Revolution gelten, zeigt sehr schön, dass außer ihr noch keiner so gedacht hat und den Fokus auf derartige Details gelenkt hat. Und es funktioniert ja offensichtlich.

    PS: Solange Du Dich benimmst, passiert Dir hier überhaupt nix;-)

  3. Ethik

    Ich habe mich hier ja auch schon mit ethischen Argumenten beschäftigt und festgestellt, dass diese gut und schön sind, aber selbst der besten so aufgebauten Argumentation fehlt oftmals der Nachdruck für jene, die sich damit noch nicht anfreunden können.

    … funktioniert ohnehin nur unter Hinweis auf ein Bezugssystem. Festzustellen, dass es welche gibt, die sich nicht mit einer diesbezüglichen ‘Argumentation anfreunden können’, genügt hier nicht.

    Sie dürfen auch gerne auf einen ideologischen Vorbau webverweisen, sofern dieser von Ihnen bereits hier im Blog vorgestellt worden ist, auch wegen des “Nachdrucks”.

    Ansonsten, so ganz alleinstehend, vermag dieser Schreiber hier nur sehr mühselig einzuordnen. Was sind Sie, Biologe?

    MFG
    Dr. Webbaer

  4. Ich studiere Tiermedizin und deshalb gehe ich das Thema Tierhaltung auch etwas pragmatischer an. Ich finde die Bio-Ethik durchaus spannend, verlaufe mich aber schnell im philosophischen Wald, denke aber schon, dass ein ethisches Modell als Fundament für Debatten herhalten kann.

    Ich hatte mich Anfang des Jahres, angeregt durch eine Broschüre des Institut TTN, mit der Frage beschäftigt, ob es eine Haustierethik braucht:

    https://scilogs.spektrum.de/…/darth-vader-ist-ein-mops

  5. Ethik

    Es braucht sicherlich eine Haustierethik, die Bio-Ethik ist ein heißes Eisen, der Schreiber dieser Zeilen hält auch nur Haustiere zu Nichtverzehrszwecken, Katzen hauptsächlich. Die sind recht charmant und haben Charakter. Das Verformen von Haustieren aus einer Dominanzposition heraus ist nicht so toll, Hundehalter neigen angeblich dazu, Möpsehalter sollen aber unverdächtig sein.

    LG
    Dr. Webbaer

  6. Tiergestützte Therapie

    “Warum ein Mensch, der andere Menschen nur bedingt versteht, andere Tiere verstehen soll, ist natürlich eine berechtigte Frage. Eine klare Antwort kann ich nicht geben…”.

    Behinderte Menschen haben zu Tieren oft einen besonderen Draht und umgekehrt. Für behinderte Kinder gibt es beispielsweise eine sog. Delfintherapie, weil diese Kinder im Umgang mit den freundlichen Tieren oft regelrecht aufblühen.

    Früher hatte ich mal eine Reitbeteiligung und konnte da öfter beim heilpädagogischen Reiten zuschauen, das in unserer Reithalle stattfand, und durch das Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und psychosozialen Problemen gefördert werden. Auch hier üben die Tiere einen positiven Einfluss aus, weil sich die Kinder von den Tieren akzeptiert fühlen.

    Ach, da fällt mir ein, wolltest Du nicht mal was über Pferde schreiben?

  7. Hallo Mona,

    die “Tier-Therapien” fielen mir dabei auch ein, wobei ich der Delphin-Therapie eher skeptisch gegenüberstehe. Die ist sauteuer und ich glaube nicht, dass Delphine irgendwie eine bessere Wirkung erzielen als Pferde oder auch Hunde. Temple Grandin unterscheidet sich natürlich von den typischen Therapie-Teilnehmern, da sie von den Tieren nicht “erweckt” werden musste, sondern die Tiere selbst analyserte. Grundsätzlich halte ich das aber schon für eine gute Sache.

    Grmpf. Ja, ich wollte ein Buch über Pferde rezensieren, hab es aber nicht mitgenommen, als ich zuhause war…Dauert also noch^^

  8. Temple Grandin:

    Killing animals for food is ethical if the animals have…

    Entscheidend scheint mir hier das “if” zu sein.

    Die Behandlung der Tiere von der Geburt bis zur Schlachtbank ist in großen Teilen mit Sicherheit noch suboptimal. Besonders, wenn’s dem Ende zugeht (oder werden wir von den diversen Dokumentarfilmern bloß veräppelt?).

    Wenn durchgehend so verfahren würde, wie ich mir das als naiver Konsument so vorstelle, dann könnte ich mir wohl nur 12mal im Jahr Fleisch leisten. Und andere tierische Produkte wie Eier, Milch und Leder würden vermutlich auch knapp…

  9. Hallo Balanus,

    natürlich ist der Kette der Fleischproduktion nicht immer alles optimal. Fehler passieren, das ist aber in allen anderen Bereichen auch so. Nur wäre ich an Deiner Stelle mit der Bezeichnung “in großen Teilen” vorsichtig. Nur weil Du mit Landwirtschaft und Tierhaltung nichts zu tun hast und einmal pro Jahr eine empörende Doku über 30 min siehst, ist das noch kein repräsentativer Schnitt. Grandin erwähnt ja auch in ihrem Essay, dass es durchaus noch Verbesserungs- und Änderungsbedarf gibt, trotzdem sollten wir darüber hinaus nicht die Verantwortungsvollen (auch im Umgang mit Tieren) vergessen.

    Das leidige Preis-Thema taucht ja öfter auf. Jetzt rangieren wir Deutschen bei den Lebensmittel-Ausgaben bekanntermaßen eher so im unteren Bereich. Wäre mal spannend zu erleben, was ein Anstieg bewirken würde. Immerhin ist Geld für Gadgets ausreichend vorhanden^^

  10. Preis-Thema @Sören Schewe

    “Jetzt rangieren wir Deutschen bei den Lebensmittel-Ausgaben bekanntermaßen eher so im unteren Bereich. Wäre mal spannend zu erleben, was ein Anstieg bewirken würde.”

    Der Anstieg ist schon lange da. Inzwischen rangiert Deutschland im oberen Mittelfeld.
    Siehe hier (dritte Graphik von oben): http://www.situations-bericht.de/…&kapitel=3

  11. Mona, vielen Dank für die Übersicht. Allerdings verwechselst Du da etwas oder hast nicht ganz verstanden, was ich meinte. Es geht mir nicht um die Lebensmittel allgemein, sondern um die dort als 4. Grafik dargestellte Problematik. Zitat:

    “Der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel an den gesamten Konsumausgaben nimmt seit Jahren ab. Im Jahr 2010 gaben die privaten Haushalte in Deutschland nur noch 11,0 Prozent ihrer Konsumausgaben für Nahrungsmittel und 3,2 Prozent für Genussmittel wie alkoholische Getränke und Tabakwaren aus. Der Grund für den langfristigen Rückgang des Anteils der Nahrungsmittelausgaben liegt in den Einkommenssteigerungen und in dem unterdurchschnittlichen Anstieg der Nahrungsmittelpreise. Der höhere Lebensstandard kommt besonders in zunehmenden Ausgaben für Wohnen, Freizeitaktivitäten und Gesundheitspflege zum Ausdruck.”

    Bingo.

  12. @Sören Schewe

    Ich habe es schon richtig verstanden. Du schriebst wörtlich: “Jetzt rangieren wir Deutschen bei den Lebensmittel-Ausgaben bekanntermaßen eher so im unteren Bereich.” Von den gesamten Konsumausgaben war nicht die Rede. Ich habe aber trotzdem die ganze Seite verlinkt und nicht nur die einzelne Grafik, da ich schon dachte, dass dich das auch interessiert. 🙂

  13. @Mona: Got me!

    Ok, erwischt. Das war ziemlich unpräzise und ja, ökonomische Bereiche interessieren mich auch zunehmend mehr. Danke Dir 😉

  14. “Ethisch” gegenüber wem?

    Ich frage mich bei solchen Diskussionen des Öfteren, gegenüber wem man eigentlich ethisch sein möchte, wenn man schon darüber spricht. Ich persönlich finde es _der Menschheit_ gegenüber absolut unethisch, Tiere bzw. tierische Produkte zu verzehren, weil die Herstellung einen unfassbar schlechten Wirkungsgrad hat. Man benötigt eben für die Herstellung eines Kilogramms Fleisch irgendwas (je nach Quelle, und auch je nach Fleischsorte) zwischen 20 und 200 kg Getreide oder Soja oder andere Futtermittel, die auch wunderbar als menschliche Grundnahrungsmittel geeignet sind. Und wir befinden uns in Zeiten von großem Hunger in Teilen der Welt, die sich “weit weg” befinden und sich uns einfach nicht im Alltag zeigen. Und nebenbei: Für die Anbauflächen von ebendiesen Futtermitteln werden fröhlich südamerikanische Regenwälder abgeholzt. Und zwar hauptsächlich für Futtermittel.
    Das finde ich überhaupt nicht ethisch, egal, ob die Kühe hierzulande leiden oder nicht, und Bio hin oder her.

  15. “Taste the Waste” @Thomas

    Das grundsätzliche Problem ist nicht der Fleischverzehr, obwohl er natürlich viel mehr Ressourcen verschlingt, als eine vegetarische Ernährung, da haben Sie schon recht. Trotzdem könnte die Welt mit dem was wir momentan produzieren satt werden. Aufgrund unseres Konsumverhaltens, wo alles jederzeit verfügbar sein soll, z.B. auch abends noch eine gutsortierte Brottheke, wird die Hälfte aller produzierten Lebensmittel webgeschmissen. Dazu gibt es einen Dokumentarfilm, er heißt “Taste the Waste”. Ich verlinke dazu mal die Beschreibung der Süddeutschen Zeitung (zwei Seiten):
    http://www.sueddeutsche.de/…ungsberges-1.1140926

    Hier noch der Trailer auf youtube: http://www.zdf.de/…-in-den-Muell-Taste-the-Waste

  16. @ Sören

    »Nur weil Du mit Landwirtschaft und Tierhaltung nichts zu tun hast und einmal pro Jahr eine empörende Doku über 30 min siehst, ist das noch kein repräsentativer Schnitt.«

    Klar, und ich erkenne auch an, dass es Bemühungen gibt, hier einiges zu verbessern.

    Aber warum geht ein großer Fleischproduzent nicht mal her und lässt ein unabhängiges Filmteam seine ethisch einwandfreie Art der Fleischproduktion dokumentieren? Gäbe es eine bessere Werbung für den ethisch unbedenklichen Fleischverzehr?

  17. @Thomas: Zusammenhänge

    Hallo Thomas, Du greifst da ja so einiges auf. Über die Verwertung beim Fleischwachstum lässt sich tatsächlich trefflich streiten, Temple Grandin geht aber erstmal von dem Standpunkt aus, dass Fleisch gegessen wird.

    Ich finde diesen direkten Zusammenhang zwischen hungernden Menschen in armen Ländern und unserem Konsum immer etwas schwierig. Oftmals fehlt es in jenen Ländern an Infrastruktur, es toben Bürgerkriege, schlicht: es fehlt Sicherheit für eine professionelle Landwirtschaft wie wir sie hier genießen.

    Mona hat schon sehr gut auf Taste the Waste hingewiesen, denn die Ansicht, dass von Ladenöffnung bis -schluss immer alles ganz frisch sein muss, treibt mitunter kuriose Blüten bzgl. der Verschwendung. Hier muss man auf jeden Fall ansetzen und zumindest schon mal das Problem lösen 🙂

  18. @Balanus: Unabhängigkeit

    Hallo Balanus,

    dann hätte ich gleich mal eine Frage an Dich: Was ist ein unabhängiges Filmteam?

    Übrigens hat ein großer Geflügel-Produzent letztes Jahr einen Blogger eingeladen (Wink mit dem Zaunpfahl). Eben jener Blogger wird sich dieses Jahr das komplette System anschauen…

  19. Thomas’ Zahlen sind falsch

    Die Zahlen von Thomas (“Man benötigt eben für die Herstellung eines Kilogramms Fleisch irgendwas … zwischen 20 und 200 kg Getreide oder Soja oder andere Futtermittel”) sind falsch. Geflügel hat zum Beispiel eine Futtereffizienz von 1:1,6 kg und beim Schwein liegt diese unter 2,8 kg.

  20. @Mona, @Sören, @Reuben

    Ui, da gab es ja einige Antworten! Sehr schön!

    Zunächst @Mona:
    Der Film ist mir bekannt und ich bin mir des Problems vollstens bewusst! Sehr guter Film, dringend zu empfehlen.

    @Sören:
    “Du greifst da ja so einiges auf.” – War mir bewusst, es war nur einfach zu spät, um alles ausführlicher aufzuschreiben. Meine Intention war, einige Ansätze (mal wieder) zu betonen, die in dem Blog nicht genannt wurden (was ja nicht unbedingt schlimm ist, nicht jeder Artikel muss vollständig sein!)
    Zum Thema Infrastrukturprobleme in Ländern, in denen Unterernährung ein nennenswertes Problem ist: Gut transportierbare Nahrungsmittel wie Mais, Reis, Soja, … könnte man trotz dieser Probleme an arme Regionen liefern. Der Punkt ist, dass diese Regionen gar nicht selbst diese Nahrungsmittel produzieren müssten. Die Anbauflächen existieren ja bereits – anderswo auf der Welt. Den Transport zu organisieren ist meiner Meinung nach nur eine Frage des guten Willens.

    Und jetzt der für mich spannendste Teil:
    @Reuben:
    Hast du einen Link zu einer unabhängigen Studie, die solche Zahlen propagiert? Mit Verlaub – Die Zahlen kommen mir reichlich utopisch vor. 1.6:1? Quasi restlose Verwertung? Wie gesagt, wenn du einen Link hättest, ich wäre sehr interessiert!
    Was ich mir _eventuell_ vorstellen könnte wäre, dass 1.6 kg Futtermittel gemeint sind, die aber komprimiert die Inhaltstoffe einer größeren Menge von Ausgangsfuttermitteln beinhalten.

  21. @Thomas: Futterverwertung

    Hallo Thomas,

    der Transport von Nahrungsmitteln in Regionen, die sich aufgrund politischer Unruhen und finanzieller Engpässe nicht selbst versorgen können, ist dann aber erstmal völlig unabhängig von unserem Fleischkonsum, nicht wahr?^^

    Reuben Cs Einwand ist völlig korrekt, hatte das heute Mittag im Eifer der Antworten wohl auch übersehen, hier habe ich mal einen Link auf landwirt.com:

    http://www.landwirt.com/…bei-Mastschweinen-.html

    Öffentlich zugängliche Studien sind mir gerad nicht bekannt.

  22. @Sören

    @Sören
    “der Transport von Nahrungsmitteln in Regionen, die sich aufgrund politischer Unruhen und finanzieller Engpässe nicht selbst versorgen können, ist dann aber erstmal völlig unabhängig von unserem Fleischkonsum, nicht wahr?^^” – Nein. Wenn man annimmt, dass der Großteil des angebauten Sojas (die Zahlen, die ich dazu kenne, sind 80 bis 95%) für unsere Fleischproduktion verwendet wird, ist eben nicht mehr viel übrig, was man transportieren könnte. Das wäre sozusagen mein Argumentationsziel

    bzgl. deines Links:
    Wie gesagt, interessante Zahl, aber beim groben Überfliegen der Seite konnte ich nicht erkennen, ob es sich um “komprimiertes” Kraftfutter handelt oder “reine” Ausgangsmaterialien – Um diese ginge es ja, wenn man über Anbauflächen redet. Ansonsten nehme ich mal an, dass mit dem “Durchschnittswert”, von dem die Rede ist, der Durchschnitt zwischen Geburt und Schlachtung gemeint ist?
    Im Übrigen soll das alles kein Vorwurf sein, weder an dich noch an Reuben. Es ist nur das erste mal, dass ich von Zahlen dieser Größenordnung höre. Daher bin ich so skeptisch^^ Im Gegenteil, ihr scheint beide mehr in der Materie zu stecken als ich, daher: Klärt mich auf, wenn ihr Zeit und Lust dazu habt!

  23. Hallo Thomas,

    keine Angst, ich sehe Deine Kommentare keineswegs als Vorwurf, etwas Widerspruch kann mir manchmal nicht schaden und hilft mir zu erkennen, was ich vielleicht nochmal in späteren Blogartikeln aufgreifen kann oder genauer erklären muss. Von daher ist alles gut.

    Zu Deinem Kommentar: ich habe heute noch kurz einen Artikel angelesen, in dem erklärt wurde, dass wir unter gegenwärtigen Bedingungen schon Lebensmittel für 10 Milliarden Menschen produzieren, trotz Tierhaltung liegen wir also noch nicht am Limit. Deshalb sehe ich da eher eine logistische Problematik und weniger jene, dass da pflanzliche Nahrung in Tieren “verschwindet”. Wobei mir da auch immer noch das unrühmliche Beispiel von der Hähnchenteile im Hinterkopf rumschwebt, die irgendwann mal aus westlichen Ländern (hier wurde nur die fettfreie Brust verwendet) gefroren in afrikanische Länder gebracht wurden und die dort ansässigen Tierhalter und -züchter ruinierten. So ging eine eigentlich gar nicht dumme Idee nach hinten los. Vielleicht sollte man sich hier auch für sichere Rahmenbedingungen einsetzen, die den Menschen ein Auskommen ermöglichen, anstatt ihnen den Bums vor die Tür zu stellen.

    Zum Futter:
    Grundsätzlich gibt es hier zwei Faktoren, die da reinspielen: einerseits das Futter selbst (eine gute Verdaulichkeit muss gegeben sein, damit der Körper an die Nährstoffe herankommt und diese nutzen kann), andererseits sind die Tiere mit der Zeit auch auf das Ziel einer möglichst guten Zunahme hin gezüchtet worden und somit auch genetisch in der Lage, schnell und viel an Muskelmasse aufzubauen.
    Die Zahlen beziehen sich dabei – so weit ich weiß – auf das Futter, welches die Tiere bekommen, aufgeschlüsselt ist das nicht.

  24. @Thomas: Was einem so einfällt…

    …wenn man nicht schlafen kann^^

    Ich schon mal in einem älteren Artikel ein bisschen auf die Fütterung von Mastgeflügel eingegangen. Zitat:

    “Da wären zum Beispiel verschiedene Enzymgruppen (Amylasen, Cellulasen, Proteinasen oder auch Phytasen). Ihre Aufgabe besteht darin, sich um sogenannte Nicht-Stärke-Polysaccharide (also Pentosen, Cellulosen oder Pektine, welche sich in Gerste, Roggen oder Weizen befinden) zu kümmern. Diese können die Hühner nämlich nicht problemlos verdauen, weshalb das Futter im Huhn dann aufquillt und aus diesem Grund länger als nötig im Verdaaungstrakt verweilt, dabei aber nicht unbedingt optimal resorbiert wird. Darüberhinaus ist diese aufgequollene Getreidepappe im Tier natürlich nicht sonderlich angenehm und fördert auch nicht unbedingt die Futteraufnahme. Hier kommen jetzt die Enzyme ins Spiel, die die NSPs mal ordentlich auseinandernehmen und dadurch eine deutlich verbesserte Verdaulichkeit von Fett, Stärke und Protein gewährleisten. Und wenn die Pappe einmal durch ist, kann man auch wieder besser zulangen. Ein anderes Enzym wäre noch die Phytase, die sich nicht im Geflügel findet. Setzt man sie dem Futter zu, können die Tiere das im Futter enthaltene Phosphor nutzen und daher die Ausscheidungen verringern.”

    Aus diesem Artikel:
    https://scilogs.spektrum.de/…mawandel-eine-betrachtung

  25. @Sören:

    »…dann hätte ich gleich mal eine Frage an Dich: Was ist ein unabhängiges Filmteam? «

    Eines, das nicht vom Fleischproduzenten oder der Gegenseite finanziert wird. Es sollten aber Leute sein, die gerne Fleisch verzehren.

    @Thomas:

    »Man benötigt eben für die Herstellung eines Kilogramms Fleisch irgendwas (…) zwischen 20 und 200 kg Getreide oder Soja oder andere Futtermittel…«

    Das wäre wahrscheinlich der Fall, wenn man den Tieren (dem Mastvieh) etwas mehr Lebenszeit gönnen würde. Tatsächlich geht’s aber nach der Wachstumsphase sofort zur Schlachtbank.

    (Und bei den von @Reuben genannten Zahlen ist auch nicht die jeweilige Tragzeit der Muttertiere eingerechnet.)

  26. Unabhängigkeit ist sinnlos

    Hallo Balanus,

    Unabhängigkeit klingt immer sehr schon, ist aber tatsächlich ein Garant für gar nix und schon gar nicht Qualität (Beispiele: Regividerm, Das System Wiesenhof, aktuell Die Milchlüge, alles GEZ-finanziert).

    Viel wichtiger ist Wissen, denn nur damit kann man Informationen, welche man recherchiert hat, auch bewerten und einschätzen und muss nicht gleich panisch werden, wenn man Informationen von einem bösen Konzern erhält.

  27. Unabhängigkeit ist Vorausaussetzung

    Sören,

    es muss eben beides zusammenkommen, Unabhängigkeit und Kompetenz. Auch die Abhängigkeit von Sendeanstalten ist von Übel.

  28. Geraten wir dann aber nicht schon ein gutes Stück weit in den utopischen Bereich? Irgendwoher wird immer Geld fließen, sei es nun, um den Recherchierenden zu bezahlen oder auch nur anfallende Kosten während der Recherche zu begleichen.

    Selbst wenn ein finanziell abgesicherter Millionär sich plötzlich auf die Fahnen schreibt, eine Reportage völlig unabhängig von Geldquellen zu drehen, wird ihm irgendjemand einen Strick aus seiner Vergangenheit drehen, wenn das Ergebnis nicht passt.

    Ich denke, ein bisschen mehr Gelassenheit in der Debatte und eine Entferung vom Gut/Böse-Denken ist da etwas realistischer zu erreichen. Ob es auch passiert, ist wieder was anderes.

    Wünschenswert wäre es.

  29. @Sören

    »Irgendwoher wird immer Geld fließen…«

    Warum nicht vom Steuerzahler? Oder von einer Stiftung?

    Oder so: Der Landwirtschaftsminister beruft eine Tierethik-Kommission, diese bestellt diverse Wissenschaftler aus allen relevanten Bereichen, welche ein Filmteam engagieren, und am Ende haben wir einen hinreichend objektiven Zustandsbericht, über den man diskutieren kann.

  30. @Balanus: Wäre spannend!

    Das klingt tatsächlich ziemlich reizvoll, allein mir fehlt der Glaube. Bezüglich Steuerzahler und Landwirtschaftsministerium gabs ja vor kurzem den Reinfall mit der NRW-Geflügel-Studie zur Antibiotika-Nutzung. Gab einen Riesenaufschrei, war leider nur methodisch zweifelhaft…

    Sollte so eine Idee aber wirklich mal entstehen und durchgeführt werden, wäre ich natürlich gern dabei^^

  31. @Sören Schewe

    Servus, ich find das ist mal ein gelungener Artikel über ethisch vertretbaren Fleischkonsum. Auch interessant ist es was so abgeht in Sachen Tierschutz in Amerika, man hört ja sonst nichts Positives darüber.

    Ich hab erst vor kurzem eine interessante Sendung über die Milchkuhhaltung in Bayern im Radio gehört, vielleicht interessiert er dich ja und ich verlink ihn einfach mal.
    Das war die Sendung am 10.05.2012: http://www.br-online.de/…otizbuch-nah-dran.shtml

  32. @Chris: Danke für den Link!

    Hallo Chris,

    ja, die USA wird für mich auch zunehmend interessant. Habe da vor kurzem etwas bzgl. der Futtermittel-Antibiotika mitbekommen, sollen wohl tatsächlich abgeschafft werden. Das wäre schon mal ein ordentlicher Schritt.

    Für Milchvieh-Haltung bin ich natürlich immer zu haben. Danke für den Link!

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