Offene Frage: Wieso Chanukka?

BLOG: un/zugehörig

Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
un/zugehörig

Ab morgen gedenken die Juden acht Tage lang der Wiedereinweihung des zweiten Tempels als Inbegriff des Sieges über den seleukidischen Fremdling.

Dieses Fest gefällt (fast?) allen: gläubigen und ungläubigen, observanten und unobservanten Mitgliedern der sog. jüdischen »Religion«.

Und nun, liebe Leser, die offene Frage: Wo befiehlt Gott das Volk Israel, dieses Fest zu begehen?

Um eine genaue Literaturangabe wird gebeten.

Mehr über Chanukka findet man hier.

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

12 Kommentare

  1. Von Gott befohlen ?

    I Makkabäer,4,52-59

    Da steht aber, dass die “Gemeinde Israels” den Beschluss fasste.

    Ich bitte dich, nicht derart einfache Fragen zu stellen 🙂

    Einheitsübersetzung, Gesamtausgabe, 2001, Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH

  2. @ Peter

    Ja, sehr gut, hierzu jedoch eine Bemerkung: Die Makkabäerbücher sind zwar jüdische Schriften, aber kanonisiert sind sie m. W. nur bei den Katholiken (vielleicht auch in den Ostkirchen?). Sie sind nicht Teil der jüdischen Bibel und haben somit keine verbindliche bzw. religiöse Bedeutung. Desgleichen übrigens bei den Evangelischen, denn Luther orientierte sich (bis auf das NT) am jüdischen Kanon.

    Und wie du selber schreibst, ist da sowieso nicht von Gott die Rede – und das (also zumindest die Berufung auf Gott) wäre für eine Religion doch unverzichtbar.

    Also bleiben wir wohl bei der Frage: Wo gebietet Gott Israel, dieses Fest zu begehen?

  3. keine Ahnung

    – dann besser Klappe halten.
    Vielleicht ist es ja heidnisch und stammt aus der vor-monotheistischen Zeit des jüdischen Volkes. So ähnlich wie der Osterhase in Deutschland.

  4. Gottesbefehl nicht nachweisbar

    Ich behaupte: Aus einem Bibeltext lässt sich kein Gottesbefehl ableiten, wobei ich mich auf den katholischen Kanon beziehe. Talmudisch also ? Ich gebe mich geschlagen 🙂

  5. “Wo befiehlt Gott das Volk Israel, dieses Fest zu begehen?” Vermutlich nirgends, da es ein nach-biblisches Fest ist. Chag sameach!

  6. @ Andrew

    Dass es nachbiblisch entstanden ist, spricht an und für sich nicht unbedingt gegen einen Gottesbezug. Nachbiblische Schabbes-Bräuche werden z. B. auf Verse zurückgeführt, d.h. die frühen Rabbiner berufen sich auf Gottes Wort (ob zu Recht oder nicht, bleibt dahingestellt).

    »Nirgends« ist aber schon vollkommen richtig. Es ist ein Fest, dem erst nachträglich bzw. zurückblickend eine halbwegs religiöse Nebenbedeutung zugeschrieben wurde (das Ölwunder), dessen Sinn jedoch nichts mit einer religiösen Schrift oder einem Gottesbefehl zu tun hat, sondern einzig und allein in der Volksgeschichte verwurzelt ist.

    Es ist mithin ein (teilweise religiös interpretiertes) Nationalfest, vergleichbar vielleicht mit dem US-amerikanischen »Thanksgiving«, ein Fest also, das sich mit rein religiösen Mitteln nicht erklären lässt.

    Ich finde es deswegen so interessant, weil es in Deutschland sehr viele Menschen gibt, die das Judentum auf eine Religion reduzieren wollen. Und da haben wir doch ein Fest, das einem historischen Ereignis gewidmet ist, dessen schriftliche Überlieferung im Judentum nicht einmal zum Kanon gehört – und welches trotzdem, also auch mangels einer wirklich religiösen Basis – gefeiert wird (weil es eben der nationalen Erinnerungskultur entspringt).

    Selbst im Talmud wird es nur beiläufig und wortkarg erwähnt: Die frühen Rabbiner stehen vor einer Tatsache (das Fest wird ohne religiöse Basis gefeiert) und stellen sich verwundert die Frage, was Channuka eigentlich zu bedeuten hat (s. Traktat “Schabbat”, Seite 21).

  7. Ratlos

    Hallo Yoav
    Falls Leviticus 23 ein Tipp war: Ich kann da keinen Hinweis auf Chanukka finden. Ist auch nicht erstaunlich, vergegenwärtigt man sich der Chronologie.

    Allerdings gibt es noch einen Hinweis bei I Makkabäer,4,36 (“die Reinigung und Weihe des Tempels”, aber die Makkabäerbücher lässt du ja nicht gelten, und ein Gottesbefehl steht da auch nicht).

    Ich bleib dabei: Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, es gibt keinen Gottesbefehl, der sich aus einem Bibeltext (ich meinte immer “für das Chanukkafest”) ableiten lässt.

  8. Oh, ich sehe gerade, das du die Lösung bereits publiziert hast.
    Noch eine Frage dazu: Auf welche Überlieferungen stützt sich denn jetzt die Tradition des Chanukkafestes ? Wo wird der Ursprung vermutet ? In den von mir angesprochenen Hinweisen im ersten Makkabäerbuch, oder doch eher in Texten des Talmuds ?

  9. @ Peter

    Die erwähnte Talmudstelle – kurz & entlegen wie sie ist – reagiert nur auf eine bereits bestehende Tatsache und versucht ihr, also dem Fest, ein zumindest “religiös angehauchtes” Gewand anzuziehen (Ölwunder etc. – kein Gottes Wort, aber immerhin nicht nur des Schwertes Sieg).

    Sehr alt ist ein fast verschollener Text namens Megilat Taanit (Trauertagsschriftrolle), in der angegeben ist, wann man keinen religiösen Trauertag veranstalten darf, weil dem Volke an diesem Tag Fröhliches passiert ist. Es geht also sinngemäß nicht um religiöse Feste, deren Bedeutung sich bereits aus den heiligen Schriften ergibt. Darunter wird da auch eine achttägige Tempeleinweihungsfeier erwähnt – ab dem Tag, der auch im heutigen Kalender als der Anfang von Chanukka gilt. Dieses Schriftstück wird auf die Zeit des jüdischen Aufstandes 66-70 datiert.

    Noch älter sind natürlich die Makkabäerschriften, die seinerzeit noch populär waren, ins Griechische übersetzt wurden und so den Einzug in den kirchlichen Kanon fanden. Die einzeilige Angabe in Megilat Taanit setzt die Kenntnis des historischen Zusammenhangs, also schließlich des wichtigsten Inhalts der Makkabäerschriften, voraus. Es war wohl wirklich das Volk selbst (die “Gemeinde Israels”), das beschloss, die achttägige Einweihnungsfeier fortan jährlich zu wiederholen.

    Bei der allerersten Wiedereinweihungsfeier orientierte man sich an damals schon bestehenden Traditionen, dass ein eingeweihter Tempel acht Tage lang gefeiert wird, wie es in früheren (für uns glücklicherweise biblisch dokumentierten) Fällen gemacht worden war. An diesen festen Brauch knüpften einige Jahrhunderte später die Talmudrabbiner mit ihrer Legende vom Ölwunder an.

    In den langen Jahrhunderten des Exils geriet diese Nebenerzählung in den Mittelpunkt; auch wenn man stets auch des Sieges gedachte, fiel es den ausgegrenzten Juden leichter, sich mit einem Ölwunder zu identifizieren. Erst in der Moderne kehrte die historische Basis wieder stark in den Mittelpunkt zurück.

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