Grüne Wirtschaft fordert den Preis für Kohlenstoff – Über Probleme und Lösungen der Weltbürgerbewegung für Klimaschutz (1)
BLOG: Umweltforsch
Die Zivilgesellschaft formiert sich in diesen Tagen in New York beim Sondergipfel der UN. Was können Städte, Unternehmen und jeder Einzelne tun, um den Stillstand in der internationalen Klimapolitik zu überwinden?
Heute Nachfrage beim Carbon War Room in Berlin: Was wurde erreicht? Der Carbon War Room ist eine Initiative von Virigin-Gründer Richard Branson mit dem Ziel, durch gute Geschäftsideen „Tausende Tonnen Kohlendioxid einzusparen, Milliarden US-Dollar zu mobilisieren und wirkliche Durchbrüche beim Klimaschutz zu schaffen“. Vor zwei Jahren bei der Eröffnung in Berlin schien das ganz einfach und erreichbar. Man müsse nur zeigen, dass Geldanlagen im Klimaschutz weniger risikoreich und profitabler als gewöhnliche Geldanlagen sein, dann flössen die Milliarden, so das Credo der CWR Initiative. „Es ist nicht so gut gelaufen, wie wir erhofft haben“, berichtet der Vertreter der CWR Initiative und bestätigt damit einen Bericht des Guardian. Von den versprochenen 3 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung von grünen Geschäftsideen sind gerade mal knapp 300 Millionen am „Kriegschauplatz Treibhausgase“ angekommen. Die wohl schärfste Kritikerin der Idee des grünen Geschäftsmodells, Naomi Klein, spricht angesichts dieses Versagens von einem „green washing“ und fordert eine radikale Abkehr vom grünen Wachstumsmodell wie kürzlich auch die fast tausend Teilnehmer der Leipziger Degrowth-Konferenz.
So fundamental kritisch muss man nicht sein, um zu erkennen, dass grüne Geschäftsideen allein nicht reichen, um den Stillstand im internationalen Klimaschutz zu überwinden. „Wir brauchen einen Preis für CO2-Emissionen,“ erklärt die Sonderbeauftragte der Weltbank für den Klimaschutz Rachel Kyte auf dem Eröffnungstag der New Yorker Klimawoche. An ihrer Seite 157 Firmenchefs der Klimainitiative der internationalen Wirtschaft – darunter Ölgiganten wie Shell und BP sowie auch viele im Verkehrsgeschäft tätige Multis wie British Airways und Pirelli. Dabei hatten doch gerade viele erst kürzlich die Chance, einen CO2-Preis ganz ohne die große Politik zu schaffen. Die EU plante, im Alleingang ein Emissionshandelssystem für den Luftverkehr einrichten, so dass alle Flüge, die von und nach Europa gehen, einen „Umweltpreis“ für das verbrauchte Kerosin zahlen. Gescheitert ist dies am Widerstand der Luftverkehrsindustrie und am Widerstand der Regierung von China. Unvergessen auch, dass US-Präsident Obama unter dem Druck der Lobby damals (2011) ein „EU-Emissionshandelsverbot“ unterzeichnet hat. Das alles unter der Androhung von Klagen auf der Grundlage des internationalen Abkommens „für den freien Luftverkehr“ (ICAO). Politik im Rahmen der Vereinten Nationen bleibt also unverzichtbar. Selbst die grünsten Wirtschaftsvertreter brauchen berechenbare Rahmenbedingungen, das heißt einen „Preis für Kohlenstoff“.
Wenn CO2-Emissionen jeden etwas kosten würden, gäbe es weniger davon, genauso wie Hausbesitzer, die knapp kalkulieren müssen im Winter bei laufender Heizung nicht stundenlang die Fenster offen lassen.
Diese Idee ist mindestens 20 Jahre alt, wurde bis jetzt aber nur an wenigen Orten überzeugend umgesetzt. Als Grund für den Widerstand gegen eine CO2-Bepreisung wird häufig der Widerstand der Industrie und der Bevölkerung gegen höhere Energiepreise genannt. Man sprach beispielsweise in Grossbritannien sogar von Energiearmut, womit man Leute meinte, die sich nicht genügend Energie leisten können. Doch gemessen an den Gesamtausgaben einer durchschnitllichen Person sind die Energiepreise gering. Von Energiearmut sprach man vor allem im Zusammenhang mit der Immobilienkrise. Energie ist zwar absolut gesehen nicht teuer, aber für einen Immobilienbesitzer sind Heizkosten eine der wenigen variablen Ausgaben und damit eine der wenigen Ausgabeposten, wo Einsparungen möglich sind – mit dem Resultat, dass Leute, die sich Immobilien angeschafft haben, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten, die Heizung abstellten und lieber froren anstatt zu kapitulieren. Ohne oder mit zuwenig Energie leben bedeutet ein elendes Leben führen. Das macht höhere Energiepreise unattraktiv – nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Bevölkerung. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnten progressive Energiepreise sein: wer unterdurchschnittlich viel Energie verbraucht, zahlt weniger, wer überdurschnittlich viel verbraucht, zahlt sehr viel mehr. Mindestens bei der Bevölkerung, weniger bei der Industrie, würde ein solches Modell auf Gegenliebe stossen.
Eine weitere Möglichkeit wäre ein Emissionshandelssystem nach dem cap-(and-auction-)and-dividend-Prinzip: Man setze ein Cap, möglichst nicht ein rein symbolisches wie zzt. beim EU ETS, versteigere die Zertifikate (no more grandfathering) und verteile die Einnahmen als einheitlichen Pauschalbetrag an die Haushalte. Da ärmere Haushalte im Schnitt absolut weniger Geld für Energie ausgeben, hätte man auch einen progressiven Aspekt drin, ohne allzu großen bürokratischen Aufwand.
Und bei Gelegenheit noch ein Hinweis zum Thema Grünes Wachstum im Kontext des kürzlich erschienen Reports “Better Growth, Better Climate” der Calderón-Stern-Kommission: http://zielonygrzyb.wordpress.com/2014/09/16/the-not-so-new-climate-economy-report/
Im verlinkten Blogbeitrag The Not-So-New Climate Economy Report wird zurecht auf überhöhte Erwartungen durch Investitionen in eine “grüne Wirtschaft” hingewiesen. Die entscheidende Frage ist hier: Kann eine als grün empfundene Technologie so sklaiiert werden, dass sie einen globalen Einfluss hat und was sind die Kosten, die benötigten Materialien und Technologien um sie auf einen globalen Massstab zu skalieren. Leider werden solche Fragen kaum je gestellt. Sie können zum Teil auch schwierig beantwortet werden, denn nicht wenige Technologien funktionieren im globalen Masstab nur, wenn sich die dahinterstehenden Technologien ständig verbessern. Ein Beispiel ist die Speicherung von Energie beispielsweise mit Batterien. Mit heutigen Batterien kann man das Speicherproblem global gsehen kaum lösen, mit Batterien von morgen vielleicht teilweise schon. Fast überall wird auf eine stark verbesserte Technologie in naher Zukunft gesetzt. Ob sich diese Erwartungen aber erfüllen, lässt sich nicht voraussagen. Im ganzen Bereich der grünen Technologien sind wir eigentlich vom bewährten Prinzip weggekommen, die Technologie und Infrastruktur zu bauen, die wir kennen und verstehen und deren Auswirkungen wir abschätzen könne. Statt dessen werden heute lauter provisorische Lösungen installiert, die in einem Gesamtenergiesystem nur Sinn machen, wenn sich die bekannten Probleme dieser Technologien durch Neuentwicklungen bewältigt werden können. Ein hoher Anteil von Wind- und Solarenergie in einem europäischen Land beispielsweise setzt voraus, dass irgendwann in der Zukunft das Speicher- oder Transmissionsproblem gelöst ist. Sonst sind Solar- und Windenergie auf Backup angewiesen.
Wenn im Blogbeitrag aber über die Möglichkeit des Wachstumsverzichts diskutiert wird, muss man klar sehen, dass Wachstumsverzicht für die aufstrebend Länder, die sogenannten Entwicklungsländer – zu denen sich auch China zählt – keine Option ist. Die Entwicklungsländer erzeugen aber heute schon mehr als 50% der Treibhausgase- Tendenz stark steigen. Wer in einer Lösung diese Länder ausklammert, der hat also gar keine Lösung
“Im ganzen Bereich der grünen Technologien sind wir eigentlich vom bewährten Prinzip weggekommen, die Technologie und Infrastruktur zu bauen, die wir kennen und verstehen und deren Auswirkungen wir abschätzen könne.”
Das liegt daran, dass wir zu lange ignoriert haben, dass ein Wandel zwingend notwendig ist. Nun müssen wir das “auf die Schnelle” nachholen, und das geht nun leider nicht mit bewährten Technologien. Ein anderer Aspekt ist, dass derartige Wandel in der Vergangenheit selten geplant waren – sie ergaben sich vielmehr sozusagen evolutorisch, daher hat(te) man ex post den Eindruck, dass alles schön “nach Plan” und ohne größeres Chaos lief. Jetzt müssen wir einen Wandel vollziehen, und zwar mit ganz bestimmten Zielen und in großem Maßstab. Kurzum: das Prinzip, das Sie erwähnen, ist leider nicht mehr zeitgemäß. Wir kommen nicht umhin, nach einem trial-and-error-Prinzip uns voranzutasten. Oder wir machen weiter so wie bisher (für mich bisher leider die wahrscheinlichere Option) und das System kracht früher oder später zusammen.
Zu dem China-Punkt: schaut man sich weitere Beiträge auf dem verlinkten Blog, dürfte man merken, dass der Autor (der da ich selbst wäre) sich des Problems, das wirtschaftlich aufstrebende Länder darstellen, durchaus bewusst ist. Und er möchte betonen, dass er auch keine Lösung für das Problem hat. Er ist bloß überzeugt, dass grundsätzliches Wachstum nicht geht. Hier und da kommt man nicht umhin, aber ein System, das strukturell auf Wachstum ausgelegt ist, ist langfristig global einfach nicht tragbar.
Klar ist materielles Wachstum nur kurzfristig möglich. Aber ein System, das auf Wachstum angelegt ist, braucht nicht unbedingt mehr Güterumsatz. Wer hier im Westen auf eine höhere Gehaltsstufe kommt, kann beispielsweise mehr Dienstleistungen konsumieren. Er muss deshalb nicht noch weiter in die Ferien fliegen oder sich ein noch grösseres Haus zulegen. Zudem nimmt in den industrialisierten Ländern die Zahl der Menschen längerfristig ab, denn die Anzahl der Geburten liegt unter dem was für die Bestandserhaltung nötig wäre.
Ich sehe da im Gegensatz zu vielen anderen kein fundamentales Problem und behaupte, dass die meisten sich durch viele Vordenker (Malthus, Limits to Growth) in ihrem Denken und Urteil lenken lassen und dass sie die Schrumpfung der Bevölkerung in den industrialisierten Ländern zuwenig berücksichtigen.
Das eigentliche Problem in Bezug auf den Klimaschutz sehe ich im Nachholbedarf der Entwicklungsländer und dem dortigen Einsatz billiger , bei uns teilweise bereits ausgemusterter Technologie, was zu hohen CO2 und anderen Emissionen dort führt. Deshalb emittieren die Chinesen heute bereits mehr CO2 pro Kopf als die Europäer. Dabei sind sie noch nicht am Ende der Industrialisierung angekommen.
@ Herr Holzherr :
Der Webbaer-Faktentest wirkt hier soz. kontrafaktorisch:
-> http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_CO2-Emission#CO2-Emissionen_pro_Kopf
Wobei hier natürlich nur ein Fachwort herausgearbeitet werden sollte, das den Doktoranden Bartosz Bartkowski nicht grundsätzlich zu beschreiben scheint, aber einige Projektionen jener Kraft durchaus, vgl. :
Insgesamt wäre es womöglich schon gut sachnah zu argumentieren und die langanhaltende empirische Lage, also diejenigen Systeme betreffend, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementieren konnten, zu berücksichtigen.
Schwierig, die klimatologische Herausforderung ist ja eine große, der Schreiber dieser Zeilen bspw. hat keine Probleme mit der Annahme des Anthropozän, nichtsdestotrotz sollten oder könnten hier Interessenlagen, die das Wirtschaftliche meinen, international oder global betrachtet, alles überschreiben, was der Europäer so gewohnt ist.
Keine Ahnung, wie Herr Dr. Schwarze und sein Team die Sache en détail bearbeiten, der Schreiber dieser Zeilen ist sich aber sicher, dass hier wirtschaftlich, auch anthropologisch gedacht und gearbeitet wird und dass man auch schlau, abgefeimt, seine Pappenheimer kennend und womöglich gelegentlich auch zynisch unterwegs ist.
MFG
Dr. W
@ Martin Holzherr:
Ich glaube kaum, dass sich diese Entkopplung (durch Umstieg von Güterkonsum auf Dienstleistungskonsum etc.) langfristig bewerkstelligen lässt. Mehr dazu hier. In Kurzfassung: entweder müssen wir so viel konsumieren, um zu wachsen, dass wir früher oder später wieder Umweltprobleme verursachen (auch Dienstleistungen sind mit Umweltbelastung verbunden!). Oder wir machen alles tatsächlich “umweltfreundlich”, d.h. konsumieren weniger, länger lebige Produkte etc. – unter diesen Umständen ist aber Wachstum schwer zu erreichen.
Und wo kommt diese höhere Gehaltsstufe her? Sie muss, zumindest im Aggregat (und um das geht es uns ja), durch einen Mehrwert erwirtschaftet werden.
Was Malthus und Club of Rome anbetrifft: Sie irren sich. Es gibt zwar einige Neomalthusianer unter “uns” Wachstumskritikern, aber man kommt auch ohne derartige Argumente aus. Siehe z.B. der oben eingefügte Link.
@Bartosz Bartkowski: unser Wirtschaftssystem wird nicht immer dasselbe bleiben, beispielsweise weil die Arbeit ausgeht und wir in Zukunft gar nicht mehr arbeiten müssen um unsere materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Eine aktive de-growth Strategie braucht es gar nicht, weil sich das gegenwärtige Wirtschaftssystem selbst überflüssig macht. Lebenssinn aussehalb einer Lohnarbeit suchen, das wird in 50 Jahren das Normale sein. Allerdings wird der Übergang wohl für viele sehr hart werden, denn der heute unbefriedigende Zustand des ohne Arbeit sein, müssen vorübergehend viele ertragen bis sich ein neues Gesellschaftsmodell herausbildet.
Im Gegensatz zu viele anderen sehe ich keine Stagnation auf uns zukommen, weder im Sinne von Paul Krugmans “secular stagnation”, noch im Sinne von ” wir müssen auf ewig im Hamsterrad rennen”.
Allerdings gilt diese Betrachtung für die fortgeschrittenen Gesellschfaften, nicht für die sich Entwickelnden. Diese machen mehr oder weniger einen Nachvollzug dessen, was wir schon hinter uns haben.
Um jetzt wieder auf das Thema “grüne Wirtschaft” und den Klimawandel zurück zu kommen: man spricht doch schon seit 40 Jahren vom Klimawandel, aber in der Praxis hat das Thema nicht einmal die Relevanz der Landesverteidigung erreicht. Für die Mehrheit der Gesellschaft ist es kein drängendes Thema. Ändern wird sich das erst, wenn negative Auswirkungen offensichtlich werden. Ob dann plötzlich eine grosse Aktivität ausbricht und versäumtes nachgeholt wird ist schwierig zu sagen. Es könnte dann auch schlicht zu spät sein.
Chinas Pro-Kopf Co2-Emissionen sind nun gleich gross wie die der EU (noch nicht in der Wikipedia, die nur Daten bis 2010 hat) und Indiens Pro-Kopf Emissionen werden im Jahr 2019 diejenigen der EU erreichen.
Prognose: In den 2020er Jahren werden die Emissionen aller industrialisierten Länder zusammen unter 1/3 der Gesamtweltemissionen sinken und das Klimaproblem wird zum Problem von Ländern wie China und Indien. Heute stossen 15 Länder 80% aller CO2-Emmissionen aus, In den frühen 2020er Jahren werden China und Indien zusammen mehr als 40% aller CO2-Emmissionen verursachen.
@Dr. Webbaer, 23.09.2014 China emits more CO2 per person than the EU meldet EurActiv und schreibt bezüglich Europa: ” It released 11% less pollutants in the atmosphere than the prior year, thus modestly compensating for increases in other regions.”, wobei nicht unerwähnt bleibt, dass 2013 nur Europa die CO2-Emissionen gesenkt hat. Mit den weiteren Schlussfolgerung springt EurActiv unmittelbar in unsere Klimazukunft:
Nun ja, hoffen wir dass sich die Verhältnisse bis 2100 noch ändern.
@ Herr Holzherr :
Das Wirtschaftssystem folgt dem gesellschaftlichen System, das bekanntermaßen den Ideen und Werten der Aufklärung folgend zu implementieren wusste.
Wenn dieses System nicht mehr ‘dasselbe bleibt’, ist ein anderes System als ersetzend anzunehmen.
Wie immer dies auch ausfallen wird, der Schreiber dieser Zeilen vermutet eher, dass kein Ersatz stattfinden wird oder kann, wenn nicht grundsätzlich gesellschaftlich umgebaut werden soll, dann aber nicht der Aufklärung folgend, wird es aber nicht darum gehen, dass ‘nicht mehr gearbeitet’ werden muss.
Sie müssen auch heute nicht mehr arbeiten, es gibt eine Art Rundumversorgung, der Schreiber dieser Zeilen plädiert aus liberaler Sicht zudem für ein Bedingungslose Grundeinkommen [1], aber es ist nun einmal so, dass potentiell zur Handlung Fähige gerne auch handeln.
Das ist eine Grundannahme der Veranstaltung.
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Was später sein wird, wenn andere auf unseren Leistungen herumhüpfen werden oder auch nicht, gar Respekt zeigen gegenüber den Älteren (gilt spätestens seit dem Film Pulp Fiction als Merkmal von Charakter), wird nicht gewusst.
Die allgemeine Produktivität könnte sich demzufolge ins Web verlagern, wenn soz. alles Materielle bereit steht.
MFG
Dr. W
[1] hauptsächlich natürlich deshalb, um den Sozialapparat, die Sozialindustrie “wegzuhauen” oder zu focussieren
@ Dr Webbaer:
Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie sich klarer ausdrücken könnten.
Wie da schon steht, Herr Bartkowski, besondere Empfängerzufriedenheit haben Sie beim Leser Ihrer Nachricht nicht erreichen können.
Sie bleiben natürlich eingeladen Ihre Rückfragen derart zu formulieren, zu spezifizieren, dass Ihr Kommentatorenfreund antworten kann.
MFG
Dr. W
@Martin Holzherr:
Das mag sein, auch wenn es mir nicht besonders wahrscheinlich erscheint – eigentlich ist es bereits längst überflüssig, trotzdem stecken wir weiterhin drin. Vielleicht, weil Menschen Angst vor Veränderungen haben und sie um jeden Preis hinauszögern. Ich bezweifle auch, dass der Übergang angenehm sein wird (aber das haben Sie ja bereits selbst angedeutet). Das derzeitige gesellschaftlich-ökonomische System wird von einer Vielzahl von Institutionen flankiert – um den Übergang zu einem anderen System halbwegs verträglich zu machen, sollte man wohl schon versuchen, die Institutionen bewusst zu verändern. Zumal wir, wie bereits erwähnt, nicht die Zeit haben, auf inhärenten, evolutorischen Wandel zu warten…
Was das Ausgehen der Arbeit anbetrifft, habe ich ebenfalls meine Zweifel: natürlich kann man die derzeitige Entwicklung der Arbeits-Produktivität in die Zukunft extrapolieren. Gegeben aber die Notwendigkeit, den ökologischen Fußabdruck in der Produktion und im Konsum zu senken, kann ich mir kaum vorstellen, dass dies realistisch ist. Vielmehr würde ich, frei nach Niko Paech, mit mehr Subsistenz und Regionalisierung rechnen, beides auf Kosten der Arbeits-Produktivität. Hinzu kommt, dass wir bisher Produktivitätswachstum hauptsächlich mit vermehrtem direkten und indirekten Energie-Einsatz uns “erkauft” haben – und den wollen wir ja dezidiert senken.
Zu guter Letzt sollte man im Kontext der Schwellenländer nicht vergessen, dass wir für einen nicht geringen Teil der dort entstehenden Umweltbelastungen (inkl. CO2-Emmissionen) zumindest indirekt verantwortlich sind. Dass wir es in den letzten Jahrzehnten geschafft haben, den eigenen ökologischen Fußabdruck trotz steigenden Wohlstands hier und da zu senken, liegt nicht zuletzt daran, dass wir den “Dreck” in China, Indien & Co. produzieren lassen. Bei der gegenwärtig üblichen Praxis des CO2-Accounting geht das alles auf ihre Kappe, obwohl wir die Endabnehmer und Nachfrager der auf diese “dreckige” Weise produzierten Güter sind.
Klar wird vieles in die Schwellenländer ausgelagert. Weil beide Seiten davon profitieren wird das auch so bleiben. Der Welthandel wird seine Bedeutung behalten und Regionalisierung wird es nur dort geben, wo das ökonomische Vorteile bringt. In vielen Bereichen bewahrt uns Welthandel und der damit verbundene Risikoausgleich über die ganze Erde vor katatstrophalen regionalen Einbrüchen wie sie früher normal waren. So gab es zwischen 1845 und 1852 eine grosse Hungersnot in Irland (1 Million Tote) wegen Kartoffelfäule. Das wäre heute undenkbar, sogar in einem Entwicklungsland könnte sich so etwas nicht wiederholen. Da in Zukunft wegen dem Klimawandel mit stärkeren Extremwettererignisse zu rechnen ist inklusive Dürren, die eine ganze Ernte vernichten können, wird die Bedeutung des Welthandels sogar zunehmen. Der ökologische Fussabdruck wird beispielsweise in der Landwirtschaft eher mit einer Intensivierung der Landwirtschaft erreicht: Der Landbedarf für die Landwirtschaft wird trozt höheren Gesamterträgen kaum noch weiter steigen, glaubt man dem Artikel Agricultural Technologies Could Increase Global Crop Yields as Much as 67 Percent and Cut Food Prices Nearly in Half by 2050 Seit 1996 ist die weltweit genutze Anbaufläche für die Landwirtschaft nicht mehr gestiegen.
Natürlich ist ein gewisses Maß an Handel notwendig. Doch muss man hier zwischen verschiedenen Begründungene trennen. Ernährungssicherheit hat nichts damit zu tun, (fast schon sprichwörtlich) im Februar Erdbeeren zu essen oder Gurken aus Italien zu importieren, weil sie ein bisschen billiger sind.
Da bin ich anderer Meinung. Der Welthandel ist nur “ökonomisch vorteilhaft”, weil viele negative externe Effekte und Knappheiten nicht durch Preise signalisiert werden, sei es der Klimawandel, das Artensterben, die Gewässerverschmutzung, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen etc. Würde man es schaffen, die Preise näher an die Realität zu bringen – ob durch Steuern, Zertifikatehandel oder einfach durch entsprechende command-and-control-Regulierungen -, dürfte es mit der ökonomischen Sinnhaftigkeit des so umfangreichen Welthandels ganz anders aussehen als derzeitig der Fall.
Zur irischen Hungersnot: wie eindrucksvoll von Amartya Sen in seinem Buch Poverty and Famines gezeigt, haben Hungersnöte selten etwas mit absoluter Knappheit von Nahrungsmitteln zu tun, sondern vielmehr mit Verteilungs- und Zugangsfragen. Handelsmöglichkeiten spielen hier eine wichtige, aber nicht unbedingt entscheidende Rolle.
Landwirtschaftliche Intensivierung: auch hier sind wir womöglich, anders als in der sustainable-intensification-Debatte angenommen, eher mit einem Verteilungsproblem konfrontiert. Hierzu verweise ich auf den Blog von Jörn Fischer von der Leuphana-Universität.
Welthandel ermöglicht Ökonomien unterschiedlichen Entwicklungsgrades so zusammenzuarbeiten, dass beide Seiten profitieren. Zugegen: Wenn sich die Ökonomien weltweit angeglichen haben – irgendwann im 22. Jahrhundert – dann wird der Welthandel zurückgehen.
Heute ist es so: Länder mit vielen niedrig qualifizierten Arbeitern und niedrigen Löhnen produzieren die Produkte des täglichen Bedarfs, Länder mit fortgeschrittener Technologie Investitions- und Luxusgüter. Diese Differnzierung kann erst wegfallen, wenn sich die BIP’s der Länder angeglichen haben, was lange Zeiträume in Anpsruch nimmt.
Das ist eine sehr simplifizierte Darstellung. Ich sage ja auch nicht, dass der Welthandel auf “0” zurückgehen soll. Und mir ist es klar, dass er aus Effizienz-Sicht eine gute Sache ist. Dennoch ist es wichtig, zu bedenken, dass ein Teil seines Volumens lediglich daraus resultiert, dass wir es bisher nicht geschafft haben, Externalitäten zu internalisieren.
Hinzu kommt natürlich die Frage: wenn wir uns mit der Idee “Länder mit vielen niedrig qualifizierten Arbeitern und niedrigen Löhnen produzieren die Produkte des täglichen Bedarfs, Länder mit fortgeschrittener Technologie Investitions- und Luxusgüter” abfinden, wie soll es da zu einer Konvergenz kommen? Ist es nicht eher zu erwarten, dass diese Unterschiede perpetuiert werden? Letzten Endes brauchen auch wir landwirtschaftliche Produkte, T-Shirts, einfachere Bauteile von Geräten und Maschinen etc. – wenn heutige Entwicklungsländer, wie Sie es darstellen, im Laufe der Zeit reicher werden und anfangen, “höherwertige” Produktion zu leisten, wo kommen dann diese einfacheren Produkte her? Und zwar sowohl für uns als auch für sie? Und ich möchte gleich vorwegnehmen: die eventuelle Antwort “Maschinen werden es tun, ohne menschlichen Arbeitseinsatz” halte ich unbefriedigend. Erstens, weil ich ein solches Szenario für unwahrscheinlich halte, zweitens, weil es nicht klärt, wie wir dahin kommen, drittens, weil auch die Maschinen/landwirtschaftlichen Flächen sich irgendwo befinden müssen (und ggf. irgendwie dahin (zurück)kommen).
Preise und Kosten ohne Berücksichtigung von externen Faktoren entscheiden heute wo etwas produziert wird. Beides verändert sich dynamisch. China wird schon bald nicht mehr die Werkbank der Welt sein. Das werden bald schon andere asiatische und afrikanische Länder sein. Zugleich gibt es auch eine Rückverlagerung der Produktion von Schwellenländern in bereits industrialisierte weil dies neue Formen der Automatisierung ermöglichen. Heute ist es zudem so, dass Automatisierung rein technisch gesehen sehr oft möglich wäre, aber sich nicht rentiert, weil menschliche Arbeitskraft in Entwicklungsländern so billig ist. Mit steigendem Wohlstand weltweit wird also die Automatisierung an Bedeutung gewinnen.
Ist das eine Feststellung oder ein Argument?
In manchen Bereichen mag das wohl sein. In anderen weniger. Und woher kommt die Annahme, dass dieser Prozess extrapoliert werden kann? Last but not least: die Ersetzung menschlicher Arbeitskraft mit Maschinen/Kapital bedeutet erhöhten Material- und Energieeinsatz. Siehe oben.
Der erhöhte Material- und Energieeinsatz von Maschinen im Vergleich zu Menschen (2000 Kilokalorien pro Tag genügen) wird Textilmaschinen nicht wieder aus der Welt schaffen sondern wenn schon dazu führen, dass Textilmaschinen mit immer weiniger Energie den gleichen Output erzeugen.