zwei Rechenbücher

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

unser Sexagesimalsystem ist babylonisches Erbe, das weiß wohl fast jeder. Warum 60? Weil man’s an den Händen abzählen kann.

SoRechneten_Bab_tit_webSexagesemial heißt das Zahlensystem auf der Basis 60 statt 10 und ärgerte früher die immer die Astronomen beim Umrechnen von Rektaszension aus der Sternkarte mit Sternzeit zum Stundenwinkel, den man am Teleskop einstellt.Eigentlich kennt man es aber aus dem Alltag, da man die Stunde in 60 min teilt und die Minute in 60 Sekunden und da man den vollen Kreis in 360 Winkelgrade einteilt. Da wir sonst eher in dekadischen Größen denken, also lieber mit Potenzen von 10 rechnen, macht uns das hin und wieder Mühe.

haende_henna_grauBG_xsGanz anders im alten Babylon: Da war man viel mehr gewohnt mit der 60 als Basis zu rechnen und nicht mit der 10. Warum 60? Tja, weil man mit den zehn Fingern bis 60 zählen kann.

Wussten Sie nicht? – Na ist doch ganz leicht: 🙂 Im Orient zählt man (auch heute noch) oft nicht die ganzen Finger, sondern man zählt mit dem Daumen die Knöchel der Finger derselben Hand. Da jeder der vier anderen Finger drei Knochen, also Glieder hat, kommt man damit schon mal auf 12 statt fünf Einheiten, wenn man nur eine Hand nimmt.

Wenn man nun mit den fünf Fingern der anderen Hand zählt, wie oft man schon bis zwölf gezählt hat, kommt man damit auf 12*5 =60. Geht also, sehr einfach.  🙂

Das ist aber nur “Marktfrauen-Mathe” … wenn Sie wissen wollen, wie die Babylonier und Ägypter gerechnet haben, dann sollten Sie am besten selbst ein paar Übungaufgaben so rechnen, als wären Sie ein Babylonier oder Ägypter. Dazu gibt es ganz nette Aufgaben in dem Büchlein von Johannes Lehmann – dem Erfinder der Matheolympiade.

SoRechneten_Grch_tit_web“So rechneten die … ” war eine Reihe im Urania-Verlag. Heute nur noch antiquarisch erhältlich, aber für Mathe-Freaks echt was Feines!

 

Die historischen Infos sollte man in diesen Büchlein stets cum grano salis nehmen – der Mann war halt Mathematiker, nicht Historiker, also vieles ist richtig von dem, was er schreibt – aber manches halt auch nicht. 🙂

 

Nachtrag (29.3.) auf Nachfrage, wie das geht:


Gimmick:
aber neben all den lustigen Rechnungen nicht vergessen: es ist Frühling!

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

9 Kommentare

  1. Im Orient zählt man (auch heute noch) oft nicht die ganzen Finger, sondern man zählt mit dem Daumen die Knöchel der Finger derselben Hand. Da jeder der vier anderen Finger drei Knochen, also Glieder hat, kommt man damit schon mal auf 12 statt fünf Einheiten, wenn man nur eine Hand nimmt.

    Wie geht das praktisch?
    MFG
    Dr. W (der die Herkunft des Dezimalsystems kannte)

  2. Die Babylonier waren mit dem Rechnen schon weiter als die Römer erhält man den Eindruck, wenn man die Wikipedia liest. Eigentlich erstaunlich. Vielleicht ist ja das für das Rechnen völlig ungeeignete römische Zahlensystem dafür verantwortlich, dass die Römer praktisch keine neuen mathematischen Erkenntnisse hervorbrachten. Andererseits waren die Römer gute Ingenieure. Man denke nur an die Aquädukte und Arenen, die sie gebaut haben. Kann man Ingenieur sein ohne mit Zahlen zu hantieren?

    • Die römische Zahlnotation ist eigentlich gar nicht blöde, generiert sie doch kurze Notation..
      Was für die Verwaltung reichen sollte, Verwaltungssoftware ist nicht so-o komplex, komplex wird die Datenanalyse.
      Bei den Katapulten und so half vielleicht auch griechischer mathematischer Hintergrund.
      MFG
      Dr. W (der am Rande noch auf die Wichtigkeit sozialer Organisation hinweist, Münte war bspw. auch kein Mathematiker)

    • Kann man Ingenieur sein ohne mit Zahlen zu hantieren?

      Man kann. Es reichen in der Regel Faustformeln, Erfahrung und die daraus erwachsende Intuition. Sicher wird dies dazu führen, dass man eher über- als unterdimensionierte, was die Langlebigkeit römischer Bauwerke erklärt. Sollte man sich einmal vertan haben und eine Insula stürzte ein, dann wusste man wenigstens hinterher Bescheid, welche Wandstärke zu dünn, welche Fundamenttiefe zu gering oder welche Materialzusammensetzung ungeeignet war.

      Der Bauingenieur Quadratus wird übrigens im Asterix-Band “Die Trabantenstadt” Gaius Iulius Caesar mit den Worten vorgestellt “Es ist der Erbauer vieler Insulae in Rom, von denen zahlreiche nicht eingestürzt sind”.

  3. filmchen ergänzt – bitte die miese Bild-Quali (unschöne Kontraste) zu entschuldigen, ist halt nur ein Quickie wegen der Nachfrage;
    JA NATÜRLICH gibt es stets unterschiedliche Erklärungsansätze: meistens ist es sowieso nicht nur ein einziger Grund, warum irgendwas sich so entwickelt und nicht anders, sondern eine Kette von Bedingungen, die zusammenkommen und kausal verknüpft werden. Ich habe hier diesen Schabernack rausgegriffen, um die einen Aufhänger für die Bücher zu haben – sozusagen als stilistisches Mittel. Die Zwölf hat auch die praktische Eigenschaft, durch so viele Zahlen teilbar zu sein: durch 2,3,4,6, was sie eben zu einer recht praktischen Basis für alltägliche Zwecke macht (egal, ob man eine Strecke teilen will, um eine Skala anzubringen oder Flächeninhalte und Volumina berechnen will… sowas ist ganz nützlich). Also ja, klar, natürlich gibt es neben der Abzählbarkeit mit den Fingern auch noch viele andere Gründe. Wenn man sie mit fünf multipliziert und dann 60 rauskriegt, dann ist sie durch alle der ersten 6 natürliche Zahlen teilbar: 1,2,3,4,5,6 🙂 und natürlich auch durch die zugehörigen Faktoren 10,12,15,20,30.

    Danke Mona für den Hinweis aus die Mathematik in den Blumen: das Buch der Natur ist halt in mathematischen Lettern geschrieben 🙂 … das ist es ja, was sie so wunderbar schööön macht! 🙂

    ASTERIX ist auch ein schönes Kulturgut, Michael – da lernt man auch sehr viel fürs und übers praktische Leben. Kann man in eine Reihe stellen mit StarTrek und TBBT. 🙂

    • Könnte schon Sinn machen das Duodezimalsystem dem Dezimalsystem gegenüber zu bevorzugen. Kriegt man erst einmal hin das Dutzend (“Duodezim”) abzuzählen, helfen fünf Finger um die Sache zum Sexagesimalsystem auszubauen, irgendwas auf Basis 120 böte sich auch an.
      Hexadezimalsystem aber auch nicht schlecht.
      MFG + weiterhin viel Erfolg,
      Dr. W

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