Wunschbrücke (Tel Aviv)

"Welcome to Old Jaffa"

Ostern ist das höchste Fest der Christenheit. In der Popkultur merkt man das kaum, weil es nicht große Geschenke und Brimborium gibt (die Paganisierung bei Weihnachten ist wegen CocaCola stärker), aber es ist gerade der Glaube an die Auferstehung Jesu zum ewigen Leben (Ostersonntag), was Christen von anderen Religionen unterscheidet. Im “heiligen Land” gibt es aber auch eine eigene Popkultur: nicht nur abrahamitische Religion(en), sondern auch moderne Glaubens- und Unterhaltungskultur gehören zum Stadtbild… und damit meine ich nicht nur das Uri Geller-Museum (YouTuber über Geller).

"Welcome to Old Jaffa"
Portal zur historischen Altstadt von Tel Aviv.

Vor dem Hafen von Old Jaffa gibt es, wie ich letztes Jahr berichtete, ein paar Hinkelsteine im Wasser – keine Felsen und Klippen, aber ein paar große Steine. Einer davon heißt (belegt seit mindestens 2000 Jahren) “Andromeda-Felsen“. Erklimmt man vom Hafen die steilen Treppen der Altstadt, erreicht man auf dem Felsen ein Plateau: Nicht nur hat man dort einen wunderschönen Blick über den historischen Hafen und die moderne Stadt sowie einige Kirchen, sondern hier befindet sich auch die so genannte “Wunschbrücke”. 

Skyline der Altstadt (Jaffa)
Skyline von Tel Aviv

Die Magie von Jaffa

Erklärtafel
Wunschbrücke mit Namens-Mosaik

Auf der Tafel steht auf hebräisch und englisch: 

“eine alte Legende sagt, dass für die Person, die die Brücke betritt, ihr Tierkreiszeichen berührt und gen Meer blickt, ihr Wunsch in Erfüllung geht.”

Die Tierkreiszeichen wurden erst um 400 BCE erfunden, aber die hier gewählte Darstellung ist sicher keine 2.5 Jahrtausende alt. 

steile Straßen in Jaffa
Sicht auf Andromeda-Felsen
…wie 1001 Nacht.

Wunschbrücke.

Diese Brücke ist buchstäblich Popkultur: Entlang des hölzernen Geländers gibt es zwölf Stützen. Wo sie verankert sind, ist jeweils eine Plakette angebracht, die eines der Tierkreiszeichen bildlich repräsentiert. Astronomisch ist das insofern Quatsch, als die Tierkreiszeichen nun einmal nur Abschnitte der Ekliptik sind – der scheinbaren Sonnenbahn – und sie sind weder Sternbilder noch sonst irgendwie bildlich vorstellbar. Allerdings haben diese Kreisabschnitte – wie vieles am Himmel – sehr blumige Namen. Wie Astronomen ja auch von “Roten Riesen” und “Weißen Zwergen” sprechen (wo doch jedes Kind weiß, dass es Riesen und Zwerge nur im Märchen gibt), so sprechen eben Astrologen von “Widder”, “Skorpion” und “Fisch”… wir haben also sofort ein Bild im Kopf, wenn wir das hören. 

Aries (Widder)
Taurus (Stier)
Gemini (Zwillinge)
Cancer (Krebs)
Leo (Löwe)
Virgo (Jungfrau)
Libra (Waage)
Skorpius (Skorpion)
Sagittarius (Schütze)
Capricornus (Steinbock)
Aquarius (Wassermann)
Pisces (Fische)

Die Idee ist (laut Schautafel), dass der geneigte Tourist an die Tafel tritt, die das eigene Sternzeichen verkörpert und mit Blick aufs Meer seine Wünsche denkt, die sich dadurch erfüllen. 

Wenn es nicht gerade Bombenalarm in Tel Aviv gibt und man die Brücke überhaupt aufsuchen kann, ist der Wunsch derer, die im Augenblick dort still “beten” sicher klar (Frieden!) … und die zahlreichen Ostermärsche in Europa sowie die Papstbotschaft schließen sich dem an.

Davon abgesehen von dem scheinbaren (nicht tatsächlichen) Astro-Bezug dieser Wunschbrücke (man schaue ja nicht einmal zu den Sternen oder der Sonne auf, sondern aufs Meer!) zeigt sie aber eines ganz deutlich: Tierkreiszeichen sind Popkultur und eine Art moderne Religion – bzw. Glaube. 

noch ein Mosaik “vor” der Brücke zeigt den Tierkreis in einer weiteren Repräsentationsform

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Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

1 Kommentar

  1. Die semi-faktenkonforme Wiederauferstehungs-Einzigartigkeit des Christentums kommt daher, dass bereits das vor-römische Mittelmeer-Multikulti begann, Persephone, Dumuzi, Osiris miteinander zu verschmelzen: Dreieinigkeit mit Stehaufmännchen war voll der Hit in der Gegend. Das Christentum ist eine synkretistische Religion mit langer Evolutionsgeschichte, Sie können die wetteifernden und streitenden Meme durchaus mit Genpool oder Urozean vergleichen. Diese memetische Dreieinigkeits-Prädisposition brachte es dazu, später jeden Erlöser- und Wiederauferstehungsmythos zu assimilieren, der ihm vor die Flinte kam – nur mit dem Osterhasen weiß es irgendwie nix Richtiges anzufangen, der klebt an ihm wie ein nicht ganz verdauter siamesischer Zwillingsfötus an der Backe. Lassen wir so, so was muss man tragen können, ihm steht es aber gut.

    Synkretismus macht eine Religion umso stärker, je weniger sie von den vielen Religionen vernichtet, die sie verschlungen und verdaut hat, denn ein breiter Mempool und eine große Biodiversität fördern die Anpassungsfähigkeit. Es gibt nur eine Religion des Friedens, die haben Christen, Juden, Muslime, Atheisten, Buddhisten, Hindus, whatever, schon immer gehabt: Streitet in Frieden. Man braucht immer genug unlösbare Widersprüche, um die Vielfalt zu erhalten, und genug Einheit, damit aus den Widersprüchen kein Krieg wird. Jeder Vielzeller funktioniert auf dieser Grundlage, auch Sie, und es ist ziemlich egal, ob Sie es sich mit Gott oder mit Naturgesetzen erklären – Religion ist ein System, und für Systeme gibt es Regeln, die besagen, wie sie leidlich oder besser funktionieren. Bewahrt, erschafft, verändert, isoliert euch, öffnet euch, trennt und verschmelzt, verkracht euch und redet nie wieder ein Wort miteinander, versöhnt euch sofort oder nach langer Zeit, ganz oder teilweise – all das Übliche des menschlichen Miteinanders ist schon OK, solange ich akzeptiere, dass mein Weg nicht für alle richtig ist, und ich zwar überzeugen, bekehren, kaufen und bestechen kann, aber nicht zwingen.

    Sternkreiszeichen fallen wohl unter Sci-Fi – auch Star Trek ist ja im Grunde Gadget Fantasy, Tolkien mit anderer Deko. Wie Star Trek aus der Wissenschaft, speist sich die Astrologie immer noch aus den Sternen, und beide können noch zum Ursprung zurückführen – wenn alle glauben, dass Sterne wichtig sind, ist die Grundstimmung gegeben, die Saat gesät, aus der Astronomen wachsen. Der Rest – nun, wenn einer an sein Horoskop glaubt, bestimmt es nur sein Leben. Wenn eine Million an ihr Horoskop glauben, erschaffen sie eine soziale Umwelt, an die sich auch die Ungläubigen anpassen müssen, weil all die selbsterfüllenden Prophezeiungen sich auch für sie erfüllen. So wirken zwar nicht die Sterne auf die Menschen, aber die von den Sternbatterien angetriebenen Horoskope. Magie wird nie draus, andere Kraftfelder, die an Ihrer Lebenswelt zerren, sind stärker – Gravitation, Geldströme, Luftströme. Aber es gibt immer wieder Situationen im Leben, in denen deren Wirkung herausgefiltert wurde oder neutral bleibt. Sobald Sie die Macht haben, Ihres Schicksals Schmied zu sein, schmiedet das Unterbewusstsein Ihr Schicksal – Ihr eigenes und das kollektive. Unterbewusstsein und Schicksal, beides passt hier.

    Tja. Die Ägypter haben mit ihren Seifenopern die Pyramiden tapeziert, die Griechen die Mythen bevölkert, Popkultur und Religion waren noch nie voneinander zu trennen. Die Ostasiaten hatten kein Fernsehen, vor denen alte Opis ihren Ruhestand verbringen konnten, also mussten sie sich durch Meditation selbst welche im Kopf schaffen – die Kern-Weisheit des Buddhismus lautet, setz dich auf die Couch, schau Matlock und lass die Jungen glauben, alt und despotisch werden wäre eine Leistung und dein seniles Gefasel große Weisheiten, dann hast du einen kostenlosen Pflegedienst, der dich den ganzen lieben Tag von vorn und hinten bedient. Doch auch um diese einer prosaische memetische Prädisposition haben sich größere Weisheiten angesammelt und gebildet.

    Religion ist wohl die Kunst, aus Stroh Gold zu spinnen. Wenn ich Rumpelstilzchen beim Namen nenne es mich der Teufelsbeschwörung bezichtigt, sich in der Mitte zerreißt und dann in Rauch auflöst, hatte es wohl bloß Hirngespinste von Strohköpfen im Angebot. Klingt irgendwie nach der großen, bunten Bibi-Hamas-Show, nicht?

    Ich wünsche Ihnen frohe Ostern und genug Weisheit für Frieden. Nee, kein Aprilscherz. Der Rest des Universums könnte durchaus einer sein.

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