Jahreshoroskope

Gerade ist Weihnachten und der leidige “Stern von Bethlehem” (der mit Astro eigentlich nichts zu tun hat) durch, da werden Astronomen erneut auf den Plan gerufen – jetzt zur Auseinandersetzung mit dem Thema “Astrologie”. 

Johannes Kepler, der heute – an Marlene Dietrichs 120stem Geburtstag – nach julianischem Kalender Geburtstag feiern würde und 450 Jahre alt würde, bezeichnete die Astrologie als “närrisches Töchterlein” der mathematischen Astronomie, die er selbst gern vertrat. Für ihn als Mathematiker war die Berechnung von Horoskopen, d.h. den Stellungen der Planeten in einem abstrakten “Koordinatensystem” von Häusern, Sternzeichen und Winkelabständen zueinander (Aspekten), selbstverständlich Teil seiner Handwerkskunst. 

Dass man daraus allerdings Vorhersagen für die Zukunft ableiten könne, wollte ihm nicht so recht in den Sinn: Einem befreundeten Kunden schrieb er zu dem erstellten Horoskop, dass er es erst dann ruhigen Gewissens übergebe, nachdem ihm versichert worden war, dass er Kunde es nicht für bare Münze nimmt, sondern zur Unterhaltung liest.

Kepler war ein frommer Christ und in dieser Religion sind “Zeichen Gottes” nicht denknotwendig in den Sternen abzulesen. Freilich entwickelte auch das Christentum Strategien, die Astrologie zu dulden bzw. zu erlauben (denn sie war bereits zuvor populär geworden), aber ein Christ kann selbst entscheiden, ob er/sie an Astrologie glauben möchte oder nicht. In der Ursprungsreligion war das anders: Es gab eine Zeit, da war der Himmel einfach eine der “Mal-Flächen”, an denen die Götter ihre “Zeichen” für die Menschen zum Ausdruck brachten. 

Über den Ursprung der Horoskope und ihre historische Entwicklung berichtet National Geographic ausführlicher

In der mesopotamischen Religion war alles in der Natur ein “Zeichen” der Götter: Sei es ein Stern am Himmel (fotomontage Mitte), ein Regenbogen über der Wüste (echtes Foto rechts) oder eine senkrecht stehende Tonscherbe auf dem Boden am Wegrand. Dafür gab es große Bibliotheken (Bücherregal aus Ton: links ein Foto von 2008), die u.a. Omenhandbücher enthielten.

Hier möchte ich noch einen Fun-Fact erwähnen: 

  • Wie in Mesopotamien vor 3000 Jahren wandert der Mond auch heute durch 16 Sternbilder und nicht nur durch 12: Neben den bekannten zwölf sind es noch Ophiuchus, Sextant, Orion und Cetus. Damals hieß Orion “Himmelshirte”, den Sextanten gab es noch nicht, Ophiuchus war ein Kriegsgott (Zababa) und die Region, die wir Ketos nennen, war der Leib der Riesenschwalbe, deren Schwänze unser heutiges Fische-Band bilden. 
  • Die meisten der zwölf bekannten Sternbild-Namen wurden direkt übernommen, aber manche unterlagen auch Umtaufungen oder Verwechslungen. So wurde aus der Ackerfurche eine Jungfrau, aus dem Lohnarbeiter ein Widder und aus der Schwalbe zuerst die “Schwänze (der Schwalbe)” und dann die Fische. 
Abbildung erstellt mit Stellarium, nachkoloriert von mir.
Stellarium kann in der aktuellen Version beides darstellen: unsere modernen Sternbilder, ihre Begrenzungslininen (links) und die mesopotamischen Sternbilder, ihre Strichfiguren, Namen (rechts) und Bilder (siehe National Geographics-Artikel).

Wer mehr über die Geschichte der Sternbilder erfahren möchte, sei 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), ... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

6 Kommentare

  1. diesen Kommentar habe ich per E-Mail erhalten:

    „Die Astrologie von astron = Stern, als Urprinzip, und Logos = Geist oder höhere Logik ist das Wissen um die Beziehungen zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos als Analogieprinzip: wie oben, so unten. Astrologie ist das Urwissen, dass der Mensch als Teil des Kosmos und Bestandteil der Natur denselben Gesetzen unterliegt wie die Natur selbst. Den Menschen erreichen die kosmischen Rhythmen ebenso wie das Wasser in Ebbe und Flut, und das Wasser wird gleichgesetzt der Seele des Menschen. Astrologie ist daher kosmische Psychologie.“

    – Gertrud I. Hürlimann: Astrologie – Ein methodisch aufgebautes Lehrwerk

    „Der Kampf des Gelehrten gegen die Astrologie hat etwas vom Angriff gegen die Windmühlen. Er hält die Astrologie für eines der Gebäude, in deren Bauplan er bewandert ist. Er misst es an den Maßen der Logik und ihres Erkenntnisstils und hält es für schlecht konstruiert. Er übersieht dabei den Unterschied, der zwischen Begriff und Anschauung, zwischen abstraktem und konkretem Wissen, und insbesondere den, der zwischen Wissen und Weisheit besteht.“

    – Ernst Jünger

    „Wir wollen auch nicht unterschätzen, dass ein gewichtiges Motiv für die Ablehnung der Astrologie die Trägheit und ein Mangel an Zivilcourage ist. Vielen ist es zu unbequem, einmal aus erlernten Denkgewohnheiten herauszutreten und für eine Sache so viel Zeit und Mühe aufzuwenden, die von der akademischen Diktatur verketzert wird; viele wagen es noch nicht, sich zur Astrologie zu bekennen, auch wenn sie eigene positive Erfahrungen mit ihr gemacht haben, aus Angst, für »unseriös« gehalten zu werden. Autoritätsgläubig oder autoritätsabhängig, können viele es sich auch nicht leisten, und kaum einmal bekommt jemand im Rahmen seiner Ausbildung die Möglichkeit, sich mit diesem Stiefkind der Wissenschaft zu befassen.“

    – Fritz Riemann: Lebenshilfe Astrologie – Gedanken und Erfahrungen (Einwände gegen die Astrologie), 1976

    Der kosmische Mensch:
    https://www.astrobroker.de/km/

    Gruß

    Hannes Bongard

    http://www.astrobroker.de
    Twitter: @astrobroker
    Instagram: @astrobroker

    • ehrlich gesagt, hatte ich bisher nicht das Gefühl, gegen irgendwen zu kämpfen – nicht einmal gegen einen Glauben. Ich sage nur “das ist der historische Grund” und “was Sie glauben, ist mir egal”. Es gibt ein paar Fakten und nur diese kommunizieren ich.

      Wie ich schon mehrfach sagte & schrieb: Glaube & Religion sind Privatsache, das muss jede/r für sich entscheiden. Ich stelle nur die Infos zur Verfügung, auf deren Grundlage man entscheiden könnte.

  2. Von Johannes Kepler sind erhalten mehr als 800 Horoskope. Er berechnete drei Kaiserhoroskope: Rudolf II, Matthias I und Ferdinand II. In seinem Werk von 1602 – dem Jahr nach Brahes wahrscheinlicher Ermordung – “Von den gesicherten Grundlagen der Astrologie” schreibt er:
    “Wenn jedoch jemand für seinen Entschluss genug Gründe hat, die in ihrer Art Leuten mit offenem Blick gegenüber für sich sprechen, kann er für nichts anderes als einen Feigling gelten, sofern er sich durch die genannten von anderen und außen kommenden Widerwärtigkeiten von seiner Absicht abschrecken läßt aus Sorge, es könnte Gerde entstehen, und aus Furcht vor Verleumdung.Denn wenn auch ein großer Teil dieser Kunst durch die Spielereien der Araber seinen Wert einbüßt, so sind deshalb dennoch nicht die darin enthaltenen Geheimnisse der Natur Nichtigkeiten, noch dürfen sie zusammen mit Nichtigkeiten ausgeteilt werden.”

    Schließlich ist sein gesamtes Werk HARMONICE MUNDI schon im Titel einer Weltharmonie verpflichtet, die ja gerade in der Astrologie ihren reinsten Ausdruck findet.

    Und dann gilt es zu bedenken: die Babylonische Herkunft der Astrologie ist nur der eine “Flügel” – der andere kommt aus der mindestens gesamteuropäischen Goldhutkultur der Bronzezeit – Stonehenge und so …

    Mit freundlichen Grüßen!

  3. Übrigens: Schon mal von Zuismus gehört?

    Im Sinne der Religionsfreiheit *muss* es jedem Menschen erlaubt sein, an die alte sumerische Religion zu glauben (und deren Astrologie zu praktizieren): In Island wurde diese 2013 “neu erfunden” und ist seit 2015 eine der größten Glaubensgemeinschaften.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Zuismus

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