Globus ohne Amerika und Australien

Globen des Himmels gab es schon im Altertum; drei von ihnen sind komplett erhalten (plus Fragmente von zwei weiteren) – vielleicht (so eine mutige, aber aus Daten begründete Hypothese meiner Doktorarbeit) gab es sogar schon im Alten Babylon um 1200 v.Chr. mindestens einen Himmelsglobus. Seit wann es aber Globen der Erde gibt, ist schon deshalb nicht genau geklärt, weil wir nicht wissen, wie alt die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde ist. Auch diese Vorstellung ist vermutlich zwischen 600 und 400 v.Chr. entstanden. Für Aristoteles um 350 v.Chr. ist es jedenfalls ein “alter Hut”, d.h. längst Standardwissen. Als Prinzenlehrer hatte er eine große Verantwortung: Er stellt in seinen Büchern das Wissen zusammen und bringt Gegenargumente für eine flache Erde; Eratosthenes ein Jahrhundert später und Poseidonius zwei weitere Jahrhunderte später messen sogar die Größe der Erdkugel. Aus römischer Zeit ist anekdotisch überliefert, dass Krates von Mallos im 2. Jh. v.Chr. (also in Hipparchs Zeit, ein Jh nach Eratosthenes) in Pergamon einen Erdglobus aufgestellt haben soll – aber weder archäologische Befunde noch nähere Beschreibungen oder Bauanleitungen sind überliefert. 

Wir wissen, dass bereits im Altertum Eurasien und Afrika erkunden worden sind. Die Seidenstraße ist seit ca. 150 v.Chr. eindeutig belegt, aber es hat sicher schon lange vorher Handelsrouten gegeben: Alexander der Große war mit seinem Reich bis an den Hindukusch vorgedrungen, die Ägypter haben den Nil aufwärts das Land erkundet (der heutige Sudan gehörte teilweise zum Reich, vllt waren sie sogar bis zu den Quellen des Nils?) und die chinesischen Regenten haben nicht nur Japan, sondern auch die Inseln, die wir heute zu Indonesien rechnen, zeitweise unterworfen bzw. immer mit den dortigen Bewohnern Handel getrieben. Spätestens seit Marco Polo (um 1300) war dieses Wissen auch nach Europa gelangt. 

Australien wurde aber – auch als man um seine Existenz wusste – lange Zeit ignoriert, weil man dort keine Potenziale für Handel sah. Amerika wurde erst nach 1500 als wichtig für den Handel erkannt (und brutal unterworfen). Vor 1500 fehlten daher Australien und Amerika auf den Erdgloben der Europäer. Einer der letzten Globen, wo das der Fall ist, der von Martin Behaim aus Nürnberg. Er wird manchmal als “ältester Erdglobus der Welt” bezeichnet, was aber nur heißt, dass keine älteren erhalten sind – gegeben hat es sie gewiss, denn wir finden ihre Abbildungen (auf Münzen, Reliefs u.a.). Hier ein schöner Link zu einem interaktiven 3D-Sketch. Der Globus datiert zwischen 1490 und 1496 – bzw. oft wird vereinfachend das Datum 1492 gegeben. Das Leibniz-Forschungsmuseum für Kulturgeschichte, d.h. Germanische Nationalmuseum in Nürnberg hat Digitalisierungen dieses Globus  von der Universität Erlangen und der Technischen Universität Wien. Sie können sich den Datensatz herunterladen und auf dem heimischen PC anschauen. So sieht das dann aus:

https://www.gnm.de/objekte/behaim-globus/

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

  1. Der Behaim-Globus von 1492 ist interessant, zeigt er doch die Umrisse der damals bekannten Kontinente schon recht gut.
    Ich besitze 2 Bücher, die sich mit alten Landkarten beschäftigen. Ein Buch untersucht Karteninhalte, die zum Zeitpunkt der Anfertigung der Landkarten noch gar nicht bekannt sein konnten, weil sie viel später erstmals entdeckt und kartografiert wurden: “Die Weltkarten der alten Seefahrer” Es geht vor allem um Details von Südamerika auf einer Karte von 1513 und Details der Antarktis auf einer Karte von 1531 und weiteren Karten aus dem gleichen Jahrhundert. Die Spekulation, dass die Zeichner der Karten Informationen einer untergegangenen Zivilisation zur Verfügung hatten ist schon “extrem”, aber wundersam sind diese Karten schon.
    Im Buch “Alte Landkarten” finden sich zwar solche Spekulationen nicht, aber die Details alter Landkarten sind schon sehr interessant.

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