Zodiakoi in Dendera – die berühmtesten

Wieder mit Ägyptologen unterwegs: Wissenschaftlerinnen in ihrem natürlichen Lebensraum; diesmal in Dendera, etwas nördlich von Luxor (Esna, neulich, ist südlich von Luxor), aber auto-erreichbar. Berühmt ist die Stadt für den Hathor-Tempel mit seiner astronomischen Decke. Darum wollte ich natürlich dort hin. Mein Glück war, dass auch die Ägyptologin Dr Daniela Mendel-Leitz (Universität Tübingen) gerade in Luxor war und ich auf diese Art eine sehr kompetente Begleitung hatte. Unabhängig von einander hatten wir etwa gleichzeitig im vergangenen Jahr einige neue Erkenntnisse zu den astronomischen Decken dieses Tempels: sie zum eckigen, ich zum runden so genannten Zodiak. Wir hatten uns daher auf einer Tagung getroffen, um unsere jeweiligen Ergebnisse vorzustellen und beide waren wir hier im semi-Urlaub, d.h. auf Bildungsreise, um die eigene Forschung voran zu bringen, ohne tägliche Dienstverpflichtung.

On the road with Egyptologists again: scientists in their natural habitat; this time in Dendera, a little north of Luxor (Esna, the other day, is south of Luxor), but accessible by car. The city is famous for the Temple of Hathor with its astronomical ceiling. So of course I wanted to go there. My luck was that the Egyptologist Dr Daniela Mendel-Leitz (University of Tübingen) was also in Luxor at the time, so I had a very competent companion. Independently of each other, we had some new findings about the astronomical ceilings of this temple at about the same time last year: she about the angular, I about the round so-called Zodiac. We had therefore met at a conference to present our respective findings and both of us were here on semi-vacation, i.e. on an educational trip to advance our own research, without daily duty obligations

Forschung zu astronomischen Decken 

Ich kannte bisher nur die Fotos, denn für mich als Astronomin (in diesem Fall im Gewand der Astronomie-Historikerin) gibt es normalerweise leider keinen Grund zu den Originalstätten zu reisen. Meine Forschung passiert rein am Computer bzw. (seltener) mit Papier und Bleistift. Nachdem sich aber nun durch eine DAAD-geförderte Dienstreise nach Ägypten (nota bene: ich bin im Fach Informatik angestellt, d.h. der Dienstreise-Anteil beschäftigte sich mit Datenmanagement) die Gelegenheit ergab, ein paar Tage Urlaub anzuhängen, nutzte ich das natürlich, um das Objekt meiner Studie auch in situ zu betrachten.

Der Hathor-Tempel datiert ebenfalls auf die späte Zeit, als Ägypten bereits von Griechen und Römer regiert wurde. Man betritt den geräumigen Pronaos und sieht sogleich eine imposant blaue Decke, die aus sechs Travées besteht. Die beiden äußersten bilden den so genannte „eckigen Zodiak“, denn sie stellen ganz klar die Himmelsgöttin Nut dar, auf der die vertrauten zwölf Tierkreissternbilder unterwegs sind. Nach ägyptischer Vorstellung wandern sie über den Leib der Himmelsgöttin.

Interessanterweise sind die Tierkreissternbilder aber nicht original ägyptisch, sondern ein babylonischer Import. Die Tierkreisbilder, wie wir sie kennen, sind nicht 100% babylonisch, sondern wurden – vermutlich im Imperium von Alexander dem Großen – aus babylonischen Vorlagen geformt. Manche wurden original übernommen (der Steinbock z.B., der eigentlich ein Ziegenfisch ist und immer war – nur in der deutschen Sprache fehlübersetzt wurde), andere wurden mit Einflüssen anderer Kulturen vermischt, transformiert und verändert.

Hier in Dendera, in den Darstellungen aus der römischen Zeit, haben wir Bilder, die bereits seit Jahrhunderten unverstanden sind, weil sie durch mehrere Transformationsstufen gingen. Es ist eine symbolische Aneinanderreihung von Figuren, die die Sternbilder des Tierkreises repräsentieren – ohne perfekt auf die Sternmuster passen zu müssen. Zwischen den Figuren der Tierkreissternbilder gibt es auch viele weitere, deren Sinn und Bedeutung nicht klar ist. Es können Sternbilder jenseits des Tierkreises sein (z.B. die so genannte „nördliche Konstellation“, eine Gruppe von mindestens drei Sternbildern) oder Gottheiten, die gar nicht verstirnt sind, sondern nur Gestirne begleiten.

Research on astronomical ceilings 

I only knew the photos so far, because for me as an astronomer (in this case in the guise of an astronomical historian) there is usually no reason to travel to the original sites. My research is done purely on the computer or (less often) with paper and pencil. But now that a DAAD-funded business trip to Egypt (nota bene: I am employed in the field of computer science, i.e. the business trip part dealt with data management) gave me the opportunity to add a few days of holiday, I naturally took advantage of this to see the object of my study in situ.

The Temple of Hathor also dates to the late period when Egypt was already ruled by Greeks and Romans. One enters the spacious pronaos and immediately sees an imposing blue ceiling consisting of six travées. The two outermost ones form the so-called “angular Zodiac”, for they clearly represent the sky goddess Nut, on which the familiar twelve zodiacal constellations travel. According to Egyptian conception, they travel over the body of the sky goddess.

Interestingly, however, the zodiacal constellations are not originally Egyptian, but a Babylonian import. The zodiac images as we know them are not 100% Babylonian, but were formed – presumably in the empire of Alexander the Great – from Babylonian models. Some were adopted originally (the Capricorn, for example, which is actually a goatfish and always has been – only mistranslated in the German language), others were mixed with influences from other cultures, transformed and changed.

Here in Dendera, in the representations from the Roman period, we have images that have been misunderstood for centuries because they went through several stages of transformation. It is a symbolic juxtaposition of figures representing the constellations of the zodiac – without having to fit perfectly to the star patterns. Between the figures of the zodiac constellations there are also many others whose meaning and significance is not clear. They can be constellations beyond the zodiac (e.g. the so-called “northern constellation”, a group of at least three constellations) or deities that are not starry at all, but only accompany celestial bodies. 

Hathor-Tempel in Dendera

Der eckige Zodiak im Pronaos des Hathor-Tempels

Nur die beiden äußersten von sechs Travées zeigen diese Sternbilder; die vier inneren zeigen Stunden- und Monatsgestirne (nicht alle mit realer Entsprechung am Himmel), was auf einen abstrakten Kontext von Zeitmessung schließen lässt. Wir können die Sternbilder des Tierkreises klar identifizieren und bei vielen der Sternbilder in diesen Reigen von Figuren steht auch eine Beschriftung, so dass Ägyptologen wenigstens lesen können, wie sie heißen. Davon wissen wir allerdings noch nicht, wo sie am Himmel zu suchen sind, denn in diesen Reigen von Figuren gibt es kein Koordinatensystem: wie üblich in hieroglyphischen Inschriften folgt die Anordnung der Zeichen den Regeln geometrischer Schönheit und nicht unbedingt der Nebeneinander-Ordnung am Himmel. Daher kann man bisher nur sagen, dass es sich bei diesem so genannten „eckigen Tierkreis“ um eine Darstellung von einem Teil der Sternbilder des Himmels handelt. Nicht aber kann man bisher alle Sternbilder sicher identifizieren (d.h. ihrer richtigen Himmelsposition zuordnen). Die Ägyptologin Daniela Mendel-Leitz (Universität Tübingen) hat allerdings kürzlich herausgefunden, dass auch diese Himmelsdarstellung einem bestimmten Kalender-Datum gewidmet ist und sich somit rein logisch mit den vom so genannten „eckigen Zodiak“ umschlossenen Stunden- und Monats-Sternbild-Gottheiten in Verbindung bringen lässt.

The angular zodiac in the pronaos of the temple of Hathor.

Only the two outermost of six travées show these constellations; the four inner ones show hour and month constellations (not all with real equivalents in the sky), suggesting an abstract context of time measurement. We can clearly identify the constellations of the zodiac, and many of the constellations in these rounds of figures also have inscriptions, so that Egyptologists can at least read what they are called. However, we do not yet know where to look for them in the sky, because there is no coordinate system in these rounds of figures: as usual in hieroglyphic inscriptions, the arrangement of the signs follows the rules of geometric beauty and not necessarily the juxtaposition in the sky. Therefore, so far we can only say that this so-called “angular zodiac” is a representation of a part of the constellations of the sky. However, it is not yet possible to identify all the constellations with certainty (i.e. to assign them to their correct celestial position). However, the Egyptologist Daniela Mendel-Leitz (University of Tübingen) has recently discovered that this celestial representation is also dedicated to a specific calendar date and can thus be logically linked to the hour and month constellation deities enclosed in the so-called “angular zodiac”.

links + mittig: drei östliche Travées, rechts: Mittelgang mit überfliegenden Geiern. Deutlich erkennbar ist auch, dass die Kapitelle dieses Pronaos nicht wie Palmkronen aussehen, sondern die Köpfe der Göttin Hathor sind nur mit deren Frisur dekoriert. In diesem Tempel für die Göttin der Weiblichkeit ist also nichts zwischen ihr und dem Firmament.
links und rechts vom Mittelgang sind jeweils drei Travées, wovon das jeweils äußerste die Sternbilder des Tierkreises erkennen lässt, die inneren Dekan-Sternbilder.

Der runde Zodiak in der Osiris-Kapelle auf dem Dach des Hathor-Tempels

Mich persönlich hat als Astronomin allerdings schon immer der „runde Zodiak“ von Dendera viel mehr fasziniert. Diese Darstellung ist sehr berühmt, regelrecht legendär, aber bisher hat niemand sie wirklich verstanden. Während meines Studiums habe ich vor ca. 20 Jahren ein/zwei Seminare in Ägyptologie besucht und meine Hausarbeiten brav über die Sternuhren geschrieben, die man verstanden hatte. Als ich die Dozentin zwecks Nachbesprechung in ihrem Büro aufsuchte und bei ihr dieses Bild als Deko hing, war auch da die Antwort, dass man als Astronom besser die Finger davon lassen sollte: zu unsicher. Tatsächlich gibt es in diesem Bild keine guten Anhaltspunkte (keine Daten, keine Koordinaten und auch sonst nichts, womit man auf die Lage dieser Figuren am Himmel schließen könnte). Französische Forschende haben wiederholt vorgeschlagen, dass es sich bei diesem Bild um eine diagramm-artige Darstellung handele, weil ja auch die Planeten als Gottheiten vertreten sind. Tatsächlich aber stehen die Planeten an ihren Standard-Positionen, die in griechisch-römischer Zeit Hypsomata (oder Exaltationspunkte) genannt werden. Darum konnte ich die Horoskop-Idee nie glauben.

Das Original der Steinplatte, auf der der runde Tierkreis abgebildet ist, befindet sich heute im Louvre in Paris. Die Franzosen haben es im 19. Jahrhundert aus der Tempeldecke geschnitten und bis heute ist nicht ganz klar, ob sie das durften. Jedenfalls befindet es sich dort, ist vom Museum gut dokumentiert, digitalisiert und ich konnte für meine Arbeit als Astronomin diese Figuren umzeichnen, ganz ohne jemals im Louvre oder in Ägypten gewesen zu sein. Herzlichen Dank an die fleißigen französischen Kollegen!

The round Zodiac in the Osiris Chapel on the roof of the Temple of Hathor

Personally, however, as an astronomer, I have always been much more fascinated by the “round zodiac” of Dendera. This representation is very famous, downright legendary, but until now no one has really understood it. During my studies, about 20 years ago, I attended one/two seminars in Egyptology and dutifully wrote my term papers on the sidereal clocks, which were understood. When I went to the lecturer’s office for a debriefing and she had this picture hanging as a decoration, the answer was that astronomers should leave it alone: it was too uncertain. In fact, there are no good clues in this picture (no dates, no coordinates, and nothing else to infer the location of these figures in the sky). French researchers have repeatedly suggested that this image is a diagram-like representation because the planets are also represented as deities. In fact, however, the planets are at their standard positions, called hypsomata (or exaltation points) in Greco-Roman times. That’s why I could never believe the horoscope idea.

The original stone slab depicting the round zodiac is now in the Louvre in Paris. The French cut it out of the temple ceiling in the 19th century and to this day it is not entirely clear whether they were allowed to do so. In any case, it is there, well documented by the museum, digitised and I was able to redraw these figures for my work as an astronomer without ever having been to the Louvre or Egypt. Many thanks to the hard-working French colleagues!

am Mittenrand der beiden Fotos ist jeweils die Himmelsgöttin dargestellt; links die schwarze Platte ist eine Replik des Originals (aber der Stein ist tatsächlich so verrußt gefunden worden), rechts der Himmelsgöttin sind die Stundengottheiten des hellen Tages abgebildet.

Vor Ort in Dendera

Hier in Dendera begab ich mich aber an den Originalschauplatz und das hat mich – ehrlich gesagt – etwas verblüfft. Ich kannte die Kopien der Darstellungen im Neuen Museum in Berlin (an hohen Decken) und die astronomischen Decken in den Pronaoi von Esna und eben hier in Dendera mit jeweils bestimmt zehn Meter Höhe. Die Decke der kleinen Osiris-Kapelle auf dem Dach des Hathor-Tempels, in der der „runde Zodiak“ angebracht war, ist allerdings nur wenig höher als mein Kopf! Ich stehe in diesem kleinen Raum, der noch dazu eine extrem niedrige Decke hat und schaue quasi fast geradeaus, als ich den „runden Zodiak“ mit den begleitenden Ägyptologen diskutiere. Diese Darstellung hat gar nichts Erhabenes wie die astronomischen Kalender der Pronaoi, sondern es wirkt eher wie ein praktischer Gebrauchsgegenstand, zum Greifen nah (das meine ich buchstäblich: ich kann mit dem Finger die Figur anfassen, auf die ich zeigen und sie erklären möchte).

Auch in der Osiris-Kapelle gibt es eine Hauptachse, über die sich aber nicht wie in den Pronaoi Geier mit ausgebreiteten Flügeln reihen, sondern die von einem Relief einer gestreckten nackten Frau überdacht wird: Es ist ein Bild der Himmelsgöttin Nut, aber nicht in der gewohnt kastenförmigen Darstellung, sondern als langgestreckte Figur, die die Tempeldecke in zwei Hälften teilt: links befindet sich der berühmte „runde Zodiak“ und rechts befindet sich in rasterförmigem Schema die Gruppe der Stundengottheiten des Tages. Es wird also rechts der lichte Tag, links die Nacht dargestellt – genau wie auch im gut erhaltenen Pronaos von Esna (nur dort eher in abstrahierter Form der Stundengottheiten), was wiederum gegen die Horoskop-Idee spricht. Der wichtige Unterschied der Darstellung im Pronaos von Esna und der Osiris-Kapelle in Dendera ist, dass die Decke des Osiris-Tempels viel weniger „göttlich entrückt“ ist: Sie ist so niedrig, dass man sie anfassen kann und sie ist klein und „handlich“ überschaubar – nicht so gigantisch wie die anderen Tempeldecken. Das Konzept hinter dem runden Zodiak scheint ein komplett anderes zu sein als das hinter den eckigen Zodiakoi, Grab- und Tempeldecken. Zu diesem entgöttlichten Gesamteindruck passt auch, dass die verstirnten Gottheiten in diesem Relief keine Ankh-Zeichen in den Händen haben. Das gibt es zwar grundsätzlich auch in anderen Götterreigen, z.B. in Esna im Fall von mumifizierten Göttern, aber nicht in der gleichen Konsequenz und Einheitlichkeit. Ich bin ja nur Astronom und kein Ägyptologe, aber auf mich als Mensch wirkt dieses Gesamtbild des runden Zodiaks irgendwie unägyptisch befremdlich… erst recht, nachdem ich in den letzten Tagen zig ägyptische Tempel und Gräber gesehen habe, deren astronomische Decken ein regelrechtes Thema durch alle Epochen der Millennien ägyptischer Geschichte bilden.
Jedes Grab zeigt eine Prozession von Göttern, die dadurch in Bewegung gesetzt wird, dass der Betrachter an der Wand vorübergeht (wie wenn man am Bahnhof im Zug aus dem Fenster schaut und einen Moment überlegen muss, ob der eigene Zug losfährt oder der Nachbarzug, weil man nur eine Relativbewegung sehen kann) und die Tempeldecken der Pronaoi nehmen dieses Thema auf, obwohl die Priester, die sich darin zur Prozession versammelten, gewiss nicht nach oben schauten, um die scheinbare Prozession an der Decke wahrzunehmen: sie geschah einfach – wie am echten Himmel – unabhängig davon, ob die Menschen hinschauen oder nicht.
Jeder Tempel wirkt wie ein begehbares Diorama, das die Welt abbildet: man durchschreitet Säulenhaine, der Kapitelle wie Palmenkronen aussehen, die von astronomischen Decken überzogen sind. Die Osiris-Kapelle in Dendera ist anders. Es fehlen der Säulenhain, die enorme Höhe, das göttlich Entrückte in der Darstellung.

Aus all diesen Gründen der Besonderheit des „runden Zodiaks“ von Dendera ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Darstellung einfach eine gewöhnliche Sternkarte darstellt. Es ist eine flach gedrückte Darstellung des Himmelsglobus ohne akkurate Kartenprojektion, sondern in traditionell ägyptisch anmutendem Zeichenstil: Die Figuren sind ägyptische Gottheiten, allerdings ohne ihr Ankh-Zeichen, wohl aber mit anderen Insignien wie den typischen Kronen und Szeptern. Viele der Figuren sind überhaupt nicht erkennbar (weil sie nicht typischen ägyptischen Gottheiten entsprechen) und alle sind – im Gegensatz zu denen im Pronaos – unbeschriftet. Sie laufen alle in die gleiche Richtung, was auf den scheinbaren Lauf der Gestirne von Ost nach West über den Himmel hindeutet und sie sind alle in aufrechter Stellung abgebildet, was dem ägyptischen Zeichenstil (in Kartuschen und anderen Rastern) entspricht und nicht unbedingt der Anordnung am Himmel entsprechen muss. In diesem Fall handelt es sich aber augenscheinlich um eine Darstellung in konzentrischen Rastern – eine schematische Einteilung des Himmels wie man sie aus den mittelbabylonischen „Three Stars Each“-Texten kennt, die bereits 1.5 Millennia früher überliefert sind. Die Darstellung des runden Zodiaks ist also am ehesten mit den heute üblichen „drehbaren Sternkarten“ vergleichbar, bei denen in der Mitte der Himmelspol ist und der Außenrand den südlichsten sichtbaren Deklinationskreis eines bestimmten Ortes wiedergibt. Aufgrund des ägyptischen Zeichenrasters sind einige Sternbilder sicher nicht ganz an der richtigen Position, d.h. man kann keine Koordinatenvermessung des Dendera-Reliefs vornehmen und damit Sternbilder identifizieren. Allerdings sollten die Einzelfiguren grob richtig zwischen den anderen Figuren positioniert sein. Konkret heißt das z.B. dass das Sternbild an der Stelle unseres Sternbilds „Adler“ grob gesagt über den Zodiak-Figuren von Capricornus und Sagittarius reliefiert sein sollte, nur nicht zwingend nach Koordinaten. Tatsächlich befindet sich an genau dieser Stelle ein Vogel auf dem „runden Zodiak“, der allerdings eher nach einer Ente oder Gans aussieht und sicher nicht nach Adler oder Geier. In Ermangelung von Beischriften bleibt die Bedeutung dieser Figur rätselhaft, aber wir können annehmen, dass das „ägyptische Sternbild der Ente“ (ob es so geheißen hat oder nicht und ob es das in allen Zeitschichten gegeben hat oder nicht, sei mal dahingestellt) in der Gegend des hellen Sterns Atair (alpha Aquilae) zu finden ist. In dieser konkreten Himmelsdarstellung im Osiris-Tempelchen auf dem Dach des Hathor-Tempels in Dendera gibt es dieses Sternbildchen und befindet es sich an der Position von Atair.

Ich hoffe, mit diesen Infos konnte ich eine Vorstellung davon geben, wie die Puzzle-Arbeit von Wissenschaftshistorikern funktioniert und begründen, warum meine Interpretation und Methode legitim ist. Im nächsten Beitrag werde ich mehr auf die astronomischen Details eingehen. 

On site in Dendera

Here in Dendera, however, I went to the original site and was – to be honest – a little taken aback. I was familiar with the copies of the depictions in the Neues Museum in Berlin (on high ceilings) and the astronomical ceilings in the pronaoi of Esna and here in Dendera, each of which must be ten metres high. The ceiling of the small Osiris chapel on the roof of the temple of Hathor, where the “round Zodiac” was placed, is only a little higher than my head! I stand in this small room, which has an extremely low ceiling to boot, and look almost straight ahead as I discuss the “round Zodiac” with the accompanying Egyptologists. This representation has nothing at all sublime like the astronomical calendars of the Pronaoi, but it seems more like a practical object of use, within reach (I mean that literally: I can touch with my finger the figure I want to point to and explain).

There is also a main axis in the Osiris Chapel, but it is not surmounted by vultures with outstretched wings as in the Pronaoi, but by a relief of a stretched naked woman: It is an image of the sky goddess Nut, but not in the usual box-shaped representation, but as an elongated figure dividing the temple ceiling into two halves: on the left is the famous “round Zodiac” and on the right is the group of hourly deities of the day in a grid-like scheme. Thus, the daylight is depicted on the right and the night on the left – exactly as in the well-preserved pronaos of Esna (only there, the hourly deities are depicted in a more abstract form), which again speaks against the idea of a horoscope. The important difference between the depiction in the pronaos of Esna and the Osiris Chapel in Dendera is that the ceiling of the Osiris Temple is much less “divinely enraptured”: it is so low that it can be touched and it is small and “handily” manageable – not as gigantic as the other temple ceilings. The concept behind the round zodiac seems to be completely different from that behind the angular zodiakoi, tomb and temple ceilings. The fact that the deceased deities in this relief have no ankh signs in their hands also fits in with this de-divinised overall impression. This is also found in principle in other deity reliefs, e.g. in Esna in the case of mummified deities, but not with the same consistency and uniformity. I am only an astronomer and not an Egyptologist, but to me as a human being this overall picture of the round Zodiac somehow seems un-Egyptian and strange… especially after I have seen countless Egyptian temples and tombs in the last few days whose astronomical ceilings form a regular theme through all the epochs of the millennia of Egyptian history.
Each tomb shows a procession of gods set in motion by the observer passing by the wall (like when you look out of the window at the train station and have to think for a moment whether your own train is leaving or the neighbouring train, because you can only see a relative movement) and the temple ceilings of the Pronaoi take up this theme, although the priests who gathered in them for the procession certainly did not look up to perceive the apparent procession on the ceiling: it simply happened – as in the real sky – regardless of whether people were looking or not.
Each temple looks like a walk-in diorama depicting the world: you walk through groves of columns, the capitals looking like palm crowns, covered by astronomical ceilings. The Osiris Chapel in Dendera is different. It lacks the grove of columns, the enormous height, the divine rapture in the representation.


For all these reasons of the peculiarity of the “round Zodiac” of Dendera, it is very likely that this representation is simply an ordinary star map. It is a flat-pressed representation of the celestial globe without accurate map projection, but in a traditional Egyptian-style drawing style: the figures are Egyptian deities, albeit without their Ankh sign, but with other insignia such as the typical crowns and sceptres. Many of the figures are not recognisable at all (because they do not correspond to typical Egyptian deities) and all of them – in contrast to those in the pronaos – are unlabelled. They all walk in the same direction, indicating the apparent passage of the heavenly bodies from east to west across the sky, and they are all depicted in an upright position, which corresponds to the Egyptian style of drawing (in cartouches and other grids) and does not necessarily correspond to the arrangement in the sky. In this case, however, it is obviously a representation in concentric grids – a schematic division of the sky as known from the Middle Babylonian “Three Stars Each” texts, which have already been handed down 1.5 millennia earlier. The representation of the round Zodiac is thus most comparable to the “revolving star charts” commonly used today, where the celestial pole is in the centre and the outer edge represents the southernmost visible declination circle of a particular location. Due to the Egyptian sign grid, some constellations are certainly not quite in the right position, i.e. one cannot make a coordinate measurement of the Dendera relief and thus identify constellations. However, the individual figures should be roughly correctly positioned between the other figures. Specifically, this means, for example, that the constellation at the location of our constellation “Eagle” should be roughly in relief above the zodiac figures of Capricornus and Sagittarius, just not necessarily according to coordinates. In fact, there is a bird on the “round zodiac” at this very spot, but it looks more like a duck or goose and certainly not an eagle or vulture. In the absence of epigraphs, the meaning of this figure remains mysterious, but we can assume that the “Egyptian constellation of the duck” (whether or not it was called that and whether or not it existed in all time strata is a moot point) is to be found in the area of the bright star Atair (alpha Aquilae). In this concrete representation of the sky in the temple of Osiris on the roof of the temple of Hathor in Dendera, this constellation exists and is located at the position of Atair.

I hope with this info I could give an idea of how the puzzle work of science historians works and justify why my interpretation and method is legitimate. In the next post I will go more into the astronomical details. 

Ägyptologinnen bei der Arbeit: explorieren, diskutieren, fotografieren.

Danke abermals an Daniela Mendel-Leitz, die mir auch diesen Tempel zeigte – und ihre ägyptische Kollegin Mariam, die als nicht-astronomische Hieroglyphen-Spezialistin ebenfalls neugierig war, was ihre Kollegin herausgefunden hatte.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

1 Kommentar

  1. Den Zodiak von Dendera kenne ich aus meinem Pariser Studienaufenthalt vor über 30 Jahren. Er war damals niedrig an der Decke aufgehängt und man konnte sich auf ein große Polsten hinlegen, um ihn von unten anzuschauen, was ich oft getan habe (ich hatte freien Eintritt in die Nationalmuseen). Möglicherweise entspricht die Aufgängungshöhe den Verhältnissen vor Ort. Die Menschen waren damals aber etwas kleiner als heute.

    Der Zodiak hat mich sehr fasziniert, ich hatte klassische Archäologie als Nebenfach. Die ungleich Verteilung der Sternbilder erweckt den Eindruck, dass es sich um eine ungefähre Darstellung des Himmels handeln soll.

    Für Leser, die Bilder des Originals sehen wollen, hier der link.

    Permalink: https://collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010028871

    Die Seite erwähnt eine Erlaubnis vom 27. Januar 1821 von Mehmed Ali Pascha für den Abtransport. Näher kann ich das nicht beurteilen.

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