Hunt-Lenox-Globe: ein Original

Auf der Tagung der Internationalen Coronelli-Gesellschaft für Globenkunde dieses Jahr im September wurde über neuere Forschung zum Hunt-Lenox Globus in der New York Public Library berichtet. Das ist ein aus in zwei Teilen getriebener Kupferglobus mit graviertem Kartenbild der Erde.
Die Karte ist auf den ersten Blick als historisch erkennbar, denn sie zeigt zwar bereits die Karibischen Inseln Kuba und Hispaniola sowie ein – erstaunlich großes – Stück des südamerikanischen Kontinents, nicht aber Mittel- und Nordamerika. Aus kartographie-historischen Gründen wird der Globus daher landläufig an den Beginn des 16. Jahrhunderts datiert. Als erster Globus mit der Wiedergabe der Neuen Welt ist er ein Prunkstück der Schatzkammer der New York Public Library.
Die Streitfrage ist allerdings, wie alt der Globus wirklich ist und ob es sich um ein Original handelt.
In den letzten Jahren schien der Hunt–Lenox Globus seinen Glanz allerdings aus einem anderen Grund einzubüßen: Der Wiener Globensammler Stefaan Missinne stellte die These auf, es handle sich bei dem Globus in New York bloß um den Abguss eines in seinem Besitz befindlichen Stücks. Dieses wäre von Leonardo da Vinci auf den zusammengeklebten runden Hälften zweier 1504 gelegter Straußeneier ausgeführt worden. Problematisch ist dabei, dass der Sammler sein Stück der wissenschaftlichen Analyse durch das hier präsentierende Forschungsteam entzieht. Allerdings wurden in einem rezenten Forschungsprojekt unter Leitung von Frau Prof. Dr. Pippal (Kunstgeschichte, Universität Wien) in den vergangenen Jahren mehrere weitere kleine weiße Globen mit dieser Karte gefunden und analysiert.
Die ausführliche – historische und naturwissenschaftliche – Analyse der vier weißen Globen durch das wissenschaftliche Team wird 2024 in „Der Globusfreund“/ „Globe Studies“ erscheinen, aber schon jetzt ist der Hunt–Lenox Globe als Original rehabilitiert.

Referat auf der Tagung in Berlin
Innovativ war auch die Präsentation dieser Ergebnisse auf der Fachtagung in Berlin. Eingeleitet durch Vorträge von zwei der vier Mitglieder des Forschungsteams, wurde die gesamte Geschichte des Hunt Lenox Globus und der wissenschaftlichen Methode, wie man seiner Geschichte auf die Spur kommt, in einem Video präsentiert. Es war das erste Mal in der Geschichte der internationalen Symposien der Coronelli-Gesellschaft, dass ein Referat mit einem Video kombiniert wurde. Bei einem derart interdisziplinären Forschungsthema ist es von enormer Nützlichkeit, dass das Grundwissen von jedem der Fächer anschaulich präsentiert wird: Für Kunsthistoriker mag es intuitiv klar sein, wie Globen oder Repliken von ihnen hergestellt werden und diverse naturwissenschaftlichen Analysen sind wiederum nur den Laboranten in Museen en detail bekannt. Hier wurden all diese Details gezeigt, um die wissenschaftlichen Methoden den spekulativen Behauptungen von Amateurforschenden gegenüber zu stellen.
Zunächst hatte Thomas Horst in seinem Referat die Entdeckung des Hunt Lenox Globus’ Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris vorgestellt und dessen Pedigree referiert. Martina Pippal plädierte dann mit stilistischen Argumenten für die Ausführung des Globus in Frankreich um 1530 (d.i. etwas später als die übliche Datierung).
Das in Berlin im Anschluss an das Referat gezeigte Video von Martina Pippal streifte die problematische Behauptung eines da Vinci-Globus aus Straußenei: Neben dem sog. Ostrich Egg Globe resp. sog. Leonardo Globus in Wien wurden drei weitere so gut wie identische Exemplare in München, Mijas (Spanien) und New York vorgestellt. Das internationale und interdisziplinäre Forscherteam brachte alle vier Exemplare des weißen Globus überzeugend mit der Faksimilierungskampagne des Hunt–Lenox Globus in den 1980er Jahren in Verbindung.
Postscriptum:
Dieser Beitrag wurde als Vorab-Information vor der Fachpublikation von den Forschenden mitverfasst und authorisiert: Bei nächster Gelegenheit beabsichtigen wir das Video hier zu verlinken, das bisher nur dem Publikum der Fachtagung zugänglich gemacht wurde (es sind für eine breitere Veröffentlichung noch Ton- und Bildrechte zu klären). Für Fragen stehen die Forschenden ggf. selbst zur Verfügung.
Post-Postscriptum
Im Blog der Universität Wien wurde im Februar 2024 ein längerer Bericht veröffentlicht.