Tuberkulose, Cholera, Anthrax und Co
BLOG: ScienceZest
Virtuell halte ich mich viel im späten 19. Jahrhundert auf. Doch wenn mich einer fragen würde, ob ich IN ECHT mal dort (oder dann?) leben möchte, würde ich ich freundlich ablehnen. Immerhin gab es damals keine Antibiotika und Europa war herrlich durchseucht mit Tuberkulose und anderen Gruseligkeiten. Auf der anderen Seite sollte ich nicht so zimperlich sein, denn die Zeiten der unheilbaren Infektionskrankheiten winken grüßend von nicht all zu großer Ferne.
Ein Leben ohne Antibiotika kann sich heute kaum jemand vorstellen. In der Tiermast setzen wir Deutschen jedes Jahr mehr als 1000 Tonnen Antibiotika ein. Die verschwinden nicht magisch wenn wir das Masthähnchens braten. Antibiotika werden ausgeschieden. Wo der Geflügel-, Schweine-, und Kuhmist hinkommt, wissen wir alle.
Ich erinnere mich mit Gänsehaut an den Arztbesuch in Pasadena (Kalifornien, USA). Mein knapp 1-jähriger Sohn sollte ein Gesundheitszeugnis für den Kindergarten bekommen. Er zahnte und seine Nase triefte. Die Ärztin wollte ihm Antibiotika verschreiben, denn Triefnase kann sich in Nebenhöhlenentzündung ausweiten, dann in eine Ohrenentzündung, und dann in irgendwas anderes schreckliches. Ich habe angestrengt nach einem englischen Äquivalent zu “Mit Kanonen auf Spatzen schiessen” gesucht. Die Ärztin schickte uns mit einem “alle Hoffnung verloren” Kopfschütteln nach Hause.
In Deutschland ist mir das noch nicht passiert. Aber auch wir Deutschen lassen uns gern Medikamente verschreiben und Antibiotika sind nicht all zu selten dabei. Manch eine(r) hört mit der Einnahme auf wenn er/sie sich besser fühlt, vielleicht wird der Rest in der Toilette runter gespült. Dumm nur, dass Bakterien den Beschuss mit Antibiotika genau so lange brauchen, wie auf dem Rezept stand. Und jetzt hat sich Mensch eine schöne Kultur Antibiotika-resistenter Krankheitserreger gezüchtet. Aber man kann ja vielleicht noch mal zum Arzt gehen und sich ein anderes Antibiotikum verschreiben lassen? (Die Mikrobiologin muss an dieser Stelle weinend zusammenbrechen)
Unser Umgang mit der besten Waffe gegen Infektionskrankheiten ist nicht nur schlampig, sondern auch gefährlich. Doch ich beisse mir jetzt auf die Zunge, höre auf zu labern und zeige lieber einige wenige Beispiele, wie das Leben ohne Antibiotika ausgeschaut hat. (Merke: diese Situation is equivalent zur Situation ausgelöst durch wirkungslose Antibiotika dank Mehrfachresistenzen).
Interessant finde ich, dass schon Fleming (Entdecker des Penicillin) vor Antibiotika Resistanzen gewahrt hat:
“It is not difficult to make microbes resistant to penicillin in the laboratory by exposing them to concentrations not sufficient to kill them, and the same thing has occasionally happened in the body. The time may come when penicillin can be bought by anyone in the shops. Then there is the danger that the ignorant man may easily underdose himself and by exposing his microbes to non-lethal quantities of the drug make them resistant.” Quelle: A. Fleming, “Penicillin”, Nobel Lecture, December 11, 1945
Man könnte jetzt zaghaft vorschlagen, sein Fleisch nur noch beim Biobauern zu kaufen, bis (dann irgendwann mal) die Nutzung von Antibiotika sehr viel strenger reglementiert wird. Aber das wäre jetzt zu offensichtlich…