Pestizide: Nachhaltiger durch Polymere

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Der BASF-Forschungsblog
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Mit unserem heutigen Bloggast Murat Mertoglu (32) geht es in vier Disziplinen: Der Polymerforscher arbeitet eng mit Kollegen aus Biologie, Agronomie und Applikationstechnik zusammen. Bei BASF leitet er im Bereich Pflanzenschutz ein interdisziplinäres Team, das polymerbasierte Formulierungen für Pestizide entwickelt. Vor neun Jahren kam Mertoglu nach dem Chemiestudium in der Türkei zur Promotion ans Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung in Potsdam und ist seit 2005 bei BASF tätig. 
Herr Mertoglu, wie kommt ein Polymer-Chemiker dazu, Formulierungen für Pestizide zu entwickeln?
Ähnlich wie bei Pharmazeutika ist auch bei Pflanzenschutzmitteln die Formulierung entscheidend für die Effektivität des Wirkstoffes. Daher sehen Forscher hier im Unternehmensbereich in Formulierungen großes Potential für die Weiterentwicklung der Produkte. Um die Forschung zu intensivieren haben meine Kollegen einen Experten gesucht, der Erfahrung mit polymerbasierten Formulierungen hat. Ich habe in der Polymerforschung der BASF solche Formulierungen für Pharmazeutika und Kosmetika entwickelt und so war es naheliegend, dass ich die Pflanzenschutzmittel-Kollegen bei der Entwicklung innovativer Polymer-Anwendungen unterstütze.
Welche Aufgabe haben Polymere in Formulierungen?
Polymere können vielfältige Aufgaben übernehmen. Eine davon ist die Löslichkeit von Wirkstoffen zu verbessern. Üblicherweise wird der Wirkstoff eines Pflanzenschutzmittels in einem organischen Lösungsmittel wie Zucker in Wasser aufgelöst, damit er besser in die Pflanze eindringen kann. Polymere können diese Funktion ebenfalls übernehmen und dadurch zum großen Teil das Lösungsmittel ersetzen. 
Das Pestizid enthält aber nach wie vor Lösungsmittel?
Ganz können wir noch nicht auf sie verzichten, da Landwirte flüssige Pflanzenschutzmittel bevorzugen. Aber durch die Verwendung von Polymeren ist es jetzt möglich mit weniger Lösungsmittel eine bessere Wirkung zu erzielen. Damit benötigen die Anwender weniger Pflanzenschutzmittel pro Hektar. Außerdem können die Wirkstoffe anstatt in herkömmlichen, auf petrochemie-basierenden Lösungsmitteln, auch in sanfteren Lösungsmitteln gelöst werden, die zum Teil aus nachwachsenden Rohstoffen hervorgehen.
Welche Vorteile bieten diese neuartigen Formulierungen neben einer besseren Umweltverträglichkeit?
Der Landwirt erzielt damit eine bessere Wirkung. Bei herkömmlichen Formulierungen kann es vorkommen, dass das Lösungsmittel schneller in die Pflanze eindringt als der Wirkstoff. Wenn dieser dann auf der Pflanze auskristallisiert, kann er nicht mehr vollständig aufgenommen werden. In der neuen Formulierung ist der Wirkstoff dagegen in einem Polymerfilm eingebunden, der sich über die Pflanze legt. Dadurch bleibt der Wirkstoff an der Blattoberfläche gelöst und kristallisiert nicht aus. Er kann dann über längere Zeit besser in die Pflanze diffundieren und seine Wirkung entfalten. 
Wann kommt das erste Pestizid mit Polymer-Formulierung auf die Felder?
Es wird noch einige Zeit vergehen, bis unser erstes polymerbasiertes Pestizid dieser Art auf den Markt kommt. Aber zurzeit laufen bereits umfassende Praxistests, von denen ich ein paar besucht habe. Für mich als Polymerforscher ist das immer ein aufregender Moment, zu sehen, wie sich die Formulierung in der Praxis bewährt.  
Die Fragen stellte der Wissenschaftsjournalist Dr. Michael Lang
 
Literaturhinweis:

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AutorInnen in diesem Gruppenblog: +++ Dr. Peter Erk +++ Peter Erk studierte Chemie an der Universität Würzburg und promovierte zu metallisch leitfähigen organischen Radikalanionensalzen. Nach einem Forschungsjahr an der Stanford University bei Prof. James P. Collman arbeitete er mehrere Jahre im Bereich Pigmentforschung der BASF mit dem Schwerpunkt auf Polymorphie und Grenzflächeneigenschaften von Lackpigmenten. Seit 2001 gestaltet er die Projekte der BASF zu OLEDs und zu Organischen Solarzellen mit und leitet zurzeit die Gruppe Bauteil-Entwicklung für beide Technologien im Joint Innovation Lab Organic Electronics der BASF. Als technischer Projektleiter und Research Director ist er global für die Forschung an organischen Solarzellen zuständig. +++ Anja Feldmann +++ Anja Feldmann studierte Journalistik in Dortmund und Slawistik an der Ruhr-Universität Bochum. Nach längeren Auslandsaufenthalten in Russland und Japan arbeitete sie zunächst als Wirtschaftsredakteurin bei dpa und Reuters. 2002 wechselte sie nach China und war für den DAAD in einer Hochschulkooperation mit der Tongji Universität in Shanghai tätig. Nach ihrer Rückkehr schloss sie sich 2008 der neu gegründeten Forschungskommunikation der BASF SE an und beschäftigt sich unter anderem mit dem Einsatz von Social Media in Wissenschaft und Forschung. +++ Dr. Judith Schrauf-Papadopoulos +++ Judith Schrauf-Papadopoulos studierte Germanistik und Computerlinguistik in Heidelberg. Nach einer Tätigkeit in der internen Kommunikation bei DHL bekam sie ein DFG Stipendium im Graduiertenkolleg "NeuroAct" und promovierte zur kognitiven Sprachverarbeitung. 2010 fing sie bei BASF Crop Protection in der globalen Kommunikation an. Anschließend wechselte sie in den spannenden Bereich der Forschungskommunikation, wo sie sich unter anderem darum kümmert, die vielseitigen Forschungsfelder der BASF im Web zu präsentieren.

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