Asymmetrische Katalyse erleichtert selektive Herstellung

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Der BASF-Forschungsblog
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Prof. Dr. Nicolai Cramer von der École Polytechnique Fédérale in Lausanne hat im Rahmen des „Heidelberg Forum of Molecular Catalysis“ den diesjährigen BASF Catalysis Award erhalten. Cramer, 1977 in Stuttgart geboren, bekam die Auszeichnung für seine Arbeiten an katalytischen Verfahren zur Synthese von biologisch aktiven Molekülen. Cramer leitet in Lausanne das Labor für asymmetrische Katalyse und Synthese. Der BASF Catalysis Award ist mit 10.000 Euro dotiert. Der Wissenschaftsjournalist Klaus Jopp sprach mit Prof. Cramer und erfuhr, was asymmetrische Katalyse ist und welche Bedeutung sie in unserem Leben einnehmen kann. 

Prof. Cramer erhält den BASF Catalysis Award 2013 beim Heidelberg Forum of Molecular Catalysis aus den Händen von Dr. Andreas Kreimeyer, Sprecher der Forschung, BASF SE
Abb.: Prof. Cramer erhält den BASF Catalysis Award 2013 beim Heidelberg Forum of Molecular Catalysis aus den Händen von Dr. Andreas Kreimeyer, Sprecher der Forschung, BASF SE

Herr Prof. Cramer, herzlichen Glückwunsch zum BASF Catalysis Award 2013. Welche Bedeutung hat die Katalyse generell in der Chemie und welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Die Katalyse hat schon heute eine überragende Bedeutung. Mehr als 90 Prozent aller chemisch hergestellten Erzeugnisse sehen auf ihrem Weg mindestens einmal einen Katalysator. Diese Entwicklung gilt im Übrigen weltweit und wird sich sicher fortsetzen.

Der Preis wird Ihnen für die asymmetrische Katalyse zur Herstellung von biologisch aktiven Molekülen verliehen, was bedeutet eigentlich asymmetrische Katalyse?

In der asymmetrischen Katalyse nutzen wir chirale Metall-Komplexe, die eine Synthese enantioselektiv steuern. Dabei wird von zwei Molekülen, die sich zueinander wie Bild und Spiegelbild verhalten, nur eine Variante hergestellt.

Bei Ihren Arbeiten geht es um die direkte Funktionalisierung von C-H Bindungen. Warum ist diese Funktionalisierung so wichtig und wie gelingt sie?

C-H Bindungen sind außerordentlich weit verbreitet. In der organischen Chemie gibt es eigentlich kaum ein Molekül, in dem nicht mehrere dieser Bindungen vorkommen. Allerdings sind diese Bindungen sehr reaktionsträge, Paraffine verhalten sich zum Beispiel weitestgehend inert. Daher ist es schwer diese Bindungen synthetisch zu nutzen. Aber wir sehen in der Natur, dass bestimmte Enzyme dies auch schaffen. Die gezielte Funktionalisierung dieser Bindungen ist ein großer Gewinn, schon allein weil sich das Rohstoffspektrum der Chemie deutlich vergrößert. Ein weiterer Vorteil ist die höhere Effizienz gegenüber bisherigen Verfahren, die mehrere Syntheseschritte benötigen. Insbesondere müssen wir bei unseren Reaktionen auf die Selektivität achten, die dafür sorgt, dass  die Umsetzung gezielt an der richtigen Stelle stattfindet. Das gelingt mit geeigneten Katalysatoren, die uns eine immer größere Bandbreite von C-H Bindungen für die Synthese erschließen. 

Bei dieser Art der Katalyse gelingt die Herstellung von Molekülen enantioselektiv, warum ist das so bedeutend?

Die Nachfrage nach solchen Molekülen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Das liegt sicher an der häufig unterschiedlichen oder sogar gegensätzlichen Wirkungsweisen der beiden Enantiomeren eines Medikaments beispielsweise. Was passieren kann, wenn wir darauf nicht achten, belegen die traurigen Ereignisse um das Beruhigungsmittel Contergan.

Die Aktivierung der Bindungen gelingt mit maßgeschneiderten Übergangsmetall-Komplexen. Spielen dabei die Liganden eine entscheidende Rolle? 

In einem gewissen Maße ist es uns gelungen, mit maßgeschneiderten Komplexen die notwendige Reaktivität und Selektivität zu erzielen. Dabei haben wir mehrere Stellschrauben: Zum einen bei dem zentralen Metallatom, zum anderen aber vor allem bei den Liganden, die dieses Metallatom umgeben. Diese Herangehensweise wird sich sicher auch weiter fortsetzen. Die Entwicklung der Liganden ist sozusagen die Königsklasse. Der richtige Ligand ist häufig überhaupt die Voraussetzung, um die Reaktivität und Selektivität zu erhalten bzw. um eine Reaktion in die gewollte Richtung zu lenken. Die Entwicklung von speziellen Phosphin-Liganden hat uns zum Beispiel Reaktionen zugänglich gemacht, die zuvor unmöglich waren. 

Lassen sich die benötigten Liganden heute bereits „designen“?

Leider ist man noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem dies perfekt funktioniert. Dies ist eher eine Mischung aus rationalem Design und einem iterativen Screening, bei dem noch ein Quäntchen Glück und manchmal auch der Zufall eine Rolle spielt. Das geht bis hin zu eigentlich ungewollten Verunreinigungen, die dann plötzlich sehr hilfreich sind, was sich allerdings immer erst im Nachgang ermitteln lässt.

Optimierte Reaktionen, bessere Rohstoffbasis – kennzeichnet das nicht auch ein nachhaltiges Vorgehen, das in der Chemie immer mehr an Bedeutung gewinnt?

Gerade aus Sicht der Nachhaltigkeit hat dieses Thema in den zurückliegenden Jahren große Beachtung gefunden. Gerade die Katalyse ist hier die entscheidende Toolbox. Man könnte es so formulieren, sie eröffnet uns einen „Shortcut to Sustainability“.

Ist Nachhaltigkeit für Sie ein Anliegen an sich?

Unser Hauptziel ist es, Reaktionen schneller, besser, kostengünstiger zu machen – damit erreichen wir automatisch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. 

Auch wenn Sie tief in der Grundlagenforschung stecken – gibt es schon Vorstellungen, welchen praktischen Nutzen Ihre Forschung haben wird?

Wir entwickeln präzise Werkzeuge für alle Felder, die Moleküle herstellen. Unsere Methoden eignen sich für eine schnellere Synthese. Hier geht es bei der Medizinforschung sicher in die Richtung, rascher an Wirkstoffkandidaten zu kommen. So haben wir Moleküle synthetisiert und identifiziert, die eine Anti-HIV Wirkung besitzen. Hier arbeiten wir in Lausanne eng mit den Life Sciences zusammen. Es gibt aber auch andere interessante Gebiete wie die Materialwissenschaften, denen wir einen besseren Zugang zu Molekülen, die beispielsweise für die Organische Elektronik verwendet werden, liefern können.

Bisher gilt die Aufarbeitung von Racematen als aufwändig und teuer, bieten Ihre Arbeiten eine Alternative?

Die physikalische Trennung von Racematen hat sich in den letzten Jahren auch sehr stark verbessert. Wenn man weiß, welches der beiden Enantiomere verwendet wird, ist unser Ansatz wertvoll. Am Ende muss man dann nicht die Hälfte der Moleküle wegwerfen.

Arbeiten Sie eigentlich auch mit der BASF zusammen? 

Bisher gibt es noch keine Projekte oder eine direkte Kooperation mit der BASF. Indirekt unterstütze ich natürlich das Unternehmen mit guten Doktoranden, die ich ausgebildet habe und die inzwischen bei der BASF arbeiten.

Was macht der Forscher Cramer in seiner Freizeit?

Ich genieße die tolle Natur rund um Lausanne. Dabei spielt Sport eine große Rolle, insbesondere Laufen, Squash und verschiedene Wintersportarten. Und der Privatmann Cramer kocht sehr gern – wie im Übrigen fast alle Chemiker. Der Weg zwischen Labor und Küche scheint kurz zu sein.   

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Beatrix Dumsky studierte Mineralogie an der Universität Heidelberg. Nach einer einjährigen Ausbildung zur PR-Referentin sammelte sie Erfahrung in einigen Agenturen bevor sie Ihren Traumjob in der Forschungskommunikation fand. Nach fast 15jähriger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für ein Institut der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung und einer kurzen Phase als Freiberuflerin stieg sie Anfang 2013 bei der BASF-Forschungskommunikation ein. Hier spürt sie nach, wie aus der industriellen Forschung bei BASF marktfähige Innovationen werden.

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