Visite 2009 – Analog Thoughts about Digitals

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
Psychologieblog
[Eine Blogvisite verfasst von Susanne M. Hoffmann – Uhura Uraniae]
 
Cyborg unterwegs. Digital Natives gegen Migrants: Baut sich unser Gehirn gerade um, werden wir Borg? Gehen im Zeitalter der sozialen Beschleunigungen und Gentechnologie etwa auch Mutationen schneller? (Das ist eine ernsthafte Frage, denn ich habe mich wissenschaftlich stets auf die unbelebte Materie spezialisiert und verstehe von Biologie, Medizin und allem damit Verwandten leider fast nichts.) – Ich vermute: nur weil wir schnellere Technik und Technologien entwickeln, beschleunigen wir wohl kaum biologische Prozesse. (oder?) Darum, glaube ich, ist womöglich die strikte Unterscheidung zwischen den Digital Natives und Digital Migrants ein wenig übertrieben.

Ich denke, das Internet als Kommunikationsplattform (Medium) erleichtert die Globalisierung, denn es ist viel leichter, mit Freunden in weit entfernten Gebieten der Erde Kontakt zu halten. Allerdings ändert sich nicht grundsätzlich das menschliche Sozialverhalten: Menschen brauchen m.E. grundsätzlich andere Menschen, also sie brauchen einander (manche mehr, andere weniger). Die Soziologen wissen das wahrscheinlich besser als ich. Aber meine Beobachtung menschlichen Verhaltens (als stets in geistigen Sphären schwebende Astronomin) ist, dass sich die wenigsten nur ein paar Digits zufrieden geben: So wie man für ein Dasein im abgeschiedenen Kloster geschaffen sein muss, können sich auch langfristig m.E. virtuelle Chatrooms nicht für jeden Menschen gleichermaßen eignen. Andere Personen erscheinen hier ja nur virtuell anwesend. Wenn man "jetzt" beobachtet, dass die Leute mit Geburtsjahr ab 1980 mit dem Internet groß werden und wurden, also mehr in dieser virtuellen Welt "leben" (chatten, daten, flirten, sich verlieben…), dann ist das m.E. nur die halbe Wahrheit. Ich glaube vielmehr, d.i. a) selektive Wahrnehmung, denn es gibt solche Menschen, aber längst nicht alle sind so. Jedoch fallen diejenigen weniger auf, die es nicht tun. b) Können wir das vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht beurteilen, denn:

Diejenigen Menschen mit Geburt ab 1980 sind jetzt nicht einmal dreißig Jahre jung. Viele Teenager suchen Orientierung und daher Gespräche mit anderen. Jedoch später, wenn man übers Schulalter hinausgeht, also spätestens ab dem Berufseinstieg hat man für kommunikativen Schnickschnack weniger Zeit. Kommunikation wird also aufs Notwendigste reduziert. Auch hier greift, dass Menschen sehr verschieden sind: Bei den einen ist "notwendig" mehr und bei den anderen weniger. Die Folge ist eine Arbeitsteilung: es gibt schließlich Experten für Kommunikation (z.B. Sekretärinnen, Diplomaten, Politikerinnen, Journalisten… u.a. Dienstleister) und solche, die für andere Sachen zuständig sind und weniger Kommunizieren.

Fazit:
Mein Vorschlag ist also, diese Thesen noch mit Vorsicht anzufassen: So wie manche SchülerInnen auf großen öffentlichen Plätzen "abhängen", "chillen gehen", als Studis in Kneipen stammtisch-philosophieren oder sonstwie das Leben genießen, so chatten und networken sie modernerweise auch im Internet. Ergebnisse sind Facebook, twitter, YouTube, flickr, … und wie sie alle heißen. Großeltern, die mit ihren Enkeln auf anderen Kontinenten in der globalen Gesellschaft Kontakt halten wollen, gehen online – aber ersetzen wird das Internet m.E. wohl kaum weder Telefon noch persönliche Begegnungen langfristig – es ergänzt sie nur.     

Anfangs ist es hipp (vielleicht auch in bestimmtem Alter), aber irgendwann merkt man, dass zu viel Internet & PC sehr einsam machen können – ebenso wie viele Bibliothekaufenthalte. Das muss man entweder leiden können oder man geht zu klassischen Kommunkationsmethoden über, um wirklichen Menschen zu begegnen. Ich glaube, in spätestens ca. zehn Jahren werden wir gelernt haben, mit dem neuen Medium ausgiebig, aber nicht überschwenglich umzugehen und besser sagen können, ob die aktuell-junge Generation wirklich purely-digital ist und sich die Digital Migrants geoutet fühlen müssen.

Übrigens: Ich mag das Internet als Kommunikationsmittel, aber ich will nicht mein eigener Nachrichtenredakteur sein und daher rezipiere ich News auch weiterhin aus dem Radio. Ich lebe nicht virtuell, sondern real und ich habe im weltweiten Netz lediglich eine Repräsentation von mir hinterlegt. – Schöne Grüße vom Alter Ego einer Digital Native aus der virtuellen Parallelwelt!

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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