Mofi 2019 in Darmstadt

BLOG: Pictures of the sky

Eine fotografische Reise durch's All
Pictures of the sky

Vom Medienhype über den Blutmond auf facebook, instagram, twitter und sonstiger sozialer Plattformen sowie den Nachrichten her könnte man meinen, wir wären nun in den USA angekommen.

HIER habe ich 2015 berichtet, wie in den USA eine Mondfinsternis abläuft und ehrlich gesagt, ich fand‘s gut. Viele Menschen auf der Straße unterhielten sich über das bevorstehende Ereignis, selbst beim Tanken wurde man darauf hingewiesen, dass demnächst ‚Bloodmoon‘ ist. An sich finde ich es immer lobenswert, wenn sich die Menschen mit dem Thema Astronomie oder Wissenschaft auseinandersetzen! Aber man muss doch für eine Mondfinsternis nicht Namen wie ‚Super-Blutmond‘ oder ‚Mega-Wolfsmond‘ oder was auch immer erfinden! Das grenzt schon fast an Kommerz – das Produkt mit dem neueren, besseren Namen verkauft sich besser… Zum Glück kam noch niemand auf die Idee, für ne Mondfinsternis irgendwelche Gebühren zu verlangen.

Schon Wochen im Voraus bekam ich auf diversen sozialen Medien ‚Werbung‘ für das Supermond-Blutereignis angezeigt und wie man es fotografiert und wie man Videokurse zu dem Thema kaufen kann. Moment mal: Da ist er ja, der Kommerz!

Doch genug der Aufregung. Es war ein wirklich großartiges Ereignis und ich bin froh, es nicht verpasst zu haben.  Die Eindrücke des ganzen möchte ich hier teilen und ganz entgegen dem Kommerz auch gratis zeigen, wie ich die Fotos angefertigt habe!

Um 6:00 Uhr klingelte mein Wecker und ich habe bis um ca. 7:00 Uhr Zeit, mich ganz der Mondfinsternis zu widmen, bevor ich zu meinem Werksstudentenjob fahren muss.

Um 6:05 Uhr stand ich auch schon auf der Straße (vorbildlich hatte ich am Vorabend schon alles vorbereitet) und erblickte den schon fast maximal verdunkelten Mond circa 20° über dem Horizont von Darmstadt. Ich erkannte den ganzen Mond und alle Details, die man vom ‚normalen‘ Vollmond her kennt. Nur diesmal wurde ich beim Anblick nicht geblendet. Wie ein fremdes Objekt mit Dimm-Beleuchtung erschien der Mond mit seiner rötlichen Farbe. Nur am nordöstlichen Rand war er etwas heller beleuchtet und erschien dort eher gelblich als rot.

Die rote Farbe rührt daher, dass der Mond, der bei einer totalen Mondfinsternis im Kernschatten der Erde liegt, von Streulicht beleuchtet wird. Dieses Licht von der Sonne gelangt an den Rändern der Erde vorbei. Durch die vergleichsweise dünne Atmosphärenschicht wird ein kleiner Teil dieses Lichtes gestreut und somit unter anderem zum Kernschatten der Erde hin abgelenkt. Da das Licht durch die Atmosphäre wandert, werden durch Rayleigh-Streuung fast alle kürzeren Wellenlängen herausgefiltert, sodass wie bei einem Sonnenuntergang nur noch der rote Anteil des Lichtes übrigbleibt. Dieser rote Anteil, der dann von der Mondoberfläche wieder zur Erde zurückreflektiert wird, hat eine relativ geringe Intensität, weshalb man das Rot bei der geringsten direkten Sonnenbestrahlung nicht mehr wahrnimmt. Darum sieht man es bei der Halbschattenphase vor und nach der Totalität so gut wie gar nicht.

Fasziniert von der fahlen Rotfärbung des Mondes ging ich weiter zu meinem Foto-Ziel. Dieses Mal wollte ich die Finsternis gebührend in Szene setzen. Mittels ‚The Photographers Almanach TPA‘ habe ich mich vorab etwas informiert, wo der Mond wann in welcher Höhe steht. So entschied ich mich dazu, den Mond zusammen mit einer der Kuppeln des berühmten Hundertwasserhauses in Darmstadt abzulichten. Da ich aber die genaue Höhe des Hauses nicht parat hatte, habe ich es einfach abgeschätzt. Am Samstagabend habe ich dann etwas mit dem zunehmenden Mond experimentiert und mich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut gemacht. Mein Ziel war es, den Mond möglichst dicht zentriert über einer der Kuppeln zu fotografieren. An sich ist dieses Vorhaben garnicht schwer, wenn man sich ohne Grenzen frei bewegen kann. Doch in einer Stadt mit Mauern, Straßen und noch mehr Mauern ist man in seiner Bewegungsfreiheit doch sehr eingeschränkt und man muss die Winkel nehmen, die man angeboten bekommt.

So habe ich dieses Testbild meiner eigenen kleinen Mondfinsternis aufgenommen:Künstliche Mondfinsternis

Credit: Kevin Gräff ‘Künstliche Mondfinsternis’ durch das HundertwasserhausHeute Morgen stand der Mond allerdings schon etwas tiefer und in westlicher Richtung. Das heißt, der Beobachtungsplatz wird definitiv in weniger dicht bebautem Gebiet sein, wenn ich das Hundertwasserhaus im Blickfeld haben möchte. Und so war es dann auch. Auf einem Parkplatz hatte ich dann sogar einiges an Bewegungsfreiheit und ich konnte mit der Perspektive spielen. So entstand folgendes ‚Testbild‘:Mondfinsternis über dem Hundertwasserhaus mit Flugzeug

Credit: Kevin Gräff Mondfinsternis über dem Hundertwasserhaus mit FlugzeugLeider habe ich etwas zu spät auf den Auslöser gedrückt, sonst wäre das eine zweifache Mondfinsternis geworden. So verlaufen aber wenigstens noch die Kondensstreifen vorm Mond entlang.

Doch die Bildkomposition war noch nicht perfekt, also probierte ich weiter. Und siehe da: so hab´ ich mich das vorgestellt:

Gut ausgerichtet: Die Mondfinsternis über dem Hundertwasserhaus in Darmstadt
Credit: Kevin Gräff Gut ausgerichtet: Die Mondfinsternis über dem Hundertwasserhaus in Darmstadt

Circa 11 Minuten nach Totalität um 6:23 Uhr.

Aufgenommen wurde dieses Bild mit einer Canon 7d Mkii und einem EF 100 2.8L Objektiv (100mm Brennweite). Die Kamera befand sich auf einem Stativ, um Verwacklungen zu minimieren und wurde mit einem Fernauslöser ausgelöst. Die Belichtungszeit betrug 2 Sekunden bei ISO-1600 und einer Blende von F/4,5. Den Bildstabilisator habe ich bewusst ausgeschaltet, damit dieser dem ruhigen Bild nicht entgegenarbeitet und es so verschlechtert. Mit Stativ braucht man keinen Bildstabilisator!

Fokussiert habe ich auch manuell über den Live-View meiner Kamera. Da gehe ich immer auf Nummer sicher, gerade bei lichtschwachen Objekten.

Nachdem mir das Bild geglückt ist, wurde es Zeit für eine Detailaufnahme des Mondes. Dafür verwendete ich ein 150-600mm Objektiv von Sigma. Auch hierbei wurde die Kamera wieder auf ein Stativ montiert, der Bildstabilisator ausgeschaltet und mit 600mm manuell fokussiert. Bei einer Iso-Zahl von 1600 und einer Blende von F/6,3 habe ich dieses Bild mit einer Sekunde Belichtungszeit belichtet. Dabei wäre es laut Kamera trotz Spotmessung fast zwei Blendenstufen zu dunkel, doch für mich als Betrachter hat sich diese Einstellungskombination als sinnvoll erwiesen. So wurde der helle Bereich im Nordosten des Mondes nicht überbelichtet:Nahaufnahme mit 600mm Brennweite!

Credit: Kevin Gräff Nahaufnahme mit 600mm Brennweite!Das Bild entstand circa 23 Minuten nach der Totalität um 6:35 Uhr.

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Ich bin 1992 geboren und besuchte bis zum Abitur das "Gymnasium Gernsheim". Dort war ich in den Leistungskursen Mathe und Physik. Zur Zeit studiere ich Physik an der Technischen Universität in Darmstadt. Ich interessiere mich schon sehr lange für allerlei Wissenschaften, was wohl auch die Studienfachwahl begründen dürfte. Seit Ende 2006 beschäftige ich mich aktiv mit der Astronomie, worauf bald die Mitgliedschaft bei der Arbeitsgemeinschaft Astronomie und Weltraumtechnik Darmstadt folgte. Kevin Gräff

8 Kommentare

  1. Schön, dass hier wieder die technischen Details beschrieben werden. Das Getue um den “Blutmond” finde ich auch langsam affig, zumal der Ausdruck von einer amerikanischen Weltuntergangssekte stammen soll. Um die Mondfinsternis zu beobachten bin ich früh genug aufgestanden, weil ich auch den Eintritt des Mondes in den Kernschatten der Erde sehen wollte. Zum Glück gehen meine Wohnzimmerfester nach Westen und so konnte ich das Ganze bequem vom Sessel aus verfolgen. Das Wetter war klar und der Mond zeigte sich erst ziemlich hell und farblos. Nach und nach verdunkelte er sich jedoch und als die Totalität erreicht war bekam er eine leicht orange Färbung. Von wegen “Blutmond”!

  2. Kann Mona nur beistimmen. Auch mir ( Neuling in Fotografie und 70 Jahre alt ) haben besonders die technischen Angaben interessiert, zum nachlesen und mit anderen Motiven zum Ausprobieren.
    Und Mona, du hast recht, Altersbedingt habe ich schon bestimmt mir mindestens fünf bis sechs Weltuntergangssekten gehört, bei denen sogar mehrere Menschen ums Leben kamen, teils Selbstmord, teils Mord.
    Ich bin Gegner von Sekten jeglicher Art und stehe auch allen Arten von Kirchen, egal welcher Glaubensrichtung kritisch gegenüber.
    Und noch für Kevin : Die Idee mit dem Hundertwasserhaus in Darmstadt war echt super. Hat mir gut gefallen Kevin. Danke.

  3. Schöne Bilder, und toller Bericht!

    Zum Thema Aufregung und Kommerz stimme ich dir zu. Mir scheint, dass sehr viel Kommerzgedanke hinter diesem Phänomen steckt. Kostenpflichtige Fotokurse und “SuperBlutmondSonderangebote” von Astrohändlern sind da nur die Spitze des Eisbergs. Am beisten profitiert die Klickmich-Aufmerksamkeitsindustrie, die den Ruhepuls des Lesers unbedingt vermeiden muss. Als nächstes stehen wahrscheinlich wiedre die Lyriden auf dem Programm: 5 Sternschnuppen pro Stunde sind schließlich ein Mega-Meteorregen, kurz vorm Weltuntergang quasi!

    cs,
    Jan

  4. @Rudi Haas

    Ich finde es beeindruckend, dass Du in Deinem Alter noch mit der Fotografie anfängst. Ein schönes Hobby! Die Sekte erwähnte ich, weil von ihr ja der Begriff “Blutmond” geprägt wurde, der ursprünglich aus dem Alten Testament stammt. Im Buch Joel 3,4 verheißt Gott: “Die Sonne wird sich verfinstern und der Mond blutrot scheinen, bevor der große und schreckliche Tag kommt, an dem ich Gericht halte.” Damit kann man natürlich den Leuten prima Angst machen. Laut dieser Zeitung wurde der Begriff von der NASA aufgegriffen und verbreitet. Dabei wird auch noch ein falscher Eindruck erweckt, denn der Mond erscheint ja eher orange und nicht dunkelrot. Ich finde wissenschaftsorientierte Institutionen sollten sich an die Fakten halten, selbst wenn das Wort “Blutmond” äußerst werbewirksam rüberkommt.

  5. @Jan Hattenbach

    Vielen Dank für den Hinweis auf das “Volksbegehren Artenvielfalt“ in Bayern, das natürlich auch für “die Freunde der Nacht” und deren Ärger über die Lichtverschmutzung von Bedeutung ist.
    Wer in Bayern lebt, kann vom 31.01.-13.02.2019 im jeweils zuständigen Rathaus seine Unterschrift dazu abgeben. (Ausweis nicht vergessen!)
    https://himmelslichter.net/lichtverschmutzung-ein-neues-gesetz-in-frankreich-und-ein-volksbegehren-in-bayern/

  6. Gelungene witzige Idee, sehr schöne Fotos und interessante Details für Freunde des Technischen, was will man mehr !
    Und auch wohltuend daß jemand aus der ‘jüngeren Generation’ dem ganzen künstlichen Hype entsagen kann/mag.. 😉
    – Kurz: Danke !
    (von einem der ein bißchen älter ist)

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