Auch Bakterien wollen surfen

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Parasitengeflüster

Ein Aufschrei geht durch die Surfcommunity meiner Wahlheimat Australien: Im Darm von Surfern sind mehr antibiotikaresistente Bakterien als im Durchschnitt der Bevölkerung!

Laut der WHO sind antibiotikaresistente Keime eines der größten Public Health Risiken unserer Zeit. Es kann unabhängig von Alter und Herkunft jeden Menschen jederzeit betreffen und führt zu einer steigender Zahl von Erkrankungen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen.(1) Umso wichtiger ist es natürlich die Wege dieser Keime aufzudecken und Risikogruppen ausfindig zu machen.

Doch wer hätte gedacht, dass gesunden junge Menschen, die einen Sport welcher in vergleichsweise gesundem Einklang mit der Natur betreiben einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein sollen? Die Forschungsgruppe um Assoc. Prof. William Gaze der University of Exeter hat in einer breit angelegten Studie rund um die Küsten von England und Wales gezeigt, dass Surfer und Bodyboarder, die sich viel im Meer aufhalten einem höheren Risiko ausgesetzt sind, antibiotikaresistente Darmbakterien anzusiedeln als Kontrollpersonen, welche nur selten im Meer baden.(2) Die meisten Träger dieser Keime sind asymptomatisch, das heißt, sie merken nicht, dass sie befallen sind und werden auch nicht behandelt. Doch sie tragen natürlich zur Verbreitung der Bakterien bei. Obwohl die Datenlage mit 143 Surfer und 130 Kontrollpersonen, von denen 9% bzw. 3% diese Bakterien im Darm hatten(2) Surfen nicht gerade zu einem Hochrisikofaktor macht, ist meiner Meinung nach etwas anderes hier alarmierend.

Die Wissenschaftler haben auch die Gewässer rund um England und Wales untersucht und einen relativ hohen Anteil an antibiotikaresistenten E. Coli Stämmen gefunden. Die Vorstellung, dass wir durch unüberlegten Antibiotikagebrauch, durch Einleiten von Abwässern in das Meer, und Verschmutzung des Meeres dazu beigetragen haben, dass diese „superbugs“ nun im Meer einen Lebensraum gefunden haben finde ich sehr beunruhigend.

  • http://www.who.int/mediacentre/factsheets/antibiotic-resistance/en/
  • Leonard, A.F.C. et al., Environment International (2017), https://doi.org/10.1016/j.envint.2017.11.003

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Dr. Anja Rüther testet an der Monash University in Melbourne spektroskopische Methoden zur Diagnose von Infektionskrankheiten, insbesondere Malaria. Ihre Forschung bringt sie in die entlegensten Ecken Südostasiens, wo sie Proben von Malariapatienten mit Infrarotspektroskopie untersucht. Nach dem Pharmaziestudium in Berlin und Innsbruck hat sie in pharmazeutischer Chemie in Freiburg promoviert. Während ihrer Promotion hat sie chiroptische Spektroskopiemethoden zur Untersuchung dynamischer Systeme verwendet.

8 Kommentare

  1. We know very little about the spread of antibiotic resistant bacteria and resistance genes between our environment, farm animals, wild animals and humans.„ liest man im Independent dazu.
    Es gibt viele mögliche Quellen dieser antibiotikaresistenten Bakterien – auch Tierfarmen (Zitat):

    He warned that antibiotics leach into the environment from farms, sewage and other means and, in some areas, environmental samples “have higher antibiotic concentrations than patients being administered antibiotics”.

    Interessant wäre ein Vergleich mit Ländern in denen Antibiotikaresistenzen weit verbreitet sind, weil Antibiotika sehr häufig zum Einsatz kommen – also mit Ländern wie Italien und Indien.

  2. Ist es nur eine Frage der Zeit bis antibiotikaresistente Bakterien dominieren?
    Nicht unbedingt, denn scheinbar gab es Antibiotikaresistenzen schon bevor es überhaupt Antibiotika gab, fand man doch solche Resistenzen in seit Millionen Jahren isolierten Bakterien. Andererseits gibt es heute Länder in denen antibiotikaresistente Bakterien die Regel und nicht mehr die Ausnahme sind. Die naheliegende Interpretation dieser beiden Fakten ist: Antibiotikaresistenzen gibt es schon natürlicherweise, sie nehmen aber mit dem Einsatz von Antibiotika zu.
    Mit einiger Wahrscheinlichkeit würden bestehende Antibiotikaresistenzen sogar abnehmen, wenn die Antibiotikaverschreibung abnähme oder bestimmte Antibiotika nicht mehr verwendet würden. Dann würden nämlich viele Bakterien ihre Antibiotikaresistenzgene wieder verlieren, weil sie überflüssig wären und überflüssige Gene evolutiv bedingt, irgendwann eliminiert werden.
    Fazit: Ein restriktiver Einsatz von Antibiotika kann wahrscheinlich sogar heute noch den Trend umkehren und dazu führen, dass Antibiotikaresistenzen wieder abnehmen.

    • Ja, das wäre zu vermuten. Die Resistenz gegen Antibiotika ist für ein Bakterium nicht umsonst. In einer von Antibiotika freien Umgebung hat es energetische Nachteile gegenüber seinen nicht resistenten Kollegen und wird mit der Zeit verschwinden. Wenn dem so ist, müssten Menschen, die sich selten oder nie mit Antibiotika behandeln lassen auch entsprechend selten mit resistenten Keimen belastet sein.

      • @ralph (Zitat): Wenn dem so ist, müssten Menschen, die sich selten oder nie mit Antibiotika behandeln lassen auch entsprechend selten mit resistenten Keimen belastet sein. Das wäre so, wenn die Bakterien/Keime eines Menschen nicht von aussen kämen, wenn sie also zum Mikrobiom eines Menschen gehörten. Doch gerade gefährliche/krankmachende Keime kommen ja von aussen. Inzwischen kann man sich scheinbar sogar mit antibiotikaresistenten Enterokokken aus Fleisch von der Tiermast anstecken.

        • @Martin Holzherr
          Nach meiner These hätten die von außen kommenden resistenten Bakterien im Mikrobiom einen schweren Stand, solange keine Antibiotika hinzukommen. Ihre Vermehrungschancen sind dann einfach geringer als die des nicht resistenten Stammpersonals.
          Falls dem so ist, müssten Menschen, die sich selten oder nie mit Antibiotika behandeln lassen mit deutlich weniger resistenten Keimen belastet sein, als diejenigen, die sich regelmäßig mit Antibiotika behandeln lassen, ansonsten aber in einer vergleichbarer Umgebung leben. Das unter der Voraussetzung, dass durch Nahrung und Trinkwasser aufgenommene Antibiotikarückstände, im Vergleich mit medizinisch verordneten Dosen, eine vernachlässigbare Rolle spielen.

  3. Anja Rüther,
    ….dass diese „superbugs“ nun im Meer einen Lebensraum gefunden haben finde ich sehr beunruhigend.
    Irgendwann muss man vor dem Baden im Meer warnen.
    Könnte es sein, dass demnächst die Fische auch zu den Trägern von antibiotikaresistenten Keimen werden?

    • @hmann: diese „superbugs“ nun im Meer einen Lebensraum gefunden haben. Die meisten „superbugs“ werden im Meer schnell absterben. Gewässer, die ins Meer führen werden diese „superbugs“ wohl mit sich führen.

  4. Das ist ja erschreckend!! Der Mensch gefährdet sich und seine Umwelt durch den unmäßigen Einsatz von Antibiotika. Da sollte dringend ein Umdenken stattfinden und der unkritische Verbrauch von Antibiotika eingeschränkt werden.

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